Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Omar I***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendgeschworenengericht vom 4. Juli 2018, GZ 615 Hv 3/18g-41, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem verkündeten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Omar I***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 21. Februar 2018 in W***** versucht, Saad Daahir J***** zu töten, indem er ihm mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 16 Zentimetern einmal in den Rücken und mehrmals in den Hals stach, wodurch dieser eine Stichwunde der rechten Rückenregion in Höhe des neunten Brustwirbels mit einem rund 13 Zentimeter langen Stichkanal, der mit einer Eröffnung der Brusthöhle, einer Stichverletzung der rechten Lunge, einer Durchtrennung des Zwerchfells, Eröffnung der Bauchhöhle und Verletzung der Leber einherging, eine oberflächliche Stichwunde an der linken Halsseite etwa fünf Zentimeter unterhalb des Ohres, eine klaffende rund ein Zentimeter breite Stichwunde an der rechten Halsseite etwa sechs Zentimeter unterhalb des Ohres, und eine weitere oberflächliche Stichwunde in der rechten seitlichen Hals-Nacken-Region mit einer knapp einen Zentimeter breiten Stichwunde sowie eine Schnittwunde an der Daumenseite des rechten Zeigefingers in Höhe des Mittelgelenks erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Mit seiner Fragenrüge (
Z 6) kritisiert der Rechtsmittelwerber, dass – entgegen seinem Antrag in der Hauptverhandlung (ON 40 S 23) – die Stellung einer
Eventualfrage nach Totschlag (§
76 StGB) unterblieb.
Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, somit fallbezogen des die begehrte
Eventualfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0119417; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23). Dass eine derartige Fragestellung geboten gewesen wäre, argumentiert die Beschwerde mit
- der Wiedergabe zum Teil aus dem Kontext gelöster und eigenständig gewerteter Passagen der Verantwortung des – zudem einen Tötungsvorsatz leugnenden (ON 40 S 6 f) – Angeklagten, der betont habe, dass ihn das Tatopfer mehrfach damit provoziert habe, HIV-positiv zu sein, er diese Aussagen sehr ernst genommen habe (ON 40 S 5), aufgrund der letzten Provokation sehr wütend geworden und, auch aufgrund vorangehenden Marihuanakonsums, nicht normal gewesen sei (ON 40 S 6, 10), sich an Details nicht erinnern können, infolge seiner Angst nicht in der Lage gewesen sei, sich einem Test zu unterziehen und davon ausgegangen sei, im Fall einer HIV-Infektion zu sterben und von der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden (ON 40 S 8, 11),
- der Zeugenaussage des Ayman al J*****, der den psychischen Ausnahmezustand des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt geschildert habe, wonach dieser geweint habe und sich – nach der Tat – verletzen habe wollen, aber darauf hinwies, dass er ihn als extrem ruhigen und guten Menschen gekannt habe (ON 40 S 13), sowie
- dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen, dass die Tathandlung als Impulstat zu qualifizieren sei und der Angeklagte mit Belastungssituationen schlechter umgehen könne, weil seine Schutz- und Abwehrmechanismen gemindert seien.
Zur allgemeinen Begreiflichkeit weist die Rüge auch auf die Situation des Angeklagten als Ausländer ohne familiäre Bindung im Inland hin, der im Tatopfer eine Art Familienersatz gesehen habe, sodass die Provokationen weit schwerer gewogen hätten, als wären sie von einem sonstigen Dritten ausgesprochen worden.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde kein hinreichendes Indiz in Richtung eines nicht nur heftigen, sondern auch
allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekts zur Tatzeit auf, der sogar stärkste sittliche Hemmungen, wie sie gegen die vorsätzliche Tötung eines Menschen bestehen, hinwegzufegen geeignet ist (RIS-Justiz RS0092271, RS0092087, RS0092259, RS0099233, RS0092338). Damit werden keine in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten Tatsachen deutlich und bestimmt angesprochen, durch die die begehrte Fragestellung indiziert gewesen sein soll. Solcherart verfehlt der Beschwerdeführer die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119418; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23, 42 und 43).
Mit der nachfolgenden Kritik an der Begründung der Ablehnung der Eventualfrage durch den Schwurgerichtshof (ON 40 S 23) verlässt die Rüge den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E124299European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00113.18M.0304.000Im RIS seit
18.03.2019Zuletzt aktualisiert am
18.03.2019