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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des JT in G, vertreten durch Dr. Rainer Kurbos, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 19. Mai 1998, Zl. UVS 303.2-9,10/97-21, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 29. September 1997 wurde der Beschwerdeführer (u.a.) schuldig erkannt, er habe sich am 29. Oktober 1996 um 14.00 Uhr in Graz, Polizeigefangenenhaus, "nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkohol, mit einem Gerät, das den Alkoholgehalt der Atemluft misst und entsprechend anzeigt, untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, dass er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 29.10.1996, zwischen 11.25 Uhr und 12.42 Uhr den Pkw FB-9NYA lenkte".
Er habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO 1960 verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe von
S 50.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 42 Tage) verhängt.
Mit diesem Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführer auch noch vier weiterer Übertretungen schuldig erkannt und hiefür bestraft.
In der Begründung dieses Bescheides heisst es im Wesentlichen, es sei hinsichtlich des näher bezeichneten Pkws eine Funkfahndung nach einem Diebstahl erlassen worden. Aus diesem Grunde habe die Bezirksfunkstreife "Schillerplatz 1" an einer bestimmten Straßenkreuzung Aufstellung genommen. Diese habe das Fahrzeug anhalten können, wobei von den näher bezeichneten Anzeigenlegern festgestellt worden sei, dass das Fahrzeug vom Beschwerdeführer bis zum Anhalteort gelenkt worden sei. Der Beschwerdeführer sei nicht bereit gewesen, aus dem Fahrzeug auszusteigen, weshalb er mit "Maß haltender Gewalt" aus dem Fahrzeug habe herausgezogen werden müssen. Im Zuge der weiteren Amtshandlung hätten die einschreitenden Polizeibeamten beim Beschwerdeführer deutliche Alkoholisierungssymptome, wie einen starken Alkoholgeruch aus dem Mund, feststellen können. Da der Beschwerdeführer gegenüber den einschreitenden Sicherheitswachebeamten weiterhin "äußerst renitent" gewesen sei, habe er aus "polizeitaktischen Gründen" mit dem Arrestantenwagen direkt in das Polizeigefangenenhaus überstellt werden müssen. Um 14.00 Uhr dieses Tages sei der Beschwerdeführer im Polizeigefangenenhaus aufgefordert worden, sich einer Untersuchung der Atemluft auf Alkohol zu unterziehen. Dieser Aufforderung sei nicht entsprochen worden. Der vorliegende Sachverhalt sei dem Beschuldigten in der Justizanstalt Karlau zur Kenntnis gebracht und ihm "gem. § 43 Abs. 3 AVG i.V.m. § 40 Abs. 1 und 3 VStG 1991" Gelegenheit gegeben worden, sich hiezu niederschriftlich zu äußern.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde "die Berufung abgewiesen, und der Spruch dahingehend ergänzt, dass vor dem Wort 'lenkte' der Passus eingefügt wird 'in Graz, Fahrtstrecke zwischen Wetzelsdorf 35 und Janneckweg 63'".
In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde im Wesentlichen davon aus, dass der Beschwerdeführer ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen gelenkt habe, wobei auf Grund des vom einschreitenden Straßenaufsichtsorgan festgestellten Alkoholgeruchs aus dem Mund des Beschwerdeführers die begründete Vermutung vorgelegen sei, dass er sich beim Lenken des Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Die Aufforderung zur Durchführung des Alkotests mittels Alkomaten, welche vom Beschwerdeführer auch als solche verstanden worden sei, sei zu Recht erfolgt. Auf Grund der dem auffordernden Beamten gegenüber unmissverständlich gemachten Äußerung, jedenfalls keinen Alkotest durchführen zu wollen, sei der Tatbestand im Sinne des § 5 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 als erfüllt anzusehen. Der Spruch sei "zwecks Klarstellung entsprechend zu modifizieren" gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
§ 5 Abs. 2 StVO 1960 in der Fassung der im Beschwerdefall anzuwendenden 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, lautet:
"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand
1.
ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder
2.
als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen."
§ 5 Abs. 4 leg. cit. bestimmt:
"Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben."
Nach § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
Der Beschwerdeführer bringt unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 4 leg. cit. vor, in der Zeit zwischen 12.45 Uhr und 14.00 Uhr seien keine Anstalten gemacht worden, die Atemluft des Beschwerdeführers auf ihren Alkoholgehalt zu untersuchen. Ebenso sei der Beschwerdeführer nicht zur nächstgelegenen Dienststelle gebracht worden. Das Polizeigefangenenhaus sei keine Dienststelle. Die belangte Behörde führe selbst aus, dass eine polizeiärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers mangels Erforderlichkeit nicht durchgeführt worden sei. Fraglos sei jedoch nicht festgestellt worden, ob es im Polizeigefangenenhaus ein Atemalkoholmessgerät überhaupt gebe. Der Beschwerdeführer sei zu keinem Atemalkoholmessgerät geführt worden und gebe es keine sachliche Rechtfertigung für das Vorgehen der Behörde. Zu all dem habe die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen.
Dem Beschwerdeführer ist zu entgegnen, dass es sich bei der Verbringung des Beschwerdeführers in das Polizeigefangenenhaus in Graz um keine Verbringung zur nächstgelegenen Dienststelle im Sinne des § 5 Abs. 4 leg. cit. gehandelt hat, sondern diese Verbringung aus den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten "polizeitaktischen Gründen" erfolgte (die belangte Behörde weist in diesem Zusammenhang in ihrer Gegenschrift auch darauf hin, dass bei der durchgeführten Visitierung des Beschwerdeführers ein Ausgangsschein der Justizanstalt Graz-Karlau vorgefunden worden sei, wonach der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt in dieser Justizanstalt inhaftiert gewesen sei und am 29. Oktober 1996 von 07.30 Uhr bis 19.00 Uhr einen Freigang gehabt habe). Insofern ist daher das Vorbringen, das Polizeigefangenenhaus sei keine Dienststelle im Sinne des § 5 Abs. 4 leg. cit., vom Ansatz her verfehlt.
Die genannten "polizeitaktischen Gründe" waren aber auch die Ursache, dass zwischen 12.45 Uhr und 14.00 Uhr, wie es der Beschwerdeführer formuliert, "keine Anstalten gemacht (wurden), die Atemluft des Beschwerdeführers auf ihren Alkoholgehalt zu untersuchen". Dies ist insofern - auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde - insofern zu präzisieren, dass der Beschwerdeführer erst um 14 Uhr (im polizeilichen Gefangenenhaus) zur Atemalkoholuntersuchung aufgefordert wurde. Das Gesetz enthält aber keine Bestimmung, dass der Tatbestand der Z. 1 des zweiten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO 1960 nur in dem Sinn subsidiär anzuwenden wäre, dass bei einer Anhaltung des Fahrzeuglenkers nur § 5 Abs. 2 erster Satz StVO 1960 zur Anwendung kommen könnte, also nicht auch später eine Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft (nach der Z. 1 des zweiten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO 1960) ergehen könnte.
Hinsichtlich des Vorwurfes, die Behörde habe keine Feststellungen getroffen, ob es im Polizeigefangenenhaus ein Atemalkoholmessgerät überhaupt gebe, ist darauf zu verweisen, dass das Gesetz dem zur Alkoholuntersuchung Aufgeforderten kein Recht einräumt, die Untersuchung mit dem Hinweis zu verweigern, es sei kein Atemalkoholmessgerät an Ort und Stelle.
Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die durch die belangte Behörde vorgenommene Spruchergänzung und rügt dabei, sie habe über eine andere Straftat erkannt.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem nicht zu folgen. Sind doch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. November 1997, Zl. 97/02/0431) Zeit und Ort des "Lenkens" des Kraftfahrzeuges nicht Tatbestandsmerkmale einer Übertretung nach § 5 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960, sondern kommt es auf Zeit und Ort "der Verweigerung" des Alkotests an. Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde gingen vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Z. 1 des zweiten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO 1960 aus. Schon der Spruch des Bescheides erster Instanz enthält den Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer verdächtig war, sein Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1999, Zl. 98/03/0229, 0231). Wenn die belangte Behörde diesen (erforderlichen) Hinweis noch weiter konkretisierte, so wurde der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verfolgungsverjährung geltend macht, weil das erstinstanzliche Straferkenntnis erst nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangen sei, so übersieht er die am 16. April 1997 durchgeführte niederschriftliche Vernehmung des Beschuldigten.
Wenn der Beschwerdeführer aber schließlich als Verfahrensrüge geltend macht, die belangte Behörde habe sich mit den in der Berufung erhobenen Einwendungen "überhaupt nicht auseinander gesetzt bzw. durch Scheinbegründungen die gerechtfertigten Einwendungen abgetan", so unterlässt es der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines allenfalls darin gelegenen Verfahrensmangels darzutun.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich machte.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 26. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999030069.X00Im RIS seit
21.02.2002Zuletzt aktualisiert am
12.10.2017