Entscheidungsdatum
20.11.2018Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L504 1421079-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX XXXX1986 geb., StA. Türkei, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 55, 58 Abs 10 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Mit dem hier angefochtenen Bescheid hat das Bundesamt den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß §§ 55, 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, zurückgewiesen.
Aus dem Verfahrensgang des Bescheides ergibt sich Folgendes:
"[...]
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Sie haben am 06.06.2011 bei der Erstaufnahmestelle West, unter Zahl 11 05.455 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 Asylgesetz 2005 gestellt.
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Ihren Antrag begründeten Sie im Wesentlichen damit, dass Sie Ihre Heimat verlassen haben, weil Sie als Kurde in der Türkei verfolgt und bedroht worden wären. Sie hätten an Demonstrationen teilgenommen und Sie hätten sich in den Jahren 2002 und 2003 in Polizeigewahrsam befunden.
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Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2011, Zahl 11 05.455-EASt West wurde Ihr Antrag abgewiesen. Ihnen wurde gemäß § 3 Abs. 1. AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 AsylG Abs. 1 Z. 1 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt und Sie wurden gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.
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Eine gegen diese Entscheidung am 23.08.2011 eingebrachte Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 07.05.2013, Z.: E2 421079-1/2011/18Z gem. §§ 3,8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 23.05.2013 in Rechtskraft.
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Sie wurden mit 23.05.2013 rechtskräftig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Sie haben laut eigenen Angaben Österreich nach Erhalt des negativen Bescheides in Richtung Schweiz verlassen.
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Am 27.01.2014 um 10:30 Uhr erfolgte Ihre Überstellung von der Schweiz mit Zug HG 8151 aus Zürich gem. dem Dubliner Übereinkommen (Verordnung EG Nr. 343/2003) des Rates - Übernahme durch Österreich.
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Im Zuge der Amtshandlung im Stadtpolizeikommando Schwechat stellten Sie am 27.01.2014 erneut bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Ihr Antrag wurde durch die Erstaufnahmestelle West zugelassen und Sie erhielten ein neuerliches Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz.
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Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA, RD Kärnten, vom 03.12.2015 abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen (GZ: 13-810545507/14054402).
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Gegen diese Entscheidung erhoben Sie fristgerecht Beschwerde, diese wurde am 06.04.2016 vom BVwG als unbegründet abgewiesen (GZ: L507 1421079-2/13E).
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Gegen diese Erkenntnis gingen Sie, vertreten durch Ihren Anwalt, Dr. Farhad PAYA, 9020 Klagenfurt a. W., Herrengasse 12/I, in die außerordentliche Revision, der Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichts am 05.09.2016, wies die Revision zurück (GZ: Ra 2016/19/0074-6).
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Am 28.11.2016 stellten Sie beim BFA, RD Kärnten, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, RA Dr. LENNART BINDER, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK, "Aufrechterhaltung des Privat - und Familienlebens" gemäß §55 Abs1 AsylG idgF.
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Mit Schreiben vom 07.03.2017 wurde dem MigrantInnenverein St. Marx eine Ladung zur Einvernahme betreffend Ihren Antrag für den 16.03.2017 09:30 Uhr zugesandt. Diese Ladung wurde am 08.03.2017 persönlich übernommen.
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Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Klagenfurt am 16.03.2017 bezüglich Ihres Antrages vom 29.11.2016 gaben Sie vor einem Organwalter des Bundesamtes im Wesentlichen Folgendes an:
...................
Die anwesenden Personen werden vorgestellt und deren Funktion/Aufgabe im Verfahren dargestellt.
Ich werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann.
F: Auf Grund Ihrer vorgelegten Schreiben und Angaben hat das Amt keinen Dolmetsch beigezogen. Sind Sie in der Lage den Fragen zu folgen und eine Antwort zu geben?
A: Ja, alles kein Problem.
F: Sind sie gesund? Nehmen Sie momentan Medikamente? Wenn ja, welche?
A: Manchmal habe ich Kopfschmerzen.
F. Sie können zum jetzigen Zeitpunkt der Einvernahme folgen?
A: Ja, ich bin fit.
F: Werden sie im gegenständlichen Verfahren vertreten?
A: Ja, durch den MigrantInnenverein St. Marx.
F: Ich weise Sie daraufhin, dass Sie im Zuge Ihres Verfahrens und der Einvernahme zur Wahrheit verpflichtet sind.
A: Ich sage immer die Wahrheit.
F: Sie haben bis dato noch keine Duldungskarte beantragt, warum haben Sie am 28.11.2016 einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel gem. §55 Abs.1 AsylG gestellt?
A: Der Verein MigrantInnenverein St. Marx, konkret Herr Dr. LENNART BINDER, hat mir dazu geraten. Ich war dafür extra in Wien.
F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?
A: Das erste Mal war ich 2011 in Österreich, stellte einen Asylantrag, dieser wurde abgewiesen. Anm.: Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 07.05.2013, rk am 23.05.2013.
F: Im Zuge dieses Verfahrens wurde eine Ausweisung gegen Sie ausgesprochen (rk 23.05.2013). Sie sind dann in die Schweiz geflüchtet. Wann genau war das?
A: Nach dem ich die negative Entscheidung erhalten habe.
F: Das heißt, Sie waren im Zeitraum Juli 2013 bis Jänner 2014 in der Schweiz.
A: Ja, das ist so richtig.
F: Man kann also von einem durchgehenden Aufenthalt in Österreich seit Jänner 2014 sprechen?
A: Das ist richtig, seit damals bin ich durchgehend in Österreich.
F: Nachdem Sie wieder in Österreich waren, haben Sie erneut einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, welcher am 06.04.2016 in der zweiten Instanz rechtskräftig abgelehnt wurde. Ist das so korrekt?
A: Ja.
F: Haben Sie Österreich seit 27.01.2014 (Überstellung aus der Schweiz) je verlassen? Die Behörde geht somit begründet von einem durchgehenden Aufenthalt erst seit 27.01.2014 aus, da Sie davor Österreich freiwillig verlassen haben.
A: Nein, seit damals habe ich habe Österreich nie verlassen.
F: Haben Sie neue Beweismittel oder Dokumente vorzulegen? Es wurden in Ihren Empfehlungsschreiben Ihre guten Deutschkenntnisse und die abgelegten Kurse angeführt, haben Sie die entsprechenden Dokumente mit. Ihrem Antrag waren keine Zeugnisse beigefügt.
A: Ja, habe ich mit. (ÖSD Sprachdiplom Deutsch A2 Grundstufe Deutsch 2 "Gut Bestanden" vom 20.06.2013, wird vorgelegt, dem Akt beigefügt).
F: Wie lautet Ihre Wohnanschrift und wohin können/sollen Ihnen Schriftstücke zugestellt werden?
A: Meine Wohnanschrift lautet XXXX.
F: Haben Sie eine Familie in Österreich?
A: Ich habe jetzt keine Familie in Österreich.
F: Lebt Ihre Familie nach wie vor in Türkei?
A: Ja, der Rest meiner Familie lebt noch in Türkei, ein Teil auch in der Schweiz.
F: Haben Sie in Ihrem Verfahren bisher Identitätsdokumente vorgelegt?
A: Nein, ich besitze keinen Pass oder ähnliches.
F: Besitzen Sie einen Reisepass oder können Sie sich einen ausstellen lassen?
A: Nein, ich will mir auch keinen türkischen Pass ausstellen lassen, ich will einen österreichischen Pass, oder einen Aufenthaltstitel.
F: Wie verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? Gehen Sie einer geregelten Beschäftigung nach?
A: Ich bin in der Grundversorgung, beziehe 40€ Taschengeld. Ich würde gerne arbeiten und auf meinen eigenen Beinen stehen.
F: Wie hoch sind Ihre monatlichen Ausgaben?
A: Ich habe keine Fixkosten.
F: Haben Sie Unterhaltspflichten?
A: Keine.
F: Haben Sie offene Verbindlichkeiten (Kredit, Auto, etc.,...)
A: Nein.
F: Wie weit ist Ihre Integration fortgeschritten und wie sind Ihre Deutschkenntnisse?
A: Ja, ich fühle mich integriert, ich fühle mich in Österreich sehr wohl. Ich besuche Deutschkurse, diese sind im Moment zwar etwas unter meinem Niveau, aber ich nehme daran teil, um zu üben. Ich will in weiterer Folge noch Kurse besuchen.
F: Sie haben eine Einstellungszusage der Fa. "Pizza-XXXX" in XXXX vorgelegt. Diese Ortschaft befindet sich in Oberösterreich, wie kommen Sie dazu?
A: Der Besitzer ist ein Freund von mir, er hat mir diese Zusage geschickt. Ich würde im Notfall auch nach Oberösterreich gehen, wenn ich dort arbeiten dürfte.
F: Weiters ist heute ein E-Mail des XXXX mit der Angabe Sie wären auf Arbeitssuche und der Möglichkeit, für Sie eventuell eine Arbeit zu finden, eingelangt. Gibt es hierzu schon konkretere Angaben? Bei welchen Betrieben waren Sie schon?
A: Ich war beim AMS, bei einer konkreten Firma war ich nicht.
F: Haben Sie einen Freundes- oder Bekanntenkreis in Österreich?
A: Ich habe schon viele Freunde in XXXX und Klagenfurt, ich kenne diese vom Sport und eine Familie kenne ich sehr gut, diese sind meine Nachbarn in XXXX.
F: Hatten Sie je Probleme mit der Polizei?
A: Nein, gar nichts.
F: Sie wissen, dass Ihr Aufenthalt im Moment illegal ist, Sie sind zur Ausreise verpflichtet?
A: Ja, das ist leider so, ich will hier bleiben.
F: Ihr Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates läuft noch, Sie hatten zuletzt am 07.06.2016 eine Ladung zur Identitätsprüfung und wirkten mit. Dessen sind Sie sich bewusst?
A: Ja, das stimmt so.
Das BFA, RD Kärnten, wird Ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat - und Familienlebens" zurückweisen, weist Sie allerdings daraufhin, dass Sie ab April 2017 eine Duldung beantragen können, um einen Ausweis und beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen.
Ich habe mir den Inhalt der Niederschrift durchgelesen. Ich habe alles verstanden, die Niederschrift ist korrekt und ich habe nichts mehr hinzuzufügen.
Ende der Amtshandlung um 11:30Uhr
................................
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Sie reisten nie aus Österreich aus und halten sich seit 06.04.2016 illegal in Österreich aus.
[...]"
Das Bundesamt hat in das Verfahren folgende Beweismittel einbezogen:
"Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:
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Ihr Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß §55 Abs1 AsylG vom 28.11.2016
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Antragsbegründung des MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, Pulverturmgasse 4/2R01 vom 22.11.2016
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Teilnahmebestätigung über die Teilnahme an Veranstaltungen des Interkulturellen Zentrums Völkermarkt und Bestätigung über die Bemühungen zur Integration Ihrer Person, des Interkulturellen Zentrums Völkermarkt vom 16.03.2017
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Teilnahmebestätigung "Deutschkurs Niveau A2" im Ausmaß vom 36 Unterrichtseinheiten des katholischen Bildungswerkes vom 13.11.2014
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Zertifikat ÖSD A2 Grundstufe Deutsch 2 "gut bestanden" vom ÖSD vom 20.06.2013
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Kursbesuchsbestätigung "Deutschkurs A2" 10 Einheiten des katholischen Bildungswerkes vom 26.01.2016
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Einstellungszusage der Firma "Pizza - XXXX vom 08.01.2017
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Unterstützungserklärung für Herrn XXXX, unterzeichnet von 55 Personen vom 30.10.2016
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Kopie Ihrer Aufenthaltsberechtigungskarte gem. §51 AsylG2005
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Kopie Ihres ZMR-Auszuges vom 13.03.2014
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Kopie Ihres Ausweises von der Alpen - Adria Universität Klagenfurt
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Bestätigung über den Besuch der Deutschkurse im Zeitraum Februar bis Juli 2016 des XXXX, XXXX, vom 25.07.2016
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Lernerfolgsbestätigung der Volksschullehrerin XXXXvom 17.01.2016
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Stellungnahme von XXXXvom 17.01.2016 und 22.03.2016
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Bestätigung über Teilnahme am Themenwochenende "Wenn du mich verstehen lernst, verstehe ich dich auch besser" vom 16.02.2016
? Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
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Ihr gesamter IFA - Akt IFA-Zahl: 810545507
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Ihre Einvernahme vom 16.03.2017
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Ihr historischer ZMR - Auszug vom 16.03.2017
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Ihr Sozialversicherungsauszug vom 16.03.2017
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Ihr Strafregisterauszug vom 16.03.2017"
Das Bundesamt begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass seit der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung durch das BVwG, mit Erkenntnis vom 06.04.2016, keine maßgebliche Sachverhaltsänderung hinsichtlich des Privat- und Familienlebens eingetreten sei, die eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich gemacht hätte und hat den Antrag mit Bescheid vom 16.03.2017 gem. § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat die bP durch ihre gewillkürte Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wird moniert, dass im Vergleich zur letzten Entscheidung nunmehr
* eine Einstellungszusage vorliege und damit der Beweis erbracht werde, dass die bP keine finanzielle Belastung für die Gebietskörperschaft darstelle;
* ein sprachliche Integration gegeben sei und die bP Deutsch auf Niveau B1 spreche, dadurch sei eine maßgebliche Änderung und Intensivierung der sozialen Kontakte verbunden;
* die bP diese Integrationsänderung durch Bescheinigungsmittel auch nachgewiesen habe
* der bP auch anzurechnen wäre, dass sie sich wohlverhalten hat und sie unbescholten sei
Die bP hat seit der Beschwerde keine weiteren, in ihrer persönlichen Sphäre liegenden Umstände mehr vorgebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Das BVwG hat zuletzt mit Erkenntnis vom 06.04.2016 nach Durchführung einer Verhandlung eine rk. Rückkehrentscheidung mit einer 14tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise verfügt und dabei in der Begründung ausgeführt, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen an einem Verbleib überwiegen. Das BVwG berücksichtige dabei folgende vorgelegte Bescheinigungsmittel:
Österr. Sprachdiplom A2 Grundstufe Deutsch 2 v. 20.06.2013
Ausweis für Studierende der Alpen-Adria Universität Klagenfurt
Telnahmebest. des Kath. Bildungswerkes v. 13.11.2014 (Deutschkurs Niveau A2)
Teilnahmebest. des Kath. Bildungswerkes v. 13.11.2014 (Deutschkurs Niveau A1)
Kursbest. der Caritas v. 12.11.2012 (Kurs 2)
Kursbest. der Caritas v. 26.02.2013 (Kurs 3)
Kursbest. der Caritas v. 11.06.2013 (Kurs 4)
Best. des BFI v. 23.12.2011
Lernerfolgsbest. der Volksschullehrerin S.K. v. 17.01.2016
Schreiben der AK v. 25.06.2013 (ÖSD Grundstufe Deutsch A2)
Stellungnahme der Diplomsozialarbeiterin M.T. vom 17.01.2016
Die bP hat nach Ablauf der 14tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise das Bundesgebiet nicht verlassen und hält sich seit der rk. Entscheidung des BVwG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihren Aussagen ist zu entnehmen, dass sie es bevorzugt weiterhin in Österreich zu leben.
Mit Beschluss vom 03.09.2016 hat der Verwaltungsgerichtshof eine dagegen erhobene ao. Revision zurückgewiesen.
Am 28.11.2016 stellte die bP mit dem damit vorgesehenen Formular einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs 1 AsylG. Sie hat demnach keine Familienangehörigen in Österreich. Für die Dauer des weiteren Aufenthaltes führt sie eine Krankenversicherung aus der Grundversorgung ins Treffen. Als verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Aufenthaltsdauer gibt die bP als "Einkommen, geldwerte Ansprüche" die staatliche Grundversorgung in der Höhe von 40 Euro monatlich an.
Zu den Angaben zur Integration führte sie im Formular an:
Durchgängiger Aufenthalt in Österreich seit 2011 - 2013 und 27.01.2014 - bis jetzt
Deutschkenntnisse: A2
Ausbildung: ich habe B1 in Vorbereitung
Bestehen eines Privat- und Familienlebens: ich bin in kulturellen und sportlichen Vereinen integriert (Theater, Volleyball und Fußball)
Sonstige Integrationsgründe: Meine soziale Integration hat sich durch viele Bekanntschaften maßgeblich verbessert; 1 Semester besuchte ich die Universität in Klagenfurt.
Mit Schriftsatz vom 22.11.2016 führte sie zur "Antragsbegründung" im Wesentlichen aus, dass sie seit ca. 6 Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei. Seit der Ausweisungsentscheidung hätten sich vielfältige Änderungen hinsichtlich Integration ergeben. Sie verfüge über eine Einstellungszusage eines Dienstgebers. Sie habe zahlreiche Kontakte zu ÖsterreicherInnen, sei arbeitsfähig und arbeitswillig und im Falle der Erteilung einer Arbeitsbewilligung würde sie keine Belastung für Österreich darstellen. Sie sei unbescholten.
Dem Schreiben legte sie bei:
ÖSD Sprachdiplom Deutsch A2 Grundstufe 2, gut bestanden, vom 20.06.2013
Bestätigung über Kursteilnahme "Wenn du mich verstehen lernst, verstehe ich dich aus besser" (Kochen syrischer, pakistanischer und persischer Spezialitäten, sowie Erzählen und vorstellen der eigenen Kultur und Geschichte) v. 11.-14.02.2016
Petition der DSA M.T. vom 22.03.2016 mit Ausführungen über die Bemühungen der bP sich zu integrieren
Stellungnahme der DAS M.T. vom 17.01.2016 über seine Integrationsbemühungen
Lernerfolgsbestätigung der S.K. v. 17.01.2016 über Lernerfolg in Deutsch
Bestätigung v. 25.07.2016 über den Besuch der Deutschkurse im Zeitraum Februar bis Juli 2016
Ausweis für Studierende v. 30.04.2016
Unterschriebene Unterstützungserklärung von Privatpersonen die sich für ein Humanitäres Bleiberecht aussprechen, vom 30.10.2016
Kursbesuchsbestätigung v. 26.01.2016 über Deutschkursbesuch Oktober 2015 bis Jänner 2016
Erklärung einer Pizzeria in Schwanenstadt/OÖ. Vom 08.01.2017, dass er die in Kärnten wohnhafte bP, im Falle der Erteilung einer positiven Arbeitsbewilligung, einstellen würde. Der Besitzer ist ein Freund der bP und hat dieser diese Bestätigung geschickt. Die bP würde ihren Angaben nach "im Notfall" auch nach Oberösterreich gehen, wenn sie dort arbeiten dürfte.
Mit Bescheid vom 16.03.2017 hat das Bundesamt diesen Antrag gem. § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen unstreitig aus dem Akteninhalt bzw. auch aus den eigenen Angaben der bP. Dieser wird der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist von § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005, wonach Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen dazu dar:
"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 06.04.2016 wurde die Rückkehrentscheidung mit Zustellung am 24.04.2016 rechtskräftig. Die bP stellt gegenständlichen Antrag am 28.11.2016 und entschied das Bundesamt darüber am 16.03.2017, zugestellt am 20.03.2017.
Gem. § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen.
Das BVwG hat hier im Beschwerdeverfahren nur zu prüfen, ob das Bundesamt hier zu Recht den Antrag zurückgewiesen hat.
Es ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass sich unter Berücksichtigung aller Umstände bzw. der getroffenen Feststellungen ergibt, dass sich seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung des BVwG keine maßgebliche Sachverhaltsänderung ergeben hat, die eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich gemacht hätte. Bereits das BVwG hat im Wesentlichen die im Antrag ins Treffen geführten Bescheinigungsmittel bzw. Integrationsangaben bereits berücksichtigt und sind die neu hinzugekommen nicht von einem derartigen Gewicht, dass sie dieser spruchgemäßen Entscheidung des Bundesamtes entgegen gestanden hätten.
Es war der Beschwerde somit nicht stattzugeben.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Das BVwG hat die von der bP zur Integration vorgelegten Bescheinigungsmittel und Angaben nicht in Zweifel gezogen und so der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
Da es sich der Aktenlage nach bei Deutsch um eine der bP verständliche Sprache handelt, bedurfte es keiner Übersetzung von Spruch und Rechtmittelbelehrung
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylverfahren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L504.1421079.3.00Zuletzt aktualisiert am
14.03.2019