Entscheidungsdatum
03.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2107094-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH & Volkshilfe Flüchtlingsdienst- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2015, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:
A)
I.
Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG eingestellt.
II.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und es wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 55 Abs 1 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 16.01.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie nach Zulassung des Verfahrens am 28.01.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) und gemäß § 8 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG" und erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei, und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III).
3. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 18.02.2015.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer im Beisein seines Vertreters teilnahm und zu der die belangte Behörde keinen Vertreter entsandte. Im Zuge der Verhandlung zog der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides zurück; die Beschwerde gegen Spruchpunkt III wurde ausdrücklich aufrechterhalten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. Nach pakistanischer Namensführung trägt der Beschwerdeführer den Namen XXXX, der Name seines Vaters lautet XXXX; geboren ist er am XXXX.
1.2. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in der Provinz Punjab, besuchte dort 10 Jahre die Schule und reiste im Dezember 2014/Jänner 2015 aus Pakistan aus. In Pakistan befindet sich noch die Mutter des Beschwerdeführers. Der Vater des Beschwerdeführers hat sich von der Mutter des Beschwerdeführers getrennt, als der Beschwerdeführer noch sehr jung war. Der Vater zog mit dessen zweiten Frau nach Karachi. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt seither abwechselnd bei einen ihrer vier Brüder und ist auf deren Unterstützung angewiesen. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Mutter in telefonischen Kontakt, mit anderen Verwandten nicht. Der Beschwerdeführer hat keine Geschwister.
1.3. Der Beschwerdeführer reiste am 16.01.2015 in das Bundesgebiet ein und hält sich seither ununterbrochen in Österreich auf. Gegenständlich handelt es sich um den einzigen Antrag auf internationalen Schutz, sein Aufenthalt ist seither rechtmäßig. Er verfügt seit 27.01.2015 durchgehend über eine Hauptwohnsitzmeldung in Österreich. Er hat von Beginn seines Verfahrens an sämtlichen Ladungen Folge geleistet und an seinen Verfahren mitgewirkt.
1.4. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er ist seit Mai 2017 nicht mehr auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Er war bereits seit 2016 in drei Saisonen im Rahmen von Kontingentbewilligungen in einem Gastronomiebetrieb sozialversicherungspflichtig unselbstständig beschäftigt. Von 20.06.2018 bis 28.09.2018 war er zudem im Rahmen einer Beschäftigungsbewilligung erlaubt bei einem Bau- und Malermeisterbetrieb beschäftigt. Aktuell verfügt er erneut über eine vom 15.11.2018 bis 15.04.2019 gültige Kontingentbewilligung für die Wintersaison 2018/2019 in jenem Gastronomiebetrieb, in dem er zuvor bereits beschäftigt war. Er erhält dafür ein monatliches Bruttoentgelt in der Höhe von EUR 1500,00. Jener Betrieb beschreibt den Beschwerdeführer als loyalen, aufmerksamen und fleißigen Menschen und wertvollen Mitarbeiter, der sich gut in das Team einfügt und auch mit allen soziale Kontakte pflegt. Der Beschwerdeführer kommt somit seit längerem selbst für seinen Unterhalt in Österreich durch selbstständige versicherungspflichtige Erwerbsarbeit auf. Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich eine eigene Existenz aufgebaut, bezahlt für seine Unterkunft Miete und ist sohin selbsterhaltungsfähig, arbeitsfähig und -willig. Der Beschwerdeführer hat mittlerweile seinen Freundeskreis auch in der österreichischen Bevölkerung gefunden.
1.5. Der Beschwerdeführer hat am 20.05.2017 beim Österreichischen Integrationsfonds den Deutschtest für Österreich bestanden und die Niveaustufe A2 erreicht; er kann sich verständlich in deutscher Sprache verständigen.
1.6. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen:
2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers (oben II.1.1.) ergeben sich im Einklang mit seinen Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und an denen auf Grund der Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Die unterschiedliche Namensführung in Österreich und Pakistan ergibt sich aus der in Pakistan anders praktizierten Namensführung (UK, A Guide to Names and Naming Practices, 2006, www.fbiic.gov/public/2008/nov/Naming_practice_guide_UK_2006.pdf). Der festgestellte Name XXXX, die Feststellung des Namens seines Vaters mit XXXX und dem Geburtsdatum des Beschwerdeführers XXXX beruhen auf den von ihm in der mündlichen Verhandlung am XXXX im Original vorgelegten pakistanischen Personalausweis ("Pakistan National Identity Card"). Seine Identität steht somit fest.
2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Lebensverhältnissen in Pakistan, seiner Ausreise aus Pakistan und zum Nichtbestehen eines Kontaktes zu seiner Familie (oben II.1.2.) beruhen auf seinen Angaben im ersten Verfahren vor dem BFA (dort AS Niederschrift Erstbefragung S 1; Niederschrift Einvernahme) sowie in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift (VHS) XXXX, S 7 f), welche insofern stringent waren und keine Anhaltspunkte für die Annahme boten, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich falsche Angaben gemacht hätte.
2.3. Die Feststellungen zur Einreise und zur Aufenthaltsdauer in Österreich sowie zum gestellten beiden Antrag auf internationalen Schutz (oben II.1.3.) ergeben sich aus dem Inhalt des vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes Die Feststellungen zur Wohnsitzmeldung beruht auf den Eintragungen im Zentralen Melderegister (ZMR).
2.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit Mai 2017 nicht mehr auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen ist (oben II.1.4.), ergibt sich aus seinen Angaben im Einklang mit den Eintragungen im elektronischen Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS). Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit sowie zum beruflichen Engagement und zu seinen seinem Arbeitgeber geschätzten Fähigkeiten beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Einklang mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und als unbedenklich erachteten Dokumenten (Arbeitsbestätigung vom 04.10.2018 und Arbeitgeberleumund vom 23.11.2018 seiner bisherigen Arbeitgeber, Dienstvertrag, Beschäftigungsbewilligung, Lohn- und Gehaltsabrechnungen (Beilage zur VHS vom XXXX). Schließlich konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung spontan von seinen österreichischen Freunden und den Aktivitäten, die er gemeinsam mit ihnen unternimmt, berichten (VHS, S 5, 9).
2.5. Die Feststellungen zur erfolgreich absolvierten Deutschprüfung und den vorhandenen Deutschkenntnissen (oben II.1.5.) beruhen auf dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und in Kopie zum Akt genommenen Zeugnis und dem in der mündlichen Verhandlung ohne Dolmetscher in deutscher Sprache geführten Gesprächsabschnitt. Der Beschwerdeführer verstand alle ihm in der Verhandlung in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort. Er konnte diese auch ohne zu zögern, wenn auch manchmal durch Nachfragen des Bundesverwaltungsgerichtes, verständlich beantworten (VHS XXXX, S 5, 6).
2.6. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist (oben II.1.6.), ergibt aus einer aktuellen Einsichtnahme in Strafregister der Republik Österreich (OZ 13).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Spruchpunkt I
Zur Einstellung des Verfahrens zu den Spruchpunkten I und II des angefochtenen Bescheides
3.1 Der Beschwerdeführer hat durch seinen ausgewiesenen Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides des BFA zurückzuziehen. Diese Erklärung weist auch keine Hinweise auf das Vorliegen von Willensmängeln auf (vgl VwGH 17.10.2013, 2011/21/0140; 17.04.2009, 2007/03/0040; 31.05.2006, 2006/10/0075; 11.07.2003, 2000/06/0173).
3.2. Die Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I und II bewirkt, dass Spruchpunkte I und II des gegenständlich angefochtenen Bescheides des BFA in Rechtskraft erwachsen sind, weshalb das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkte I und II des Bescheides des BFA spruchgemäß einzustellen war (vgl VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).
Spruchpunkt II
Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, Feststellung, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, Erteilung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten.
Rechtsgrundlagen
3.3. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
3.4. Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
3.5. Gemäß § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. (Abs 1)
Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. (Abs 1a) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. (Abs 2) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt. (Abs 3) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. (Abs 4)
3.6. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
3.7. Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
3.8. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
3.9. Gemäß § 55 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1.) dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und 2.) der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I Nr 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl Nr 189/1955) erreicht wird. Gemäß Abs 2 ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vorliegt.
3.10. Gemäß § 81 Abs 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Die §§ 7 bis 16 Integrationsgesetz, BGBl I Nr 68/2017, mit Ausnahme von § 13 Abs. 2 traten mit 1. Oktober 2017 in Kraft.
Zum gegenständlichen Verfahren
3.11. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).
3.12. Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).
3.13. Fallbezogen sprechen zunächst gegen den weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich und für die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die Umstände, dass der Beschwerdeführer im Jänner 2015 unrechtmäßig in Österreich eingereist ist und sein Aufenthaltsstatus grundsätzlich ein unsicherer war. Für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich spricht demgegenüber nach dem festgestellten Sachverhalt, dass sich der Beschwerdeführer seit 15.01.2015 und sich somit in wenigen Wochen seit fast vier Jahren ununterbrochen in Österreich aufhält, zudem durchgehend rechtmäßig. Der Beschwerdeführer hat von Beginn seines Verfahrens an sämtlichen Ladungen Folge geleistet und an seinen Verfahren mitgewirkt, weshalb ihm die bisherige Verfahrensdauer nicht anzulasten ist. Gegenständlich handelt es sich auch um den einzigen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er war bereits seit 2016 in drei Saisonen im Rahmen von Kontingentbewilligungen in einem Gastronomiebetrieb sozialversicherungspflichtig unselbstständig beschäftigt. Von 20.06.2018 bis 28.09.2018 war er zudem im Rahmen einer Beschäftigungsbewilligung erlaubt bei einem Bau- und Malermeisterbetrieb beschäftigt. Aktuell verfügt er erneut über eine vom 15.11.2018 bis 15.04.2019 gültige Kontingentbewilligung für die Wintersaison 2018/2019 in jenem Gastronomiebetrieb, in dem er zuvor bereits beschäftigt war. Er erhält dafür ein monatliches Bruttoentgelt in der Höhe von EUR 1500,00. Jener Betrieb beschreibt den Beschwerdeführer als loyalen, aufmerksamen und fleißigen Menschen und wertvollen Mitarbeiter, der sich gut in das Team einfügt und auch mit allen soziale Kontakte pflegt. Der Beschwerdeführer kommt somit seit längerem selbst für seinen Unterhalt in Österreich durch selbstständige versicherungspflichtige Erwerbsarbeit auf. Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich eine eigene Existenz aufgebaut und gezeigt, dass er selbsterhaltungsfähig, arbeitsfähig und -willig ist. Der Beschwerdeführer hat die zertifizierte Deutschprüfung für das Niveau A2 bestanden und kann sich auch auf Deutsch selbst in einer Gerichtsverhandlung verständlich ausdrücken. In Pakistan hat er hingegen nur noch seine Mutter, mit der er lediglich in telefonischen Kontakt steht. Seine Mutter ist jedoch selbst nicht selbsterhaltungsfähig, sondern auf die Unterstützung ihrer vier Brüder angewiesen, bei denen sie auch abwechselt lebt. Auch wenn der Beschwerdeführer zu seiner in Pakistan lebenden Mutter noch telefonischen Kontakt hat, so hat er mittlerweile doch seinen Lebensmittelpunkt, seine Freunde sowie Bekannte in Österreich. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher schließlich im konkret zu beurteilenden Fall aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am XXXX verschafften persönlichen Eindrucks hinsichtlich der bereits erfolgreich erfolgten Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft zu einer positiven Zukunftsprognose und zu dem festgestellten Sachverhalt.
In Anbetracht der gegenständlichen Umstände überwiegt das private Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seines Privatlebens in Österreich das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Es ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum öffentliche Interessen es zwingend erfordern würden, dass der Beschwerdeführer Österreich verlassen müsste.
3.14. Im Ergebnis ergibt sich daraus, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles den privaten Interessen des Beschwerdeführers ein so großes Gewicht zukommt, dass die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Es erweist sich daher die im angefochtenen Bescheid angeordnete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unzulässig und eine Rückkehrentscheidung daher auf Dauer unzulässig.
3.15. Der Beschwerdeführer hat im 20.05.2017 beim Österreichischen Integrationsfonds den Deutschtest für Österreich bestanden und die Niveaustufe A2 erreicht. Gemäß § 81 Abs 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Die §§ 7 bis 16 Integrationsgesetz, BGBl I Nr 68/2017, mit Ausnahme von § 13 Abs. 2 traten mit 1. Oktober 2017 in Kraft.
3.16. Es war daher im Ergebnis spruchgemäß der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides stattzugeben, festzustellen, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs 1 Z 2 AsylG den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen.
Zu B)
Revision
3.17. Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage klar bzw durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
3.18. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Abschiebung, Asylantragstellung, Asylverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2107094.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.03.2019