TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/20 W226 2128862-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs1 Z6
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W226 2128862-4/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX aliasXXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Ukraine alias Weißrussland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2018, Zl. 333027309/171353316

A)

I.) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.) beschlossen:

In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte II., III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist ukrainischer Staatsbürger und reiste unter Angabe einer Aliasidentität sowie einer weißrussischen Staatsbürgerschaft im April 2004 auf unbekannten Wege illegal ins Bundesgebiet ein. Er stellte einen Antrag auf Gewährung von Asyl, welcher bezogen auf den Herkunftsstaat Weißrussland geprüft wurde und letztlich rechtskräftig mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.05.2015, Zl. 04 07.149-BAG, abgewiesen wurde. Zugleich wurde die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Weißrussland festgestellt und diese Entscheidung mit einer rechtskräftigen Ausweisung verbunden.

2. Nach einem vorübergehenden illegalen Aufenthalt in der Schweiz und der erfolgten Rückübernahme erließ die BH XXXX mit Bescheid vom 29.08.2005 ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Laut Aktenlage wurde im Zusammenhang mit diesem erlassenen Aufenthaltsverbot an die Botschaft der Republik XXXX in der Republik Österreich ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt, wobei laut Aktenlage die Botschaft der Republik XXXXder Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg schriftlich mitteilte, dass es einen weißrussischen Staatsbürger mit der Identität des BF nicht gibt. Die Botschaft des angeblichen Herkunftsstaates nahm ausdrücklich darauf Bezug, dass es eine Person mit der vom BF geführten Identität laut Information der weißrussischen Polizeibehörden nicht gibt.

3. Gegen den BF wurde in weiterer Folge durch die BPD XXXX am 18.02.2008 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, da gegen den BF zahlreiche strafrechtliche Verurteilungen vorlagen. So wurde er mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 09.11.2004 wegen §§ 127, 130 StGB (Jugendstraftat) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt auf drei Jahre verurteilt. Anschließend erging ein rechtskräftiges Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 21.12.2004, wiederum wegen der Begehung der Delikte nach §§ 127 und 130 StGB sowie § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (unbedingte Freiheitstrafe von drei Monaten). Weiters erging ein rechtskräftiges Urteil des BG XXXX vom 22.09.2005 wegen der neuerlichen Begehung des Delikts nach §§ 15 und 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten und darüber hinaus ein Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 18.05.2006 wegen §§ 127 und 130 StGB (unbedingte Freiheitsstrafe von drei Monaten). Weiters wurde der BF mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 18.12.2007 wegen der Begehung des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 6 Jahren verurteilt.

4. Nach Verbüßung seiner langjährigen Freiheitsstrafe stellte der BF am 17.11.2014 einen Antrag auf Feststellung der tatsächlichen vom Antragsteller nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 46a Abs. 1 FPG und weiters einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 2 FPG.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 02.05.2016 wurde gemäß § 46a Abs. 1 FPG der Antrag vom 17.11.2014 bezüglich der Feststellung der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung und der Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 2 FPG abgewiesen. Mit Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2016 zur Zl. W226 2128862-1/2E wurde die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 3 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 als unbegründet abgewiesen.

6. Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 29.04.2016 wurde der BF wegen §§ 15 83/1 15 84/2 15 146 §15 269/1/3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt.

7. Mit Bescheid des BFA vom 18.01.2017 wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Ferner wurde unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.02.2017, Zl. W103 2128862-2, wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

9. Am 04.12.2017 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er niederschriftlich erstbefragt wurde. Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung verwies der BF auf einen durch die Ukraine gestellten Auslieferungsantrag an die StA XXXX, über welchen noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Da sich aufgrund dieses Antrages seine Situation gänzlich geändert hätte, stelle er hiermit erneut einen Antrag auf Asyl. Die Bedingungen in ukrainischen Justizanstalten seien menschenunwürdig - Folter, Gewalt, Misshandlungen und Missbrauch stünden an der Tagesordnung, medizinische Versorgung und hygienische Bedingungen erwiesen sich ebenfalls als sehr schlecht; der BF habe sich in der Ukraine bereits in Jugendhaft in einer Arbeitsstrafkolonie befunden und kenne daher die Bedingungen sehr gut. Im Falle einer Rückkehr würde er umgehend eingesperrt werden, was er physisch und psychisch nicht mehr durchstehen könnte. Er hätte keine Familie und keine Angehörigen in der Ukraine, weshalb sich sein Überleben in der Ukraine als sehr schwer darstellen würde.

10. Mit Beschluss des LG XXXX vom 15.12.2017 wurde die Auslieferung des BF in die Ukraine aufgrund des Auslieferungsersuchens des dortigen Justizministeriums vom 22.11.2016 wegen dem BF zur Last gelegter näher angeführter Straftaten (welche nach österreichischem Recht als die Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB sowie des räuberischen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 2 Z 1, 131 erster Fall StGB zu qualifizieren wären) für unzulässig erklärt. Begründend wurde - gestützt auf einen Report des CPT (Anti-Folter-Komitee) vom 19.06.2017 über die aktuellen Haftbedingungen in der Ukraine - im Wesentlichen ausgeführt, dass eine dem BF im Falle seiner Auslieferung drohende Artikel 3 EMRK widersprechende Behandlung durch die ukrainischen Strafverfolgungsorgane nicht ausgeschlossen werden könne.

11. Am 21.12.2017 wurde der BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Gesundheitszustand gab er an, in guter körperlicher Verfassung zu sein, das Asylverfahren aber psychische Auswirkungen habe. Er könne nicht gut schlafen. Er nehme derzeit nur Schlafmittel ein. In Behandlung oder Therapie befinde er sich nicht. Er habe in der Ukraine 10 Schulklassen besucht und Schlosser gelernt. In Österreich habe er eine Bäckerlehre gemacht, aber nie legal gearbeitet. Er sei ledig und habe in der Ukraine in XXXX gelebt. Er habe zuletzt im Sommer 2005 Kontakt zu Familienangehörigen in der Ukraine gehabt. Sein Vater und der ältere Bruder seien schon gestorben, sonst habe er nur noch seine Mutter und einen älteren Bruder. In der Ukraine habe seine Familie keine Besitztümer. Er sei von 2000 bis 2003 wegen Einbruchsdiebstahl im Gefängnis gewesen.

Zum Fluchtzeitpunkt gab er an, er habe sich Ende 2003 dazu entschlossen die Ukraine zu verlassen. Der Auslöser sei gewesen, dass er zunächst im Dorf eine Arbeit gehabt habe. Er habe alle ein bis zwei Wochen auf die Polizeistation gehen müssen und habe sein Arbeitgeber aufgrund der Schikane gesagt, dass er sich eine neue Arbeit suchen müsse. Er sei dann in die Hauptstadt gefahren, um Arbeit zu finden, dort sei ihm der Pass abgenommen worden. Er sei bei seiner Einreise nach Österreich jung und beeinflussbar gewesen, an falsche Leute gekommen und habe daher er im ersten Verfahren falsche Angaben gemacht. Leute hätten ihm gesagt, dass er dies machen solle, so könne er nicht abgeschoben werden. Er habe damals oft Rauschmittel genommen und sich keine Gedanken gemacht was er anrichte.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, in seinem Heimatland Probleme mit den Behörden gehabt zu haben. Er sei in der Ukraine und in Österreich vorbestraft und in der Ukraine inhaftiert gewesen. Es würden gegen ihn aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen bestehen. Nachdem er in der Jugendhaft gesehen habe, wie man mit den Leuten umgehe, sei das Leben in seinem Land unmöglich gewesen. Nach seiner Jugendhaft sei er von der Polizei schikaniert und geschlagen worden. Er habe versucht sich ein neues Leben aufzubauen und zu arbeiten, aber in der Arbeit habe man ihm nahe gelegt zu gehen. Er sei in die Hauptstadt gegangen und habe auf einer Baustelle gearbeitet. Er habe gemerkt, dass etwas nicht stimme. Er habe seinen Pass zurückhaben wollen, aber man habe behauptet, er werde für die Anmeldung benötigt. Er sei aber nie angemeldet worden. Er habe keine Möglichkeit gehabt nach Hause zurückzukehren und habe dort zu dritt auf 20qm gewohnt. Daher sei er nach Europa. Andere Gründe habe es zur damaligen Zeit nicht gegeben. Heute suche ihn die Ukraine angeblich wegen einer Straftat aus dem Jahr 2003. Es habe ein Auslieferungsverfahren gegeben. Er werde aber nicht ausgeliefert. Nach Vorhalt, dass er jetzt von den ukrainischen Behörden wegen des Verdachtes auf Mord und räuberischen Diebstahl gesucht werde, gab er an, dass dies behauptet werde, er dies aber nicht gemacht habe. Er sei zur Tatzeit anscheinend nicht zu Hause auffindbar gewesen und angeblich gebe es einen Fingerabdruck. Er wisse nicht, wie die darauf kommen würden. Bei einer Rückkehr würde er das eine Jahr absitzen müssen, dass ihm damals nach der 2/3 Entlassung erlassen worden sei. Dann würden noch die ganzen Sachen, die sie ihm jetzt anhängen wollen würden dazukommen.

Zu seinem Leben in Österreich führte er aus, dass er seinen Lebensunterhalt durch Diebstahl und Strafhaft bestritten habe, Sozialhilfe habe er nicht bezogen. Verwandte habe er hier keine. Er habe den Bäckerabschluss gemacht, sei in keinem Verein Mitglied und habe in Österreich nie legal gearbeitet. Er könne sehr gut Deutsch und habe kurz die Schule besucht.

Abschließend gab der BF an, dass er in seiner Jugend in eine russische Schule gegangen sei, aber in einer Gegend gewohnt habe, in der das Ukrainische streng durchgesetzt werde. Er könne nicht so gut ukrainisch. Dadurch habe er auch während der Haft viele Probleme gehabt.

13. Mit Bescheid des BFA vom 13.06.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 04.12.2017 in Spruchpunkt I. hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, in Spruchpunkt II. wurde der Antrag hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ebenfalls gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass der BF sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 1 Asylgesetz ab dem 11.12.2017 verloren hätte. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

14. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde in Spruchpunkt II. als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

"Bei der nach rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens auf internationalen Schutz am 22.11.2016 durch Interpol erfolgten Identifizierung des Beschwerdeführers als ukrainischer Staatsangehöriger handelt es sich entsprechend obigen Erwägungen um ein neu hervorgekommenes Beweismittel. Der hierdurch nunmehr erwiesene Sachverhalt, die ukrainische Staatsangehörigkeit der beschwerdeführenden Partei, hat bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorangegangenen Verfahrens auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.05.2005 vorgelegen und ist sohin obigen allgemeinen Erwägungen zufolge grundsätzlich von der Rechtskraft der angeführten Erkenntnisse umfasst.

Die Anwendung des § 68 AVG setzt jedoch voraus, dass in der Sache inhaltlich nicht neu entschieden wird und kann daher auch der im vorangegangenen Verfahren festgestellte, der weiteren Beurteilung zugrunde gelegte, entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt im Rahmen einer zurückweisenden Entscheidung nach § 68 AVG keine (wesentliche) inhaltliche Änderung erfahren. Dies ist jedoch im Rahmen des gegenständlich angefochtenen Bescheides geschehen.

Alleine aufgrund der Tatsache, dass ein neuer Herkunftsstaat im Verfahren der beschwerdeführenden Partei hervorgekommen ist, welcher auch in der nunmehrigen zurückweisenden Entscheidung der belangten Behörde festgestellt und der weiteren Beurteilung zugrunde gelegt worden ist (vgl. die im Bescheid enthaltenen Länderberichte), kann nicht mehr von einer identen Sachlage ausgegangen werden, welche einer Entscheidung gemäß § 68 AVG zugänglich wäre. Eine solche Sichtweise würde die Besonderheiten des asyl- und fremdenrechtlichen Verfahrens, in dessen Kern notwendigerweise die Beurteilung eines Vorbringens in Bezug auf einen bestimmten Herkunftsstaat steht, außer Acht lassen.

In Fällen, in denen ein Antragsteller zunächst einen falschen Herkunftsstaat angibt und sich im gerichtlichen Beschwerdeverfahren bzw. im Folgeverfahren eine andere Staatsangehörigkeit ergibt, kann trotz des Vorliegens einer möglichen Missbrauchskonstellation nicht vom Vorliegen einer Identität der Sache hinsichtlich des neuen Herkunftsstaates ausgegangen werden und kann daher kein Bescheid nach § 68 AVG erlassen werden, vgl. VwGH 11.11. 2010/20/0002 und darauf aufbauende Rechtsprechung des AsylGH (4.2.2011, E9 238581-2/2011) und BVwG (zuletzt zB 1.10.2015, W111 1426632-2) (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K16.).

Bereits aus diesem Grund war spruchgemäß mit einer Behebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides vorzugehen.

Zusätzlich wird festgehalten, dass unbeschadet dessen auch in Bezug auf das Vorliegen eines Abschiebehindernisses angesichts des im Verfahrensgang dargestellten Gerichtsbeschlusses über die Unzulässigkeit einer Auslieferung an die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden, welche im Wesentlichen mit den unzureichenden Haftbedingungen in der Ukraine begründet wurde (vgl. AS 163 ff) nicht von einer unveränderten Sachlage hätte ausgegangen werden dürfen; das Bundesamt setzte sich im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beurteilung der den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr zu erwartenden Lage jedoch in keiner Weise mit jenem Gerichtsbeschluss auseinander.

Vollständigkeitshalber ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die auf Seite 81 des angefochtenen Bescheides vertretene Ansicht, demzufolge eine aufrechte, mit einem Einreiseverbot verbundene, Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits vorgelegen hat, als unzutreffend erweist, zumal ein entsprechender Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit hg. Entscheidung vom 02.02.2017 behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen worden war; dem Akteninhalt lässt sich eine seither erlassene neuerliche Rückkehrentscheidung nicht entnehmen."

15. Am 14.09.2018 wurde der BF vom BFA dazu aufgefordert Änderungen zu seinem Privat- und Familienleben seit der Einvernahme am 21.12.2017 bekannt zu geben und ihm dazu eine Frist von einer Woche zur Stellungnahme gewährt. Der BF brachte keine Stellungnahme ein.

16. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.10.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.12.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Unter Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 2, 3, 5, 6 BFA-VG, BGBl. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt und in Spruchpunkt V. gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG festgestellt, dass der BF sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.12.2017 verloren habe.

Das Bundesamt führte aus, dass die Identität des BF feststehe. Er sei ukrainischer Staatsbürger, habe in der Ukraine 10 Jahre lang die Schule besucht und eine Ausbildung zum Schlosser absolviert. In Österreich sei er keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er habe in Österreich keinen aufrechten Wohnsitz und weise sechs strafrechtliche Verurteilungen in Österreich auf. Auch habe er in der Ukraine mindestens eine Vorstrafe wegen Einbruchsdiebstahls. Zudem werde er von den ukrainischen Behörden wegen des Verdachtes auf Mord und räuberischen Diebstahl gesucht, dies ergebe sich aus dem Auslieferungsantrag. Der BF nehme Schlafmittel ein, lebensbedrohliche Krankheiten würden keine vorliegen. Es sei aufgrund seiner Verurteilungen bereits mehrmals ein Aufenthaltsverbot erlassen worden, der BF sei aber seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Das mit Bescheid vom 18.02.2008 erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot (RK 07.03.2008) sei nach wie vor gültig.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass Verfolgungshandlungen in der Ukraine nicht glaubhaft gemacht werden konnten. Auch aus sonstigen Umständen habe eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden können. Der BF sei bereits im Jahr 2004 illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, dabei jedoch eine vollkommen falsche Identität angegeben und eine erfundene Geschichte erzählt. Dieses Asylverfahren sei mit 08.06.2005 rechtskräftig abgeschlossen worden. Seine Angaben in der schriftlichen Stellungnahme, wonach er aufgrund seines jugendlichen Alters sowie mangelnder Sprachkenntnisse seine Probleme nicht ausreichend hätte darstellen können und auch der Dolmetscher nicht vertrauenswürdig gewesen sei, wodurch er seine schwierige Lage nicht zur Gänze mitteilen habe können, seien nicht glaubwürdig. Bei seinem Asylantrag im April 2004 sei er 19 Jahre alt und somit volljährig gewesen. In diesem Alter sei man durchaus fähig, erlebte Vorkommnisse wahrheitsgemäß wiederzugeben. Er habe aber eine konstruierte Lügengeschichte vorgetragen und eine komplett falsche Identität angegeben. Dass ihm der Dolmetscher nicht vertrauenswürdig vorgekommen sei, hätte er bereits während der Einvernahme mitteilen müssen. Er sei auch befragt worden, ob er mit dem Dolmetscher einverstanden sei. Eine nachträgliche Beanstandung sei nicht glaubwürdig. Sein Verhalten lasse darauf schließen, dass er die Ukraine verlassen habe, da er von der Behörde wegen seiner Straftaten gesucht werde und er in seinem Asylantrag falsche Angaben gemacht habe, um nicht an die Ukraine zur Strafverfolgung ausgeliefert zu werden. Seine Behauptungen von der Polizei schikaniert worden zu sein und keine Arbeit gefunden zu haben, seien daher unglaubwürdig. Zu den Korruptionsvorwürfen und den beanstandeten Haftbedingungen habe sich in den vergangenen 14 Jahren sehr viel geändert.

Das LG XXXX habe zwar die Auslieferung an die ukrainischen Behörden für unzulässig erklärt, die Behörde sei an diesen Beschluss jedoch nicht gebunden. Die ukrainischen Behörden hätten sämtlichen eingeforderten Zusicherungen zugestimmt und lediglich noch nicht bekannt gegeben, in welcher Justizanstalt der BF seine Haft verbüßen müsse. Zu den Haftbedingungen in der Ukraine wurde ausgeführt, dass eine Reform des Strafvollzuges im Gange sei, welcher auch aktiv von der EU unterstützt werde. Nach einer Reform der Strafprozessordnung sei auch die Zahl der Insassen deutlich rückläufig. Trotzdem sich die Haftbedingungen eher langsam und ungleichmäßig verbessern würden, seien bereits erhebliche Fortschritte erzielt worden. So würden z.B. in psychiatrischen Einrichtungen noch unerträgliche Bedingungen herrschen, es bestehe aber nicht die Gefahr, dass der BF in eine derartige Einrichtung eingeliefert werde. Gefangene würden in der Ukraine auch Beschwerden an den Ombudsmann richten können und sei eine unabhängige Überwachung der Hafteinrichtungen durch nationale und internationale Menschenrechtsgruppen erlaubt. Die Haftbedingungen würden zwar noch nicht westeuropäischen Standards entsprechen, durch diesen Umstand werde der Schutzbereich des Art. 3 EMRK allerdings nicht tangiert und stelle eine Abschiebung keine unmenschliche Behandlung dar. Die Ukraine gelte laut Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Drittstaat. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF im Falle der Rückkehr in eine lebensbedrohliche Lage versetzt werde. Bei einer Rückkehr werde er zunächst ein Strafverfahren über sich ergehen lassen müssen, für sein unmittelbares Auskommen sei folglich gesorgt. Anschließend werde er als junger, gesunder Mann sicherlich keine Schwierigkeiten haben eine Arbeit zu finden und würden auch Verwandte in der Ukraine leben, mit welchen er den Kontakt wiederaufnehmen könne. Für die Behörde stehe fest, dass bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Der BF bedürfe nicht des Schutzes Österreichs.

17. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, mit der dieser seinem gesamten Inhalt nach angefochten wurde. Es wurde ausgeführt, dass der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werde. Zudem wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die Länderfeststellungen seien mangelhaft und würden sich nicht ausreichend mit dem konkreten Vorbringen des BF (Foltermaßnahmen in ukrainischen Gefängnissen) befassen. Die Feststellungen zur Situation in der Ukraine hinsichtlich die Unterkunftssituation in Haft (Bewegungsfreiheit, Arbeits- bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten, Hygieneeinrichtungen, Essenausgabe, psychologische und medizinische Betreuung, Freizeit- und Ablenkungsmöglichkeiten) seien keine taugliche Entscheidungsgrundlage. Der BF habe glaubhaft angegeben, dass er aufgrund der ihm bewusst unterstellten kriminellen Aktivität (Mord) und der damit verbundenen Repressalien bedroht sei, von staatlicher bzw. sicherheitsbehördlicher Seite verfolgt zu werden. Dazu werde auf den Bericht des Europarates zu den Bedingungen in Gefängnissen, psychiatrischen Einrichtungen und Einrichtungen der Sozialpflege, basierend auf einem Besuch vom 08.-21.12.2017 verwiesen. Der Bericht würde sich ausführlich mit den Bedingungen in ukrainischen Gefängnissen befassen und werde über Fälle der unterlassenen Hilfeleistung, Gewaltanwendung durch Wachpersonal und Übergriffen von Gefängnispersonal untereinander berichtet. Das Vorbringen des BF sei somit Realität und sei die Situation in ukrainischen Gefängnissen nach wie vor äußerst volatil. Dies gehe auch aus dem Jahresbericht 2018 des UNHCR vom 16.05.2018-15.08.2018 zur Menschenrechtslage in der Ukraine hervor. Die Sicherheitslage von Personen, welchen mit Absicht eine Straftat angelastet werden solle, sei prekär und widerspreche westlichen und rechtsstaatlichen Grundlagen. Die Behörde habe auch nicht erhoben, in welcher Häufigkeit, mit welcher Intensität und mit welchen Foltermethoden ukrainische Staatsangehörige gefügig und willenlos gemacht werden würden. Auch zum Sicherheitsapparat in der Ukraine seien keinerlei adäquate Feststellungen getroffen worden. Der BF befürchte auch Repressalien, da er einen Asylantrag gestellt habe und über einen langen Zeitraum seine ukrainische Staatsangehörigkeit verschwiegen habe. Zudem sei der BF auch mangelhaft befragt worden. Bei entsprechender Befragung hätte der BF bereits im Zuge seiner Einvernahme seine bereits als Jugendlicher erlittenen psychischen Beeinträchtigungen in ukrainischer Haft und die klar menschenrechtswidrige Situation im Rahmen seines damaligen Gefängnisaufenthaltes schildern können. Die Verstöße des BF gegen die österreichische Rechtsordnung würden sich vielleicht ebenso vor diesem psychischen Hintergrund besser erklären lassen. Zudem sei auch die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig und hätte dem BF die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden müssen. Der BF habe in der Jugendhaft in seiner Heimat menschenunwürdige Zustände hinnehmen müssen. So habe er in der Haft Tag für Tag verfaultes Essen bekommen und sei auch die medizinische bzw. medikamentöse Versorgung desaströs gewesen. Der BF habe in der Haft einige Zähne aufgrund der Unterversorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen verloren. Der BF werde bei einer erzwungenen Rückkehr in seine frühere Heimat erneut in Haft genommen werden. Zudem werde versucht ihm weitere Straftaten anzuhängen und sei er lediglich unter Einhaltung von Auflagen vorzeitig aus der Jugendhaft entlassen worden. Eine Rückkehr des BF sei somit ausgeschlossen. Die jahrelange Verwendung des falschen Namens sei der Angst des BF geschuldet, doch noch durch die ukrainischen Behörden - auf illegalem Wege - greifbar zu werden und sei er schwerer Drogenkonsument gewesen und unter Alkoholeinfluss gestanden. Der BF habe sein Vorbringen lebensnah geschildert und habe er über die andauernde Bedrohung in der Ukraine frei gesprochen. Die Verfolgungsgefahr sei objektiv nachvollziehbar.

Der BF sei der "sozialen Gruppe von Menschen zuzuordnen, die in ihrer Heimat aufgrund bewusst falscher Verdächtigungen eine Straftat begangen zu haben, bedroht, verfolgt und der Willkür staatlicher Organe ausgesetzt" sei. Zudem sei er bei einer Rückkehr der Gefahr ausgesetzt, erneut unter menschenunwürdigen Haftbedingungen gefangengenommen zu werden. Es handle sich um eine direkt vom Staat der Ukraine ausgehende Bedrohung. Dies sei ein Fluchtgrund nach der GFK. Für den BF bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative. Schon bei der Einreise befürchte er von Grenz- oder Zollbeamten mittels EDV-System identifiziert und abgeführt zu werden. Zu Verwandten habe der BF keinen Kontakt mehr. Dem BF wäre internationaler Schutz zu gewähren gewesen. Zudem würde dem BF auch eine Verletzung seines Rechtes auf Leben drohen und wäre er bei einer Rückkehr der Gefahr ausgesetzt erneut unter menschenrechtswidrigen Haftbedingungen gefangengenommen zu werden. Dem BF wäre somit der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

18. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zum BF:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen des BF, den Beschluss des LG XXXX vom 15.11.2017, die fristgerechte Beschwerde sowie durch Einsicht in einen aktuellen Strafregisterauszug.

Der BF, dessen Identität feststeht, ist ukrainischer Staatsangehöriger und reiste erstmals im Jahr 2004 (unter Angabe einer Aliasidentität und Angabe einer weißrussischen Staatsbürgerschaft) ins Bundesgebiet ein. Er stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher bezogen auf den Herkunftsstaat Weißrussland rechtskräftig negativ entschieden wurde.

Am 04.12.2017 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF wird von den ukrainischen Justizbehörden wegen des Verdachtes auf Mord und räuberischen Diebstahl gesucht.

Der BF hat angegeben wegen des Asylverfahrens nicht gut zu schlafen und deswegen Schlafmittel einzunehmen. Ansonsten hat er keine Krankheiten geltend gemacht und während des Verfahrens und auch in der Beschwerde keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht.

Der BF konnte nicht glaubwürdig dartun, dass ihm in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale knüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität gedroht hat oder ihm aktuell droht.

Der BF weist in Österreich folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 197/2004P vom 09.11.2004 RK 11.11.2004

PAR 127 130 (1. FALL) 15 StGB

Freiheitsstrafe 7 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 02.02.2014

zu LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 197/2004P RK 11.11.2004

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 29.11.2004

LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 197/2004P vom 02.12.2004

zu LG F.STRAFS.XXXX11 HV 197/2004P RK 11.11.2004

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 222/2004I vom 21.12.2004

zu LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 197/2004P RK 11.11.2004

Rest der Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Beginn der Probezeit 02.05.2005

gemäß Entschließung des Bundespräsidenten vom 07.04.2005 Erlass des BMVRDJ Zahl 4.009.751/1-IV 4/2005

JUSTIZANSTALT GRAZ-JAKOMINI 60352 vom 11.04.2005

zu LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 197/2004P RK 11.11.2004

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.XXXX 24 HV 48/2006Z/B vom 18.05.2006

zu LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 197/2004P RK 11.11.2004

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG F.STRAFS.XXXX 5 HV 164/2007W vom 18.12.2007

02) LG F.STRAFS.XXXX 11 HV 222/2004I vom 21.12.2004 RK 23.12.2004

PAR 127 130 (1. FALL) 15 StGB

PAR 27/1 SMG

Freiheitsstrafe 3 Monate

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 03.03.2005

03) BG XXXX 64 U 411/2005M vom 22.09.2005 RK 27.09.2005

PAR 127 15 StGB

Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 02.07.2014

zu BG XXXX64 U 411/2005M RK 27.09.2005

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.XXXX 24 HV 48/2006Z/B vom 18.05.2006

zu BG XXXX 64 U 411/2005M RK 27.09.2005

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG F.STRAFS.XXXX 5 HV 164/2007W vom 18.12.2007

04) LG F.STRAFS.XXXX 24 HV 48/2006Z vom 18.05.2006 RK 23.05.2006

PAR 127 130 (1. FALL) StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 21.07.2006

05) LG F.STRAFS.XXXX 5 HV 164/2007W vom 18.12.2007 RK 21.12.2007

PAR 142/1 143 (2. FALL) StGB

Datum der (letzten) Tat 01.10.2007

Freiheitsstrafe 6 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 01.10.2013

06) LG F.STRAFS.XXXX 053 HV 41/2016k vom 29.04.2016 RK 29.04.2016

§ 15 StGB §§ 83 (1), 84 (2) StGB

§ 15 StGB § 146 StGB

§ 15 StGB § 269 (1) 3. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 13.03.2016

Freiheitsstrafe 22 Monate

Vollzugsdatum 13.01.2018

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

-

DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

-

DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

-

DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

-

UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

...

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

3. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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