TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/7 W103 2206346-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2019
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Entscheidungsdatum

07.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W103 2206346-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Auttrit als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2018, Zl. 1099822906-180117433, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 4 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 4 und Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger von Somalia, stellte am 21.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er illegal in das Bundesgebiet gelangt war. Zu diesem Antrag wurde er am 22.12.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt und am 20.03.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer hat kurz zusammengefasst vorgebracht, aus XXXX zu stammen, der Minderheit der Madhibaan sowie dem moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören, fünf Jahre lang die Grundschule besucht und gemeinsam mit seiner Mutter und fünf Geschwistern immer im Heimatort gelebt zu haben. Seinen Herkunftsstaat habe er verlassen, nachdem er von seiner Mutter erfahren hätte, dass sein älterer Bruder einen dem Beschwerdeführer unbekannten Mann mit dem Messer getötet hätte und der Beschwerdeführer aus diesem Grund ebenfalls Probleme bekommen könnte.

2. Mit Bescheid vom 15.07.2017, Zl. 1099822906-152040249, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Absatz 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Im Rahmen der Entscheidungsbegründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer habe die vorgebrachte Furcht vor Verfolgung aufgrund Blutrache nicht glaubhaft machen können. In seinem Fall liege ein Abschiebehindernis fußend auf der momentan herrschenden Dürrekatastrophe und der damit verbundenen Lebensmittelknappheit in Somalia vor.

3. Gegen Spruchpunkt I. des dargestellten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, welches im Verfahren des Beschwerdeführers am 02.05.2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten hat. Mit am gleichen Datum mündlich verkündeten Erkenntnis zu Zahl W211 2170210-1 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2017 als unbegründet abgewiesen.

4. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe, welche ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der BF hat im Zusammenwirken mit einem Mittäter in Wien nächst der U-Bahnstation XXXX einen verdeckten Ermittler der Polizei Suchtgift übergeben, nachdem der verdeckte Ermittler vom Mittäter angesprochen wurde. Er verwirklichte damit das Tatbild des Suchtgifthandels.

5. Am 04.06.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 und übermittelte beiliegend eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs sowie eine unterfertigte "Integrationserklärung".

Mit Aktenvermerk vom 07.06.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ein, in welchem der Beschwerdeführer am 09.08.2018 im Rahmen des Parteiengehörs im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer brachte auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst vor, er lebe derzeit von der Grundversorgung, habe eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 absolviert, werde demnächst einen weiterführenden Sprachkurs besuchen und habe nach Möglichkeit ehrenamtliche Arbeiten verrichtet. Der Beschwerdeführer habe Freunde in Österreich, habe versucht eine Arbeit zu bekommen und wolle seine Sprachqualitäten verbessern.

Auf Vorhalt, dass die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, nicht mehr vorhanden wären, zumal in Somalia nunmehr eine verbesserte Versorgungssicherheit prognostiziert werden könne, Nahrungsmittelpreise wieder ihren Normalwert erreichen würden und die Lage in XXXX nicht dergestalt sei, dass jeder dort Anwesende einem Risiko entsprechend Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht aufgrund der Dürre, sondern aus Angst um sein Leben in Somalia geflohen sei. Sein Bruder habe jemanden getötet und der Beschwerdeführer habe nicht aus Rache für die Taten seines Bruders sterben wollen. Bis heute wisse er nicht, wo seine Geschwister und seine Eltern leben würden. Er habe lediglich zu einer Schwester Kontakt, die bei ihrem Mann in XXXX lebe. Außerdem sei die Lage in Somalia insgesamt nicht sicher, weshalb der Beschwerdeführer Angst um sein Leben hätte. Dem Beschwerdeführer wurde weiters vorgehalten, dass in XXXX Arbeitsmöglichkeiten sowie zahlreiche Hilfsorganisationen vorhanden seien, an die er sich im Fall einer Rückkehr wenden könnte; dazu gab der Beschwerdeführer an, er habe sich noch nie in XXXX aufgehalten; Somalia sei nicht XXXX , in Somalia gebe es mehrere Regionen, in denen es keine Sicherheit gebe. Auf Vorhalt, dass ihm die Kultur, Tradition und Sprache Somalias vertraut seien, es ihm möglich gewesen wäre, nach Europa zu reisen, und befragt, weshalb ihm eine Rückkehr in seine Heimat nicht möglich sein sollte, wiederholte der Beschwerdeführer, Angst um sein Leben zu haben; er sei aus Somalia geflüchtet und wäre dort nirgends sicher. Der Beschwerdeführer sei gesund. Er verspreche, dass er keine weiteren Straftaten begehen und sich bemühen werde, die Sprache zu erlernen und sich zu integrieren.

Dem Beschwerdeführer wurden Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie der Anfragebeantwortung vom 11.05.2018 ausgefolgt. Der Beschwerdeführer legte eine Bestätigung über einen Termin beim AMS sowie ein Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 vor.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2017, Zahl 1099822906 / 152040249, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dessen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 04.06.2018 gem. § 8 Absatz 4 zweiter Satz AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen mit einer grundlegenden Veränderung und Verbesserung der Versorgungslage im Herkunftsstaat Somalia. Die seinerzeit für die Gewährung des subsidiären Schutzes maßgeblichen Gründe, insbesondere die individuelle Bedrohung des Lebens aufgrund der Dürrekatastrophe und damit verbundener Nahrungsmittelknappheit, seien zwischenzeitlich in ganz Somalia nicht mehr gegeben. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt im Falle einer Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Weiters könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer darüber hinaus im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen würde oder er in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer als junger Mann nicht nach XXXX zurückkehren könnte. Aufgrund einer Vielzahl an vorhandenen Hilfsorganisationen, welche auch Unterstützung bei der Wohnraumfindung bieten würden, könne dem Problem einer anfänglich möglicherweise bestehenden Ortsunkenntnis Abhilfe geschafft werden. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen Erwachsenen, welchem es möglich gewesen sei, sein Leben auch an anderen Orten, fernab der ihm vertrauten Kultur, Tradition, Wertegemeinschaft und Sprache zu führen, was von einer guten Anpassungsfähigkeit seiner Person zeuge; folglich könne davon ausgegangen werden, dass er in der Lage sei, sich im Heimatland eine neue Existenz aufzubauen und sich zu re-integrieren. Ferner könne diesem die in Österreich gewonnene Erfahrung bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und bei einem Neustart im Heimatland von Vorteil sein. Der Beschwerdeführer habe im Falle seiner Rückkehr die Möglichkeit, sich sowohl an die in Somalia zahlreich tätigen NGOs zu wenden, um dort jene Unterstützung zu erhalten, die notwendig wäre, seine Grundbedürfnisse an Unterkunft, Verpflegung, Bildung usw. zu decken. Ergänzend sei anzuführen, dass im Rahmen der Rückkehrhilfe auch eine finanzielle Unterstützung als Startkapital für die Fortsetzung des Lebens in der Heimat gewährt werden könne. XXXX befinde sich unter Kontrolle von Regierung und AMISOM, die Versorgungslage habe sich aufgrund der Regenfälle wieder entspannt. Darüber hinaus sei Mogadischu eine für Normalbürger, die nicht mit der Regierung zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den Flughafen gut erreichbare Stadt. In XXXX sei die allgemeine Lage nach den vorliegenden Länderberichten als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu Anschlägen komme. Aus den entsprechenden Länderberichten ergebe sich, dass sich die in der Stadt XXXX verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahbereich staatlicher Einrichtungen ereignen würden. Diese Anschläge würden sich gezielt gegen die Regierung sowie bekannte Aufenthaltsräume (Restaurants, Hotels etc.), jedoch grundsätzlich nicht gegen nicht exponierte somalische Rückkehrer, richten. Die Situation in XXXX sei nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014).

Der Beschwerdeführer halte sich seit Dezember 2015 in Österreich auf und habe hier keine Familienangehörigen oder sonst wesentlichen sozialen Bindungen, die eine Rückkehr in sein Heimatland unzumutbar erscheinen lassen würden. Der Beschwerdeführer verfüge über grundlegende Deutschkenntnisse, sei in keinem Verein Mitglied und weise eine rechtskräftige Verurteilung wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften auf.

Verfahrensgegenständlicher Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 23.08.2018 durch Hinterlegung zugestellt.

7. Mit am gleichen Tag eingelangtem Schriftsatz vom 12.09.2018 wurde durch die seitens des Beschwerdeführers bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation die gegenständliche Beschwerde eingebracht. In dieser wurde begründend zusammenfassend ausgeführt, die Behörde mute dem Beschwerdeführer zu, sich in XXXX niederzulassen, obwohl sie auf den konkreten Fall des Beschwerdeführers nicht eingegangen wäre. Das Leben des Beschwerdeführers erweise sich in Somalia angesichts seiner Fluchtgründe nach wie vor als bedroht. Der Beschwerdeführer fühle sich in Österreich sehr sicher und habe sich hier bereits gut integriert. Er habe sich Deutsch im Selbststudium beigebracht, eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 bestanden und Ende August 2018 einen weiterführenden Deutschkurs bestanden. Er habe ehrenamtlich in seiner Asylunterkunft in Niederösterreich zB bei der Gartenarbeit und in der Landwirtschaft geholfen, pflege Beziehungen zu Freunden, möchte am Arbeitsprozess teilnehmen und bereue sein strafrechtswidriges Verhalten. Da er sich nun schon seit drei Jahren in Österreich aufhalte, werde er bei einer Rückkehr nach Somalia Schwierigkeiten bei einer Neuorientierung und Anpassung an die dortigen Verhältnisse haben. Er habe weder Familie, noch sonstige soziale Netzwerke, und befürchte, dass sein Clan ihn nicht aufnehmen und ihm Schutz in Mogadischu anbieten werde. Die Behörde habe es unterlassen, die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers festzustellen. Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zufolge sei die Sicherheitslage in Somalia aktuell äußerst prekär. Ergänzend werde auf den Bericht "Flood Response Plan" aus Mai 2018 verwiesen, welcher die derzeitige äußerst kritische Situation in Somalia bestätigen würde. Die Gründe, welche zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und anschließend zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung geführt hätten, hätten sich im Wesentlichen nicht geändert, weshalb mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia von einer lebensbedrohlichen Notlage betroffen sein würde.

8. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias, welcher der Volksgruppe der Madhibaan und dem moslemisch-sunntischen Glauben angehört. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in der Region Shabeellaha Hoose, wo er gemeinsam mit seiner Mutter und fünf Geschwistern gelebt und fünf Jahre lang die Koranschule besucht hat. Eine volljährige Schwester des Beschwerdeführers lebt mittlerweile mit ihrem Mann in XXXX im Norden Somalias. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (bestätigt durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.05.2018, Zl. W211 2170210-1) und diesem gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, unter einem wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen mit der damals vorherrschenden Dürrekatastrophe und damit verbundenen Lebensmittelknappheit in Somalia begründet.

In Bezug auf die zum Zeitpunkt der Zuerkennung subsidiären Schutzes vorgelegene Dürresituation und die damals prognostizierten Versorgungsengpässe ist mittlerweile insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als nicht erkannt werden kann, dass für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Niederlassung in XXXX nach wie vor eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit bestehen würde. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.3. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgeblichen privaten Beziehungen, es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich. Der Beschwerdeführer hat eigenen Angaben zufolge Freundschaften im Bundesgebiet geknüpft, weiters hat er eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A1 absolviert und besucht gegenwärtig einen weiterführenden Sprachkurs. Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensunterhalt während seines Aufenthalts aus öffentlichen Mitteln bestritten und sich fallweise durch die Verrichtung ehrenamtlicher Hilfstätigkeiten in seiner Unterkunft engagiert. Der Beschwerdeführer ging bislang keiner Erwerbstätigkeit nach, hat eine solche auch nicht unmittelbar in Aussicht und ist in keinem Verein Mitglied. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit, noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig.

Mit Urteil des Landesgerichts für XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, welche ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Der BF hat im Zusammenwirken mit einem Mittäter in Wien nächst der U-Bahnstation XXXX einen verdeckten Ermittler der Polizei Suchtgift übergeben, nachdem der verdeckte Ermittler vom Mittäter angesprochen wurde. Er verwirklichte damit das Tatbild des Suchtgifthandels.

1.4. Zur Lage in Somalia wird unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid zitierten Länderberichte Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

...

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

-

WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

2. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die

Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):

a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).

b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.

c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.

Operational Areas

d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;

Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;

e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.

f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.

g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).

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(BFA 8.2017)

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2016; vgl. ACLED 2017).

Quellen:

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

2.1. Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).

UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (UNHRC 10.12.2017a).

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(UNHRC 10.12.2017b)

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten:Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

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Die Grafik zeigt, dass der Trend hinsichtlich der Anzahl an gewalttätigen Vorfällen gegen Zivilisten nach unten zeigt, während sich die Anzahl an Todesopfern pro Vorfall erhöht hat (SEMG 8.11.2017).

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Die Anzahl an Sprengstoffanschlägen hat zugenommen, ihre Letalität ist hingegen kaum gestiegen (SEMG 8.11.2017).

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

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BBC (22.12.2017): Who are Somalia's al-Shabab?

http://www.bbc.com/news/world-africa-15336689, Zugriff 5.1.2018

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (6.11.2017): The World Factbook

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Somalia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so.html, Zugriff 10.11.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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