Entscheidungsdatum
21.01.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W234 2199431-1/9E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Thomas Horvath über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2018, Zl. 1171033410/180346599:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF genannt) ist Staatsangehöriger Georgiens und reiste im März 2018 rechtswidrig in das österreichische Bundesgebiet ein.
2. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 29.05.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I). Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Weiters wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF bestehe (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG 2005, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV).
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grund der Beschwerde, der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Zum Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF genannt) ist Staatsangehöriger Georgiens und reiste im März 2018 rechtswidrig in das österreichische Bundesgebiet ein.
2. Mit Schreiben vom 06.04.2018 verständigte die Staatsanwaltschaft
XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) darüber, dass gegen den BF Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gemäß § 127 und § 130 Abs. 1 1. Fall iVm § 15 StGB erhoben worden sei.
3. Mit Schreiben vom 11.04.2018 - dem BF während einer Anhaltung in der Justizanstalt XXXX am 16.04.2018 zugestellt - verständigte das Bundesamt den BF darüber, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot, "in eventu die Erlassung eines ordentl. Schubhaftbescheides" in Aussicht genommen sei und dazu eine Beweisaufnahme stattgefunden hätte.
In diesem Schreiben wurde dem BF als Ergebnis der Beweisaufnahme bekannt gegeben, dass der Behörde unbekannt sei, wann er zuletzt in das österreichische Bundesgebiet eingereist wäre. Laut der integrierten Vollzugsverwaltung wäre jedoch über ihn die Untersuchungshaft verhängt worden, weil er dringend verdächtig wäre, die Straftat des Diebstahls durch Einbruch oder mit Waffen begangen zu haben. Für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung hätte er seinen Aufenthalt offenkundig zur Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen missbraucht, wobei durch die Art des Deliktes vom BF eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehen würde. Daher gehe die Behörde davon aus, dass der BF im Bundesgebiet weder familiäre, soziale noch berufliche Bindungen aufweisen würde. Für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung sei geplant, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen und es werde erwogen, die Schubhaft über ihn zu verhängen, um seine Abschiebung zu sichern. Um jedoch den Sachverhalt im Lichte der persönlichen Verhältnisse des BF beurteilen zu können, werde er zur schriftlichen Beantwortung einer Reihe von Fragen unter Übersendung entsprechender Belege dazu ersucht. Diese Fragen betreffen die Dauer des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet, allfällige Visa und Aufenthaltstitel, seine Schul- und Berufsausbildung, allfällige in Österreich lebende Verwandte des BF, seine Wohnanschrift vor der Einreise nach Österreich, seine Beschäftigung und das daraus bezogene Einkommen, wovon der BF seinen Lebensunterhalt im Falle der Beschäftigungslosigkeit bestritten hätte, ob der BF über eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung verfügen würde, aufgrund welcher Rechtsverhältnisse er seine Unterkunft benutzen würde, ob er im Herkunftsstaat strafrechtlich oder politisch verfolgt würde und weswegen er einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet anstreben würde. Dem BF wurde eine Frist von zehn Tagen für eine schriftliche Äußerung zu den Beweisergebnissen und der schriftlichen Beantwortung der angeführten Fragen eingeräumt.
Dieses Schreiben war in deutscher Sprache abgefasst. Eine Übersetzung des Schreibens oder eine Belehrung in einer Fremdsprache waren dem Schreiben nicht angeschlossen. Dem Schreiben war auch kein Länderdokumentationsmaterial zur Beurteilung der örtlichen Gegebenheiten in Georgien angeschlossen.
Eine Stellungnahme des BF langte nicht ein.
4. Mit Urteil vom 18.05.2018 des LG für Strafsachen Wien, GZ XXXX wurde der BF wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 9 bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.
Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht die mehr als drei Angriffe des BF im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit als erschwerend. Als mildernd wurden das umfassende reumütige Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel des BF sowie, dass es zumindest teilweise beim Versuch geblieben ist, erkannt.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.05.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I). Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Weiters wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF bestehe (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG 2005, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV).
Dieser Bescheid wurde dem BF während seiner Anhaltung in der Justizanstalt XXXX am 04.06.2018 zugestellt.
Mit Verfahrensordnung vom 29.05.2018 wurde dem BF ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der BF mit Schriftsatz vom 21.06.2018 Beschwerde, welche am 26.06.2018 beim Bundesamt per E-Mail einlangte. Darin wurde der Bescheid in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und der Verletzung von Verfahrensvorschriften insbesondere wegen mangelhafter Ermittlungen zum Herkunftsstaat des BF angefochten. Ausdrücklich wurde auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bekämpft und eine mündliche Verhandlung zur Klärung des Sachverhaltes beantragt. Der BF brachte zusammengefasst vor, er sei georgischer Staatsbürger und mit XXXX verheiratet, mit der er auch zwei Kinder habe. Die Familie des BF lebe bei der Mutter seiner Ehefrau in Warschau in Polen. Der BF sei in Georgien zwölfmal wegen unterschiedlichster Verletzungen und Erkrankungen operiert worden. Die Verletzungen rührten aus Gefängnisaufenthalten des BF in Georgien her. Der BF habe Angst vor georgischen Polizisten und befürchte eine Verletzung an Leib und Leben durch diese. Gefangene würden in Georgien systematisch gefoltert werden. Dies belege ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 2012. Einen Antrag auf internationalen Schutz wolle der BF jedoch nicht stellen. Eine Abschiebung nach Georgien würde seine Rechte gemäß Art. 3 EMRK verletzen. Darüber hinaus hätte das Bundesamt Ermittlungen und Feststellungen zum Aufenthalt und zum Familienleben des BF in der gesamten EU vornehmen müssen. Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des BF an der rechtmäßigen Einreise bzw. dem rechtmäßigen Aufenthalt in den Mitgliedstaaten erscheine das verhängte fünfjährige Einreiseverbot unverhältnismäßig.
III. Beweiswürdigung
Der festgestellte Hergang ergibt sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungsakt und einem Auszug aus dem Fremdenregister.
IV. Rechtliche Beurteilung:
1. Der angefochtene Bescheid wurde dem BF am 04.06.2018 zugestellt.
Die am 26.06.2018 beim Bundesamt per E-Mail eingelangte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig.
Zu A)
2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3.1. Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. für viele VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
3.3. In inhaltlicher Hinsicht erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt allerdings als gravierend mangelhaft:
Wie die hier zu erledigende Beschwerde zutreffend rügt, wurden die Ermittlungen des Bundesamts zu den persönlichen Umständen des BF, welche insbesondere mit Blick auf Art. 2, 3 und vor allem 8 EMRK (iVm §§ 50 und 53 FPG 2005 sowie § 9 BFA-VG) für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm der Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung und der Verhängung eines Einreiseverbots maßgeblich gewesen wären, nur ansatzweise durchgeführt und sind daher oberflächlich geblieben.
Denn anlässlich der schriftlichen Verständigung des Beschwerdeführers von den Ergebnissen der Beweisaufnahme mit Schreiben des Bundesamts vom 11.04.2018 konnte diesem als einzig erhobenes Beweisergebnis mitgeteilt werden, dass über hin die Untersuchungshaft verhängt worden und er dringend verdächtig wäre, näher genannte strafbare Handlungen begangen zu haben. Ausdrücklich führte das Bundesamt an, es entziehe sich seiner Kenntnis, wann der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet eingereist wäre. Trotz dieser nur rudimentären Beweisergebnisse zum maßgeblichen Sachverhalt und trotz des dem Bundesamt bekannten Aufenthaltsorts des Beschwerdeführers in der Justizanstalt sah dieses davon ab, den BF mündlich einzuvernehmen, sondern forderte ihn zur schriftlichen Beantwortung einer Reihe von Fragen innerhalb von zehn Tagen auf, wodurch offenbar sämtliche erforderlichen Sachverhaltsangaben gewonnen werden sollten. Bei der Bewertung dieser Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme ist zunächst zu berücksichtigen, dass das betreffende Schreiben ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst war und diesem keine fremdsprachlichen Ergänzungen - etwa eine Belehrung über die Qualität und wesentliche Bedeutung des Schreibens - angeschlossen wurden. Ferner wurde die Aufforderung zur Stellungnahme an den BF gerichtet, für den es mit Blick auf seine Herkunft nahe lag, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig ist, und von dem bekannt war, dass er die Stellungnahme während einer Freiheitsentziehung in einer Justizanstalt würde abgeben müssen. Diese Umstände lassen die für die Abgabe der schriftlichen Stellungnahme eingeräumte Frist von zehn Tagen für die Abgabe überaus kurz erscheinen. Ferner ist bei der Bewertung dieser Vorgangsweise auch zu berücksichtigen, dass dem BF weder im Zuge der Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme noch danach Länderdokumentationsmaterial zur Beurteilung der örtlichen Gegebenheiten in Georgien vorgehalten wurde. Der Beschwerdeführer wurde mit den Inhalten der Länderfeststellungen erstmals im angefochtenen Bescheid konfrontiert, sodass deren Inhalt ihm vorab nicht bekannt waren und selbst in einer schriftlichen Stellungnahme nicht berücksichtigt hätte werden können.
Schließlich ist für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots - abgesehen von der Bewertung des vorangegangenen Verhaltens des Fremden - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen, wobei im Allgemeinen auch der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zukommt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039). Für das Bundesamt wäre die Verschaffung dieses persönlichen Eindrucks durch eine Einvernahme des BF auch deshalb essenziell gewesen, weil es diesen schon vor seiner strafgerichtlichen Verurteilung und mithin zu einer Zeit zur schriftlichen Stellungnahme aufforderte, als dessen Fehlverhalten noch gar nicht strafgerichtlich festgestellt war.
Mit Blick auf den skizzierten Hergang des Ermittlungsverfahrens geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das Bundesamt den Sachverhalt, welchen es für die Erlassung sämtlicher Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids als maßgeblich feststellte, im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt hat. Denn trotz nur ansatzweise vorliegender Beweisergebnisse sah das Bundesamt davon ab, den BF mündlich einzuvernehmen. Dieser gravierende Ermittlungsmangel wird durch die im Verfahren sonst gesetzten Ermittlungsschritte nicht geheilt. Dem BF, für den es nicht naheliegt, dass er der deutschen Sprache mächtig ist, wurde lediglich eine - zur Beantwortung sämtlicher Fragen notwendigerweise umfangreiche - schriftliche Stellungnahme während eines Freiheitsentzuges innerhalb von nur zehn Tagen schriftlich aufgetragen. Diesem Auftrag war auch keinerlei fremdsprachlicher Hinweis auf seine Bedeutung angeschlossen. Selbst bei Erstattung einer Stellungnahme hätte der BF dabei dem im angefochtenen Bescheid als Feststellungen zur Lage in Georgien herangezogenen Länderdokumentationsmaterial nichts entgegnen können, weil es ihm im Verfahren gar nicht vorgehalten wurde.
Mit Blick auf diese Vorgangsweise geht das Bundesverwaltungsgericht von nur ansatzweisen Sachverhaltsermittlungen des Bundesamts aus, zumal diesem der Aufenthaltsort des BF in der Justizanstalt bekannt war, sodass dieser ohne weiteres hätte einvernommen werden können, um die umfangreichen Ermittlungslücken zu schließen.
3.4. Der angefochtene Bescheid ist sohin gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Rechtssache zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt zurückverwiesen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 30.06.2015, Ra 2014/03/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Einvernahme, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W234.2199431.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.03.2019