TE Bvwg Beschluss 2019/2/5 W103 2213533-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2019
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Entscheidungsdatum

05.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W103 2181331-1/4E

W103 2181328-1/3E

W103 2181330-1/3E

W103 2181329-1/2E

W103 2213533-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX ,

3.) XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation und vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 29.11.2017, Zln. 1.) 1115172108-160694959, 2.) 1115172010-160695017, 3.) 1115170408-160695041, und 4.) 1152470708-170576007, bzw. zu 5.) vom 28.12.2018 zur Zl. 1212518207-181097961 beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide

behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem islamischen Glauben angehörig. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern und gesetzliche Vertreter der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers. Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien reisten gemeinsam über Polen illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 17.05.2016 die diesem Verfahren zugrunde liegenden Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am darauffolgenden Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurden.

Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinem Reiseweg an, dass er seinen Herkunftsstaat im Jänner 2016 illegal per Zug nach Weißrussland verlassen habe. Von Weißrussland habe er seine Reise nach Polen fortgesetzt, wo er sich etwa vier Monate aufgehalten habe. Da die Personen, die ihn in Tschetschenien bedroht hätten, auch nach Polen gekommen seien und ihn dort abermals bedroht hätten, sei er weiter über ihm unbekannte Länder nach Österreich gereist. Zu seinem Fluchtgrund führte der Erstbeschwerdeführer aus, er habe Leute, welche für den Präsidenten XXXX gearbeitet hätten, unterstützt und sei aus diesem Grund im Jahr 2005 in ein Gefängnis eingesperrt worden, wo er etwa neun Jahre inhaftiert geblieben wäre. Im Jahr 2013 sei er entlassen worden und zurück nach Hause gegangen. Zu ihnen nach Hause seien dann Leute gekommen, welche kontrolliert hätten, ob er XXXX nicht verlassen hätte, da er drei Jahre habe dort bleiben müssen. Entweder sei er zu ihnen zur Kontrolle gekommen, oder sie zu ihm. Sie hätten ihn bedroht, dass sie ihn umbringen oder abermals einsperren würden. Da er den neuen Präsidenten nie anerkannt hätte, hätten sie ihn immer wieder neu bedroht, weshalb er geflüchtet wäre. Im Falle einer Rückkehr würden ihm drei Jahre Gefängnis drohen, da er unerlaubt weggefahren wäre. Sie würden ihn ins Gefängnis bringen oder ihn umbringen.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte an, sie habe ihren Herkunftsstaat im Mai 2016 legal per Zug nach Polen verlassen, wo sie sich einige Tage aufgehalten und um Asyl angesucht habe. Über ihr unbekannte Länder sei sie nach Österreich gelangt. Zum Grund ihrer Flucht führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, nach Ausreise ihres Mannes nach Polen seien Leute zu ihr gekommen, welche von ihr verlangt hätten, dass dieser zurückkomme, andernfalls würden sie ihre Tochter und sie umbringen. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie um ihr Leben.

In Bezug auf die minderjährige Drittbeschwerdeführerin wurden durch ihre gesetzliche Vertreterin darüber hinaus keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete in der Folge ein Konsultationsverfahren mit Polen nach den Bestimmungen der Dublin III-VO ein.

In weiterer Folge wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA, die am 16.07.2016 im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache stattfand, unterzogen.

Dabei gaben die Beschwerdeführer auf Vorhalt, dass Polen für die gegenständlichen Verfahren zuständig sei und daher beabsichtigt sei, ihre Anträge auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und ihre Außerlandesbringung zu veranlassen, übereinstimmend zusammengefasst an, dass sie nicht nach Polen wollten, da es dort gefährlich für sie sei, zumal auch dort nach dem Erstbeschwerdeführer gesucht worden wäre.

Die Beschwerdeführer legten diverse Dokumente vor, unter anderem ein Schreiben einer Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, aus dem sich ergibt, dass die Zweitbeschwerdeführerin schwanger sei, sowie ein Schreiben des XXXX der Russischen Föderation betreffend die Verurteilungen des Erstbeschwerdeführers.

2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2016 wurden die Anträge der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkte I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Polen zulässig sei (Spruchpunkte II.).

3. Den gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden wurde mit hg. Erkenntnissen vom 21.12.2016, Zln. W243 2141081-1/6E, W243 2141078-1/5E und W243 2141079-1/6E, gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien wurden zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben. Diese Entscheidungen wurden mit einem Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO infolge Ablaufs der Überstellungsfrist begründet.

4. Am XXXX wurde der nunmehrige Viertbeschwerdeführer als Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Für diesen wurde durch seine gesetzlichen Vertreter mit Eingabe vom 11.04.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Eingabe vom 27.06.2017 wurde das im Spruch ersichtliche Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben.

5. Am 09.11.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, jeweils im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache sowie einer Vertrauensperson, niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs gaben sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin an, gesund zu sein und sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Die Verständigung mit der Dolmetscherin funktioniere gut, ihre anlässlich der Erstbefragung erstatteten Angaben hätten der Wahrheit entsprochen.

Die anwesende Vertrauensperson gab zu Beginn der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers an, ebenso wie der Erstbeschwerdeführer aus XXXX zu stammen und diesen bereits von dort gekannt zu haben. Er selbst sei vier Tage vor dem Erstbeschwerdeführer festgenommen worden, der Erstbeschwerdeführer und er hätten seinen Onkel unterstützt, welcher Widerstandskämpfer gewesen wäre. Die weitere Befragung des Erstbeschwerdeführers vernahm im Wesentlichen den folgenden Verlauf:

"(...) F: Haben Sie sich jemals einen russischen Auslandsreisepass oder Inlandspass ausstellen lassen?

A: Ich hatte einen Auslandsreisepass und Inlandspass.

F: Hatten Sie sonstige amtliche Dokumente?

A: Ja (russische Heiratsurkunde, österreichischer Führerschein).

F: Wo liegt Ihr Geburtsort/Wohnort?

A: Ich wurde in XXXX (Tschetschenien) geboren. Gewohnt habe ich bis zur Verhaftung in XXXX . Ich wurde im Jänner 2005 verhaftet. Zuerst wurde ich an unterschiedlichen Orten festgehalten XXXX . Ich wurde dann in der Stadt XXXX ) geschickt.

...

F: Haben Sie in Österreich Verwandte? Besteht in Österreich eine besondere private Bindung (ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis muss vorliegen) beziehungsweise besteht ein Familienleben in Österreich?

A: Ich habe, außer der Frau und den Kindern, keine Verwandten in Österreich. Ich bin verheiratet (standesamtlich, traditionell). Es gibt in Österreich keine Personen, zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ich kenne in Österreich Landsleute und Österreicher.

F: Wo hält sich die Familie Ihrer Schwester auf?

A: In Holland.

F: Haben Sie noch Angehörige und Bekannte in der Russischen Föderation? Besteht Kontakt zu diesen?

A: Ja (Eltern, Onkeln und Tanten). Ich habe mit den Eltern Kontakt. Ich grüße sie, wenn es einen Feiertag gibt.

F: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich Sprachkenntnisse in Deutsch erworben?

A: Ich beherrsche Deutsch ein wenig.

F: Gehen Sie in Österreich einer legalen Arbeit nach?

A: Nein.

F: (Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Österreich:) Besuchen Sie eine Schule, eine Universität oder einen Kurs? Sie sind Mitglied in einer Organisation oder in einem Verein?

A: Ich besuchte Deutschkurse und machte einen Abschluss. Sonst nicht.

F: Leiden Sie an schweren Erkrankungen? Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?

A: Nein.

F: Sind Sie in der Russischen Föderation vorbestraft?

A: Ja. Ich wurde verurteilt und saß deswegen im Gefängnis (§§ 209, 222, 226, 317, 82, 88, 62, 69). Ich wurde als "Teilnehmer einer Banditengruppe" verurteilt.

F: Wie war Ihre wirtschaftliche Situation in der Russischen Föderation? Wovon lebten Sie?

A: Als ich festgenommen wurde, war ich 19 Jahre alt. Ich wurde im Alter von 28 Jahren freigelassen. Ich hatte eigentlich keine Arbeit. Nach der Freilassung war ich als Kleinunternehmer tätig. Ich hatte Geschäfte und verpachtete diese.

...

Grund: In den Jahren 2002, 2003 und 2004 habe ich Leuten geholfen. Unser Präsident hieß zuerst XXXX . Diese Leute waren mit den Präsidenten. Ich unterstützte diese Leute. Dazu gehört auch XXXX . Ich kaufte Lebensmittel für diese Leute. Ich stellte Kassetten und Briefe zu. So half ich diesen Leuten. XXXX befindet sich in Österreich. Er lebt in der Stadt XXXX . Er kam 2007 nach Österreich. Als er damals einvernommen wurde, sprach er auch über meine Probleme. Ich war damals noch im Gefängnis. Er erzählte alles über mich. Im Jahre 2005 drangen bei mir zuhause in XXXX bewaffnete Personen ein. Manche Personen waren maskiert. Ich wurde verschleppt und an einer mir unbekannten Stelle im Keller festgehalten. Dort wurde ich gefoltert; auch mit Strom. Sie schlugen mich auch mit einem Gummiknüppel und mit einem Eisenrohr zusammen. Man legte mir auch Handschellen an und wurde ich an die Decke gehängt. Die Dauer dieser Folter war unterschiedlich. Manchmal hing ich mehrere Stunden an der Decke. Zwischendurch wurde ich dann wieder gefoltert. Sie schütteten mir heißes und kaltes Wasser über den Rücken. Ich sollte irgendwelche Dokumente unterschreiben. Das alles dauerte zwei Monate. Nach zwei Monaten wurde ich, ich meine, zuerst wollten sie mich umbringen, in eine Uniform gesteckt. Sie gaben mir keine Gelegenheit, mich zu waschen und zu rasieren. Ich bekam lange Haare und einen Bart. Sie hielten mich fest, um mich danach als einen Mann, der in den Bergen kämpft, zu präsentierten. Somit wollten sie aufzeigen, dass sie effektiv arbeiten. Dann wurde ich an den XXXX übergeben. Das ist wie die Polizei. Aber dort beschäftigt man sich mit Leuten, die als militärische Straftäter gelten. Dort gab es eine Untersuchung bis August. Elf Monate und zwei Wochen hielten sie mich dort an. Dann gab es die Gerichtsverhandlung ( XXXX ) in XXXX . Ich wurde dann noch drei Monate festgehalten. Die Entscheidung musste erst rechtskräftig werden. Insgesamt war ich etwa 11 Monate in Untersuchungshaft. Ich legte eine Kassationsbeschwerde ein und fuhr nach XXXX . In Tschetschenien ging ich durch alle Instanzen. Ich wurde unschuldig verurteilt. Die letzte in Instanz in Russland beschäftigte sich mit meiner Angelegenheit. Es waren drei Richter. Ich musste ins Gefängnis. Ich wurde in XXXX angehalten. Mein Urteil lautete neun Jahre, strenge Bewachung. Ich saß dann 8 Jahre und sechs Monate ab. Ich schrieb immer wieder und immer wieder. Deshalb wurde mir ein kleiner Teil der Strafe erlassen. Ich beschäftigte mich mit den Gesetzen und kannte mich zuletzt fast so gut wie ein Anwalt aus. Ich schrieb sogar nach XXXX . Im XXXX wurde ich in mehreren Strafgefangenenlager angehalten. Einige Monate vor meiner Freilassung wurde ich in XXXX zu einer dreijährigen Aufsicht verurteilt. Das heißt, dass ich zwischen 22 und 7 Uhr mein Haus nicht verlassen durfte. Viermal im Monat musste ich zur Behörde gehen, um mich zu melden. Ich durfte die Stadt XXXX ohne eine Erlaubnis der Stadt nicht verlassen. Nach der Freilassung war ich bis zum 28.01.2016 in XXXX . Dann reiste ich ab. Während des Aufenthaltes in XXXX kamen Polizisten (ich bezeichne sie als Banditen in Uniform). Die Polizisten nahmen immer wieder Leute mit und brachten diese um. Manche Leute wurden aber auch ins Gefängnis gesteckt. Für andere Verschleppte wurde Lösegeld verlangt. Das ist eine Mafia. Sie kamen zu jeder Tages- und Nachtzeit zu mir. Das war so, als ob ich ein Bandit wäre. Manchmal wurde ich mitgenommen, manchmal wurde ich auch geschlagen. Sie kamen unterschiedlich oft zu mir, aber mindestens viermal im Monat. Wenn in meiner Ortschaft irgendetwas passiert ist, kamen sie gleich zu mir. Im Jahr 2015 wurde ich mitgenommen. Ich wurde einen Tag und eine Nacht mit Strom gefoltert. Ich wurde auch durch Schlafentzug gefoltert. Ich sollte einen Vertrag unterschreiben: Geh in die Ukraine kämpfen. Damals gab es dort einen Krieg. Sie wollten mich dort umbringen lassen, damit sie mich quasi auf diese Weise töten. Ich sah viel. Andere Leute wurden gefoltert und getötet. Ich sah, dass Leichen wie Müll abgelegt wurden - das war aber im Jahr 2005, als ich angehalten und gefoltert wurde. Ich bin für diese Leute ein unangenehmer Zeuge. Sie wollten mich beseitigen, entweder durch Haft, oder durch Tötung. Ich wollte nichts unterschreiben. Als ich im Jahr 2005 etwas unterschrieben habe, war ich viele Jahre im Gefängnis. Ich wurde freigelassen. Sie gaben mir Bedenkzeit. Sie schlugen mir vor, dass ich ihnen $ 10.000,-- bezahle. Dann hätten sie mich in Ruhe gelassen. Sie gaben mir noch zwei weitere Möglichkeiten: ich hätte in der Ukraine kämpfen können, oder wäre ich umgebracht werde. Meine Verwandten halfen mir, damit ich die $ 10.000,-- bezahlen konnte. Dann wurde ich eine gewisse Zeit in Ruhe gelassen. Die Überprüfungen dauerten aber nach wie vor an. Diese Leute kamen weiter zu mir. Ich hatte keine Möglichkeit, mir einen Auslandsreisepass ausstellen zu lassen. Diese Leute sprachen aber nicht mehr über die Ukraine. Ich wurde aber weiterhin mitgenommen. Manchmal schüchterten sie mich ein, manchmal schlugen sie mich zusammen. Ich suchte dann eine Möglichkeit, für mich einen Auslandsreisepass ausstellen zu lassen. Ich stand aber, wie bereits erwähnt, drei Jahre unter Beobachtung, obwohl das nicht gesetzlich war. Über einen Bekannten fand ich eine Möglichkeit, mir einen Reisepass ausstellen zu lassen. Ich bezahlte Geld für die Ausstellung des Auslandsreisepasses. So bekam ich auch Pässe für die Frau und die Tochter. Meiner Frau wurde der Auslandsreisepass aber abgenommen. Meine Frau musste für die Herausgabe des Passes Lösegeld bezahlen.

F: Weshalb reisten Sie nicht gemeinsam mit der Ehegattin aus Tschetschenien aus?

A: Als ich Tschetschenien verlassen habe, hatte meine Ehegattin keinen Auslandreisepass.

Bevor ich abgereist bin, kam ein FSB-Mitarbeiter ( XXXX , ein Inguschete) mir. Er arbeitete für den XXXX . Ich wurde mitgenommen und zusammengeschlagen und mit Strom gefoltert. XXXX sagte, dass ich nach Syrien zu den gleichen Bedingungen wie in der Ukraine fahren soll. Man wollte mich dann umbringen, indem ich ein Kämpfer in Syrien bin. Dort wird das jetzt so gemacht, dass die Verwandten von solchen Leuten delogiert werden und ihre Häuser in Brand gesetzt werden. Ich wurde einige Tage gefoltert und geschlagen. Dann wurde ich freigelassen. Sie gewährten mir Bedenkzeit. Man ließ mich tagsüber frei. In der Nacht kamen andere Leute. Das waren Kadirow-Leute. Ich wurde auch von diesen mitgenommen, geschlagen und bedroht. Man wollte bewirken, dass ich mit dem Vorschlag von XXXX einverstanden bin. Man sagte mir, dass man mich sonst in ein Erdloch stecken und mich so umbringen wird. Als ich das letzte Mal freigelassen wurde, verließ ich Tschetschenien noch in der Nacht. Ich hätte am nächsten Morgen meine Entscheidung präsentieren sollen. Ich fand einen Fahrer mit einem Kleinbus.

F: Weshalb haben Sie zwei Bestätigungen über Ihre Eltern mit?

A: 1944 wurden alle Tschetschenen deportiert. Meine Großeltern waren in Kasachstan. Meine Eltern wurden in Kasachstan geboren. Das sind Bestätigungen, dass meine Großeltern nach Kasachstan deportiert und dass meine Eltern dort geboren wurden.

F: Weshalb haben Sie ein mehrseitiges Schreiben vom 5. Juni 2006 mit?

A: Wir wurden wegen unserer Religion im Gefängnis zusammengeschlagen. Das Schriftstück (Beschluss über die Ablehnung der Einleitung eines Strafverfahrens) wurde in XXXX (Gebiet XXXX ) ausgestellt. Wir waren etwa sieben Tschetschenen und durften nicht beten. Wir fügten uns Schnittwunden zu, weil wir heftig gefoltert wurden. Ich fügte mir Schnittwunden am Bauch zu. Dann wurde ich in Einzelhaft verlegt. Ich war immer in Handschellen (21.05.-26.05.). Gegen die Mitarbeiter wurde dann ein Strafverfahren eingeleitet. Das ist zusammengefasst der Inhalt des Schreibens.

F: In welcher Weise halfen Sie dem Onkel von Herrn XXXX (Vertrauensperson)?

A: Ich transportierte Pakete. Darin befanden sich Kassetten und Post. Ich stellte die Pakte zu. Ich transportierte auch Lebensmittel. Der Onkel heißt XXXX . Jetzt heißt er XXXX .

F: Weshalb hätten die Polizisten, die Banditen, Sie am Leben lassen sollen?

A: Manche wurden freigelassen, manche wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, so wie ich. Scheinbar war das mein Schicksal. Ich bin sicher, dass sie mich festgehalten haben, um mich zu töten.

V: In der Erstbefragung sagten Sie aus, für XXXX tätig gewesen zu sein. Ihre Angaben erscheinen unglaubhaft. XXXX wurde Anfang 2005 ermordet. Mittlerweile sind sogar ehemalige tschetschenische Rebellen in der Regierung vertreten. Wären Sie tatsächlich ein Staatsfeind, dann hätte man Sie nach Ansicht des Bundesamtes gar nie freigelassen. Was sagen Sie dazu?

A: Ich wurde drei Jahre unter Aufsicht gestellt. Ich flüchtete aber vorher. Sie wollten mich benützen und dann töten.

F: Können Sie erklären, wozu diese Leute Ihre Unterschrift benötigen hätten sollen, um Sie zu töten?

A: Ich war Freiwild für diese Leute. Ich hätte unterschreiben und dann hinfahren sollen. Ich habe nicht unterschrieben. Ich zahlte Geld, damit ich Ruhe habe. Eine Zeit war Ruhe. Dann begann wieder alles.

F: Weshalb fuhren Sie nicht gleich nach der Freilassung nach Österreich?

A: Ich wurde im Jahr 2013 freigelassen. Damals hatte ich keinen Auslandsreisepass.

F: Wann haben Sie geheiratet?

A: Im Jahr 2014.

F: Machte Ihnen die Behörde keine Probleme?

A: Ich wurde immer wieder festgenommen und geschlagen.

F: Kannten Sie jene Leute, von denen Sie gefoltert wurden?

A: Ich kannte sie vom Sehen. Ihre Familien- und Vornamen kannte ich nicht.

F: Haben Sie Verletzungen von den Folterungen?

A: Jetzt sieht man nichts. 12 Jahre sind vergangen.

V: Aber Sie wurden auch 2015 ständig gefoltert. Was sagen Sie dazu?

A: Die arge Folter war aber im Jahr 2005.

F: War das der Grund der Asylantragstellung?

A: Ja.

F: Wollen Sie Ihre Angaben näher ausführen?

A: Ein Mann heißt XXXX . Er war schon im Jahr 2005 dabei. Dann verfolgte er mich immer wieder. Er arbeitete schon damals im Jahr 2005 beim FSB. Als ich in Polen war, war XXXX auch dort. Mir fällt noch ein, dass ich während der Haft etwa fünf Jahre in Einzelhaft war.

...

F: Wie oft wurden Sie festgenommen und inhaftiert?

A: Es gab eine Haft (siehe oben). In den Jahren 2002 bis 2004 kamen die Russen. Sie kreisten unseren Rajon ein. Alle jungen Burschen wurden mitgenommen. Manche wurde in Erdlöchern festgehalten. Ich wurde etwa fünf- bis zehnmal (2002-2005) mitgenommen. Von 2013 bis 2016 wurde ich etwa viermal (Minimum) im Monat mitgenommen. Eine genaue Zahl kann ich Ihnen nicht nennen.

F: Wurden Sie in der Russischen Föderation jemals aus religiösen Gründen verfolgt?

A: Nein.

F: Waren Sie in der Russischen Föderation Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in der Russischen Föderation jemals wegen Ihrer politischen Überzeugung verfolgt?

A: Mein Problem war politisch.

F: Was befürchten Sie, im Falle der Rückkehr in der Russischen Föderation erleiden zu müssen?

A: Zumindest werde ich für drei Jahre inhaftiert. Oder sie bringen mich gleich um.

F: Sind Sie ein Wahabit?

A: Nein.

F: Haben Sie ab Ende 1999 aktiv als Widerstandskämpfer auf tschetschenischer Seite mitgewirkt?

A: Ich habe nie gekämpft.

F: Waren Sie für terroristische Akte verantwortlich?

A: Nein.

F: Lebten Sie jemals in der Russischen Föderation, außerhalb von Tschetschenien?

A: Nein.

F: Haben Sie familiäre oder melderechtliche Anknüpfungspunkte in anderen Regionen der Russischen Föderation (außerhalb von Tschetschenien)?

A: Nein. (...)"

Die Befragung der Zweitbeschwerdeführerin vernahm im Wesentlichen den folgenden Verlauf:

"(...) F: Haben Sie sich jemals einen russischen Auslandsreisepass oder Inlandspass ausstellen lassen?

A: Ich hatte einen russischen Inlandspass und einen Auslandsreisepass.

...

F: Wo liegt Ihr Geburtsort/Wohnort?

A: Ich wurde in XXXX (Tschetschenien) geboren. Ich wohnte bis 2014 im Dorf XXXX (Tschetschenien). Bis 2016 wohnte ich XXXX .

...

F: Haben Sie in Österreich Verwandte? Besteht in Österreich eine besondere private Bindung (ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis muss vorliegen) beziehungsweise besteht ein Familienleben in Österreich?

A: Ich habe keine Verwandten in Österreich. Ich bin verheiratet (standesamtlich, traditionell). Es gibt in Österreich keine Personen, zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ich habe hier aber Bekannte.

F: Haben Sie noch Angehörige und Bekannte in der Russischen Föderation? Besteht Kontakt zu diesen?

A: Ja (Eltern, Geschwister, Onkeln und Tanten). Ich habe Kontakt zu den Verwandten.

F: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich Sprachkenntnisse in Deutsch erworben?

A: Ich habe Deutsch schon ein wenig erlernt.

F: Gehen Sie in Österreich einer regelmäßigen legalen Arbeit nach?

A: Nein.

F: (Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Österreich:) Besuchen Sie eine Schule, eine Universität oder einen Kurs? Sie sind Mitglied in einer Organisation oder in einem Verein?

A: Ich besuchte Deutschkurse. Sonst nichts.

F: Leiden Sie an schweren Erkrankungen? Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?

A: Ich leide an keinen schweren Erkrankungen. Ich war bei der XXXX und bat um psychologische Unterstützung. Wegen der Probleme in Tschetschenien habe ich Depressionen. Medikamente muss ich derzeit keine einnehmen.

F: Sind Sie in der Russischen Föderation vorbestraft?

A: Nein.

F: Wie war Ihre wirtschaftliche Situation in der Russischen Föderation? Wovon lebten Sie?

A: Ich arbeitete als Englischlehrerin in einer elfjährigen Grundschule in XXXX und XXXX . Ich arbeitete auch als Lehrerin für ein paar Stunden in einer Hochschule in XXXX .

...

Grund: Ich verließ meinen Herkunftsstaat, weil sich mein Ehegatte zur Ausreise entschlossen hatte. Er hatte im Herkunftsstaat Probleme. Als mein Mann Tschetschenien verlassen hat (Anmerkung: im Jänner 2016), er reiste nach Polen, drangen Männer in mein Haus ein. Die Männer drohten, dass sie meine Tochter und mich umbringen werden, wenn sich mein Mann nicht ihnen stellt. Mein Ehegatte sollte zurückkehren. Als ich die Möglichkeit hatte, reiste ich auch nach Polen. Ich verließ Tschetschenien am 09.05.2016.

F: War das der Grund der Asylantragstellung?

A: Ja.

...

F: Waren Sie in der Russischen Föderation jemals in Haft oder wurden Sie jemals festgenommen?

A: Nein.

F: Hatten Sie in der Russischen Föderation jemals Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

A: Ich hatte Probleme mit der Polizei. Man hat mir meinen Auslandsreisepass abgenommen. Sie sagten, dass eine Überprüfung durchgeführt werden muss. Das war etwa Ende Dezember 2015. Ich nenne die Polizisten "uniformierte Gauner". Sie verlangten € 1.000,-- Lösegeld. Für diese Summe hätte ich meinen Auslandsreisepass wieder zurückerhalten.

F: Wie oft waren, nachdem Ihr Ehegatte ausgereist war, Polizisten und unbekannte Männer bei Ihnen?

A: Das war unterschiedlich. Sie kamen vier-, fünf- oder sechsmal im Monat.

F: Wurden Sie in der Russischen Föderation jemals aus religiösen Gründen verfolgt?

A: Nein.

F: Waren Sie in der Russischen Föderation Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in der Russischen Föderation jemals wegen Ihrer politischen Überzeugung verfolgt?

A: Nein.

F: Was befürchten Sie, im Falle der Rückkehr in der Russischen Föderation erleiden zu müssen?

A: Für mich ist eine Rückkehr unmöglich. Meine Tochter und ich werden ergriffen. Sie werden fordern, dass mein Mann zurückkehr. Ich weiß nicht, was sie mit uns tun werden. Vielleicht werden wir gefoltert oder getötet.

F: Sind Sie eine Wahabitin?

A: Nein.

F: Haben Sie ab Ende 1999 aktiv als Widerstandskämpferin auf tschetschenischer Seite mitgewirkt?

A: Nein.

F: Haben Sie den Job als Lehrerin gekündigt?

A: Ich ging 2015 in Karenz. Nach der Karenz ging ich nicht mehr arbeiten.

F: Können Sie erklären, weshalb Ihnen Dokumente ausgestellt wurden, obwohl Ihr Mann gesucht wird?

A: Ich wurde ja nicht persönlich verfolgt. Ich persönlich war nicht in Gefahr.

F: Waren Sie für terroristische Akte verantwortlich?

A: Nein.

F: Lebten Sie jemals in der Russischen Föderation, außerhalb von Tschetschenien?

A: Nein. Ich fuhr nur nach XXXX , um dort operiert zu werden (Geschwulst am Gehirn, welches entfernt werden musste. Dort wurde meine Tochter geboren.

F: Haben Sie familiäre oder melderechtliche Anknüpfungspunkte in anderen Regionen der Russischen Föderation (außerhalb von Tschetschenien)?

A: Nein. (...)"

Abschließend bestätigten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils, sich mit der anwesenden Dolmetscherin während der gesamten Einvernahme einwandfrei verständigen haben zu können und dokumentierten die Richtigkeit und Vollständigkeit des aufgenommenen Protokolls nach Rückübersetzung durch ihre Unterschrift.

6. Mit im Familienverfahren ergangenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2017 bzw. zu 5.) vom 28.12.2018 wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.) und die Anträge gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkte IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität der BeschwerdeführerInnen fest und traf Feststellungen zur Situation in deren Herkunftsstaat (vgl. die Seiten 16 ff des den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheides). Im Verfahren des Erstbeschwerdeführers wurde desweiteren festgestellt, dass dieser sich in den Jahren 2005 bis 2013 in Haft befunden hätte. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dieser die Russische Föderation bzw. Tschetschenien habe verlassen müssen, da er von den Machthabern in Tschetschenien und FSB-Mitarbeiterin permanent einer Verfolgung aufgrund seiner Unterstützungstätigkeit für tschetschenische Kämpfer in den Jahren 2002 bis 2004 ausgesetzt gewesen wäre. Die Zweitbeschwerdeführerin sei ausschließlich aufgrund der Probleme ihres Ehegatten ausgereist, auch in Bezug auf die minderjährigen dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien seien keine darüberhinausgehenden Gründe vorgebracht worden. Es hätten keine stichhaltigen Gründe festgestellt werden können, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen würden. Die beschwerdeführenden Parteien hätten zahlreiche Verwandte in der Russischen Föderation und würden jeweils an keine schwerwiegenden Erkrankungen leiden.

Beweiswürdigend wurden im Verfahren des Erstbeschwerdeführers im Wesentlichen die folgenden Erwägungen getroffen:

"(...) Sie gaben an, Tschetschenien und die Russischen Föderation verlassen zu haben, weil Sie permanent von den tschetschenischen Machthabern, aber auch von Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes FSB, bedroht und verfolgt worden wären. In den Jahren 2002 bis 2004 hätten Sie tschetschenische Widerstandskämpfer unterstützt, indem Sie für diese Lebensmittel gekauft und Pakete zugestellt hätten. Sie wären im Jahr 2005 von einem Gericht zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die Sie in mehreren Strafgefangenenlagern in XXXX abgesessen hätten. Nach der Freilassung im Jahr 2013 hätten Sie sich wieder nach XXXX (Tschetschenien) begeben. Dort wären Sie bis Anfang 2016 geblieben. In dieser Zeit hätten Sie die jetzige Ehegattin geheiratet. Da Sie jedoch permanent von den tschetschenischen Polizisten aufgesucht worden und Sie weiters einer regelmäßigen Meldepflicht unterlegen wären, hätten Sie letztendlich den Entschluss gefasst, nach Europa zu fliehen. Während der gesamten Zeit, ab dem Jahr 2005, hätte man Sie massiv misshandelt und auf diese Weise eingeschüchtert.

Von der erkennenden Behörde wurde der angegebene Sachverhalt in Zweifel gezogen. Ihre Behauptungen haben Sie nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können.

Diese Ansicht der erkennenden Behörde wurde aufgrund von Ungereimtheiten bestätigt. Obwohl Sie bereits im Jahr 2013 entlassen worden wären und weiterhin Übergriffe von tschetschenischen Behördenorganen und russischen FSB-Leuten befürchtet hätten, wären Sie dennoch bis Jänner 2016 in Tschetschenien geblieben, bevor Sie die Russische Föderation aufgrund der von Ihnen dargelegten Probleme verlassen hätten. Eine solche Vorgangsweise würde bei tatsächlicher, konkreter und individueller Verfolgungsgefahr jeder Logik entbehren und konnte diese daher nicht schlüssig nachempfunden werden. Die einzige logische Konsequenz, bei Zutreffen des von Ihnen behaupteten Vorbringens sowie der angeblich ständigen Furcht vor einem Übergriff, wäre ein sofortiges Verlassen des Herkunftsstaates gewesen. Daran vermag auch Ihre Behauptung nichts zu ändern, dass Sie nach der Freilassung keinen Auslandsreisepass besessen hätten.

In diesem Zusammenhang war es auch nicht plausibel, weshalb Sie Ihre Ehegattin und das Kind zurücklassen hätten sollen (Anmerkung: Ihre Familienangehörigen hätten Tschetschenien und die Russische Föderation nicht gleichzeitig mit Ihnen verlassen), wenn doch Lebensgefahr für Sie in Tschetschenien bestanden hätte. Es hätte Ihnen bewusst sein müssen, dass von Seiten der tschetschenischen Behörden Druck auf Ihre Verwandten ausgeübt wird, um Sie zur Rückkehr zu zwingen.

Dass Sie keiner Verfolgungsgefahr seitens russischer und tschetschenischer Behördenorgane ausgesetzt waren und sind, ergibt sich aus dem Zeitpunkt der angeblichen Verfolgung in Verbindung mit Ihrem Verhalten. Sie hätten nie an Kampfhandlungen im zweiten Tschetschenienkrieg, der von Ende 1999 bis 2009 ausgetragen wurde, teilgenommen und auch sonst nichts Besonderes (zum Bespiel: die Begehung terroristischer Akte) gemacht, wären aber dennoch ab Mitte 2005 verfolgt worden. Einen logisch kausalen Grund für das Vorgehen der bewaffneten und teils maskierten Personen, über die Sie keine weiteren Angaben machten, konnte dem Vorbringen nicht entnommen werden, weshalb diesem die Glaubhaftigkeit versagt werden musste. Wie man in öffentlich zugänglichen Dokumentationen über den Bürgerkrieg in Tschetschenien nachlesen kann, war die Situation in den Jahren 2005 bis 2009 militärisch dadurch gekennzeichnet, dass die russischen Sicherheitskräfte im Rahmen ihrer so genannten "Antiterroristischen Operation" versucht haben, die verbliebenen Rebellenkämpfer systematisch auszuschalten. Deren Aktivitäten konnten jedoch nicht sofort gestoppt werden. Immer wieder gelang es den Rebellen, föderalen Kräften und ihren lokalen Verbündeten verlustreiche Schläge zuzufügen. Die russischen und pro-russischen tschetschenischen Sicherheitskräfte unternehmen bei ihrer Bestrebung, die verbliebenen Rebellenkämpfer auszuschalten, vor allem gezielte Einzelaktionen gegen Personen, die sie der Begehung "terroristischer" Taten verdächtigen. Die Anzahl der groß angelegten flächendeckenden "Säuberungsaktionen" in bestimmten Regionen Tschetscheniens hat sich jedoch etwa ab dem Jahr 2005 erheblich verringert. Allgemein wurden in den vergangenen Jahren weniger Übergriffe durch russische Einheiten bekannt als in den Jahren zuvor. Dieser Trend hat sich insbesondere 2005 verstärkt. So lag nach Schätzungen die Zahl der im ganzen Jahr 2005 entführten Personen in ganz Tschetschenien bei 77-300 Betroffenen. Aus Ihren Angaben lässt sich in keiner Weise entnehmen, dass Sie vor dem Zeitpunkt der Ausreise, aber auch zum heutigen Zeitpunkt akut der Gefahr einer Festnahme ausgesetzt waren und wären. Sie erwähnten mit keinem Wort, dass Sie ein Rebellenkämpfer waren, der für die Begehung terroristischer verantwortlich war. Sie führten auch nicht aus, dass Sie noch immer ein Rebellenkämpfer sind. Ferner ist Ihrem Vorbringen entgegenzuhalten, dass XXXX , für dessen Gefolgsleute Sie diverse Transporte erledigt hätten, Anfang 2005 ermordet wurde. Mittlerweile sind sogar ehemalige tschetschenische Rebellen in der Regierung Tschetscheniens vertreten und gab es Amnestien für diese. Weshalb nun gerade Sie einer Verfolgung von erheblichem Ausmaß ausgesetzt gewesen wären beziehungsweise auf welche Weise gerade Sie eine erhebliche Bedrohung für die Staatsführung in der Teilrepublik Tschetschenien sein hätten sollen, konnten Sie beim Bundesamt nicht überzeugend vorbringen. Ihr Vorbringen steht somit in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen in Tschetschenien (Russische Föderation) und war dieses nicht geeignet, Ihnen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Ihr Vorbringen beinhaltet weitere Ungereimtheiten. Sie führten aus, zumindest über mehrere Monate hinweg einer physischen Folter ausgesetzt gewesen zu sein. Die Foltermethoden beschrieben Sie unter anderem so: "... Ich wurde verschleppt und an einer mir unbekannten Stelle im Keller festgehalten. Dort wurde ich gefoltert; auch mit Strom. Sie schlugen mich auch mit einem Gummiknüppel und mit einem Eisenrohr zusammen. Man legte mir auch Handschellen an und wurde ich an die Decke gehängt. Die Dauer dieser Folter war unterschiedlich. Manchmal hing ich mehrere Stunden an der Decke. Zwischendurch wurde ich dann wieder gefoltert. Sie schütteten mir heißes und kaltes Wasser über den Rücken. Ich sollte irgendwelche Dokumente unterschreiben. ...". Dennoch weist Ihr Körper keine Folterspuren auf ("... F: Haben Sie Verletzungen von den Folterungen? A: Jetzt sieht man nichts. 12 Jahre sind vergangen. ..."; Anmerkung: Ihre Selbstverstümmelungsnarben werden vom Bundesamt nicht in Abrede gestellt). Alleine der Umstand, dass man mit Handschellen an die Decke aufgehängt wird, hätte Narben an den Handgelenken hinterlassen müssen, zumal das Eigengewicht Sie nach unten ziehen hätte müssen und Sie dem "Druck" einzig durch die Handgelenke entgegenwirken hätten können. Ebenso hätten Folterungen per Strom Verbrennungsnarben hinterlassen müssen. Aufgrund der aufgezeigten Ungereimtheiten geht das Bundesamt davon aus, dass es sich bei Ihren Angaben um ein frei erfundenes Konstrukt handelt.

Dass Ihrem Vorbringen keine Glaubhaftigkeit zukommt, wird auch aufgrund weiterer Widersprüche bestätigt. Sie legten beim Bundesamt mehrere russische Originaldokumente vor (Anmerkung: russischer Inlandspass, ausgestellt am XXXX in XXXX ; eine russische Vaterschaftsurkunde, ausgestellt am XXXX in XXXX ; eine russische Heiratsurkunde, ausgestellt am XXXX in XXXX ; einen russischen Auslandsreisepass, der von den polnischen Behörde abgenommen wurde). Obwohl russische und tschetschenische Behördenorgane ein massives Interesse an Ihrer Person haben sollten, wäre Ihnen dennoch die Ausstellung von Dokumenten nicht verwehrt worden. Selbst während der Haft hätten Sie die Ausstellung des Inlandspasses erwirken können. Dass Sie, eine angeblich massiv verfolgte Person, über mehrere Jahre hinweg einem geregelten Leben nachgehen konnten (Anmerkung: das Leben XXXX ab 2013, das Verpachten von Geschäftslokalen, das Beantragen von Dokumenten, die Gründung einer Familie), spricht gegen die Glaubhaftigkeit einer individuellen Verfolgung. Der russische Führerschein, den Sie im Jahr 2004 gemacht hätten, wurde Ihnen auch nicht abgenommen, sodass Sie diesen während des Aufenthaltes in Österreich umschreiben konnten.

Nur nebenbei wird Folgendes angeführt: Der Auslandsreisepass ist ein offizielles Dokument, der die Ein- und Ausreise in das Gebiet der Russischen Föderation erlaubt. Derzeit sind drei Arten von

Auslandsreisepässen in Verwendung: Alte Reisepässe ohne Chip, Reisepässe mit Chip (Ausstellung seit 2006), Biometrische Reisepässe (Ausstellung seit 2010). Seit März 2010 werden die neuen biometrischen Reisepässe ausgestellt. Als biometrisches Datum wird derzeit einzig das Foto erfasst. Das Foto wird direkt bei der ausstellenden Behörde, dem Föderalen Migrationsdienst FMS (siehe 3.4.), gemacht, es sind keine anderen Fotografien zulässig. Auch die Unterschrift, die eingescannt auf die Datenseite des Reisepasses kommt, wird mit dem richtigen Schreibwerkzeug in ein dafür vorgesehenes Feld direkt bei der FMS-Stelle geleistet. Die Angaben zu Wohnsitz und Arbeitsverhältnissen der letzten 10 Jahre, die beim Antrag überprüft werden, sind dort gespeichert, wo der Antrag gestellt wurde. Ein Antrag muss immer persönlich eingereicht werden, dies gilt sowohl für die "alten", also nicht biometrischen Auslandsreisepässe, als auch für die "neuen", also biometrischen. Es gibt keine Ausnahmeregelungen, aufgrund derer ein Auslandsreisepass nicht persönlich beantragt werden muss.

Laut Ihren Angaben fanden Sie über einen Bekannten eine Möglichkeit, sich einen Reisepass ausstellen zu lassen. Sie bezahlten Geld für die Ausstellung des Auslandsreise-passes. Da sich diese Aussage nicht mit den zuvor angeführten Fakten deckten, mussten sie als Schutzbehauptung erachtet werden. Ihre Angaben über eine "gekaufte" Passausstellung konnten daher nicht dazu beitragen, die Glaubhaftigkeit Ihres Vorbringens zu stützen.

Ebenso erscheint es nicht plausibel, dass Ihre etwa achtjährige Haftstrafe unter einem Vorwand (Anmerkung: unter anderem wurden Sie wegen Begehung des Paragraphen 222 russisches StGB - illegaler Erwerb einer Waffe und illegaler Waffenbesitz - verurteilt) passieren hätten sollen, an Ihrer Person weiter ein massives Interesse bestehen hätte sollen, Sie jedoch freigelassen worden wären. Hätten Ihre Verfolger tatsächlich beabsichtigt, Sie zu töten, wären wohl probatere Mittel gegen Sie eingesetzt worden. Wie den oben angeführten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, beklagen NGOs weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Weshalb man daher Sie in Freiheit lassen hätte sollen, obwohl Ihren Verfolgern bewusst sein musste, dass Sie diese Freilassung zum Anlass der Flucht nehmen werden, konnten Sie der erkennenden Behörde nicht schlüssig erläutern.

Mit der Erklärung, dass Sie im Falle einer Rückkehr um Ihr Leben fürchten müssten, vermochten Sie daher dem vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch nicht gerecht zu werden. Ihre Befürchtungen stützen sich lediglich auf vage Vermutungen. Konkrete Anhaltspunkte oder Hinweise, für die von Ihnen behaupteten Verfolgungshandlungen, konnten jedoch dem Vorbringen - wie aufgezeigt - nicht entnommen werden. Dem Bundesamt liegen auch keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern vor, sodass Ihre Rückkehrbefürchtungen nicht nachvollziehbar, nicht plausibel und daher als nicht glaubhaft zu befinden sind.

Ihr Vorbringen war mangels Glaubhaftigkeit nicht geeignet, Ihnen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. (...)"

In den Verfahren der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien seien keine individuellen Fluchtgründe geltend gemacht worden, diese hätten ihre Anträge jeweils auf die - als unglaubwürdig befundenen - Gründe des Erstbeschwerdeführers gestützt, weshalb auch in deren Verfahren keine Rückkehrgefährdung habe erkannt werden können.

7. Mit für alle Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz vom 25.12.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am 27.12.2017) erhoben die beschwerdeführenden Parteien gegen die oben angeführten Bescheide fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher die erstinstanzlichen Erledigungen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Verfahrens im vollen Umfang angefochten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt wurde. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, der Erstbeschwerdeführer sei wegen des Vorwurfs, Mitarbeiter des früheren tschetschenischen Präsidenten logistisch unterstützt zu haben, schwer gefoltert und jahrelang inhaftiert worden. Auch nach seiner Freilassung hätten die Repressalien nicht aufgehört, sodass er aufgrund des zunehmenden Verfolgungsdrucks und konkret gegen ihn gerichteter Drohungen zur Flucht gezwungen gewesen wäre. Der Erstbeschwerdeführer habe konkrete und umfangreiche Angaben zu den fluchtauslösenden Vorfällen erstattet und zahlreiche Beweismittel vorgelegt, welche seine Angaben untermauern würden, zudem gebe es zahlreiche Zeugen, welche seine Befürchtungen bestätigen könnten. Das Bundesamt selbst habe nicht in Zweifel gestellt, dass der Erstbeschwerdeführer jahrelang unter einem Vorwand unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt worden wäre, was in die weitere Beurteilung des Falles jedoch nicht einbezogen worden wäre. Unverständlich erschienen auch die Vorwürfe der Behörde in Bezug auf die in der Zeit nach Entlassung des Erstbeschwerdeführers ausgestellten Dokumente, zumal dieser ausgeführt hätte, diese nur durch Bezahlung von Bestechungsgeld erlangt zu haben. Ebensowenig erwiesen sich die spekulativen Behauptungen der Behörde bezüglich der Folter, welcher der Erstbeschwerdeführer ausgesetzt gewesen wäre, als nachvollziehbar. Der russische bzw. tschetschenische Geheimdienst habe jahrzehntelange Erfahrung, Menschen zu quälen, ohne erkennbare Spuren zu hinterlassen. Folterungen, wie sie vom Erstbeschwerdeführer geschildert worden wären - Stromschläge, Stresspositionen, Schläge mit Gummiknüppeln, Überschütten mit kaltem und heißem Wasser, hätten gerade zum Ziel, keine körperlichen Beweise zu hinterlassen. Der Beweiswürdigung würde daher ein erkennbarer Begründungswert fehlen. Auch die Länderberichte würden die Befürchtungen der beschwerdeführenden Parteien bestätigen. In diesem Zusammenhang werde auf einen näher zitierten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe verwiesen. Die gegen die beschwerdeführenden Parteien bestehende Verfolgungsgefahr sei daher ebenso wohlbegründet, wie durch Länderberichte belegt und hätte daher als glaubwürdig und asylrelevant anerkannt werden müssen. Allenfalls wäre den beschwerdeführenden Parteien aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage in ihrer Heimat subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Auch die private und familiäre Situation der beschwerdeführenden Parteien habe unzureichende Berücksichtigung gefunden. Festzustellen wäre gewesen, dass diese nach den traumatischen Erlebnissen in ihrer Heimat und den Strapazen der langen Flucht nunmehr in Österreich Ruhe gefunden und bereits große Anstrengungen hinsichtlich ihrer Integration unternommen hätten.

8. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 02.01.2018 mitsamt den bezugshabenden Verwaltungsakten beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG. (Z. 3).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

1.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen. Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Beschwerdeführer sind Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005; es liegt unbestritten ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 vor.

Zu Spruchpunkt A:

1.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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