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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §71 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des G B in R, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2018, Zl. L501 2171354- 4/7E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) vom 23. Juni 2017 wurde ein Antrag des Revisionswerbers auf Anerkennung einer Berufskrankheit wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Hinweis, dass der Bescheid binnen vier Wochen mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden könne.
2 Der anwaltlich vertretene Revisionswerber erhob gegen den Bescheid Klage beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht. In der am 11. August 2017 zugestellten Klagebeantwortung wies die AUVA unter Zitierung von höchstgerichtlicher Judikatur darauf hin, dass der Zurückweisungsbescheid mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu bekämpfen gewesen wäre. Mit am 21. August 2017 zugestelltem Beschluss des Landesgerichts Linz vom 18. August 2017 wurde die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.
3 Mit Schriftsatz vom 4. September 2017 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und brachte vor, dass die rechtsfreundliche Vertretung wegen der großen Arbeitsbelastung während der Urlaubszeit an Stelle einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eine Klage beim Landesgericht Linz als Arbeits-und Sozialgericht eingebracht habe; Urlaube von Mitarbeitern hätten den Arbeitsanfall für den Vertreter erheblich erhöht, sodass er ohne sein Verschulden an der Fristwahrung gehindert gewesen sei. Dieses Hindernis sei erst mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 18. August 2017 am 21. August 2017 weggefallen.
4 Die AUVA wies den Wiedereinsetzungsantrag mit Bescheid vom 3. Juli 2018 wegen Nichtvorliegens eines unvorhergesehenen bzw. unabwendbaren Ereignisses ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe ab, dass der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen werde.
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, als Hindernis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG sei jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert habe. Die Versäumung der Beschwerdefrist sei laut Vorbringen des Revisionswerbers der Einbringung des falschen Rechtsmittels geschuldet, wobei dieser Irrtum auf eine urlaubsbedingte Überlastung des Vertreters zurückzuführen sei. Spätestens mit Zustellung der Klagebeantwortung hätte jedoch bei gehöriger Aufmerksamkeit erkannt werden müssen, dass die Beschwerdefrist abgelaufen sei, weil - worauf in der Klagebeantwortung hingewiesen worden sei - fälschlicherweise eine Klage erhoben worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher jedenfalls nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 71 Abs. 2 AVG gestellt worden und somit verspätet. Aber selbst dann, wenn man die Rechtzeitigkeit des Antrags bejahen würde, könnte ihm nicht stattgegeben werden, weil dem Vertreter nicht bloß ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen sei.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber geltend, dass die Frage zu beurteilen sei, ob die Wiedereinsetzungsfrist bereits mit Zustellung der Klagebeantwortung oder erst mit dem Zurückweisungsbeschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht zu laufen begonnen habe. Zur Klärung dieser Frage fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.
11 Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels und damit dem Beginn der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vgl. etwa VwGH 24.9.2015, Ra 2015/07/0113, mwN). Wann eine Kenntnis in diesem Sinn anzunehmen ist, obliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts; eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. in diesem Sinn zur Beurteilung des Verschuldensgrades des Wiedereinsetzungswerbers VwGH 31.5.2017, Ra 2017/22/0064, mwN). Von einer Unvertretbarkeit der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers die Einbringung des falschen Rechtsmittels und damit die Versäumung der Beschwerdefrist spätestens mit Zustellung der darauf hinweisenden Klagebeantwortung hätte auffallen müssen, kann aber keine Rede sein. Im Übrigen trifft auch die Alternativbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zu, wonach der Vertreter mit dem Vorbringen urlaubsbedingter Überlastung nicht darzulegen vermochte, dass ihn bei der Einbringung des falschen Rechtsmittels (trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung) nur ein minderer Grad des Versehens traf.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080030.L00Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019