TE Vwgh Erkenntnis 2019/2/21 Ra 2018/09/0031

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Veröffentlicht am 21.02.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10 Verfassungsrecht;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
30/01 Finanzverfassung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des T P in L, vertreten durch Kölly Anwälte OG in 7350 Oberpullendorf, Rosengasse 55, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Jänner 2018, W228 2128577-1/13E, betreffend Dienstbeschädigung und Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministerium Service, Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, Außenstelle Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die vom Revisionswerber erlittenen und im Spruch näher bezeichneten Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung gemäß § 1 und § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) anerkannt würden und wies den Antrag auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente gemäß § 21 HVG ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

2 Nach Darstellung des Verfahrensganges und der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten hat das Bundesverwaltungsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Der Beschwerdeführer ist am X.X.1978 geboren und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Er leistete vom 7.1.2015 bis 30.7.2015 Auslandspräsenzdienst. Die anerkannte Dienstbeschädigung des Beschwerdeführers stellt sich wie folgt dar:

6.7.2015 bis 17.7.2015: akute Lumboischialgie L4/5 und L5/S1 mit Wurzelreizung, Position 191, MdE 50 1/2 25; eine Stufe über unterem Rahmensatz, da eine akute Schmerzsymptomatik vorliegt, aber keine Ausfallserscheinungen bestehen.

18.7.2015 bis 9.11.2015: chronische Wurzelreizung L5 links bei degenerativen Bandscheibenschäden L4-S1; Position 190 MdE 30 1/2 15; oberer Rahmensatz, da radiologische Veränderungen mit klinischen Wurzelreizzeichen vorliegen und geringgradige Funktionseinschränkung besteht.

10.11.2015 bis dato: Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 links bei degenerativen Bandscheibenschaden L4/S1; Position 190 MdE 20 1/2 10; unterer Rahmensatz, da nach operativer Sanierung nur gelegentlicher Belastungsschmerz bei geringgradiger Funktionseinschränkung besteht.

Die Gesamt-MdE beträgt ab 6.7.2015 25 vH, ab 18.7.2015 15 vH und ab 10.11.2015 10 vH.

Es sind im Befund bei anerkannter Dienstbeschädigung gegenüber dem Gutachten vom 18.3.2016, welches dem Bescheid vom 18.4.2016 zugrunde liegt, folgende Änderung eingetreten:

Für den Zeitraum 6.7.2015 bis 17.7.2015 wird eine Erhöhung der Gesamt-MdE von 20 vH auf 25 vH vorgenommen. Für den Zeitraum 18.7.2015 bis 9.11.2015 wird eine Erhöhung der Gesamt-MdE von 10 vH auf 15 vH vorgenommen. Der Zeitraum ab 10.11.2015 ist nunmehr mit Position 190 (statt ursprünglich mit Position 417) bewertet und wird für diesen Zeitraum eine Erhöhung der Gesamt-MdE von 5 vH auf 10 vH vorgenommen."

3 In der Beweiswürdigung stützte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf das eingeholte Sachverständigengutachten vom 22. Februar 2017 und stellte dies als schlüssig, nachvollziehbar und ohne Widersprüche dar. Konkret setzte es sich weiters mit den jeweils angenommenen Rahmensätzen der herangezogenen Positionen auseinander. Bezüglich der im Gutachten am 22. Februar 2017 angenommenen Vorschädigung der Bandscheiben führte das Bundesverwaltungsgericht in der Beweiswürdigung weiters aus, dass dem Einwand des Revisionswerbers, dass jegliche Begründung für die Annahme der Vorschädigung fehle, zu entgegnen sei, dass der einschlägige Berufsverlauf eine Begründung für die bemängelte Annahme der Vorschädigung darstelle. Die Objektivierung dieser Annahme sei durch das Gutachten erfolgt. Die vorgebrachte Beschwerdefreiheit während 15 Jahren Tätigkeitsausübung könne nicht als substanziiertes Vorbringen für die sich aus der Berufstätigkeit einstellenden Anlageschäden gewertet werden, insbesondere zumal auch zu diesem Punkt seitens des Revisionswerbers kein Gegengutachten oder faktisches Vorbringen vorgelegt worden sei.

4 Rechtlich erachtete das Gericht, dass kein Anspruch auf Beschädigtenrente gemäß § 21 HVG bestehe, da die MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) infolge der Dienstbeschädigung nicht über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung hinaus mindestens 20 vH betrage.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision, die ausschließlich die Frage der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Vorschädigung zum Inhalt hat, in den fehlenden Feststellungen, wonach lediglich "kryptisch ein Kausalanteil von 1/2 festgestellt" worden sei, es seien aber keine Feststellungen dazu getroffen worden, welche angebliche Vorschädigung vorgelegen haben soll, noch, warum diese mitursächlich für die durch den Unfall hervorgerufene Gesundheitsschädigung geworden sein soll, noch dazu im Ausmaß der Hälfte. Damit widerspreche das angefochtene Erkenntnis näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass es beim Vorliegen einer möglichen anlagenbedingten Komponente entscheidend darauf ankomme, dass ein allfälliger Kausalzusammenhang im medizinischnaturwissenschaftlichen Sinne geklärt werde und allenfalls strittige Tatsachen von der Behörde ermittelt und festgestellt werden. Ein solcher Kausalzusammenhang und der Grad des kausalen Anteils sei vom Sachverständigen nachvollziehbar zu begründen.

8 Mit diesem Zulassungsvorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.

9 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091, mwN).

10 Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise dabei auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0433, mwN).

11 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2014/07/0012, mwN).

12 Diesen Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Feststellungen zu der Vorbeschädigung getroffen, weshalb nicht erkennbar ist, von welchem Sachverhalt es bei der rechtlichen Beurteilung ausgeht. Dies ist fallbezogen schon deshalb relevant, weil offenbar ein kausaler Anteil von 50 % bei der ausgemittelten MdE abgezogen wurde, ohne zu dieser Thematik nur ansatzweise Feststellungen zu treffen. Dazu kommt, dass auch keine ausreichenden Beweisergebnisse zur Krankheitsvorgeschichte vorliegen.

13 Da sich das angefochtene Erkenntnis somit insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, war es im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

14 Für das fortzusetzende Verfahren ist festzuhalten, dass das vom Bundesverwaltungsgericht selbst zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1994, 93/09/0373, die Grundsätze zur Frage des Kausalanteiles der als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigung und deren Anrechnung darstellt und darauf Bedacht zu nehmen sein wird (so auch VwGH 23.5.2002, 99/09/0013).

15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Februar 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründung BegründungsmangelBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090031.L00

Im RIS seit

14.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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