Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rechtsanwälte Dr. ***** Partnerschaft OG, *****, gegen die beklagte Partei Dr. C***** P*****, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 6.814,92 EUR sA, über die Revisionen der klagenden (Revisionsinteresse: 6.814,92 EUR) und der beklagten (Revisionsinteresse: 3.814,02 EUR) Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 31. August 2018, GZ 1 R 127/18w-27, mit dem den Berufungen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 4. Juni 2018, GZ 6 C 773/17w-21, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Beklagte war Zahnarzt und wollte seine Ordination samt Inventar an einen anderen Zahnarzt (Dr. K.) verkaufen. Aus Sicht des Beklagten schloss er am 16. 11. 2016 mit Dr. K. mündlich einen Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von insgesamt 130.000 EUR ab. Nachdem Dr. K. diese Vereinbarung nicht einhalten wollte, wandte sich der Beklagte an den Rechtsanwalt Dr. ***** P*****, einen Partner der Klägerin, und ersuchte diesen um Rat. Aufgrund der Schilderungen des Beklagten ging auch Dr. P***** letztlich vom Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen dem Beklagten und Dr. K. aus. Der Beklagte ersuchte Dr. P*****, zunächst eine außergerichtliche Lösung mit Dr. K. zu erzielen. Außergerichtliche Lösungsversuche scheiterten jedoch.
Am 13. 2. 2017 brachte Dr. P***** für den Beklagten gegen Dr. K. beim Landesgericht Leoben eine Klage auf Zahlung von 130.000 EUR sA ein. Vor Klagseinbringung hatte Dr. P***** mit dem Beklagten weder erörtert, ob zunächst ein Schlichtungsverfahren vor der Landeszahnärztekammer eingeleitet werden sollte, noch, dass ohne vorangegangenes Schlichtungsverfahren eine Klagsführung unzulässig sein könnte. Die Vertreterin des Dr. K. wendete in diesem Verfahren die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil kein Schlichtungsverfahren vor der Landeszahnärztekammer durchgeführt worden sei. Dazu brachte Dr. P***** zusammengefasst vor, dass § 54 Landeszahnärztekammergesetz (ZÄKG) auf diesen Rechtsstreit nicht anzuwenden sei. Außerdem sei Dr. K. ohnehin an keiner außergerichtlichen Lösung des Streits interessiert. Der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs sei daher sittenwidrig.
Mit Beschluss vom 5. 4. 2017 wies das Landesgericht Leoben die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und verpflichtete den Beklagten zum Kostenersatz an Dr. K. Der Beklagte (dort Kläger) hätte vor Klagseinbringung die Schlichtungsstelle der Landeszahnärztekammer anrufen müssen. Dr. P***** besprach mit dem Beklagten noch am Tag der Beschlussverkündung die weitere Vorgehensweise. Er erklärte ihm dabei, dass man entweder den Zurückweisungsbeschluss des Landesgerichts Leoben im Rechtsmittelweg bekämpfen oder, um Zeit zu sparen, die Entscheidung akzeptieren, ein Schlichtungsverfahren bei der Landeszahnärztekammer einleiten und danach eine neue Klage einbringen könne. Der Beklagte entschied sich für die zweite Möglichkeit.
Am 20. 4. 2017 stellte Dr. P***** für den Beklagten einen Antrag an die Landeszahnärztekammer Steiermark auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens. Am 29. Juni 2017 fand ein Schlichtungstermin vor der Landeszahnärztekammer statt. Eine Schlichtung konnte nicht erzielt werden.
Schließlich löste der Beklagte das Vollmachtsverhältnis zur Klägerin auf. Die Klägerin stellte dem Beklagten für die Vertretung im Verfahren des Landesgerichts Leoben nach Abzug eines vom Beklagten geleisteten Akontobetrags von 5.779 EUR ein restliches Honorar von 3.000,90 EUR und für die Vertretung im Schlichtungsverfahren vor der Landeszahnärztekammer ein Honorar von 3.814,02 EUR in Rechnung. Der Beklagte bezahlte diese Rechnungen nicht.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten das offene Honorar von gesamt 6.814,92 EUR sA. Ihr Rechtsstandpunkt, bei der zwischen dem Beklagten und Dr. K. um den Ordinationsverkauf bestandenen zivilrechtlichen Streitigkeit habe es sich um keine Streitigkeit zwischen den beiden Zahnärzten im Rahmen der Berufsausübung gehandelt, weshalb § 54 ZÄKG nicht anwendbar gewesen sei, sei richtig, jedenfalls aber vertretbar gewesen.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Er wandte ein, dass sich Dr. P***** vor Klagseinbringung an die Schlichtungsstelle der Landeszahnärztekammer Steiermark wenden hätte müssen. Infolge dieser Unterlassung habe die Klägerin keinen Honoraranspruch. Vielmehr wende er den von ihm akontierten Betrag von 3.816,90 EUR sowie die von ihm an die Vertreterin des Dr. K. bezahlten Verfahrenskosten von 3.816,90 EUR als Gegenforderung ein. Es hätte genügt, wenn Dr. P***** die Streitigkeit der Schlichtungsstelle bloß vorgelegt hätte, ein Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens sei nicht notwendig gewesen. Nach Ablauf von drei Monaten hätte dann die Klage eingebracht werden können.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 3.814,02 EUR sA und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend an und wies das Klagebegehren ab. § 54 ZÄKG läge nach dessen Wortlaut ein weiter Anwendungsbereich zugrunde, weshalb diese Bestimmung auch auf den Streit zwischen dem Beklagten und Dr. K. anwendbar gewesen sei. Die Klägerin hätte mit dem Beklagten vor Einbringung der Klage das bestehende Risiko einer Klagszurückweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs erörtern und ihm zur Vermeidung dieses Risikos raten müssen, zunächst ein Schlichtungsverfahren vor der Landeszahnärztekammer zu versuchen. Da sie dies nicht getan habe und die Klage in weiterer Folge zurückgewiesen worden sei, sei die Tätigkeit der Klägerin in diesem Verfahren für den Beklagten wertlos gewesen. Eine Wertlosigkeit der Tätigkeiten der Klägerin im Verfahren vor der Landeszahnärztekammer sei hingegen zu verneinen. Die Befassung der Landeszahnärztekammer sei zur Vermeidung der neuerlichen Zurückweisung einer allfälligen weiteren gerichtlichen Klage erforderlich gewesen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge und bestätigte das Ersturteil. Hinsichtlich des vor dem Landesgericht Leoben geltend gemachten Anspruchs des Beklagten habe es sich um eine „im Rahmen der Berufsausübung ergebende Streitigkeit“ im Sinne des – weit zu verstehenden – § 54 Abs 1 ZÄKG gehandelt. Da die zuständige Landeszahnärztekammer von Amts wegen ein Schlichtungsverfahren durchzuführen habe, wenn ihr von einem Kammermitglied eine sich aus der Berufsausübung ergebende Streitigkeit vorgelegt werde, sei die Form der Vorlage bedeutungslos.
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil der hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zuzumessen sei und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhoben beide Parteien Revisionen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin bekämpft die Abweisung des Klagebegehrens und beantragt die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe. Die Revision des Beklagten richtet sich gegen den Ausspruch über das Zurechtbestehen der Klagsforderung mit 3.814,02 EUR und zielt auf eine gänzliche Klagsabweisung ab.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Bestätigung des Berufungsurteils. Beide Parteien stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen beider Parteien sind – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – mangels der Erforderlichkeit der Beurteilung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revisionen kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
I. Zur Revision der Klägerin:
1. § 54 Zahnärztekammergesetz (ZÄKG) regelt das kollegiale Schlichtungsverfahren zwischen Mitgliedern der (Landes-)Zahnärztekammer.
„(1) Kammermitglieder sind verpflichtet, alle sich untereinander im Rahmen der Berufsausübung ergebenden Streitigkeiten vor Einbringung einer gerichtlichen Klage oder Erhebung einer Privatanklage der zuständigen Landeszahnärztekammer oder bei Streitigkeiten zwischen Kammermitgliedern, die nicht derselben Landeszahnärztekammer zugeordnet sind, der Österreichischen Zahnärztekammer vorzulegen.
(2) Die Verpflichtung gemäß Abs 1 gilt für Kammermitglieder, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausüben, nur insoweit, als sich die Streitigkeiten nicht auf das Dienstverhältnis oder die Dienststellung beziehen.
(3) Die Zeit, während der die Landeszahnärztekammer bzw. die Österreichische Zahnärztekammer mit der Streitigkeit befasst ist, ist in die Verjährungsfrist sowie in andere Fristen für die Geltendmachung der betreffenden Ansprüche bis zur Dauer von drei Monaten nicht einzurechnen.
(4) Die betroffenen Kammermitglieder dürfen eine zivilrechtliche Klage erst einbringen bzw. Privatanklage erheben, sobald entweder die dreimonatige Frist verstrichen oder das kollegiale Schlichtungsverfahren vor Ablauf dieser Zeit beendet ist.
(5)...(6)“
2.1. Die kollegiale Schlichtungsregelung des § 54 ZÄKG wurde § 94 ÄrzteG 1998 nachgebildet (ErläutRV 1091 BlgNR 22. GP 8).
2.2. Nach § 94 Abs 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 sind die Kammerangehörigen verpflichtet, vor Einbringung einer zivilgerichtlichen Klage oder Erhebung einer Privatanklage alle sich zwischen ihnen bei Ausübung des ärztlichen Berufs oder im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Standesvertretung ergebenden Streitigkeiten einem Schlichtungsausschuss der Ärztekammer zur Schlichtung vorzulegen.
2.3. Zur Auslegung des Anwendungsbereichs des § 54 ZÄKG kann daher auf das Schrifttum und die Rechtsprechung zu § 94 ÄrzteG zurückgegriffen werden. Danach wird die Wendung „bei Ausübung des ärztlichen Berufs“ dahin interpretiert, dass damit Streitigkeiten, die sich aus der Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben, umfasst sind. Diese Auslegung entspricht der Zielsetzung der Einrichtung der Schlichtungsstellen, nämlich den Versuch zu unternehmen, einen Streit aus der beruflichen Tätigkeit durch eine interne, mit Fachleuten besetzte Einrichtung zu schlichten und damit ein Hinausdringen der dem Berufsstand meist nicht förderlichen Angelegenheit an eine breitere Öffentlichkeit zu verhindern. Das Schlichtungsverfahren soll den Parteien die Möglichkeit bieten, ohne jede Formstrenge unter Anleitung erfahrener und sachkundiger Personen den Versuch einer ein oft langwieriges und kostenaufwendiges gerichtliches Verfahren vermeidenden gütlichen Einigung zu unternehmen (6 Ob 32/05g mwN).
Die Rechtsfrage, ob es sich bei der zivilrechtlichen Streitigkeit zwischen dem Beklagten und Dr. K. über den Abschluss eines Kaufvertrags über die Ordination des Beklagten um eine Streitigkeit „bei Ausübung des ärztlichen Berufes“ handelt, kann durchaus kontroversiell diskutiert werden. Einer endgültigen Beantwortung dieser Frage bedarf es im vorliegenden Fall nicht.
3.1. Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Daraus ergeben sich für den Rechtsanwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenwahrung und zur Rechtsbetreuung (RIS-Justiz RS0112203). Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwalts, der eine Vertretung übernimmt, gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten (RIS-Justiz RS0038682). Der Schutzzweck des Verhältnisses eines Rechtsanwalts zu seinem Mandanten, diesem zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen, umfasst daher auch die Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts in Bezug auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstandpunkts (9 Ob 120/06x; vgl RIS-Justiz RS0112203 [T9, T12]). Der Rechtsanwalt ist aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags zu sachgemäßer Vertretung seines Klienten verpflichtet, haftet aber nicht für den Erfolg (RIS-Justiz RS0038695). Unterlässt er jedoch bei unklarer Rechtslage, auch wenn sein Rechtsstandpunkt an sich vertretbar ist (vgl RIS-Justiz RS0023526), die erforderliche Aufklärung des Mandanten über die Erfolgsaussichten einer Klage, dann ist seine Tätigkeit wertlos. In einem solchen Fall bestehen nicht nur Schadenersatzansprüche des Klienten für ihm erwachsene tatsächliche finanzielle Nachteile, sondern der Anwalt ist auch nicht berechtigt, ein Honorar zu verlangen (vgl RIS-Justiz RS0038663).
3.2. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts nach § 1299 ABGB dürfen aber auch nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0026584). Ob der Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0023526 [T16]).
4. Die angefochtene Entscheidung über die Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin bewegt sich im Rahmen der zuvor dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung zur Haftung eines Rechtsberaters. Nachdem zum Zeitpunkt der Klagseinbringung beim Landesgericht Leoben keine gesicherte Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des kollegialen Schlichtungsverfahrens nach § 54 ZÄKG bestand, hätte Dr. P***** seinen Rechtsstandpunkt und die Erfolgsaussichten einer sofortigen – mit dem Risiko der Klagszurückweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs verbundenen – Klagseinbringung mit dem Beklagten erörtern und ihm jedenfalls die Möglichkeit aufzeigen müssen, zuerst die Schlichtungsstelle anzurufen und (frühestens drei Monate) danach die Zivilklage gegen Dr. K. einzubringen, um kein (unnötiges) Kostenrisiko einzugehen.
II. Zur Revision des Beklagten:
1. Der Beklagte vertritt darin die Rechtsauffassung, dass § 54 Abs 1 iVm 4 ZÄKG – im Gegensatz zu § 94 ÄrzteG 1998 – keine zwingende Schlichtung vorsehe, sodass die bloße Vorlage der Streitigkeit an die Schlichtungsstelle ohne Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens genügt hätte, um dem Erfordernis des § 54 Abs 1 ZÄKG Rechnung zu tragen. Damit zeigt der Revisionswerber aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil das Gesetz dazu eine klare, eindeutige Regelung trifft (vgl RIS-Justiz RS0042656).
2.1. Wie bereits unter Pkt I.2.1. dargestellt, wurde das kollegiale Schlichtungsverfahren des § 54 ZÄKG jenem des § 94 ÄrzteG 1998 nachgebildet. Für den konkreten Fall sehen diese Bestimmungen, insbesondere § 54 Abs 1 und 4 ZÄKG einerseits sowie § 94 Abs 1 und 4 ÄrzteG 1998 andererseits, auch keine relevanten Unterschiede vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits erkannt, dass jemand, der eine Berufsstreitigkeit der zuständigen Kammer meldet, weder zu einer bestimmten Form dieser Vorlage verpflichtet ist, noch in diesen Bestimmungen ein ausdrücklicher Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens normiert ist (VwGH Ro 2014/09/0052). Mit dieser Auslegung wurde der Rechtsansicht entgegengetreten, das Herantragen einer Berufsstreitigkeit an die Landeszahnärztekammer in Form einer (bloßen) „Anzeige“ entspreche nicht der Vorlageverpflichtung des § 54 Abs 1 ZÄKG. Die Form der Vorlage sei belanglos. Werde eine Berufsstreitigkeit von einem Kammermitglied der zuständigen Zahnärztekammer (in welcher Form auch immer) vorgelegt, sei von dieser nach Einlangen einer Anzeige über diese Berufsstreitigkeit einerseits von Amts wegen und andererseits ohne unnötigen Aufschub ein Schlichtungsverfahren durchzuführen.
2.2. Selbst die vom Beklagten relevierte (bloße) „Vorlage“ der Streitigkeit an die Landeszahnärztekammer hätte daher die amtswegige Durchführung des Schlichtungsverfahrens durch die Schlichtungsstelle zur Folge gehabt. Dass der Beklagte die Klägerin mit der Befassung der Schlichtungsstelle beauftragt hat, wird von ihm ohnedies nicht bestritten. Ob die Durchführung des Schlichtungsverfahrens mangels grundsätzlicher Bereitschaft des Dr. K. zu einer einvernehmlichen Lösung ex ante betrachtet „sinnlos“ war, ist kein Kriterium für die Vorlagepflicht einer Berufsstreitigkeit nach § 54 Abs 1 ZÄKG.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind die Revisionen beider Parteien zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat Anspruch auf die Kosten seiner Revisionsbeantwortung, weil er darin auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035979 [T16]). Die Klägerin hat mangels dieses Hinweises die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Textnummer
E124253European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00085.18T.0124.000Im RIS seit
14.03.2019Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021