Norm
DSG §1 Abs1Text
GZ: DSB-D123.848/0001-DSB/2019 vom 22.1.2019
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BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Bertram A*** (Beschwerdeführer) vom 3. Dezember 2018 gegen das Bezirksgericht N*** (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Übermittlung von Einkommensnachweisen wie folgt:
- Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen: Art. 55 und 77 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; § 1 des Datenschutzgesetzes – DSB, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 83 ff des Gerichtsorganisationsgesetzes – GOG, RGBl. Nr. 217/1896 idgF; §§ 101 f des Außerstreitgesetzes – AußStrG, BGBl. I Nr. 111/2003 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde unter Beilage einer „Aufforderung zur Äußerung (§ 17 AußStrG)“ sowie des „Protokolls vom 27. November 2018 über einen Antrag auf Erhöhung der Unterhaltsleistung“, beides protokolliert zur GZ 1* Pu *26/18b des Beschwerdegegners, eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung.
Der Beschwerdegegner habe Frau Herta A*** aufgrund ihres Antrages zur Neuberechnung der Unterhaltszahlungen an die beiden Töchter des Beschwerdeführers die Einkommensnachweise des Beschwerdeführers der letzten 1,5 Jahre ausgehändigt.
2. Der Beschwerdegegner führt in seiner Stellungnahme vom 27. Dezember 2018 aus, dass die Datenverarbeitung im Rahmen der justiziellen Tätigkeit erfolgt sei und keine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde vorliege. Eine inhaltliche Stellungnahme zur Beschwerde erfolgte nicht.
B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Zur justiziellen Tätigkeit
Nach Art. 55 Abs. 3 DSGVO sind die Aufsichtsbehörden nicht für die Aufsicht über die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommenen Verarbeitungen zuständig.
Gemäß ErwGr. 20 der DSGVO dient dies der Unabhängigkeit der Justiz bei der Ausübung ihrer gerichtlichen Aufgaben einschließlich ihrer Beschlussfassung. Mit der Aufsicht über die Datenverarbeitungsvorgänge sollten besondere Stellen im Justizsystem der Mitgliedstaaten betraut werden können.
Der DSGVO selbst ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, welche gerichtliche Tätigkeit eine justizielle Tätigkeit darstellt.
Nach gefestigter Literaturmeinung fallen Angelegenheiten, die im Rahmen der weisungsgebundenen Justizverwaltung zu erledigen sind, nicht unter den Begriff der „justiziellen Tätigkeit“ (vgl. dazu näher Schmidl in Gantschacher/Jelinek/Schmidl/Spanberger, Kommentar zu Datenschutz- Grundverordnung1 [2017] Art. 55 Anm. 3; Nguyen in Gola (Hrsg.), Datenschutz-Grundverordnung [2017] Art. 55 Rz. 13; Selmayr in Ehmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO [2017] Art. 55 Rz. 12 ff).
Zur Klärung des Begriffs der justiziellen Tätigkeit kann auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 267 AEUV als Orientierungshilfe herangezogen werden. Auch wenn der Wortlaut des Art. 267 AEUV nicht auf eine justizielle Tätigkeit abstellt, so gibt es dennoch einen untrennbaren Zusammenhang zwischen einem vorlagefähigen Gericht und einer justiziellen Tätigkeit.
Aus dieser Rechtsprechung ist abzuleiten, dass nicht jedwede gerichtliche Tätigkeit zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen ermächtigt. So hat der EuGH bspw. die Vorabentscheidungsersuchen zweier österreichischer Landesgerichte in deren Eigenschaft als Firmenbuchgerichte mit der Begründung zurückgewiesen, dass diese Gerichte über keinen Rechtsstreit zu entscheiden hätten, sondern als das Handelsregister führende Behörden tätig wurden (vgl. dazu den Beschluss vom 22. Jänner 2002, C-447/00, sowie das Urteil vom 15. Jänner 2002, C-182/00).
Nach der Rechtsprechung der Datenschutzbehörde liegt eine Tätigkeit eines Gerichts im Rahmen der justiziellen Tätigkeit vor, wenn sich ein Richter in Ausübung des richterlichen Amtes befindet oder ein Richter oder ein Staatsanwalt sonst in Besorgung der übertragenen Amtsgeschäfte weisungsfrei gestellt ist (vgl. dazu den Bescheid vom 16. Oktober 2018, GZ DSB-D123.461/0004-DSB/2018).
Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen ist somit das entscheidende Element zur Beantwortung der Frage, ob eine justizielle Tätigkeit vorliegt, das Vorliegen eines Rechtsstreites zwischen zumindest zwei Parteien, in welchem das Gericht als neutrale Instanz eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter zu treffen hat.
Nicht entscheidend ist hingegen, ob es sich bei diesem Verfahren aus verfahrensrechtlicher Sicht um ein streitiges oder außerstreitiges Verfahren handelt.
2. In der Sache
Im vorliegenden Fall geht es um den Antrag der Herta A*** vom 27. November 2018 auf Neuberechnung der Unterhaltsleistungen für die Töchter des Beschwerdeführers, den diese beim Beschwerdegegner zu Protokoll gegeben hat und im Zuge dessen ihr Einkommensnachweise des Beschwerdeführers ausgehändigt worden sein sollen.
Diese Angelegenheit ist verfahrensrechtlich dem AußStrG unterworfen.
Den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG (I. Hauptstück) ist zu entnehmen, dass es sich bei Verfahren nach dem AußStrG im Regelfall um Mehrparteienverfahren handelt (§ 2 AußStrG) und ein Verfahren grundsätzlich über Antrag einer Partei eingeleitet wird (§§ 8 ff AußStrG). Das angerufene Gericht hat von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen und dieses so zu gestalten, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet sind. Die Parteien haben das Gericht dabei zu unterstützen (§ 13 AußStrG). Das Gericht hat bei Erforderlichkeit auch mündliche Verhandlungen anzuordnen (§ 18 AußStrG). Das angerufene Gericht entscheidet durch Beschluss (§§ 36 ff AußStrG), der mittels Rekurs angefochten werden kann (§§ 45 ff AußStrG).
Die besonderen Bestimmungen für Unterhaltsstreitigkeiten finden sich in den §§ 101 ff AußStrG, in welchen aber keine verfahrensrechtlichen Abweichungen normiert sind (anders als etwa in den Abschnitten betreffend Erwachsenenschutz- und Verlassenschaftsverfahren).
Daraus folgt, dass es sich bei einem Verfahren betreffend Unterhalt – selbst wenn es sich verfahrensrechtlich nach dem AußStrG richtet – um ein Verfahren handelt, das einen Rechtsstreit beilegen soll und auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt. Der Beschwerdegegner handelte somit im Rahmen einer justiziellen Tätigkeit.
Die Datenschutzbehörde ist daher gemäß Art. 55 Abs. 3 DSGVO zur Behandlung der Beschwerde unzuständig.
Der Rechtsschutz bei behaupteten Verletzungen im Recht auf Geheimhaltung durch ein Gericht im Rahmen der justiziellen Tätigkeit richtet sich nach §§ 83 ff GOG.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Geheimhaltung, Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde, Gerichtsbarkeit, Bezirksgericht, justizielle Tätigkeit, richterliche Unabhängigkeit, Rechtsprechungscharakter, Unterhaltsverfahren nach AußerstreitgesetzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2019:DSB.D123.848.0001.DSB.2019Zuletzt aktualisiert am
02.12.2019