TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/26 97/13/0191

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Veröffentlicht am 26.05.1999
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
72/02 Studienrecht allgemein;
72/12 Studien an den Hochschulen künstlerischer Richtung;

Norm

AHStG;
EStG 1988 §22 Z1 lita;
EStG 1988 §4 Abs4 Z5 lite idF 1993/818;
EStG 1988 §4 Abs4 Z5 lite;
KHStG 1983;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Vereins F in W, vertreten durch Dr. Theodor Strohal und Dr. Wolfgang Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien I, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. August 1997, GZ GA 11-96/7252/10, betreffend Ausstellung eines Bescheides nach § 4 Abs 4 Z 5 lit e EStG 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Statuten des beschwerdeführenden Vereins lauten auszugsweise:

"1. Name, Sitz und Tätigkeitsbereich des Vereins:

1.1. Der Verein führt den Namen 'Verein zur Förderung der Karma Kagyü Tradition'.

1.2. Der Verein hat seinen Sitz in Wien.

1.3. Er erstreckt seine Tätigkeit auf das ganze österreichische Bundesgebiet.

1.4. Die Errichtung von Zweigvereinen im Sinne des § 11 des Vereinsgesetzes 1951 ist nicht beabsichtigt.

2. Zweck des Vereins:

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf die Erzielung von Gewinn gerichtet ist, verfolgt iSd §§ 34 ff BAO ausschließlich wissenschaftliche Zwecke auf dem Gebiet der Buddhologie und der Tibetologie. Hauptgewicht hinsichtlich Forschung und Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse liegt auf der Karma Kagyü Tradition.

3. Tätigkeiten zur Verwirklichung des Vereinszweckes und Aufbringung der Mittel:

Der beabsichtigte Vereinszweck soll durch die in der Folge angeführten Mittel und materiellen Mittel erreicht werden:

3.1. Ideelle Mittel

a) Der Verein führt Forschungsaufgaben durch, welche die philologische, historische und systematische Erschließung der erkenntnistheoretisch-logischen Schule des indo-tibetischen Buddhismus betreffen.

b) vorrangige Aufgabe des Vereins ist weiters auch die Publikation der Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschungstätigkeit und die Dokumentation, welche die Sammlung, Ordnung und Präsentation von wissenschaftlichem Material zu Forschungs- und Lehrzwecken umfasst.

3.2. Materielle Mittel

a)

Mitgliedsbeiträge

b)

Spenden

c)

Erträgnisse aus Veranstaltungen und Kursgebühren

d)

vereinseigene Unternehmungen.

..."

Mit einer Eingabe vom 10. Dezember 1996 beantragte der beschwerdeführende Verein "die Aufnahme in den begünstigten Empfängerkreis" gemäß § 4 Abs 4 Z 5 lit e EStG 1988. Dem Antrag waren unter anderem die Protokolle der Generalversammlungen vom 6. Februar 1995 und vom 15. April 1996 angeschlossen. Danach hatten an beiden Generalversammlungen jeweils die gleichen sechs Vereinsmitglieder teilgenommen. Nach dem Protokoll vom 6. Februar 1995 wurde zum 1. Tagesordnungspunkt "Aktivitäten des abgelaufenen Jahres" von Thule Jug über die Arbeiten an einem Karmapa Video berichtet. Es solle ein typischer Tagesablauf von Karmapa gezeigt werden, angefangen von den Morgenpujas, über die Studienzeiten von Khenpo und Tobgala, wie er seine Freizeit verbringe (Drachen steigen lassen vom Dach des KIBI aus) bis hin zur feierlichen Diplomüberreichung an die ersten Absolventen des KIBI. Weiters sei am 17. Mai 1994 ein "Gendün Rinpoche-Video" gedreht worden. Gendün Rinpoche sei vom 16. Karmapa beauftragt worden, die monastische Tradition von Karma Kaygyü in Europa einzuführen und zu betreuen.

Weiters wurde in dem Protokoll ausgeführt, die Suche nach einem geeigneten Objekt für das Vereinsinstitut werde als eine vordringliche Aufgabe angesehen.

Unter der Überschrift "Kontakte zum Karmapa International Buddhist Institut in Delhi" wurde ausgeführt, Khenpo Tschödrak Rinpoche habe zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Österreichischen Buddhistischen Gesellschaft gewonnen werden können. 1994 habe er in den zwei Wochen seines Aufenthaltes vor allem buddhistische Erkenntnistheorie gelehrt sowie anhand des Textes Madhyamakavatara Erklärungen zur Philosophie des Madhyamaka gegeben.

Schließlich wurde im Protokoll vom 6. Februar 1995 ausgeführt, dass an der Übersetzung buddhistischer Werke gearbeitet werde. Ebenso werde an der systematischen Erstellung einer geeigneten Terminologie buddhistischer Begriffe ins Deutsche gearbeitet. Im Rahmen einer Dokumentation tibetischer Ikonographie plane der Verein auch den Aufbau einer Sammlung von Tsakles.

Tsakle-Miniatur-Kultkarten kämen unter anderem bei Abhisekhas zum Einsatz. Es solle versucht werden, Kontakt mit noch lebenden Tsakle-Malern aufzunehmen.

Im Protokoll über die Generalversammlung vom 15. April 1996 wurde - abgesehen von Ausführungen über die erfolglosen Bemühungen, ein für ein "Landzentrum" geeignetes Objekt zu erwerben - unter der Überschrift "Dokumentation/Video" ausgeführt, Thule Jug habe sich über die Verkaufszahlen der Videos erfreut gezeigt. Der beschwerdeführende Verein habe bisher fünf Videos hergestellt ("Wiederkehr des Karmapa", "Wiedersehen mit Karmapa", "The Attack", "Ein Interview mit Hannah und Ole Nydahl", "Gendün Ripoche erzählt ..."). Eine Dokumentation über das Leben im Kloster Rumtek und in Shamar Rinpoches Haus in Sikkim sei in Arbeit. Khenpo Tschödrak Rinpoche habe im August 1995 wieder eine Woche in Österreich gelehrt. Neben einem Abriss der Mahamudra-Philosophie sei das Herzsutra der zweite Schwerpunkt seiner diesjährigen Vortragstätigkeit gewesen. Es bestünden Überlegungen, seine Vortragsreihe in Buchform zu publizieren. Seine Anwesenheit in Österreich sei im Hinblick auf die vom Verein durchgeführte Terminologie- und Lexikonarbeit zu einem intensiven Gedankenaustausch genützt worden. Auf dem Gebiet der buddhistischen Erkenntnistheorie sei es eine unschätzbare Bereicherung, dass er sein Wissen zur Verfügung stelle.

Auf einen entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde wurde vom Beschwerdeführer in einer Eingabe vom 15. April 1997 ausgeführt, Karma Kagyü gehöre zu einer der vier großen Schulen des tibetischen Buddhismus. Diese Schule blicke auf eine tausendjährige Geschichte zurück. Karma Kagyü sei nie eine staatstragende Schule gewesen wie zB die Gelugpas (das ist die Schule, der der Dalai Lama angehört), sondern habe sich im Wesentlichen der Meditationspraxis gewidmet. Als Praxislinie seien in ihr eine Vielzahl von philosophischen Lehrmeinungen, Unterweisungen und Meditationstechniken bewahrt und weitergegeben worden. Karma Kagyü Österreich sei eine Einrichtung ("Orden") der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft. Davon völlig getrennt sei der (beschwerdeführende) Verein zur Förderung der Karma Kagyü Tradition. Dieser diene nicht religiösen Zwecken, sondern der wissenschaftlichen Erforschung der Karma Kagyü Tradition. Schwerpunkte seiner Arbeit seien Dokumentation (Video, Photo), Übersetzungsprojekte sowie Zusammenarbeit mit dem Karmapa International Buddhist Institute in Neu Delhi hinsichtlich der Veranstaltung von Seminaren in Österreich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag vom 27. Dezember 1996 um Ausstellung eines Bescheides im Sinne des § 4 Abs 4 Z 5 lit e EStG 1988 abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, die Verfassung von Videodokumentationen über das Leben in der Religionsgemeinschaft mit anschließendem Verkauf der Videos an Angehörige der Religionsgemeinschaft, das Erstellen einer Tsaklasammlung sowie die Suche nach einem geeigneten Institutsobjekt seien Tätigkeiten im Zusammenhang mit der praktischen Religionsausübung. Die Tätigkeit des Vereins sei daher nicht ausschließlich wissenschaftlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die Erwirkung eines Bescheides im Sinne des ersten Satzes des letzten Absatzes des § 4 Abs 4 Z 5 EStG 1988 muss der von der Körperschaft verfolgte Zweck nach ihrer Rechtsgrundlage und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ein ausschließlich wissenschaftlicher sein. Die Mittel, mit denen die Körperschaft den ausschließlich wissenschaftlichen Zweck verfolgt, müssen im Wesentlichen in der Befassung mit Forschungs- und/oder Lehraufgaben für die österreichische Wissenschaft oder Wirtschaft und/oder damit verbundenen wissenschaftlichen Publikationen oder Dokumentationen bestehen. Soweit sich die Körperschaft mit Lehraufgaben befasst, müssen solche Lehraufgaben sich an Erwachsene richten, Fragen der Wissenschaft oder der Kunst zum Inhalt haben und nach Art ihrer Durchführung den Lehrveranstaltungstypen des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes oder des Kunsthochschul-Studiengesetzes entsprechen (vgl insbesondere die hg Erkenntnisse vom 9. Juli 1997, 94/13/0209, und vom 22. Oktober 1997, 95/13/0275).

Zur wissenschaftlichen Tätigkeit gehören dabei jedenfalls die wissenschaftliche Forschung und die wissenschaftliche Lehre, aber auch die praktische Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse, wenn sie das Merkmal der Wissenschaftlichkeit aufweist. Der im Bereich der Forschung wissenschaftlich Tätige muss eine schwierige Aufgabe nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten zu lösen versuchen, wobei er sich in qualifizierter Form wissenschaftlicher Methoden bedienen und das Ergebnis seiner Arbeit geeignet sein muss, der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dienen. Eine Tätigkeit ist nicht schon dann wissenschaftlich, wenn sie auf Erkenntnissen einer Wissenschaft aufbaut, diese verwertet und sich wissenschaftlicher Methoden bedient, sondern erst, wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich der Forschung, das heißt dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, oder/und der Lehre, das heißt der Vermittlung einer Wissenschaft an andere (Lernende) zum Zweck der Erweiterung ihres Wissensstandes dient; es ist für die Wissenschaft charakteristisch, dass sie sich die Vermehrung des menschlichen Wissens im Interesse der Allgemeinheit zum Ziel setzt. Dabei wird "angewandte Wissenschaft" zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden, wozu auch gehört, dass die Tätigkeit von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar ist (vgl neuerlich das hg Erkenntnis vom 22. Oktober 1997, 95/13/0275).

Die belangte Behörde ist auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel zu der Auffassung gelangt, dass die tatsächliche Tätigkeit des Vereins keine ausschließlich wissenschaftliche ist. Aus den Eingaben und den diesen angeschlossenen Beweismitteln, insbesondere den Tätigkeitsberichten über die Jahre 1994 und 1995, ist ersichtlich, dass die Tätigkeit des beschwerdeführenden Vereins eng mit der Religionsausübung der in Österreich als Religionsgesellschaft im Sinne des Anerkennungsgesetzes, RGBl 68/1874, anerkannten Österreichischen Buddhistischen Gesellschaft verbunden ist. Schwerpunkte der Tätigkeit des Beschwerdeführers ist nach dessen Vorbringen die Erstellung von Dokumentationen der vom Beschwerdeführer vertretenen buddhistischen tibetischen Schule, wobei die nähere Bedeutung der vom Beschwerdeführer in seiner Darstellung gegenüber der Abgabenbehörde verwendeten Begriffe trotz eines entsprechenden Vorhaltes nicht völlig geklärt worden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass es bei Inanspruchnahme abgabenrechtlicher Begünstigungen an der Partei liegt, selbst und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen (vgl zB das hg Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 96/13/0110).

Soweit den Darlegungen des Beschwerdeführers entnommen werden kann, handelt es sich bei der einen wesentlichen Teil der Tätigkeit in Anspruch nehmenden Herstellung von Dokumentationen um die Darstellung des monastischen Lebens und um die Aufzeichnung von Gesprächen mit Persönlichkeiten, die der buddhistischen Religion angehören. Damit ist aber noch nicht dargelegt, dass bei dieser Tätigkeit eine qualifizierte Form wissenschaftlicher Methoden zum Einsatz gelangte und diese Feststellung bestimmter Sachverhalte aus dem Leben der in Rede stehenden buddhistischen Schule dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, etwa im religionswissenschaftlichen oder im zeitgeschichtlich-wissenschaftlichen Sinne dienen konnte. Die in der Beschwerdeschrift enthaltenen Ausführungen, Aufgabe des Vereines sei die "Sammlung, Ordnung und Präsentation von wissenschaftlichem Material zu Forschungs- und Lehrzwecken", stellt demgegenüber ein vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliches neues Vorbringen dar, wobei außerdem auch mit diesem Vorbringen eine nähere Darstellung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben nicht verbunden wurde.

Soweit in den Darlegungen des Beschwerdeführers von einer Lehrtätigkeit die Rede ist, war diese nur ein bis zwei Wochen jährlich umfassende Tätigkeit den Versammlungsprotokollen zufolge als eine religiöse Lehrtätigkeit aufzufassen. Dass vom Beschwerdeführer eine Lehrtätigkeit ausgeübt wird, die der Lehrtätigkeit an einer Hochschule gleichzusetzen ist, wurde im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Der Umstand, dass an der Universität Wien Buddhologie und Tibetologie gelehrt werden, ist für die Beurteilung der Frage, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers als eine ausschließlich wissenschaftliche anzusehen ist, ohne Bedeutung.

Dass das Sammeln von Tsakles dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Lehre diene, wurde - wie auch eine Darstellung der Bedeutung dieser Kultobjekte überhaupt - erstmals in der Beschwerdeschrift vorgebracht und ist damit unbeachtlich. Im Übrigen ist das Vorbringen in der Beschwerde in sich widersprüchlich, da Tsakles danach bei bestimmten Zeremonien, also bei religiösen Anlässen, zum Einsatz kämen.

Wenn die belangte Behörde bei dem vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Sachverhalt zu der Auffassung gelangte, die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei keine ausschließlich wissenschaftliche, so kann dem somit nicht entgegengetreten werden. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997130191.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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