Entscheidungsdatum
04.03.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §27Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Resch über die Beschwerden der 1) AB AA, AE 32, AC AD, 2) Mag. AG AF, AE 30, AC AD, 3) AJ und AI AH, AE 26, AC AD und 4) Dr. AL AK, AE 36, AC AD, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. AN AM, AO 48, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde AD vom 30.08.2018, Zahlen xxx yyy,
zu Recht :
I. Den Beschwerden wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben wird.
II. Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Verfahrensgang:
1.1 Die Erstbeschwerdeführerin AB AA ist Eigentümerin des Grundstückes Nr z/7 KG AD I mit dem darauf befindlichen Objekt AE 32 in AC AD. Der Zweitbeschwerdeführer Mag. AG AF ist Eigentümer des Grundstückes Nr z/6 KG AD I und dem darauf befindlichen Objekt AE 30 in AC KG AD I. Die Drittbeschwerdeführer AJ und AI AH sind jeweils Hälfteeigentümer des Grundstückes Nr z/4 KG AD I mit dem darauf befindlichen Objekt AE 26 in AC AD. Die Viertbeschwerdeführerin Dr. AL AK ist Miteigentümerin des Grundstückes Nr z/9 KG AD I mit dem darauf befindlichen Objekt AE 36 in AC AD. Sämtliche Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) sind Miteigentümer am Grundstück Nr z/3 KG AD I, einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Privatstraße.
1.2 Mit ihrem Antrag vom 30.5.2017 begehrten die Bf Einsicht in die Projektunterlagen des Bewilligungsansuchens sowie in die Bauplatzerklärung anlässlich am 29.5.2017 auf den (benachbarten) Grundstücken Nr a/3, b/2 ua jeweils KG AD I (im Folgenden: Bauliegenschaft) wahrgenommener Baumaßnahmen und Geländeveränderungen durch die AS GmbH & Co (im Folgenden: AS). Im Zuge der Eingabe vom 30.5.2017 behaupten die Bf ihre Parteistellung im Baubewilligungsverfahren betreffend der baulichen Maßnahmen der AS auf der Bauliegenschaft und monieren, anlässlich unrichtig berechneter Abstände als Parteien im Baubewilligungsverfahren zu Unrecht nicht beigezogen worden zu sein.
1.3 Mit der Eingabe vom 20.7.2017 wiederholten die Bf ihr Begehren auf Einsicht in die Bewilligungsunterlagen sowie in die Bauplatzerklärung und erweiterten ihr Begehren um Zustellung des Baubewilligungsbescheides wegen behaupteter Parteistellung im Baubewilligungsverfahren betreffend die baulichen Maßnahmen der AS auf der Bauliegenschaft. Zudem bringen die Bf vor, die Parteistellung der Erst- bis DrittBf sei auch deshalb gegeben, weil neben den Grundstücken z/4, z/6 und z/6 jeweils KG AD I Parkplätze von mehr als 250 m2 errichtet würden und durch die Benutzung dieser Parkplätze sowie der Benutzung der Zu- und Abfahrten zu diesen Parkplätzen unzumutbare Belästigungen für die Bf entstünden. Die Stellplätze seien so situiert worden, um mit den „Fronten des Baues“ außerhalb des 15 m Bereiches nach § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG abrücken zu können, womit eine Parteistellung der Bf rechtswidrigerweise vermieden worden sei. Auch sei der zugrundeliegende Bebauungsplan gesetzwidrig, weil dieser die Situierung der Parkplätze entgegen der in § 39 Abs 1 BauTG normierten Pflicht, wonach Parkplätze möglichst nahe an Straßen mit öffentlichen Verkehr gelegen sein sollen, vorsehe. Im Übrigen könne die Parteistellung der Bf nicht dadurch ausgehebelt werden, dass Parkflächen gesetzwidrig im Nahebereich der Bf errichtet würden, wodurch die Fronten des Baues mehr als 15 m abrücken.
1.4 Zu den Anträgen der Bf vom 30.5.2017 und 20.7.2017 teilte der Bürgermeister der Gemeinde AD mit seinem Schreiben vom 27.9.2017 mit, dass keine Akteneinsicht gewährt werden könne, weil eine Parteistellung der Bf im Bauverfahren nicht gegeben sei. Wer Nachbar im Bauverfahren und sohin Parteistellung genieße, sei in § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG geregelt. Da sowohl die Fronten des Neubaus als auch die frontbildenden Balkone einen deutlich größeren Abstand als 15 m zu den Grundstücken der Bf aufweisen würden, sei eine Parteistellung der Bf nicht gegeben.
1.5 Die Bf begehrten mit ihrem an den Bau- und Raumplanungsausschuss der Gemeindevertretung AD (im Folgenden: Bauausschuss) gerichteten Antrag vom 26.4.2018 den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihre Anträge vom 30.5.2017 (Antrag auf Akteneinsicht) und 20.7.2017 (Antrag auf Akteneinsicht und Zustellung der Baubewilligungsbescheide betreffend der baulichen Maßnahmen der AS auf der Bauliegenschaft) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Im Devolutionsantrag führen die Bf aus, der Bürgermeister habe über die Anträge vom 30.5.2017 bzw 20.7.2017 bislang nicht bescheidmäßig entschieden. Das Schreiben vom 27.9.2017 sei keine bescheidmäßige Erledigung über den Antrag auf Akteneinsicht; das Begehren auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides, welches den Antrag auf Feststellung der Parteistellung mitumfasse, sei bislang unerledigt geblieben. In der Frage der Akteneinsicht verkenne der Bürgermeister, dass – selbst wenn den Bf tatsächlich keine Parteistellung im Bauverfahren betreffend der baulichen Maßnahmen der AS auf der Bauliegenschaft zukäme – verfahrensrechtlich zwischen dem Bauverfahren über das Ansuchen der AS und dem mit den Anträgen der Bf eingeleiteten Verfahren über die Frage der Parteistellung und dem daraus folgenden Recht auf Akteneinsicht im Bauverfahren bzw Recht auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides zu unterschieden sei. Die Bf hätten jedenfalls schon das Recht auf Akteneinsicht im Verfahren über die Frage der Parteistellung und bestehe darüber auch eine Entscheidungspflicht.
1.6 In Ausfertigung des Beschlusses der Gemeindevertretung der Gemeinde AD (im Folgenden: belangte Behörde bzw Gemeindevertretung) vom 31.7.2018 hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.8.2018, Zahlen xxx yyy, die Zulässigkeit des Devolutionsantrages der Bf wegen Verletzung der Entscheidungspflicht bejaht und über die Anträge der Bf spruchgemäß wie folgt entschieden:
„Die Gemeindevertretung AD gibt dem Devolutionsantrag vom 26.4.2018 statt und weist die Anträge vom 30.5.2017 und 20.7.2017 der Antragsteller Frau AB AA, AE 32, Herr Mag. AG AF, AE 30, AJ und AI AH, AE 26 und Frau Dr. AL AK, AE 36, alle AC AD, sämtliche vertreten durch RA Dr. AN AM auf Akteneinsicht in Projektsunterlagen samt Bauplatzerklärung bzw. Übermittlung des Bauprojektes samt Bauplatzerklärung hinsichtlich Baumaßnahmen auf den GSt. Nr. a/3, b/2 KG AD I nach Maßgabe folgender dem Verfahren zugrunde liegender Unterlagen - Lageplan M 1:500 vom 27.6.2016 und Lage- und Höhenplan des Geometers DI AU AV M 1:200 vom 23.6.2017 - mangels Parteistellung zurück.“
Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde im Wesentlichen zugrunde, dass das Recht auf Akteneinsicht ein Parteienrecht sei und den Bf nach § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG keine Parteistellung zukomme, weil „in dem Bescheid zugrundeliegenden Vermessungsplan über die Abstände des Bauwerkes zum Nachbargrundstück“ jeweils ein Abstand von mehr als 15 m gemessen worden sei. Mangels Parteistellung im baupolizeilichen Bewilligungsverfahren der AS auf der Bauliegenschaft sei daher auch kein Recht auf Akteneinsicht gegeben, weil das Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG ein den Parteien des Verfahrens vorbehaltenes Recht darstelle. Demzufolge seien die Anträge der Bf auf Akteneinsicht mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.
Über das Zustellbegehren hat die belangte Behörde nicht gesondert abgesprochen.
Zur wahrgenommenen Entscheidungszuständigkeit führt die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Anträge der Bf seitens des Bürgermeisters als zuständige Baubehörde innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist von sechs Monaten keiner bescheidmäßigen Erledigung zugeführt worden seien, sodass die Zuständigkeit auf die in Bauverfahren der Gemeinde AD zuständige Berufungsbehörde, die Gemeindevertretung, übergegangen sei. Aufgrund des in der Gemeindeordnung festgelegten Instanzenzuges sei die Gemeindevertretung grundsätzlich Berufungsbehörde und daher für die Entscheidung zuständig. Die eingeführte Ermächtigung an den Bauausschuss betreffe Berufungsentscheidungen gegen Bescheide des Bürgermeisters; auf den gegenständlichen Fall treffe dies nicht zu, da vom Bürgermeister kein Bescheid erlassen worden sei und somit die inhaltliche Entscheidung der Anträge auf die Gemeindevertretung übergegangen sei.
1.7 In der dagegen (fristgerecht) erhobenen Beschwerde rügen die Bf die Unzuständigkeit der belangten Behörde und wenden ein, dass über die beantragte Feststellung der Parteistellung (durch den Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides) bislang nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Die mit dem angefochtenen Bescheid spruchgemäß erfolgte Zurückweisung der Anträge auf Akteneinsicht mangels Parteistellung erledige nicht den Antrag der Bf auf Feststellung der Parteistellung. Die Bf rügen weiters eine rechtsunwirksame Bescheiderlassung, weil die Zustellung an den Rechtsvertreter der Bf ohne Hinweis, für welche Mandantschaft die Zustellung erfolgen solle, vorgenommen worden sei. Die Bf bringen weiters vor, dass ohne Einsicht in die Bewilligungsunterlagen nicht nachvollzogen werden könne, ob die Parteistellung zu Recht oder zu Unrecht verweigert worden sei. Ihm Verfahren über die Frage der Parteistellung sei jedenfalls Parteistellung gegeben und sohin Akteneinsicht zu gewähren. Auch sei unklar, welches konkret bewilligte Bauprojekt der Beurteilung der Parteistellungsfrage zu Grunde liege, weil Daten von Baubewilligungsbescheiden im Spruch nicht genannt seien, sodass der angefochtene Bescheid auch auf Grund eines unbestimmten Spruches rechtswidrig sei. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, auf welchen Lage- bzw Einmessplan sich die belangte Behörde beziehe bzw von welchen Punkten und Fronten die Abstände zu Beurteilung der Parteistellung gemessen worden seien. Im Übrigen sei für eine Abstandsberechnung ausschließlich auf den dem Bewilligungsbescheid zugrundeliegenden Lageplan abzustellen und nicht auf einen Einmessplan Bezug zu nehmen, welcher nach Fertigstellung des Projektes angefertigt worden sei. Nach Ansicht der Bf fehle ein
den Formvorschriften des § 5 BauPolG entsprechender Lageplan im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung. Auch sei die ausschließliche Beurteilung der Parteistellungsfrage nach § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG verfehlt, weil ein Bauvorhaben ein einheitliches Ganzes darstelle und nicht allein einem Bewilligungstatbestand zuordenbar sei, weil das Projekt verschiedene bewilligungspflichtige Maßnahmen beinhalte. Auch seien bei der Parteistellungsfrage die einzelnen Vorschriften die dem Nachbarschutz dienen, insbesondere § 40 Abs 1, 42 und 44 BauTG, zu berücksichtigen. Ein ausschließliches Abstellen auf die Fronten des Baues für die Beurteilung der Parteistellungsfrage sei verfehlt, weil das Projekt als Ganzes mit all seinen Maßnahmen (Höhenlage, Errichtung von Stütz- und Futtermauern, Errichtung von Stellplätzen/Garagen einschließlich der Zu- und Abfahrten etc) in Bezug auf subjektiv-öffentliche Rechte zu betrachten sei. Wenn der Gesetzgeber den Nachbarn einen Immissionsschutz oder im Hinblick auf die Einhaltung sonstiger Vorschriften, die auch dem Nachbarschutz dienen, ein Mitspracherecht gewähre, müsse dies unabhängig von der Lage der Grundstücke in Entfernung von Fronten des Baues auch dann gelten, wenn die Betroffenheit einzelner Grundeigentümer die Gleiche sei. Es sei gleichheitswidrig, ein subjektiv-öffentliches Recht zur Hintanhaltung von unzumutbaren Belästigungen nur jenen Nachbarn zu gewähren, die sich im „15m-Bereich des § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG“ befänden, hingegen bei jenen, bei denen die Immissionsbelastung zumindest die Gleiche sei, ein solches zu Versagen. Den Bf sei nicht nichtvollziehbar, auf welche Baubewilligung sich die Bauführung auf der Bauliegenschaft gründe. Anlässlich des Umweltinformationsbegehrens sei ein Bescheid vom 22.8.2016 übermittelt worden, der anlässlich von Projektänderungen wohl nicht den bewilligten Baukonsens wiedergebe. Schließlich käme auch bei Projektänderungen den Bf Parteistellung zu. Die Situierung der Stellplätze an der Grundgrenze der Einschreiter und zu ihren Häusern in AE hin, sei vermutlich erst nach Änderung des Bebauungsplanes im Dezember 2016 baubewilligt worden.
Die Bf beantragen in ihrer Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Landesverwaltungsgericht Salzburg möge in der Sache entscheiden und den Anträgen der Bf vom 30.5.2017 und 20.7.2017 stattgeben und erkennen, dass den Bf Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zukomme, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen, sofern der angefochtene Bescheid nicht schon wegen Unzuständigkeit der Gemeindevertretung oder Unbestimmtheit seines Spruches aufzuheben bzw die Beschwerde mangels Bescheidqualität bzw rechtswirksamer Erlassung zurückzuweisen sein werde.
1.8 Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Salzburg samt Bezug habender verwaltungsbehördlicher Akten mit Schreiben vom 29.10.2018 zur weiteren Entscheidung vorgelegt.
1.9 Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 22.11.2018 übermittelte die belangte Behörde mit Schreiben vom 13.12.2018 den Auszug aus dem Protokoll der Sitzung der Gemeindevertretung AD vom 23.10.2015.
1.10 In der Beschwerdesache fand am 18.2.2019 eine öffentlich mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg statt, in welcher die Akten verlesen und sowohl die Vertreterin der Bf als auch der Vertreter der belangten Behörde angehört und mit den Verfahrensparteien die Sach- und Rechtslage (insbesondere zur gerügten Unzuständigkeit der belangten Behörde) erörtert wurde.
2. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Mit einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde AD vom 23.10.2015 wurde der Bau- und Raumplanungsausschuss der Gemeinde AD nach § 33 Abs 2 Salzburger Gemeindeordnung 1994 (im Folgenden: SGO) zur Beschlussfassung in folgenden Agenden ermächtigt:
a) Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen
b) Auflage des Entwurfes in Verfahren zur Aufstellung und Änderung des Flächenwidmungsplanes
c) Baurechtliche Berufungsverfahren.
Mit Kundmachung des Bürgermeisters der Gemeinde AD vom 16.12.2015, an der Amtstafel angeschlagen vom 16.12.2015 bis 31.12.2015, wurde der Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde AD vom 23.10.2015 kundgemacht.
Die Ermächtigungsverordnung ist (nach Ablauf der Kundmachungsfrist) am 1.1.2016 in Kraft getreten.
Der Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde AD vom 23.10.2015 stellt den aktuellen Ermächtigungsbeschluss im Sinn des § 33 Abs 2 SGO dar; insbesondere wurde ein gegenteiliger Beschluss, wonach die Ermächtigung des Bau- und Raumplanungsausschuss über baurechtliche Berufungsverfahren vom 23.10.2015 beendet worden wäre, von der Gemeindevertretung der Gemeinde AD nicht getroffen oder ortsüblich kundgemacht.
3. Beweiswürdigung:
Die entscheidungswesentlichen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akten. Im Übrigen sind auf Tatsachenebene keine entscheidungswesentlichen Widersprüche hervorgekommen. Auch wurde vom Vertreter der belangten Behörde bestätigt, dass der Ermächtigungsbeschluss vom 23.10.2015 den letztgültigen Beschluss darstellt und kein gegenteiliger Beschluss durch die Gemeindevertretung getroffen wurde.
4. Rechtslage und rechtliche Erwägungen:
Die Bf rügen (primär) die Unzuständigkeit der belangten Behörde, weil seit der Rechtslage BGBl I Nr 33/2013 nach § 73 Abs 2 AVG die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Devolutionsantrag der Berufungsbehörde vorbehalten sei. Nachdem der Bau- und Raumplanungsausschuss der Gemeinde AD gemäß Beschluss der Gemeindevertretung vom 23.10.2015, welcher ordnungsgemäß ortsüblich kundgemacht worden sei, ermächtigt worden sei, in baurechtlichen Berufungsverfahren zu entscheiden, sei seit 1.1.2016 der Bau- und Raumplanungsausschuss der Gemeinde AD als Berufungsbehörde in baurechtlichen Berufungsverfahren anzusehen, womit die Gemeindevertretung die Zuständigkeit zur Entscheidung über den beschwerdegegenständlichen Devolutionsantrag der Bf in Verkennung der Rechtslage wahrgenommen habe.
Das Verwaltungsgericht hat nach § 27 VwGVG die (örtliche oder sachliche) Unzuständigkeit der Behörde in jeder Lage des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen und die Entscheidung einer unzuständigen Behörde zu beheben (vgl dazu auch VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0140).
Die von den Bf monierte Unzuständigkeit der belangten Behörde war vom Verwaltungsgericht daher vordergründig zu prüfen und liegt diese nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auch aus nachstehenden Erwägungen vor:
Nach § 33 Abs 2 SGO kann die Gemeindevertretung einzelne Ausschüsse im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit des Verfahrens und der Kostenersparnis auch zur Beschlussfassung an Stelle und im Namen der Gemeindevertretung ermächtigen, wobei bestimmte Agenden keinesfalls übertragen werden dürfen (vgl § 33 Abs 2 lit a – lit f SGO).
Der Beschluss über die Ermächtigung eines Ausschusses an Stelle und im Namen der Gemeindevertretung ist eine Rechtsverordnung, da es sich hier um die Übertragung behördlicher Zuständigkeiten handelt und nicht um Angelegenheiten der inneren Organisation. Dementsprechend normiert § 79 Abs 1 1. Satz SGO, dass Ermächtigungsbeschlüsse nach § 33 Abs 2 SGO ortsüblich kundzumachen sind. Die Gemeindevertretung kann die Ermächtigung eines Ausschusses durch einen weiteren Beschluss zu jedem Zeitpunkt beenden, der wiederum nach § 79 Abs 1 SOG ortsüblich kundzumachen ist (vgl dazu Giese/Huber, Kommentar zur Salzburger Gemeindeordnung 1994, Rz 14 zu § 33 und Rz 5 zu § 79).
Ein Beschluss der Gemeindevertretung nach § 33 Abs 2 SGO, mit dem an einen Ausschuss ein Beschlussrecht delegiert wird, hat einen zuständigkeitsbegründenden Inhalt und ist als Rechtsverordnung zu qualifizieren (vgl Giese/Huber, Kommentar zur Salzburger Gemeindeordnung 1994, E 4 zu § 33 mwN und VwGH 19.11.1987, 85/06/0136, 0149 sowie VwGH 22.2.2012, 2011/06/0187).
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Bauausschuss gemäß Beschluss der Gemeindevertretung vom 23.10.2015 nach § 33 Abs 2 SGO ermächtigt wurde, in „baurechtlichen Berufungsverfahren“ zu entscheiden. Der Beschluss vom 23.10.2015 wurde in der Folge gemäß § 79 Abs 1 SGO ortsüblich kundgemacht und ist mit 1.1.2016 in Kraft getreten.
Ein gegenteiliger Beschluss der Gemeindevertretung, womit die Ermächtigung des Bauausschusses beendet worden wäre, ist von der Gemeindevertretung weder getroffen noch ortsüblich kundgemacht worden. Eine solche Deutung kann auch dem Beschluss der Gemeindevertretung vom 31.7.2018, mit welchem über die angefochtene Entscheidung von der Gemeindevertretung entschieden wurde, nicht gegeben werden.
Daraus folgt, dass seit dem Beschluss vom 23.10.2015 keine Änderung an der Zuständigkeit des ermächtigten Bauausschusses eingetreten ist.
Seit der Einführung der „Zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit“ mit 1.1.2014 (vgl BGBl I Nr 33/2013) existiert der Rechtsbehelf des Devolutionsantrages nur mehr für Fälle, in denen ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird; in diesen Fällen geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (vgl § 73 Abs 2 AVG und VwGH 21.11.2017, Ra 2017/11/0279).
In der Gemeinde AD ist ein innergemeindlicher Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde (so auch in baupolizeilichen Agenden) weiterhin gegeben (vgl § 99 Abs 3 SGO iVm der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 30.9.2014 betreffend die Weiterausübung der Funktion der Berufungsbehörde durch Organe bestimmter Gemeinden, LGBl Nr 72/2014 idF LGBl Nr 108/2018).
§ 73 Abs 2 AVG stellt nach seinem klaren Wortlaut auf die „Berufungsbehörde“ ab. Durch die zuständigkeitsbegründende Ermächtigungsverordnung der Gemeindevertretung vom 23.10.2015, in Kraft getreten am 1.1.2016, war der Bauausschuss der Gemeinde AD im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung als zuständige Berufungsbehörde anzusehen. Demnach hätte der nach §§ 33 Abs 2 und 79 Abs 1 SGO zuständige Bauausschuss nach § 73 Abs 2 AVG über den Devolutionsantrag der Bf zu entscheiden gehabt.
Indem die belangte Behörde eine Zuständigkeit wahrgenommen hat, die ihr (sachlich) nicht zukommt, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit.
Die Argumentation der belangten Behörde, wonach die Zuständigkeit der Gemeindevertretung gegeben sei, weil der Bauausschuss (bloß) ermächtigt worden sei über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters zu entscheiden und beschwerdegegenständlich aufgrund der Säumnis des Bürgermeisters kein Bescheid des Bürgermeisters vorliege, vermag das erkennende Gericht nicht zu überzeugen, weil der Ermächtigungsbeschluss vom 23.10.2015 in seiner lit c) allgemein von „baurechtlichen Berufungsverfahren“ spricht und also nicht auf einen speziellen (erlassenen) Anfechtungsgegenstand Bezug nimmt; zudem ist auch dem Auszug aus dem Sitzungsprotoll vom 23.10.2015 (vgl TOP 4 Ermächtigung des Bau- und Raumplanungsausschuss) keine von der belangten Behörde angezogene Argumentation abzuleiten.
Für das fortgesetzte Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass auch demjenigen, der die Parteistellung behauptet, zumindest im Zwischen(Feststellung)verfahren über die Parteistellung eine – auf diese Frage beschränkte Parteistellung und damit insoweit auch das Recht auf Akteneinsicht zukommt (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 23 und § 17 Rz 2(Stand 1.1.2014, rdb.at). Das Recht, die Entscheidungspflicht durch Devolutionsantrag nach § 73 AVG geltend zu machen, setzt schließlich die Parteistellung in jenem Verfahren voraus, in welchem dieser Antrag gestellt wird (vgl VwGH 31.3.2005, 2003/05/0180). Ein Antrag auf Zustellung eines gegenüber einer (anderen) Partei erlassenen Bescheides ist als Antrag auf Zuerkennung (Feststellung) der Parteistellung zu verstehen (vgl VwGH 20.12.1991, 90/17/0313, VwGH 17.9.2009, 2007/07/0052; VfSlg 16.537/2002) und setzt ein (eigenständiges) Verwaltungsverfahren in Gang, wobei die Entscheidungsfrist mit Einlangen des Zustellbegehrens beginnt. Ob den Bf noch ein rechtliches Interesse am Zustellbegehren infolge der zugestellten Entscheidung im Rahmen des Umweltinformationsbegehrens zukommt (vgl dazu VwGH 16.9.2009, 2006/05/0080 und 4.7.1989, 88/05/0225) war vom erkennenden Gericht infolge der vordergründig zu prüfenden Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht mehr weiter zu relevieren.
Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur folgend ist ordnungsgemäß kundgemachten Ermächtigungsbeschlüssen nach § 33 Abs 2 SGO zuständigkeitsbegründender Gehalt beizumessen. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die belangte Behörde keinen gegenteiligen Beschluss, mit welcher die Ermächtigung des Bauausschusses beendet worden wäre, getroffen hat, ist für das erkennende Gericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erkennbar.
Schlagworte
Baurecht, Unzuständigkeit Gemeindevertretung, Bauausschuss, Ermächtigung, Entscheidung über DevolutionsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2019:405.3.462.1.10.2019Zuletzt aktualisiert am
13.03.2019