Entscheidungsdatum
06.03.2019Norm
AVG 1991 §34 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 14. Dezember 2018, Zl. ***, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Sachverhalt und Feststellungen:
1.1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Baden (in der Folge: belangte Behörde) vom 24. Juni 2018, Zl. ***, wurde A (in der Folge: Beschwerdeführer) eine Übertretung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 der Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung zur Last gelegt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 40,00 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden, verhängt.
1.2. Mit Schreiben vom 08. August 2018 erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen die Strafverfügung. In diesem Schreiben findet sich folgende, wörtlich wiedergegebene Passage:
„Entweder sind Sie nur ignorant oder ? […] Vielleicht sollte man die „Politessen“ erst einmal richtig schulen, wenn diese zu dumm sind. Im übrigen vermittelt die Schrift, daß es sich um einen Analphabeten handelt.“
1.3. Im weiteren Verfahrenslauf replizierte der Beschwerdeführer auf die Stellungnahme der Stadtpolizei *** vom 15. August 2018 mit dem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 31. August 2018, in der er wortwörtlich Folgendes ausführt:
„Man sollte meinen, wenn jemand nichts anderes macht als „Strafzettel“ schreiben, dass es irgendwann gelingt […] Man sollte Nachschulungen/Nachhilfe geben, wenn erforderlich – offensichtlich ja […] Da er sich soweit „aus dem Fenster lehnt“ für seine Politess zeigt mir eigentlich nur, daß selbst er nicht weiß, wie eine ordentliche rechtswirksame Unterschrift unter einem offiziellen Dokument auszusehen hat. Dann gratuliere. […] Und dieser ganze „Affenzirkus“ wegen eines lächerlichen Bußgeldbescheides!? […] Hat mit dem ganzen Verfahren nichts zu tun, aber er sollte erst einmal „vor der eigenen Türe kehren“, denn in seinem Revier war man nicht fähig, einen …bericht korrekt/lückenlos zu fertigen“.
1.4. Die belangte Behörde verhängte über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 14. Dezember 2018, Zl. ***, (Betreff: „Eingaben vom 08.08.2016 und vom 31.08.2016, Ordnungsstrafe“), eine Ordnungsstrafe in Höhe von 300,00 Euro. In diesem Bescheid sind die unter Punkt 1.2. bzw. 1.3. festgestellten Passagen aus den Eingaben des Beschwerdeführers vom 08. August 2018 sowie 31. August 2018 wörtlich wiedergegeben und ist begründend ausgeführt, dass diese Äußerungen betreffend die Mitarbeiter der Stadtpolizei *** zweifelsohne als herabsetzend, verspottend und als gegen die Ehre eines Behördenorgans gerichtet zu werten seien. Diese Ausdrucksweise werde keinesfalls den sittlichen Maßstäben gerecht, die an den Schriftverkehr mit einer Behörde angelegt werden, weshalb eine Ordnungsstrafe auszusprechen sei.
1.5. Dieser Bescheid wurde nach erfolglosem Zustellversuch am 20. Dezember 2018 bei der Post zur Abholung ab 21. Dezember 2018 hinterlegt und eine Verständigung darüber in die Abgabeeinrichtung des Beschwerdeführers eingelegt. Der Beschwerdeführer war von 18. Dezember 2018 bis einschließlich 01. Jänner 2019 urlaubsbedingt ortsabwesend und holte den hinterlegten Bescheid am 02. Jänner 2019 bei der Post ab.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Jänner 2019 Beschwerde. In dieser wird vorgebracht, dass er „trotz intensiver Suche … keine Eingaben von mir vom 8.8.2016/31.8.2016 finden“ konnte. Das Verfahren sei daher einzustellen.
1.7. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 21. Februar 2019 (zusammen mit dem zur Zl. LVwG-S-62/001-2019 protokollieren Verfahren; Beschwerde gegen das Straferkenntnis nach der StVO) eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer betreffend die Ordnungsstrafe ergänzend vorbrachte, dass er sich hinsichtlich des Inhalts der Eingaben vom 08. August 2018 sowie vom 31. August 2018 auf sein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht der Meinungsfreiheit berufe. Er habe das Schreiben an die belangte Behörde gerichtet und ihr gegenüber seine Meinung kundgetan. Was er der Behörde gegenüber geschrieben habe, sei nicht beleidigend. Die belangte Behörde habe erst über ein halbes Jahr nach dem Vorfall, der dem Straferkenntnis betreffend die StVO (protokolliert beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Zl. LVwG-S-62/001-2019) zugrunde lag, die Ordnungsstrafe verhängt. Die Behörde sei einerseits verwaltungsstrafrechtlich ihm gegenüber aufgetreten und hat überdies eine Ordnungsstrafe verhängt, was unzulässig sei. Vor Verhängung der Ordnungsstrafe hätte ihn die belangte Behörde gemäß § 34 Abs. 2 AVG ermahnen müssen. Seine Eingaben seien nie an die „Politesse“ gerichtet gewesen, diese kenne er gar nicht. Die belangte Behörde sei von einem Belastungseifer geprägt, der Bescheid betreffend die Ordnungsstrafe sei erlassen worden, noch bevor die Beschwerdefrist betreffend das Straferkenntnis nach der StVO (protokolliert beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Zl. LVwG-S-62/001-2019) abgelaufen gewesen sei.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen – einschließlich des dargelegten Verfahrensgangs –hinsichtlich der oben angeführten Punkte 1.1. bis 1.4. sowie 1.6. und 1.7. ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und wurden seitens des Beschwerdeführers weder in der Beschwerde noch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2019 bestritten. Der Beschwerdeführer räumt ausdrücklich ein, Verfasser der Eingaben vom 08. August 2018 und 31. August 2018 – einschließlich der oben festgestellten wortwörtlichen Passagen – zu sein.
2.2. Die unter Punkt 1.5. angeführten Feststellungen zum erfolglosen Zustellversuch und zur nachfolgenden Hinterlegung des Schriftstücks ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Rückschein, der eine öffentliche Urkunde darstellt, welche als solche die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (s. zB VwGH 08.07.2004, 2004/09/0033, mwN). Die Feststellungen hinsichtlich der Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle gründen auf den von ihm an die belangte Behörde übermittelten Reiseunterlagen, aus denen eine Flugbuchung auf seinen Namen für den 18. Dezember 2018 und 01. Jänner 2019 (Hin- und Rückflug) hervorgeht.
3. Rechtslage:
3.1. Die hier maßgebliche Bestimmung des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lautet:
„§ 34. (1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.
(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.
(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.
(4) Gegen öffentliche Organe und gegen Bevollmächtigte, die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind, ist, wenn sie einem Disziplinarrecht unterstehen, keine Ordnungsstrafe zu verhängen, sondern lediglich die Anzeige an die Disziplinarbehörde zu erstatten.
(5) Die Verhängung einer Ordnungsstrafe schließt die strafgerichtliche Verfolgung wegen derselben Handlung nicht aus.“
3.2. Die hier maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lautet:
„§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, § 39 Abs. 3 bis 5, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.“
3.3. Die hier maßgebliche Bestimmung des Zustellgesetzes (ZustG) lautet:
„§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte. […]“
4. Erwägungen:
4.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig.
4.2. Gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG gilt eine Sendung nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.
4.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Wort „rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustG dahin zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stand, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. VwGH 17.08.2017, Ra 2017/11/0211).
Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch „rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss (vgl. VwGH 22.12.2016, Ra 2016/16/0094, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangt ein Empfänger insbesondere dann nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn zum Zeitpunkt der Rückkehr zur Abgabestelle bereits rund die Hälfte der Rechtsmittelfrist abgelaufen war (vgl. VwGH 20.10.2010, 2007/08/0210, betreffend eine Rechtsmittelfrist von einem Monat).
4.4. Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer von 18. Dezember 2018 bis einschließlich 01. Jänner 2019 ortsabwesend. Mit Rückkehr an die Abgabestelle waren bereits zwölf Tage der vierwöchigen Rechtsmittelfrist verstrichen. Der Beschwerdeführer hat daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – infolge des Verstreichens von rund der Hälfte der Rechtsmittelfrist – nicht rechtzeitig iSd § 17 Abs. 3 ZuStG vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt, weshalb die Zustellung erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist – somit am 02. Jänner 2019 – wirksam wurde.
Die Zustellung gilt daher mit 02. Jänner 2019 als bewirkt. Da die vierwöchige Beschwerdefrist folglich erst am 30. Jänner 2019 endete, ist die am 28. Jänner 2019 eingebrachte Beschwerde rechtzeitig.
4.5. Die Beschwerde ist nicht begründet.
4.6. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Schreibfehler in Bescheiden unerheblich, wenn sie die Feststellung des beabsichtigten Bescheidinhaltes nicht unmöglich machen (vgl. VwGH 03.10.2002, 98/08/0193; 27.04.2000, 98/10/0003; VwSlg. 6142 A/1963).
Im vorliegenden Fall erweist sich der im Betreff des angefochtenen Bescheides enthaltene Schreibfehler hinsichtlich der Datierung der Eingaben des Beschwerdeführers – diese sind dort als Eingaben „vom 08.08.2016 und vom 31.08.2016“ bezeichnet – im Sinne dieser Rechtsprechung als unerheblich. Die richtigen Daten der Eingaben des Beschwerdeführers – nämlich vom 08. August 2018 sowie 31. August 2018 – sind im Spruch des angefochtenen Bescheides korrekt wiedergegeben und entsprechen die im Spruch dieses Bescheides zitierten Passagen jenen in den Eingaben des Beschwerdeführers vom 08. August 2018 sowie 31. August 2018. Es ergibt sich daher eindeutig, dass der angefochtene Bescheid auf diese Eingaben des Beschwerdeführers bezogen ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde daher gegenüber dem Beschwerdeführer eine Ordnungsstrafe im Hinblick auf dessen schriftliche, auszugsweise wiedergegebene Eingaben vom 08. August 2018 sowie 31. August 2018 verhängt.
4.7. Zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise ist diejenige Institution zuständig, die die Angelegenheit, in der die Eingabe eingebracht worden ist, zu erledigen hat (vgl. etwa VwSlg. 12.429 A/1987). Im vorliegenden Fall waren der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 08. August 2018 und die schriftliche Stellungnahme vom 31. August 2018 an die belangte Behörde gerichtet und wurden bei dieser eingebracht, sodass jene auch für die Verhängung der Ordnungsstrafe zuständig war.
Unter einer Eingabe im Sinne des § 34 Abs. 3 AVG ist ein schriftliches Anbringen im Sinne des § 13 AVG zu verstehen, wobei Voraussetzung für die Strafbefugnis der Behörde ist, dass das AVG auf die betreffende Eingabe überhaupt Anwendung findet und sich auf eine mit Bescheid zu erledigende Angelegenheit bezieht. § 34 Abs. 3 AVG ist auch auf Eingaben eines Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden (vgl. VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344; Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 Rz. 15). Vor diesem Hintergrund erweist es sich auch nicht als rechtswidrig, dass die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer neben einer Verwaltungsstrafe wegen einer Übertretung nach der StVO (auch) eine Ordnungsstrafe wegen einer – von der Verwaltungsübertretung nach der StVO zu unterscheidenden – Handlungsweise, nämlich schriftlicher Eingaben des Beschwerdeführers, verhängt hat (vgl. auch VwGH 11.05.1998, 96/10/0033, wonach Ordnungsstrafen nicht unter die Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts fallen).
4.8. Die Bestimmung des § 34 Abs. 3 AVG stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im Sinne der Art. 13 StGG und Art. 10 EMRK dar, sie ist jedoch als solche zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der demokratischen Gesellschaft notwendig und daher im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 13 StGG und des Art. 10 EMRK unbedenklich. § 34 Abs. 3 AVG ist jedoch bei der bescheidförmigen Verhängung einer solchen Ordnungsstrafe im Einzelfall – bei sonstiger Gesetzes- und Grundrechtswidrigkeit des Bescheides – im Lichte dieses Vorbehaltes und des darin normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen (vgl. VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).
4.9. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 17.08.2010, 2009/06/0048, mwN) soll mit der Pönalisierung der beleidigenden Schreibweise in § 34 Abs. 3 AVG nicht die Möglichkeit einer Person beschnitten werden, sachlich Kritik am Vorgehen oder Verhalten eines Behördenorgans zu äußern. Die Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle wendet sich also nicht gegen den Inhalt des Vorbringens, sondern gegen die Form, in der dieses erfolgt. Niemand ist daran gehindert, einen Missstand, der nach seiner Meinung bei einer Behörde oder einem Behördenorgan besteht, der Oberbehörde oder dem Dienstvorgesetzten des Organs zur Kenntnis zu bringen, damit sie Abhilfe schaffen. Er muss sich dabei aber in den Grenzen der Sachlichkeit halten und soll dadurch der in einem Staat durchaus erforderlichen und berechtigten Kritik eine Grenze gesetzt und der Anstand gewahrt werden (vgl. auch VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).
Ob eine Schreibweise beleidigend ist, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen; der Zweck, der mit der Eingabe verfolgt wird, ist irrelevant. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Auf eine Beleidigungsabsicht kommt es nicht an (vgl. VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0076).
Mit dem Begriff „Beleidigung“ sind Ausdrucksweisen verbunden, die kränkend, verletzend, demütigend, entwürdigend, erniedrigend, herabsetzend, schimpflich, verunglimpfend, schmähend, verspottend, verhöhnend, der Lächerlichkeit aussetzend wirken sollen, die den Vorwurf eines verächtlichen, schändlichen, schmachvollen, sittlich verwerflichen Handelns zum Ausdruck bringen sollen, dh. Behauptungen, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. VwGH 27.10.1997, 97/17/0187).
Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gerechtfertigt und schließt damit die Anwendung des § 34 Abs. 3 AVG aus, wenn sie sich auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. VwGH 28.06.1991, 90/18/0194; 16.02.1999, 98/02/0271, u.a.). Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, wird der Tatbestand des § 34 Abs. 3 AVG erfüllt und es kann auch ein gelungener Beweis der Kritik den Schreiber nicht mehr rechtfertigen (vgl. VwGH 16.02.1999, 98/02/0271, mwN).
4.10. Gemessen an den dargelegten Kriterien an eine zulässige Kritik ist für den vorliegenden Fall auszuführen, dass es an einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form fehlt.
Aufgrund der gewählten Formulierungen in den Eingaben des Beschwerdeführers vom 08. August 2018 sowie 31. August 2018, wie etwa „Entweder sind Sie nur ignorant oder ? […] Vielleicht sollte man die „Politessen“ erst einmal richtig schulen, wenn diese zu dumm sind. Im übrigen vermittelt die Schrift, dass es sich um einen Analphabeten handelt. […] Man sollte meinen, wenn jemand nichts anderes macht als „Strafzettel“ schreiben, dass es irgendwann gelingt […] Man sollte Nachschulungen/Nachhilfe geben, wenn erforderlich – offensichtlich ja […] Da er sich soweit „aus dem Fenster lehnt“ für seine Politess zeigt mir eigentlich nur, daß selbst er nicht weiß, wie eine ordentliche rechtswirksame Unterschrift unter einem offiziellen Dokument auszusehen hat. Dann gratuliere. […] Und dieser ganze „Affenzirkus“ wegen eines lächerlichen Bußgeldbescheides!? […] Hat mit dem ganzen Verfahren nichts zu tun, aber er sollte erst einmal „vor der eigenen Türe kehren“, denn in seinem Revier war man nicht fähig, einen …bericht korrekt/lückenlos zu fertigen“ ergibt sich aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich unzweifelhaft, dass sich der Beschwerdeführer einer beleidigenden Schreibweise bedient hat: Die Äußerungen des Beschwerdeführers stellen jedenfalls eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise dar und fehlt es an einer den Mindestanforderungen des Anstands entsprechenden Form (vgl. etwa auch VwGH 17.09.1980, 1180/80, wonach in der Behauptung, dass die Unterschrift eines Beamten, der den Bescheid unterzeichnete, der eines Analphabeten sehr ähnlich sei, eine beleidigende Schreibweise im Sinne des § 34 Abs. 3 AVG zu erblicken sei). Auch ist es dem Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht gelungen aufzuzeigen, dass die von ihm gewählten Formulierungen im Hinblick auf das behauptete Fehlverhalten der Organe der Stadtpolizei *** gerechtfertigt seien, zumal das Straferkenntnis der belangten Behörde betreffend die Übertretung nach der StVO vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in dem zZ LVwG-S-62/001-2019 protokollierten Verfahren bestätigt wurde.
4.11. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist eine vorherige Ermahnung bei beleidigenden Schreibweisen in schriftlichen Eingaben gemäß § 34 Abs. 3 AVG nicht erforderlich und die Verhängung einer Ordnungsstrafe in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt:
§ 34 Abs. 3 AVG nimmt lediglich in Gestalt der Anordnung, dass „die gleichen Ordnungsstrafen verhängt werden können", auf den zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle Bezug; eine Anordnung, dass – wie in dem durch § 34 Abs. 2 AVG geregelten Fall der Anstandsverletzung oder Ordnungsstörung bei einer „Amtshandlung" – mit Ermahnung, Entziehung des Wortes nach Androhung derselben, Entfernung und Auftrag, einen Bevollmächtigten zu bestellen, vorzugehen wäre, enthält die Regelung nicht (vgl. VwGH 30.05.1994, 92/10/0469).
Ebenso wenig ist die Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise zeitlich begrenzt (vgl. VwGH 30.05.1994, 92/10/0469). Dass die Ordnungsstrafe im vorliegenden Fall, wie vom Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgebracht, erst über ein halbes Jahr nach dem Vorfall, der dem Straferkenntnis betreffend die StVO (protokolliert beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Zl. LVwG-S-62/001-2019) zugrunde lag, verhängt wurde, schadet demnach nicht.
4.12. Auch ist im vorliegenden Fall – entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers – nicht ausschlaggebend, wer Adressat der beleidigenden Schreibweise ist. Entscheidend ist vielmehr, ob durch diese Äußerung der im Verkehr mit Behörden gebotene Anstand verletzt wird, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon abhängt, auf wen die Äußerung bezogen ist (vgl. VwGH 17.02.1997, 95/10/0221). Unerheblich ist es daher, dass Adressat der Beleidigung nicht die belangte Behörde oder ein Organ dieser Behörde ist, sondern dass sich die beleidigende Schreibweise auf Organe der Stadtpolizei *** bezieht. Insofern ist auch die Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht von der Zustimmung jenes Organs, das Adressat der beleidigenden Schreibweise ist, abhängig.
4.13. Zweck des § 34 Abs. 3 AVG ist die Spezialprävention, also die Absicht, die betreffende Person von der Setzung eines ordnungswidrigen Verhaltens abzuhalten und damit den Anstand im schriftlichen Verkehr mit den Behörden zu wahren (vgl. VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).
Vor dem Hintergrund der im konkreten Fall verwendeten Formulierungen des Beschwerdeführers in den Eingaben vom 08. und 31. August 2018 erweist sich die von der belangten Behörde gewählte Höhe der Ordnungsstrafe von 300,00 Euro, die sich im gesetzlichen Rahmen bis 726,00 Euro bewegt, als angemessen. Die Ordnungsstrafe ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich geeignet, eine Änderung des Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber Behörden zu bewirken (vgl. auch VwGH 17.04.2012, 2010/04/0133, wonach es bei der Festsetzung der Höhe der Ordnungsstrafe nicht auf die Einkommens-, Vermögens- oder Familienverhältnisse des Beschwerdeführers ankommt).
4.14. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343) und überdies eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. zB VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).
Schlagworte
Verkehrsrecht; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Ordnungsstrafe; Eingabe; beleidigende Schreibweise; Meinungsfreiheit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.247.001.2019Zuletzt aktualisiert am
12.03.2019