TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/12 G314 2208956-1

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Veröffentlicht am 12.11.2018
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Entscheidungsdatum

12.11.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67

Spruch

G314 2208956-1/2E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, ungarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid vom 01.10.2018, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) hielt sich zwischen 2011 und 2017 immer wieder im Bundesgebiet auf und war hier zwischen 2011 und 2013 (mit Unterbrechungen) erwerbstätig; danach bezog er bis XXXX 2017 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Am 24.06.2013 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt.

Der BF wurde im Bundesgebiet bislang vier Mal strafgerichtlich verurteilt: 2013 wurde vom Landesgericht XXXX wegen Vermögens- und Urkundendelikten eine zwölfmonatige, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitstrafe verhängt. Im Urteil des Landesgerichts XXXX werden ua mehrere einschlägige Vorverurteilungen in Ungarn als erschwerend berücksichtigt. 2014 wurde der BF vom Bezirksgericht XXXX wegen versuchten Diebstahls zu einer im Februar 2015 vollzogenen Geldstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit für die zuvor gewährte bedingte Nachsicht auf fünf Jahre verlängert. 2016 wurde wegen eines Diebstahlsversuchs vom Bezirksgericht XXXX eine dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt, die zwischen XXXX. und XXXX.2017 vollzogen wurde. Anschließend wurde der BF nach Ungarn abgeschoben. Zuletzt wurde er wegen eines am XXXX.2016 begangenen Diebstahls vom Bezirksgericht XXXX zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die nach seiner Festnahme aufgrund einer Vorführungsanordnung in einem aus Deutschland kommenden Fernbus ab XXXX.2018 in der Justizanstalt XXXX vollzogen wird. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX.2018.

Der BF wohnt seit Ende 2017 oder Anfang 2018 in Deutschland, wo er nach seinen Angaben über eine Unterkunft und eine Beschäftigung als Lagerarbeiter verfügt, die er nach der Haftentlassung wieder aufnehmen kann.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF (nachdem er im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme abgegeben hatte) gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass der weitere Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots sei im Interesse der Bevölkerung geboten. Es hätten sich keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots sprächen. Es sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots geboten sei, weil der BF durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Sein Verhalten stelle auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, Ordnung und Sicherheit, berühre. Die Abwägung ergebe, dass aufgrund dieses Verhaltens sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurücktrete.

Vorstrafen des BF in Ungarn werden im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, diesen (und damit das Aufenthaltsverbot) zu beheben, in eventu, die Dauer des Aufenthaltsverbots herabzusetzen. Vom BF gehe keine relevante Gefährdung aus, zumal er in Deutschland, wo er mittlerweile lebe, unbescholten sei und aufgrund seiner Erwerbstätigkeit dort für sich selbst aufkommen könne. Seine wirtschaftliche Situation sei nicht so schlecht, dass eine Fortsetzung der Delikte zu befürchten sei. Er habe vor, freiwillig nach Ungarn zurückzukehren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 07.11.2018 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG, insbesondere auf dem Personalausweis des BF, auf den Abfragen im Zentralen Melderegister, im Fremdenregister und im Strafregister sowie auf den vorgelegten Urteilsausfertigungen, den Informationen der deutschen Behörden und dem Versicherungsdatenauszug in Zusammenschau mit den Angaben des BF in seiner Stellungnahme und in der Beschwerde samt den dazu vorgelegten Urkunden.

Rechtliche Beurteilung:

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung.

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hier nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen. Dabei blieb unberücksichtigt, dass der BF seinen Lebensmittelpunkt mittlerweile nach Deutschland verlegt hat, dass sich seine Lebenssituation seit der letzten Straftat stabilisiert hat und dass er nunmehr insbesondere über ein regelmäßiges Erwerbseinkommen verfügt, was die Wiederholungsgefahr in Bezug auf die ihm angelasteten Vermögensdelikte reduziert. Bei den letzten drei Verurteilungen im Bundesgebiet wurde er zu geringen Strafen verurteilt. Die einzige längere Freiheitsstrafe wurde 2013 verhängt. Ein Widerruf der damals gewährten bedingten Strafnachsicht erfolgte bislang nicht. Es liegen noch keine Beweisergebnisse zu (allenfalls schwerwiegenderen) Vorstrafen in anderen Staaten vor. Angesichts der spezialpräventiven Wirkung des Strafvollzugs ist nicht davon auszugehen, dass der BF nach seiner Haftentlassung gleich wieder Straftaten begehen wird, zumal die letzte Tathandlung vor dem Erstvollzug gesetzt worden war.

Da der BF ohnedies vorhat, Österreich freiwillig zu verlassen, ist eine sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Da die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG nicht erfüllt sind, ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ersatzlos aufzuheben.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der in diesem Teilerkenntnis behandelte Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids aufzuheben ist.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, freiwillige Ausreise, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2208956.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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