TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/26 97/12/0289

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Veröffentlicht am 26.05.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §1;
BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;
GehG 1956 §12 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/12/0290 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 97/12/0420 E 23. Juni 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des Mag. A in T, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer u. a., Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen die Bescheide des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 7. Juli 1997, Zl. 155.377/58 bzw. 60-III/11/97, betreffend Anrechnung von Karenzurlauben nach § 75 Abs. 3 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand bis 31. März 1997 als Amtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle war der Landesschulrat für das Burgenland. Mit Wirkung vom 1. April 1997 wurde der Beschwerdeführer als Professor in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund ernannt.

Von 1982 bis 1988 absolvierte der Beschwerdeführer nebenberuflich ein Jusstudium und strebte dann seine Überstellung in die Verwendungsgruppe A bei seiner damaligen Dienststelle an. Dieses Bemühen war nach seinem Vorbringen deshalb nicht erfolgreich, weil er sich durch Aktivitäten im Rahmen einer Bürgerinitiative die nachhaltige Aversion maßgeblicher Politiker zugezogen habe. In diesem Sinne seien die Juristenposten bei seiner Dienststelle mit zugeteilten burgenländischen Landesbeamten besetzt worden.

Vor diesem sachverhaltsmäßigen Hintergrund wurde der Beschwerdeführer seit 15. Oktober 1990 - mit einer rund halbjährlichen Unterbrechung - karenziert und als Vertragslehrer L 1 für Rechtsfächer verwendet. Bis einschließlich zum Schuljahr 1993/94 wurde hiezu jeweils gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 ausgesprochen, dass die gemäß Abs. 2 leg. cit. verbundenen Folgen des Karenzurlaubes nicht einträten, die Karenzurlaubszeit somit für die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Rechte zu berücksichtigen sei und somit eine in jeder Beziehung anrechenbare Dienstzeit darstelle.

Über Ersuchen des Beschwerdeführers vom 16. August 1994 wurde ihm mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. September 1994 auch für das Schuljahr 1994/95 (vom 5. September 1994 bis 3. September 1995) Karenzurlaub gewährt. Bezüglich der gleichzeitig beantragten Anrechnung im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 wurde der Beschwerdeführer - wie auch schon in den Vorjahren - darauf verwiesen, dass darüber gesondert entschieden werde.

Entgegen der Vorgangsweise in den Vorjahren entschied aber die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. Jänner 1995 abschlägig, weil dem Beschwerdeführer der Karenzurlaub auf die Dauer der Bestellung zum Vertragslehrer gewährt worden sei, um ihm die Erwerbung von Kenntnissen und Erfahrungen zu ermöglichen, die er nach Beendigung des Karenzurlaubes für eine spätere Verwendung in einer pädagogischen Abteilung hätte einsetzen können. Diesbezüglich sei ein weiterer "Zugewinn" an Erfahrungen nicht mehr in dem Maße von Bedeutung, dass eine Vollanrechnung gerechtfertigt erschiene.

Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/12/0059, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit behoben, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die diesem Bescheid von der belangten Behörde zugrunde gelegte Auffassung des damals zustimmungsberechtigten Bundeskanzleramtes (= BKA) auf einer aktenwidrigen Sachverhaltsannahme beruht habe. Zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Bereits vor dieser Entscheidung - aber nach Beginn des Schuljahres 1996 - entschied die belangte Behörde für das Schuljahr 1996/97 mit Bescheid vom 10. Oktober 1996 in der Weise, dass mit dessen Spruchpunkt 1 dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 4. September 1996 bis 3. September 1997 Karenzurlaub gewährt wurde, aber gleichzeitig unter Spruchpunkt 2 die Anrechnung dieses Karenzurlaubes abgelehnt wurde. Als Begründung für letztere Entscheidung wurde auf den das Schuljahr 1995/96 betreffenden seinerzeit angefochtenen und mit Erkenntnis vom 18. Dezember 1996 aufgehobenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Jänner 1995 (siehe vorher) hingewiesen.

Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/12/0372, unter Hinweis auf das Erkenntnis Zl. 95/12/0059 ebenfalls wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit behoben.

Im fortgesetzten Verfahren entschied die belangte Behörde - neuerlich der Auffassung des nunmehr zustimmungsberechtigten Bundesministeriums für Finanzen (= BMF) Rechnung tragend - mit dem erstangefochtenen Bescheid über die Vollanrechnung des Karenzurlaubes für das Schuljahr 1994/95 und mit dem zweitangefochtenen Bescheid über das Schuljahr 1996/97 abweisend.

In beiden Bescheiden wurde zur Begründung im Wesentlichen inhaltsgleich ausgeführt, das nunmehr allein zustimmungsberechtigte BMF habe dem Antrag der belangten Behörde auf Vollanrechnung, der mit dem bestehenden Engpass bei Wirtschaftspädagogen begründet gewesen sei, neuerlich aus folgenden Gründen nicht zugestimmt:

Dem Beschwerdeführer seien Karenzurlaube "mit Berücksichtigung" für die Zeit vom 15. Oktober 1990 bis 31. August 1991, vom 2. September 1991 bis 6. September 1992, vom 8. Februar 1993 bis 5. September 1993 und vom 6. September 1993 bis 4. September 1994 auf Grund seiner Bestellung zum Vertragslehrer an der Bundeshandelsakademie Neusiedl am See bzw. an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe und Bundes-Gastgewerbefachschule Neusiedl am See gewährt worden. Als Begründung für die Zustimmung zu einer solchen Verfügung seien neben den persönlichen Interessen die Vorteile durch die Unterrichtstätigkeit für eine spätere Verwendung des Beschwerdeführers in einer pädagogischen Abteilung des Amtes des Landesschulrates für Burgenland, die Einberufung bzw. Versetzung von zwei Lehrkräften mit voller Lehrverpflichtung, sowie in weiterer Folge Engpässe bei Wirtschaftspädagogen geltend gemacht worden. Seitens des BKA sei die Zustimmung zu einer Verfügung für die genannten Karenzurlaube im Hinblick darauf, dass der angeführte "Erfahrungszugewinn" offensichtlich für die spätere Verwendung des Beschwerdeführers in einer pädagogischen Abteilung im Interesse des Landesschulrates für Burgenland gelegen gewesen sei und somit im überwiegenden Ausmaß andere als private Interessen maßgebend gewesen seien, erfolgt. Hinzugefügt müsse allerdings werden, dass dem - wie der Verwaltungsgerichtshof ausführe - Motiv der Engpässe bei Wirtschaftspädagogen, da seitens der belangten Behörde vom ursprünglichen Anführen konkreter Engpässe zu einer eher allgemeinen Floskel übergegangen, zu wenig Beachtung geschenkt worden sei.

Nach Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 75 Abs. 3 BDG 1979 führt die belangte Behörde in Wiedergabe der Stellungnahme des BMF in der Begründung der angefochtenen Bescheide weiter aus, seitens des BMF sei zwar - ursprünglich - auch von der Überlegung ausgegangen worden, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Vertragslehrer im Interesse der Republik Österreich gelegen gewesen sei und somit andere als private Interessen für die Gewährung der gegenständlichen Karenzurlaube im überwiegenden Ausmaß entscheidend gewesen seien; diese Tätigkeit könne aber nicht mehr im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen sein, weil nach einer Karenzierung von ca. 3 1/2 Jahren zusätzlich zu einem nicht mehr gegebenen "Erfahrungszugewinn" es auch nicht mehr im Interesse des Dienstgebers Bund gelegen sein könne, Personalengpässe durch ständige weitere Karenzierungen zu überbrücken. Es erscheine demnach gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr vertretbar, einem Bundesbeamten der Verwendungsgruppe B immer wieder einen Karenzurlaub mit Berücksichtigung zu gewähren, um ihn wiederum beim Bund als Vertragslehrer L 1 zu verwenden, wenn jedem bekannt sei, dass eine erkleckliche Anzahl von Lehrern ohne Aussicht auf Beschäftigung vorhanden sei. Weiters erhebe sich die Frage, warum der Beschwerdeführer nach einer Karenzurlaubsdauer von ca. 3 1/2 Jahren nicht in die Besoldungsgruppe Lehrer überstellt worden sei bzw. warum nicht eine geeignete Person aus dem Bereich der arbeitslosen Lehrer zumindest vorübergehend aufgenommen worden sei, da - wie auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen sei - seitens der belangten Behörde weder eine Überstellung des Beschwerdeführers in die Verwendungsgruppe A "beim Amt der Burgenländischen Landesregierung" noch als L 1-Lehrer zum damaligen Zeitpunkt beabsichtigt gewesen sei. Vielmehr lasse die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise der Gewährung weiterer Karenzurlaube den Schluss zu, dass deren Berücksichtigung ausschließlich nur mehr dem Dienstnehmer zum Vorteil gedient hätte, weil dessen Intentionen offensichtlich nicht mehr darauf ausgerichtet gewesen seien, später in einer pädagogischen Abteilung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung tätig zu sein, sondern - wie nunmehr mit Wirksamkeit vom 1. April 1997 auch durchgeführt - zum Professor der Verwendungsgruppe L 1 ernannt zu werden. Somit sei weder die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 BDG 1979, nämlich, dass andere als private Interessen im überwiegenden Ausmaß maßgebend seien, noch die zweite, das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe, gegeben.

Nach Wiedergabe dieser Auffassung des BMF in der Begründung der angefochtenen Bescheide führt die belangte Behörde lediglich abschließend aus, da die Zustimmung des BMF Tatbestandserfordernis für ihre Entscheidung sei, diese Zustimmung jedoch neuerlich verweigert worden sei, habe neuerlich die spruchgemäße Ablehnung der Vollanrechnung erfolgen müssen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und keine Anträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angefochtenen Bescheide in seinem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung über die Anrechnung (Berücksichtigung) von Karenzurlaubszeiten für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 BDG 1979 durch unrichtige Anwendung, insbesondere des letzteren Gesetzesabsatzes, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt. Dies in Ansehung des § 75 BDG 1979 hinsichtlich seiner Fassung bis zum Inkrafttreten der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61/1997.

In Ausführung dessen verweist der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf den von der belangten Behörde festgestellten "weiterhin bestehenden Engpass bei Wirtschaftspädagogen", woraus das öffentliche Interesse an seiner Lehrerverwendung folge. Die belangte Behörde beschränke ihre Begründung lediglich auf die Wiedergabe der ablehnenden Stellungnahme des BMF, was hinsichtlich der rechtlichen Überlegungen, sicher nicht aber hinsichtlich der Sachverhaltsannahmen zulässig gewesen sei. In diesem Sinne sei die Bescheidbegründung von vornherein widersprüchlich und mangelhaft geblieben.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise als Hilfsmittel zur Erreichung eines auch für den Bund sinnvollen Einsatzes seiner Person zu verstehen gewesen sei; nur dadurch sei das "Brachliegen" von "Ressourcen" verhindert worden. Hätte der Beschwerdeführer als B-Beamter weiter gearbeitet, erhebe sich die Frage, wie die qualifizierte Unterrichtstätigkeit bei einem "Engpass an Wirtschaftspädagogen" hätte erbracht werden können. Darin sei das öffentliche Interesse an der Verwendung des Beschwerdeführers gelegen gewesen. Darüber hinaus habe es der Beschwerdeführer - entgegen der Auffassung des BMF - auch nicht selbst zu vertreten, dass er nicht überstellt worden sei, wobei es sich nicht um eine Übernahme in den burgenländischen Landesdienst (- wie das BMF meinte -) gehandelt habe. Die vom BMF herangezogenen Argumente seien unhaltbar. Vielmehr sei der Beschwerdeführer zur Verlängerung seines Karenzurlaubes einerseits aus im Bereich der öffentlichen Verwaltung gelegenen Gründen genötigt worden, andererseits habe ein nachhaltiger Bedarf an der von ihm ausgeübten Lehrtätigkeit bestanden. Dass ursprünglich von einem "Zugewinn an Erfahrung und Tätigkeiten für eine spätere Verwendung in einer pädagogischen Abteilung" die Rede gewesen sei, sei aus heutiger Sicht und von vornherein unerheblich. In Wahrheit sei das auch nie von wirklicher Bedeutung gewesen; die Verwendung dieser Floskel verstehe sich daraus, dass sich eine entsprechende Begründungsweise für die Anrechnung von Karenzdienstzeiten in der Verwaltungspraxis eingebürgert habe, weshalb eben seinerzeit auch beim Beschwerdeführer damit argumentiert worden sei. Für die Karenzurlaubszeiten, auf die sich die beiden angefochtenen Bescheide bezögen, sei dies keinesfalls mehr von erheblicher Bedeutung gewesen.

§ 75 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 (Abs. 3 in der Fassung der BDG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 447, = aF), lautet auszuweise:

"(1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen verfügen, dass die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht in vollem Umfang eintreten."

Die 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, regelt die Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte im § 75 a (Art. I Z. 20 der genannten Novelle) völlig neu. Dieses Bundesgesetzblatt ist am 30. Juni 1997 ausgegeben worden. Gemäß § 278 Abs. 25 Z. 7 BDG 1979 in der Fassung der 1. BDG-Novelle 1997 ist die Neuregelung des § 75 a am 1. Juli 1997 in Kraft getreten.

Beide angefochtenen Bescheide sind mit 7. Juli 1997 datiert und nehmen auf die mit der 1. BDG-Novelle 1997 erfolgte Neuregelung keinen Bezug.

Zunächst ist zu klären, welche Rechtslage im Beschwerdefall anzuwenden war. Da die Gewährung des 1. Karenzurlaubes im Beschwerdefall mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. September 1994 und die des 2. Karenzurlaubes mit Bescheid vom 10. Oktober 1996 erfolgte, ist die Übergangsbestimmung des § 241 a BDG 1979 in der Fassung der 1. BDG-Novelle 1997 im Beschwerdefall maßgebend, nach der auf Karenzurlaube, die gemäß § 75 BDG 1979 in der bis zum Ablauf des 30. Juni 1997 geltenden Fassung gewährt worden sind, § 75 in dieser Fassung weiter anzuwenden ist. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gegeben, sodass die belangte Behörde rechtlich zutreffend von der Anwendung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ausgegangen ist.

§ 75 Abs. 3 BDG 1979 aF sieht eine im freien Ermessen liegende Entscheidung der obersten Dienstbehörde vor, wobei - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178, mit ausführlicher Begründung dargelegt hat - der Gesetzgeber der Behörde Ermessen nur betreffend das Ausmaß der Nachsicht eingeräumt hat. Die Ermessensübung ist allerdings an zwei - in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende - Voraussetzungen geknüpft, nämlich

1. dass für die Gewährung des Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend (überwiegend) sind und

2. berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsichtsgewährung vorliegen (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 6. Juni 1990, Zl. 89/12/0183).

Fehlt auch nur eine dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen, ist die Nachsicht von den Rechtsfolgen nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 aF nicht zu gewähren. Anders gewendet: Nur wenn beide genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es überhaupt zu einer (rechtlich zulässigen) Ermessensübung kommen.

Ausgehend vom § 75 Abs. 1 BDG 1979, nach dem ein Karenzurlaub antragsbedürftig ist, zeigt sich bereits daraus, dass in der Regel auch ein gewisses persönliches Interesse des Karenzurlaubswerbers gegeben sein wird. Dieses persönliche Interesse darf aber nicht die wesentliche Voraussetzung für die Entscheidung der Dienstbehörde, nämlich für die Gewährung des Karenzurlaubes, sein.

Bei der Prüfung der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ist zunächst anhand des Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer Karenzurlaub gewährt wurde, zu prüfen, ob für dessen Genehmigung private Gründe des Beamten im Vordergrund standen. Wenn der diesbezügliche Bescheid keinerlei Feststellungen darüber enthält, welche Gründe hiefür maßgebend waren, ist auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des Karenzurlaubes sowie sonstige Unterlagen, die diesem Verfahren zugrunde lagen, zurückzugreifen (vgl. dazu auch beispielsweise das Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 94/12/0104).

Zur ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach (vgl. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1998, Zl. 98/12/0172, oder vom 24. März 1999, Zl. 97/12/0291) zum Ausdruck gebracht, dass die Formulierung "andere als private Interessen" nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass auf Grund dessen das Vorliegen eines dienstlichen Interesses verlangt wird bzw. diese Tatbestandsvoraussetzung mit "öffentlichem Interesse" gleichgesetzt werden darf (vgl. Erkenntnis vom 14. September 1994, Zl. 94/12/0004).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf weiters, wenn eine Behörde als Dienstbehörde im Einvernehmen mit anderen Behörden zu entscheiden hat, die Entscheidung nur der Dienstbehörde zugerechnet werden; die erforderliche Zustimmung einer anderen Stelle stellt lediglich ein Tatbestandserfordernis für die Entscheidung der Dienstbehörde dar (vgl. beispielsweise den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1970, Slg. N. F. Nr. 7849/A).

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Besoldungsgruppe "Allgemeine Verwaltung", Verwendungsgruppe B, karenziert und gleichzeitig befristet als Vertragslehrer L 1 an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen als Lehrer für den Bund tätig war. Weder den bisherigen Bescheiden über die Gewährung der Karenzurlaube noch den Bescheiden, mit denen im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 für den Beschwerdeführer positiv abgesprochen worden war, ist als Grund für die Gewährung des Karenzurlaubes der Erfahrungszugewinn für eine spätere Verwendung in einer pädagogischen Abteilung zu entnehmen. Diese Bescheide sind vielmehr begründungslos ergangen.

Aus den an das damals zustimmungsberechtigte BKA gerichteten jeweiligen Anträgen der belangten Behörde kann aber diesbezüglich folgendes Motiv der Behörde entnommen werden:

"Spätere Verwendung des Genannten in einer pädago. Abt. bzw. bestehende Engpässe bei Wirtschaftspädagogen."

Seitens des BKA wurde bei den im ersten Rechtsgang behandelten Anträgen - nur bezugnehmend auf den ersten Teil dieser Angabe - ein weiterer "Zugewinn" des Beschwerdeführers an Erfahrungen verneint und ausgeführt, dass die weitere Gewährung des Karenzurlaubes ausschließlich dem Beschwerdeführer zum Vorteil dienen würde. Es sei dem BKA nicht nachvollziehbar, dass durch die Gewährung längerer Karenzurlaube die Handlungsmöglichkeit des Dienstgebers hinsichtlich der "Personalgestion" für einen längeren Zeitraum so eingeschränkt werde. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem im ersten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/12/0059, ausgeführt hat, wurde seitens des BKA damit ersichtlicherweise nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer während des Karenzurlaubes als Vertragslehrer für den Bund eingesetzt war und seitens der belangten Behörde "Engpässe bei den Wirtschaftspädagogen" ebenfalls als Motiv für die Gewährung des Karenzurlaubes, wenn auch nur nachträglich, genannt worden waren.

An dieser Betrachtung hat sich im zweiten Rechtsgang nur insofern inhaltlich etwas geändert, als seitens des nunmehr zuständigen BMF die diesbezügliche Argumentation mit dem nicht mehr gegebenen "Erfahrungszugewinn" dahin gehend erweitert wird, dass es nicht im Interesse des Dienstgebers Bund gelegen sei, Personalengpässe durch ständige weitere Karenzierungen zu überbrücken. Es erscheine sohin nach Ansicht des BMF gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr vertretbar, einem Bundesbeamten der Verwendungsgruppe B immer wieder einen Karenzurlaub mit Berücksichtigung zu gewähren, um ihn wiederum beim Bund als Vertragslehrer L 1 zu verwenden, wenn jedem bekannt sei, dass eine erkleckliche Anzahl von Lehrern ohne Aussicht auf Beschäftigung vorhanden sei.

Diese im Hinblick auf das im ersten Rechtsgang erlassene Erkenntnis Zl. 95/12/0059 erweiterte beschäftigungspolitische Argument des BMF könnte allenfalls einen Mangel in der Vorgangsweise der belangten Behörde aufzeigen, dessen Relevanz für die angefochtene Entscheidung im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF aber nicht von vornherein feststeht. Im konkreten Fall ist diese Argumentation aber schon deshalb mangelhaft, weil weder vom BMF noch von der belangten Behörde dargelegt wurde, dass arbeitssuchende Junglehrer mit der entsprechenden Qualifikation zur Verfügung gestanden wären. Im Gegenteil ist aktenkundig, dass die belangte Behörde von einem "Engpass" ausgegangen ist und dies auch dem zustimmungsberechtigten BMF mitgeteilt hat. Der Verwaltungsgerichtshof kann vor dem Hintergrund der gegebenen Rechtslage weiters auch nicht die in diesem Zusammenhang vom BMF vertretene Auffassung teilen, dass der Vertretbarkeit von Karenzurlauben gegenüber der Öffentlichkeit entscheidende Bedeutung bei der im vorliegenden Beschwerdefall zu lösenden Frage zukommen sollte.

So wie bereits in dem im ersten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis Zl. 95/12/0059 ausgeführt, hätte die belangte Behörde im Verhältnis zum zustimmungsberechtigten BMF um eine Klärung der auf einem unrichtigen bzw. mangelhaften Sachverhalt aufbauenden Versagung der Zustimmung bemüht sein müssen. Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Vollanrechnung aber neuerlich nur an die Versagung der Zustimmung gebunden und keine entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren getroffen; durch die Übernahme der Ausführungen des BMF in die Begründung der angefochtenen Bescheide sind diese auch nicht entsprechend begründet.

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich daher neuerlich mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und waren gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, dass nach § 12 Abs. 2 Z. 1 GG 1956 bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages Zeiten in einem Dienstverhältnis zu einer anderen inländischen Gebietskörperschaft zur Gänze zu berücksichtigen sind, wobei die Art des Dienstverhältnisses (Vertragsverhältnis oder öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis) keine Rolle spielt. Sofern im Beschwerdefall nicht im Sinne der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF den Beschwerdeführer einseitig begünstigende Gründe für die Gewährung des Karenzurlaubes maßgebend waren bzw. im Verfahren noch hervorkommen, erscheint eine Vollanrechnung der strittigen Zeiten seiner Karenzurlaube, in denen der Beschwerdeführer für den Bund in einem anderen Wirkungsbereich tätig war, auch aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen geboten.

Wien, am 26. Mai 1999

Schlagworte

Einvernehmenserfordernis Zustimmungserfordernis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997120289.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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