TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/18 G314 2211112-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G314 2211112-1/2E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, mazedonischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2018, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids) beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am 24.10.2018 in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, er werde von einem in Österreich lebenden Kosovoalbaner, der ihm Geld schulde, und dessen Brüdern bedroht, weil er gegenüber der Polizei die Wahrheit, nämlich, dass dieser ihm einen gefälschten slowenischen Ausweis besorgt hätte, gesagt habe.

Nach der Erstbefragung und einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde mit dem oben angeführten Bescheid der Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), die Zulässigkeit der Abschiebung (ohne Festlegung eines konkreten Zielstaates) festgestellt (Spruchpunkt V.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII.) und die Unterkunftnahme in einem konkret bezeichneten Quartier angeordnet (Spruchpunkt VIII.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass der BF aus Mazedonien (und damit aus einem sicheren Herkunftsstaat) stamme. Im angefochtenen Bescheid wird dazu weiter ausgeführt:

"Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

Eine weitere Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte nicht.

In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids richtet und der ein auf Mazedonisch verfasstes Schreiben des BF zu seinen Fluchtgründen (ohne Übersetzung in die deutsche Sprache) angeschlossen ist, beantragt er die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, ohne dies konkret zu begründen.

Das BFA legte dem BVwG die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo sie am 13.12.2018 (und am folgenden Tag in der zuständigen Gerichtsabteilung) einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).

Zu Spruchteil B):

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil der BF aus Mazedonien, einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 4 HStV, stammt.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG ist nicht zwingend, sondern setzt eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraus. Dabei ist das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen gegenüberzustellen (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).

Eine pauschale Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei allen Asylwerbern, die aus sicheren Herkunftsstaaten stammen, ist nicht zulässig. Die Aberkennung bedarf vielmehr - auch angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere der Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen vor Rechtskraft der Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung, zumal die Zulässigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in solchen Fällen gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gnandi vs. Belgien (C-181/16 vom 19.06.2018) generell in Zweifel gezogen wird (vgl z.B. das Teilerkenntnis des BVwG in der Rechtssache W237 2201985-1 ua).

Das BFA begründete die im Rahmen der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vorzunehmende Interessenabwägung hier nicht, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen und ohne auf die konkreten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich einzugehen. Durch die Einschätzung, seinem Antrag auf internationalen Schutz sei keine Aussicht auf Erfolg beschieden, wird überdies das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens in unzulässiger Weise vorweggenommen.

Mangels einer nachvollziehbaren Interessenabwägung im Zusammenhang mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids rechtswidrig und daher ersatzlos aufzuheben.

Dazu kommt, dass die Beschwerde großteils nicht in deutscher Sprache verfasst wurde. Da ihr Inhalt daher noch nicht vollständig bekannt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Angaben des BF darin als vertretbare Behauptungen zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der nach § 18 Abs 5 BFA-VG relevanten Bestimmungen der EMRK reichen und zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der in diesem Teilerkenntnis behandelte Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids aufzuheben ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Einzelfallprüfung,
Interessenabwägung, Zulässigkeitsvoraussetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2211112.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten