Entscheidungsdatum
20.12.2018Norm
BBG §40Spruch
W207 2207353-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.08.2018, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte am 11.06.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf die Beschwerdeführerin zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 20.07.2018 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.07.2018 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:
"...
Anamnese:
Hallux valgus Eingriff 1991; Hysterektomie, Eileiterentfernung; Schilddrüseneingriff; 6/2018 Hüftendoprothese rechts W. Spital.
Derzeitige Beschwerden:
"Der ganze Bewegungsapparat ist kaputt. Alle Wirbel, alle Gelenke. Eine Rehabilitation ist in T. geplant."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Thyrex, Urgenin, noch Xarelto; Novalgin, Parkemed oder Seractil abwechselnd. Augen gtt.
Sozialanamnese:
geschieden, zwei Kinder; Pension.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
MRT DZ H. 3/2018: Geringe, multisegmentale Osteochondrosen und Facettengelenksarthrosen der gesamten BWS.
Im Segment TH11/12 kleinvolumige, linksmediolaterale bis foraminare
Bandscheibenextrusion (Prolaps)
mit geringer Neuroforamenstenose links.
Im Segment TH10/11 mittelvolumige, mediane Bandscheibenextrusion mit maliger Vertebrostenose.
Im Segment TH9/10, kleinvolumige, linksparamediane Bandscheibenextrusion mit geringer Vertebrostenose. In den Segment TH1/2 bzw. TH6 - TH9 geringe bzw. minimale Bandscheibenprotrusionen
mit Taillierungen des Spinaikanals. Kein Nachweis einer hohergradigen Vertebro- oder Neuroforamenstenose.
Röntgen beide Schultergelenke F. 3/2018. Omarthrose beidseits, AC-Gelenksarthrose beidseits
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 167,00 cm Gewicht: 63,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput unauffällig, Collum o.B., HWS in R 45-0-45, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 16 cm. BWS-drehung 25-0-25, normale Lendenlordose, Schober, FKBA und Seitneigung bei Zustand nach Hüftprothese nicht prüfbar. Kein Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig.
Beide Schultern in S 40-0-160, F 160-0-45, R bei F 90 70-0-70, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 50-0-60, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenk links in S 0-0-100, F 35-0-30, R 25-0-10, Kniegelenke beidseits 0-0-130, rechte Hüfte frisch nach Operation nicht geprüft. Sprunggelenke rechts 10-0-40 zu links 15-0-45.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gang in Straßenschuhen noch mit zwei Stützkrücken (postoperativ) rechtshinkend. Zehenspitzenstand und Fersenstand links möglich.
Status Psychicus:
Normale Vigilanz, adäquate Fragenbeantwortung.
Ausgeglichene Stimmungslage.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
degenerative Wirbelsäulenveränderungen, multisegmentale Osteochondrosen unterer Rahmensatz, da ungestörte periphere Sensomotorik.
02.01.02
30
2
Zustand nach Hüftendoprothese rechts fixer Rahmensatz, Wahl der Position, da noch Einschränkung postoperativ.
02.05.09
30
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zustand nach Schilddrüseneingriff
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine wesentliche Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein-und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Die derzeit noch bestehende Mobilitätseinschränkung ist dem kurzzurückliegenden Eingriff geschuldet, ebenso das Verwenden von zwei Stützkrücken; bei normaltypischem Verlauf ist kein relevantes dauerhaftes Mobilitätsdefizit zu erwarten.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Begründung:
Hüftendoprothese rechts
..."
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.07.2018 wurde die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, das eingeholte Gutachten vom 20.07.2018 wurde der Beschwerdeführerin mit diesem Schreiben übermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Die Beschwerdeführerin brachte innerhalb der ihr gewährten Frist keine Stellungnahme ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.08.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 11.06.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Es wurde weiters angemerkt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29 b der Straßenverkehrsordnung nicht abgesprochen worden sei, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 04.10.2018 fristgerecht eine handschriftliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der sie ausführt, dass sie immer noch Schmerzen nach ihrer Hüft-OP habe, auch ihr Bewegungsapparat sei davon betroffen. Sie werde am 18.10.2018 auf Rehab fahren, sie werde die diesbezüglichen Befunde nachreichen.
Der Beschwerde wurden keine Befunde beigelegt, bis zum heutigen Tag wurden von der Beschwerdeführerin auch keine Befunde nachgereicht.
Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.10.2018 von der belangten Behörde vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin brachte am 11.06.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, multisegmentale Osteochondrosen; ungestörte periphere Sensomotorik.
2. Zustand nach Hüftendoprothese rechts; noch postoperativ eingeschränkt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß und der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen, von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 20.07.2018 der Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellung, dass bei der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von 40 v.H. vorliegt, gründet sich auf das oben wiedergegebene, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen basierende medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 20.07.2018.
Im orthopädischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und nachvollziehbar eingegangen. Die diesbezüglich getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage der Einschätzungsverordnung, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden und unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 20.07.2018 schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Es wurde auch nachvollziehbar dargelegt, dass das Leiden 1 ("Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, multisegmentale Osteochondrosen") durch das Leiden 2 ("Zustand nach Hüftendoprothese rechts") wegen wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wird. Somit gelangte der Gutachter zu dem Schluss, dass bei der Beschwerdeführerin derzeit ein Grad der Behinderung von 40 v.H. vorliegt.
Die in der Beschwerde vorgebrachten unkonkreten Schmerzempfindungen ("Ich habe noch Schmerzen nach meiner Hüft-OP und auch mein Bewegungsapparat ist betroffen.") wurden im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung im Zuge der persönlichen Begutachtung der Beschwerdeführerin durch Untersuchung der Beweglichkeit des Bewegungsapparates und bei der Gutachtenserstellung im Rahmen der vorzunehmenden Einstufungen berücksichtigt. Aus den oben wiedergegebenen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen ist jedenfalls ersichtlich, dass bei der Beschwerdeführerin zwar - wie auch die vorgenommenen Einstufungen zeigen - unzweifelhaft nicht unerhebliche Funktionseinschränkungen vorliegen, dass jedoch ein von der Beschwerdeführerin subjektiv empfundenes Ausmaß an Schmerzen (auch am Bewegungsapparat) wie von ihr in der Beschwerde behauptet, nicht objektiviert werden konnte.
Wie der medizinische Sachverständige in Bezug auf die Leidensposition 2 ("Zustand nach Hüftendoprothese rechts, fixer Rahmensatz, Wahl dieser Position, da noch Einschränkung postoperativ") zudem weiters begründend ausgeführt hat, ist die zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung noch bestehende Mobilitätseinschränkung der rechten Hüfte dem kurz zurückliegenden Eingriff geschuldet, ebenso das Verwenden von zwei Stützkrücken; bei normaltypischem Verlauf ist kein relevantes dauerhaftes Mobilitätsdefizit zu erwarten. Weder in der Beschwerde noch in einer allfälligen Beschwerdeergänzung wird nun vorgebracht, dass bei der Beschwerdeführerin in weiterer Folge kein normaltypischer Verlauf in Bezug auf den Heilungsprozess nach Verabreichung der Hüftendoprothese erfolgt wäre und vielmehr im Gegenteil eine Verschlechterung des ehemaligen Hüftleidens trotz der erfolgten operativen Maßnahme eingetreten wäre bzw. dass die in der Beschwerde erwähnte Rehabilitation völlig erfolglos verlaufen wäre und im Gegenteil zu einer Verschlechterung des Leidenszustandes geführt hätte, und ist Solches auch von Amts wegen nicht anzunehmen, da gerade die Implantation einer Hüftendoprothese bei normaltypischem Verlauf zu einer maßgeblichen Verbesserung der Funktionseinschränkung führen sollte, was im Übrigen die Verringerung des Grades der Behinderung nicht ausgeschlossen erscheinen lässt. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vom 04.10.2018 angekündigte Nachreichung von Befunden über die Rehabilitation nicht erfolgte.
Die Beschwerdeführerin ist den schlüssigen Ausführungen des Gutachters nicht substantiiert entgegengetreten, es wurden im Verfahren keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich etwas Gegenteiliges ergeben würde.
Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder die diesen entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 20.07.2018. Dieses im Verfahren eingeholte Gutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das im Rahmen des Verfahrens eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 20.07.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v.H. beträgt.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2207353.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.03.2019