TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/10 G309 2186745-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.01.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2186745-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Mag. Jasmine RINGEL, Rechtsanwältin in 8045 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 24.01.2018, OB: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 16.11.2017 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in seinen mit 13.04.1992 mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v. H. ausgestellten Behindertenpass ein. Dem Antrag waren Kopien des im Jahr 1997 ausgestellten Parkausweises des BF sowie medizinische Beweismittel angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 22.01.2018, wird nach persönlicher Untersuchung des BF hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Der BF leide unter einer seropositiven rheumatoiden Arthritis mit erheblichen Funktionseinschränkungen ohne Entzündungsaktivität. Eine kurze Wegstrecke könne frei, sicher und ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Niveauunterschiede könnten selbstständig und sicher bei freier Beweglichkeit in den Beingelenken überwunden werden. Das Gleichgewicht sei nicht gestört. Es würden keine höhergradigen körperlichen Beeinträchtigungen oder psychischen Beeinträchtigungen vorliegen.

Hinsichtlich der Mobilität des BF wird folgendes ausgeführt:

"Eine kurze Wegstrecke kann frei, sicher und ohne Unterbrechung in orthopädischen Schuhen bei mäßiger Behinderung im Bewegungsablauf wegen Schmerzen zurückgelegt werden. Die Beweglichkeit in den Gelenken an den unteren Extremitäten sind lediglich im rechten Kniegelenk, in den Sprunggelenken u. Zehen beidseitig gering eingeschränkt und wird das Gehen durch Tragen von orthopädischen Schuhen unterstützt. Niveauunterschiede können selbstständig und sicher bei freier Beweglichkeit in den Beingelenken überwunden werden. Das Gleichgewicht ist nicht gestört. Es bestehen keine höhergradigen körperlichen Beeinträchtigungen oder psychischen Beeinträchtigungen. Eine Benützung von ÖV ist somit zumutbar"

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.01.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt.

4. Mit Schreiben 14.02.2018 (Datum: Poststempel) erhob der BF seitens seiner rechtsfreundlichen Vertretung binnen offener Frist Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde. Der BF brachte darin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass seine Mobilitätseinschränkung unzureichend eingeschätzt worden sei. Er habe umfassend dargelegt, inwiefern er in seinem Alltag von seiner Gesundheitsschädigung beeinträchtigt werde. Er habe bislang immer einen Parkausweis gehabt, da zweifelsfrei eine dauerhafte und erhebliche Gesundheitsschädigung vorliege. Bereits im Jahr 2008 sei im Rahmen des Pensionsversicherungsverfahrens festgehalten worden, dass er eine Strecke über 500 m nicht bewältigen könne. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes sei auszuschließen. Der BF habe sich immer wieder Operationen unterziehen müssen und habe im Jahr 2017 einen Bruch an der Hüfte erlitten. Es sei dem BF nicht möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel sicher zu benützen. Das Ermittlungsverfahren sei daher mangelhaft. Das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid des Sozialministeriumservice aufheben, eine ergänzende ärztliche Stellungnahme einholen, den BF ergänzend zu seiner alltäglichen Beeinträchtigung und Belastbarkeit befragen sowie eine neuerliche Entscheidung treffen.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 21.02.2018 vorgelegt.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens des BF wurde dem Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, hinzugezogen und mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt.

Im Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen XXXX vom 23.05.2018 werden nach persönlicher Untersuchung des BF im Wesentlichen folgende Diagnosen festgehalten:

"Seropositive rheumatoide Arthritis mit Funktionseinschränkungen mehrerer Groß- und Kleingelenke

höhergradige degenerative Entartung am rechten Kniegelenk nach Synovektomie

Belastungsschmerzen am linken Sprunggelenk ebenso nach Synovektomie

Altersentprechende Aufbrauchs- und Abnützungserscheinungen des Achsenskelettes ohne Hinweis auf Segementale Nervelwurzelirritation oder Kompression"

Hinsichtlich der Mobilitätseinschränkungen des BF wurde folgendes ausgeführt:

"Unter Berücksichtigung der Befunde und dem Vorgutachten ist unter Benützung von orthopädischem Schuhwerk eine ausreichende Wegstrecke, wenn auch langsam, als zumutbar und überwindbar dokumentiert. Ebenso können das Überwinden von Niveauunterschieden und der sichere Transport bei ausreichender Fähigkeit zu stehen und sich anzuhalten zugemutet werden.

Bei dem Beschwerdeführer liegen

-keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor

-keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor

-keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder schwerer anhaltende Erkrankungen des Immunsystems vor

-keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor

Einschätzung gilt ab Antragstellung laut Aktenlage."

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 13.06.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an einer seropositiven rheumatoide Arthritis mit Funktionseinschränkungen mehrerer Groß- und Kleingelenke, an einer höhergradigen degenerativen Entartung am rechten Kniegelenk nach Synovektomie, an Belastungsschmerzen am linken Sprunggelenk ebenso nach Synovektomie sowie an altersentprechenden Aufbrauchs- und Abnützungserscheinungen des Achsenskelettes ohne Hinweis auf segmentale Nervenwurzelirritation oder Kompression.

Obschon der BF in seiner Mobilität eingeschränkt ist, konnte eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten bzw. eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung oder eine sonstige erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, nicht festgestellt werden.

Unter Verwendung von orthopädischen Behelfsmitteln kann der BF eine kurze Wegstrecke selbstständig zurücklegen und Niveauunterschiede überwinden. Das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter den üblichen Bedingungen sind ihm sicher möglich.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.05.2018, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch und erfüllt die Voraussetzungen der Vollständigkeit und Schlüssigkeit. Es kommt im Hinblick auf das seitens der belangten Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten im Wesentlichen zu übereinstimmenden Ergebnissen.

Es wurde dabei auf die Art und das Ausmaß der Leiden des BF eingegangen und zu deren Bedeutung für die vom BF beantragten Zusatzeintragungen ausführlich Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das von XXXX erstattete Sachverständigengutachten wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur - also medizinisches Fachwissen - gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das

36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, Zl. 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, Zl. 0705/77).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Nach § 29b Abs. 6 StVO verlieren Ausweise, die vor dem 01.01.2001 ausgestellt worden sind, ihre Gültigkeit mit 31.12.2015. Ausweise, die nach dem 01.01.2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Der BF leidet an einer seropositiven rheumatoide Arthritis mit Funktionseinschränkungen mehrerer Groß- und Kleingelenke, an einer höhergradigen degenerativen Entartung am rechten Kniegelenk nach Synovektomie, an Belastungsschmerzen am linken Sprunggelenk ebenso nach Synovektomie sowie an altersentprechenden Aufbrauchs- und Abnützungserscheinungen des Achsenskelettes ohne Hinweis auf segmentale Nervenwurzelirritation oder Kompression.

Diese Leiden bewirken nachvollziehbar eine Einschränkung der Mobilität. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, konnten jedoch nicht festgestellt werden. Es konnten auch keine Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß oder eine schwere, anhaltende Erkrankung des Immunsystems festgestellt werden. Dem BF ist das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus medizinischer Sicht möglich und zumutbar.

Im Übrigen ist anzumerken, dass es im vorliegenden Verfahren entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen ankommt, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa auf örtliche Gegebenheiten am Wohnort des BF (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G309.2186745.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten