TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/18 W139 2160588-1

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Veröffentlicht am 18.01.2019
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Entscheidungsdatum

18.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W139 2160588-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 04.08.2015 gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Vater und seinen Geschwistern einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.), welche unterdessen bis zum XXXX verlängert wurde.

3. Die belangte Behörde ordnete beim Beschwerdeführer keine Durchführung einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose an.

4. Der Beschwerdeführer erhob - fristgerecht - Beschwerde gegen den genannten Bescheid und beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.

5. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 14.01.2019 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

6. Am 16.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung unentschuldigt fern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist der Sohn von XXXX und XXXX, welche ebenfalls afghanische Staatsangehörige sind. Der Beschwerdeführer ist ledig. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX, alias XXXX in Afghanistan geboren und stellte am 04.08.2015 gemeinsam mit seinen Eltern einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Mutter des Beschwerdeführers der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Beschwerdeführers, den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den Verfahrensakten der Eltern des Beschwerdeführers. Wenngleich im Laufe des Verfahrens vor der belangten Behörde unterschiedliche Angaben zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers getätigt wurden, so hat die belangte Behörde dennoch die Durchführung einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose nicht angeordnet und in ihrer Entscheidung das Geburtsdatum des Beschwerdeführers ausgehend von den im Zuge der Erstbefragung getätigten Angaben mit XXXX und damit die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung angenommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinterließ der Beschwerdeführer einen glaubwürdigen Eindruck und konnte plausibel darlegen, dass er bei der Einvernahme vor der belangten Behörde den Geburtsmonat, nicht das Geburtsjahr richtigstellen habe wollen. Er sei im Jahr XXXX geboren. Er habe aber bei Tag und Monat seines Geburtsdatums irrtümlich den XXXX angegeben, dabei jedoch den 2. Monat des persischen Kalenders gemeint. Tatsächlich sei er aber am XXXX nach dem persischen Kalender geboren. Dies ist somit der XXXX nach dem gregorianischen Kalender. Das Vorliegen der Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung stellt sich somit - auch - für das Bundesverwaltungsgericht nicht als zweifelhaft dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

2.1. Zu A):

Gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig und ledig war, ist er als Familienangehöriger im Sinne des AsylG 2005 zu betrachten. Dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig volljährig geworden ist, ist insofern unerheblich (ua VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 ua).

Gemäß § 34 Abs 2 iVm Abs 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden. Gegen die Mutter des Beschwerdeführers ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Da der Beschwerdeführer, wie dies selbst die belangte Behörde festgestellt hat, im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig war, ist diesem entgegen der Entscheidung der belangten Behörde nach § 34 Abs 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (siehe VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004; 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 ua; vgl dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 04.08.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere § 2 Abs 1 Z 15 und § 3 Abs 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

2.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zur Anwendung des § 34 AsylG 2005 siehe die oben zitierte Judikatur des VwGH sowie ua VwGH 26.06.2007, 2007/20/0281; 09.04.2008, 2008/19/0205; 25.11.2009, 2007/01/1153; 24.03.2011, 2008/23/1338; 06.09.2012, 2010/18/0398.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, asylrechtlich relevante
Verfolgung, Schutzunfähigkeit, Schutzunwilligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2160588.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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