Entscheidungsdatum
22.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G304 2194246-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.09.2018, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des oben im Spruch angeführten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) wurde des Antrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen und ihm den Status des Asyl-, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung zu beheben und ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen.
3. Am 03.05.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.
4. Am 27.09.2018 wurde vor dem erkennenden BVwG eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge deren der rechtlich vertretene BF im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache einvernommen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der im Spruch genannte BF ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Er stammt aus Bagdad.
Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimisch-schiitischen Glauben. Seine Muttersprache ist arabisch.
1.2. Der BF ist am 18.06.2015 aus dem Irak legal ausgereist und zunächst in die Türkei geflogen und von dort schlepperunterstützt nach Österreich gelangt, woraufhin er am 07.09.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.3. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, in seinem Herkunftsstaat hingegen noch seine Geschwister (sechs Brüder und drei Schwestern). Der BF hat noch regelmäßig zu seinen jüngeren Geschwistern über Internet aufrechten Kontakt, mit seinen älteren gab es familiäre Probleme. Alle seine Brüder gehen in Bagdad einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Vor seiner Ausreise lebte der BF mit seiner 2014 verstorbenen Mutter und zwei jüngeren Brüdern in einem Haus zusammen. Diese beiden Brüder des BF leben noch immer dort. Einer der beiden arbeitet als Fahrer bei einem Ministerium in Bagdad. Einer der älteren Brüder des BF ist selbstständig in einem Geschäft tätig. Der BF hat in Bagdad zudem zwei Schwestern, wobei eine bei der Stadt angestellt und die andere Hausfrau ist. Die dritte Schwester des BF lebt in Schweden.
1.4. Der BF hat in seinem Herkunftsstaat die Schule besucht und war danach als Installateur tätig, bevor er seinen Militärdienst abgeleistet hat. Danach war er bis 2003 als Schweißer und Tischler tätig. Vor seiner Ausreise war der BF im Polizeidienst und wurde dabei auch zu Kampfhandlungen herangezogen.
1.5. Festgestellt wird, dass der BF vor seiner Ausreise einer zu Militärgewalt befugten Polizeieinheit angehörte, zusammen mit schiitischen Milizangehörigen an verschiedenen Orten zum Einsatz kam, am 14.06.2015 einem Befehl zu Kampfhandlungen in einem bestimmten Dorf nicht Folge geleistet hat und daraufhin zusammen mit seiner ca. 25-30 Mann großen Gruppe vom Befehlshaber nach dem Grund ihrer Befehlsverweigerung befragt wurde, wobei ihnen gesagt wurde, jeder, der nicht kämpfe, stehe auf der Seite des IS. Der BF wurde zusammen mit den anderen Gruppenmitgliedern nur befragt, nicht jedoch festgenommen oder konkret bedroht. Dem BF ist auch nicht bekannt, dass irgendjemand aus seiner Gruppe getötet worden wäre.
Der BF ersuchte daraufhin einen Freund in Bagdad um Verlegung an eine andere Dienststelle. Dieser hat ihm geraten, zu ihm nach Bagdad zu kommen, was der BF auch gemacht hat. In Bagdad ist der BF zunächst bei seinem Freund und dann an einem von diesem organisierten Schlafplatz untergekommen, bevor er am 18.06.2018 mit einem von seinem Bruder organisierten Flugticket legal aus dem Irak ausreisen konnte.
1.6. Keiner der Geschwister des BF hatte nach Ausreise des BF Probleme mit den irakischen Behörden. Der BF konnte keine aktuell bestehenden polizeilichen Fahndungsmaßnahmen und auch keinen gegen ihn bestehenden Haftbefehl wegen Desertion nachweisen.
Dennoch kann eine dem BF nach Rückkehr in den Irak wegen Desertion drohende Haftstrafe nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
1.7. Der BF war im Bundesgebiet nachweislich in den Jahren von 2015 bis 2017 gemeinnützig tätig und hat während dieser Zeit auch einige Sozialkontakte schließen können. Er hat im Zeitraum von 2015 bis 2017 zudem an freiwillig organisierten Deutschkursen des Roten Kreuzes teilgenommen und Anfang des Jahres 2017 an der Volkshochschule einen A1-Deutschkurs für Asylwerber besucht.
2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
2.1. Sicherheitslage in Bagdad:
Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache Staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonel. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wideraufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den "Popular Mobilization Forces" (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006 -2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).
2.2. Gewaltmonopol des Staates
Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnnitische Stammtesmilizen sowie der IS] handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017).
2.3. Sicherheitskräfte in der Provinz Bagdad:
2.3.1. Irakische Sicherheitskräfte (ISF):
Die ISF werden in Bagdad vom "Bagdad Operations Command" (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernment agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. Und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizeieinheiten, inclusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig. (MRG 10.2017).
Die irakische Armee verfügt nicht über ausreichende Fähigkeiten oer Ausrüstung, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Die Schmach des weitgehend kampflosen Rückzugs gegenüber den IS-Kräften bei deren Vormarsch 2014 sitzt jedoch tief und führte in der Zwischenzeit in Teilen der Truppe zu einer hohen Motivation bei der Rückeroberung besetzter Gebiete. (Zehntausende irakische Soldaten verließen im Juni 2014 ihre Posten und flüchteten; viele aus Angst vor dem IS, viele meinten, sie hätten den Befehl dazu bekommen - Global Security o..D). Die Professionalisierung der Armee und vor allem der Bundes- und lokalen Polizei wir dim Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition mit Hilfe internationaler Militär- und Polizeiausbildung unterstützt (AA 7.2.2017). Bei militärischen Einsätzen spielt auch die Polizei eine wichtige Rolle. Die Bundespolizei ist diesbezüglich einer der Hauptakteure, die locale Polizei - sofern noch vorhanden - nimmt ebenfalls an den Operationen teil (IISS 15.5.2017).
2.3.2. Popular Mobilization Forces (PMF, schiitische Milizen):
Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. ...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des "Bagdad Belt", besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernemen Salah al-Din grenzen, inclusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie in Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Aufgrund dessen werden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt.
Im Folgenden werden einige Beispiele der wichtigsten PMF-Milizen aufgezählt, die in Bagdad operieren: Badr-Organisationen, Asaib Ahl al-Haq, Saraya al-Salam, Saraya al-Khorasani, Kataib Hizbullah (MRG 10.2017)
Quellen:
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MRG - Minority Rights Group - Ceasefire Center for Civilian Rights (10.2017): Security Situation and sectarian tensions in the city of Baghdad, per E-Mail am 12.9.2017
-
Global Securuity (o.D.): Iraqi Army (IA) - June 2014 Collapse, http:/www.globalsecurity.org/military/world/Iraq/nia-collapse.htm, Zugriff 10.8.2017
-
IISS - Iraqi Institute for Strategic Studies (15.5.2017): Per E-Mail
2.4. Rechtsschutz/Justizwesen
Berichten zufolge sind im Rahmen der Strafgerichtsbarkeit weiterhin regelmäßige Verstöße gegen das Recht der Angeklagten auf eine faires Verfahren zu beobachten (UNHCR 14.11.2016). Dies galt insbesondere für Angeklagte, denen terroristische Straftaten zur Last gelegt wurden (AI 22.2.2017).
Quellen:
-
UNHCR-US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq,
http://www.ecoi.net/local_link/337187/479950_de.html, Zugriff 6.8.2017
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the Worls Human Rights - Iraq, http://www.ecoi.net/local_link/336503/4791164_de.html, Zugriff 6.8.2017
2.5. Folter und unmenschliche Behandlung
Folter und unmenschliche Behandlung warden von der irakischen Verfassung in Art. 37 ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die VN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren eingesetzt. (AA 7.2.2017) Das Innenministerium gab keine Zahlen bekannt, wie viel Beamte (wegen Misshandlungsvorwürfen) während des Jahres 2016 bestraft wurden, und es gab diesbezüglich keine bekannt gewordenen Verurteilungen. Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen geben an, dass Regierungskräfte und schiitische Milizen Gefangene misshandelten, insbesondere sunnitische Gefangene (USDOS 3.3.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq,
http://www.ecoi.net/local_link/337187/479950_de.html, Zugriff 6.8.2017
2.6. Behandlung nach Rückkehr
Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 7.2.2017).
Quelle:
- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:
2.2.1. Die im Spruch angeführte Alias-Identität beruht auf seinen Angaben in der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde und seinem vor dem BFA vorgelegten, polizeilich als Originaldokument festgestellten, im März 2015 ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweis, und wird im gegenständlichen Fall als Verfahrensidentität geführt.
Dass der BF schiitischer Moslem ist hat bereits die belangte Behörde festgestellt, dann in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides jedoch auf Sunniten Bezug genommen und keine der sunnitischen Bevölkerungsgruppe drohende Gruppenverfolgung im Irak angeführt. Dies basiert auf einem Irrtum, brachte der BF doch im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2017 selbst vor, schiitischer Moslem zu sein (Niederschrift über die behördliche Einvernahme, S. 7), woraufhin die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zunächst auch selbst die Zugehörigkeit des BF zur schiitischen Religion festgestellt hat.
2.2.2. Die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben bei seiner Einvernahme vor dem BFA (Niederschrift über die behördliche Einvernahme, S. 4) und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (Niederschrift der mündlichen VH, S. 4 und 8).
2.2.3. Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des BF in seinem Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben im Verfahren (Niederschrift über die behördliche Einvernahme, S. 6, Niederschrift der mündlichen VH, S. 5). Die Feststellungen zur Berufstätigkeit seiner Geschwister in Bagdad beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem BFA (Niederschrift über die behördliche Einvernahme, S. 4).
2.2.4. Dass der BF in den Jahren 2015 bis 2017 im Bundesgebiet gemeinnützig tätig war und Deutschkurse A1 besucht hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen dem Verwaltungsakt einliegenden dies bescheinigenden Unterlagen.
2.2.5. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergab sich aus einer Einsichtnahme in das österreichische Strafregister.
2.3. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF brachte vor dem BFA im Wesentlichen zusammengefasst vor, vor seiner Ausreise im Polizeidienst als Polizei-Wächter tätig gewesen und im Rahmen seiner Polizeieinheit an verschiedenen Orten auch zu Kampfhandlungen zusammen mit schiitischen Milizangehörigen herangezogen worden zu sein. Am 14.06.2015 habe er einen Kampfbefehl verweigert, woraufhin er nach dem Grund der Befehlsverweigerung befragt und ihm und anderen seiner Gruppe IS-Anhängerschaft vorgeworfen worden sei. Daraufhin habe der BF seine Dienststelle verlassen. Bei einer Rückkehr drohe ihm eine Haftstrafe wegen Desertion.
Die Tätigkeit des BF im Polizeidienst beruht auf seinen glaubhaften einheitlichen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Der BF legte vor dem BFA zum Beweis dafür ein Foto von ihm in Polizeiuniform und die Kopie der Bestätigung eines Auftrages zur Polizeiwache vor.
Vor dem BFA gab der BF an, er habe an verschiedenen Einsatzorten als Polizei-Wächter arbeiten müssen. Einmal im Juni 2015 habe er mit seiner Polizeieinheit an einen bestimmten Ort fahren müssen, um diesen zu schützen. Dort habe es zu wenig Militärangehörige gegeben, weshalb Unterstützung durch schiitische Milizen nötig gewesen sei. Der BF sei da nicht nur der Befehlsgewalt der Militäroffiziere, sondern auch der Befehlsgewalt der Führer der schiitischen Milizen unterlegen. Am 14.06.2015 sei er zusammen mit seiner Gruppe zu einem Dorf mitgenommen und zu Kampfhandlungen aufgefordert worden. (Niederschrift über behördliche Einvernahme, S. 8).
Diesen Befehl habe er jedoch verweigert.
Vor dem BFA gab er an: "(...) Ich und ein Teil meiner Gruppe wurde dann befragt, warum wir nicht an den Kämpfen in dem Dorf teilnahmen. Wer nicht teilnahm wurde als IS bezeichnet. (...)." (Niederschrift über behördliche Einvernahme, S. 9). Auch in der mündlichen Verhandlung bekräftigte der BF, dass ihm vorgeworfen worden sei, dem IS anzugehören. (Niederschrift der mündlichen VH, S. 5)
Der BF gab vor dem BFA an, nach diesem Vorfall einen Freund gebeten zu haben, ihn woanders hinzuverlegen. Dieser habe ihm zur Rückkehr nach Bagdad geraten, woraufhin der BF zu ihm nach Bagdad gekommen und daraufhin mit einem von seinem Bruder organisierten Flugticket legal aus dem Irak ausgereist sei.
Der BF berichtete davon, seine gesamte Gruppe von ca. 30 Polizisten habe einen Kampfbefehl der schiitischen Milizangehörigen verweigert und sei dann nach dem Grund dafür befragt worden, wobei ihnen gesagt worden sei, jeder, der nicht kämpfe, stehe auf der Seite des IS. Von einer dem BF deswegen drohenden Sanktion war nicht die Rede, der BF gab vielmehr an, er habe danach in seiner Polizeiuniform "leicht flüchten" können. (Niederschrift über behördliche Einvernahme, S. 9, 10).
Dass der BF problemlos die Sicherheitskontrolle am Flughafen passieren und legal ausreisen konnte, spricht dafür, dass zum Zeitpunkt der Ausreise des BF kein Interesse der irakischen Sicherheitskräfte oder einzelner Milizangehöriger an der Person des BF bestand.
Der BF verneinte vor dem BFA ausdrücklich sowohl eine konkrete persönliche Bedrohung als auch Probleme nach Verlassen seiner Dienststelle und des Landes. Befragt danach, wie es seinen im Irak verbliebenen Geschwistern gehe, gab er an: "Gut, Gott sei Dank."
Eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung seiner im Irak verbliebenen Geschwister verneinte er (Niederschrift über die behördliche Einvernahme, S. 11).
Damit bestätigte der BF kein tatsächliches Interesse irakischer Sicherheitskräfte und einzelner schiitischer Milizangehörige an seiner Person.
Der BF sprach in der mündlichen Verhandlung zudem davon, dass ihm nicht bekannt sei, dass irgendjemand aus seiner Gruppe getötet worden wäre (Niederschrift der mündlichen VH, S. 6).
Er brachte vor, sich vor den schiitischen Milizangehörigen zu fürchten, und gab nach Vorhalt, dass er - nach Befehlsverweigerung - doch nur befragt, jedoch nicht mit Ermordung bedroht worden sei, an:
"Beim ersten Mal ist nichts passiert, aber beim zweiten Mal wahrscheinlich schon. Es hat 2018 Fälle gegeben, bei denen etwas passiert ist."
Daraufhin wurde dem BF vorgehalten, dass er wegen seiner Desertion ja nicht in den Dienst zurückkehren müsse und es keine Anzeichen dafür gebe, dass der BF bei einer Rückkehr getötet werde.
Daraufhin gab der BF an: "Nein. Ich weiß nicht, wie lange ich bei meiner Rückkehr ins Gefängnis muss. Mein Name steht auf der Liste und diese liegt sicher auch am Flughafen auf. Ich habe Angst vor dem Tod."
Befragt, wer den BF bedrohe, gab er an: "Ich habe Angst vor einem unfairen Gerichtsverfahren." (Niederschrift der mündlichen VH, S. 7).
Seine angeführte Angst vor schiitischen Milizangehörigen ist mit der von ihm angeführten Furcht vor einem unfairen Gerichtsverfahren bzw. einer unverhältnismäßigen Haftstrafe in Zusammenhang mit seiner Desertion nicht vereinbar, kann er doch wegen Fernbleibens von seiner Dienststelle nicht mehr deren Befehlsgewalt unterliegen.
Eine Bedrohung durch schiitische Milizangehörige konnte der BF jedenfalls nicht glaubhaft machen.
Der BF konnte im Laufe des Verfahrens zudem keinen Nachweis für eine strafrechtliche Verfolgung wegen Desertion erbringen.
Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2017 wurde zwar die Kopie der Bestätigung eines Polizeiwacheauftrages, nicht jedoch auch ein Nachweis für eine strafrechtliche Verfolgung des BF bzw. die Kopie eines Haftbefehls wegen Desertion vorgelegt. Seine Schwester war den Angaben des BF vor dem BFA zufolge im Jahr 2016 im Irak und hat die vorgelegten Dokumente, darunter auch den Polizeiwacheauftrag - aus dem "Schrank" des BF bei seinen Geschwistern geholt - und diese Dokumente dem BF per Post geschickt (Niederschrift über behördliche Einvernahme, S. 4). Die Kopie eines Haftbefehls war da nicht dabei.
In der Einvernahme vor dem BFA verwies der BF zudem nicht konkret auf einen bestehenden Haftbefehl, sondern gab er, befragt, woher er aktuell wisse, dass er gesucht werde, an: "Das ist ein Gesetz, dass wenn man die Dienststelle verlässt, wird man gesucht."
(Niederschrift über behördliche Einvernahme, S. 11). Auch die Antwort des BF auf die Frage, ob es aktuelle Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief gebe, "ja, weil ich meinen Arbeitsplatz verlassen habe", war rein mutmaßend - ohne konkreten Anhaltspunkt für eine tatsächliche strafrechtliche Verfolgung des BF.
Erst in der mündlichen Verhandlung sprach er ausdrücklich von einem gegen ihn bestehenden Haftbefehl, als er befragt, ob er konkret strafrechtlich verfolgt worden sei, angab: "Wegen meines unerlaubten Fernbleibens durch die Flucht wurde ein Haftbefehl gegen mich erlassen." (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 5, 6).
Ein tatsächlich existierender Haftbefehl wegen Fernbleibens vom Polizeidienst wurde dem BVwG jedoch nicht nachgereicht, weshalb das Bestehen eines solchen auch nicht festgestellt werden konnte.
Da der BF problemlos die Sicherheitskontrolle am Flughafen passieren und legal auf dem Luftweg ausreisen konnte, steht fest, dass zum Ausreisezeitpunkt am 18.06.2015 und damit in zeitlicher Nähe zum Verlassen seiner Dienststelle jedenfalls nicht nach dem BF gesucht wurde.
In der Beschwerde wurde unter anderem unter Bezugnahme auf einen Länderbericht der Staatendokumentation von 2017 auf strafrechtliche Konsequenzen bei Desertion hingewiesen (Quelle: https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1597116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf).
Der in der Beschwerde aus angeführter Länderquelle wiedergegebene Länderbericht zu strafrechtliche Konsequenzen bei Desertion nahm jedoch auf Syrien Bezug.
In der Beschwerde wurden im Übrigen nur allgemeingehalten ohne konkrete Bezugnahme auf die Person des BF Länderberichte zur Sicherheits- und Menschenrechtslage im Irak wiedergegeben, und wurde die Sicherheit im Irak bestritten und vorgebracht, der BF habe Angst vor schiitischen Milizen, von denen er als Polizist bedroht worden sei, und vor einer Haftstrafe wegen Desertion.
Fest steht, dass der BF keine Bedrohung durch schiitische Milizen glaubhaft machen und keine Nachweise für eine wegen Desertion eingeleitete strafrechtliche Verfolgung des BF erbringen konnte.
Fest steht des Weiteren, dass die im Irak verbliebenen Familienangehörigen, ohne jemals von irakischen Sicherheitskräften aufgesucht und nach dem BF befragt worden zu sein, problemlos im Irak leben und ungehindert einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, auch die vermehrt im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Brüder, von denen ein Fahrer bei einem Ministerium und der andere als Inhaber eines Geschäfts selbstständig erwerbstätig ist.
Dennoch kann eine dem BF bei einer Rückkehr drohende Haftstrafe wegen Desertion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
Ergänzend zu den Länderfeststellungen wird darauf hingewiesen, dass amtsbekannt ist, dass die Todesstrafe im irakischen Strafgesetzbuch für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 für das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst und der nachfolgenden Ausreise in einen anderen Staat jedenfalls nicht vorgesehen ist.
In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu den Folgen einer Desertion von der irakischen Armee (a-9672) vom 03.06.2016 wurde zudem festgehalten, dass nach Artikel 35 Abs. 5 irakisches Militärstrafgesetz Nr. 19/2007 derjenige zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird, der während seines Militärdienstes ins Ausland desertiert.
Von einer den BF bei einer Rückkehr erwartenden unverhältnismäßigen bzw. menschenunwürdigen Haftstrafe wegen Desertion ist jedenfalls bereits aufgrund seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Bevölkerungsgruppe nicht auszugehen, sind doch den Länderfeststellungen zufolge doch insbesondere Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsgruppe und Terrorverdächtige von Misshandlung durch irakische Sicherheitskräfte und sunnitische Milizangehörige in Haft bedroht.
3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen zur Lage im Irak decken sich mit den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu Spruchteil A):
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Für die Qualifikation der Verfolgung hinsichtlich der in der GFK genannten Verfolgungsmotive kommt im Fall der Beschwerdeführerin einerseits ihrer Ablehnung der in Afghanistan vorherrschenden sozio-kulturellen und religiös geprägten Wertvorstellungen entscheidungswesentliche Bedeutung zu, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verfolgung aus religiösen Gründen auch dann vorliegen kann, wenn die Eingriffe deshalb erfolgen, weil die verfolgte Person sich weigert, sich den mit der Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen (vgl. z.B. VwGH 25.1.2011, 98/20/0555; siehe ferner Putzer, Asylrecht² 45 mwN). Andererseits kommt im Fall der Beschwerdeführerin ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe als Ursache des drohenden Eingriffs eine herausragende Bedeutung zu. Generell wird eine soziale Gruppe durch Merkmale konstituiert, die der Disposition der betreffenden Personen entzogen sind, beispielsweise das Geschlecht. Frauen stellen eine derartige "besondere soziale Gruppe" im Sinne der GFK dar (vgl. etwa Köfner/Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, II, 456).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Polizeieinheiten im Irak (irakische Polizei und die National Police (Bundespolizei) sind wie die irakische Armee Teileinheiten der Iraqi Security Forces (ISF). Eine organisatorische Trennung zwischen Polizei und Armee ist im Herkunftsstaat des BF nicht gegeben, weshalb ein Polizist im Irak damit rechnen muss, zu Kampfeinsätzen herangezogen zu werden.
Der BF konnte, wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, glaubhaft machen, dass er vor seiner Ausreise im Polizeidienst tätig war und im Rahmen seiner Polizeieinheit an verschiedenen Orten auch zu Kampfeinsätzen herangezogen wurde, wie dies auch am Tag des Vorfalls am 14.06.2015 der Fall war. An diesem Tag hat er sich zusammen mit anderen aus seiner Gruppe nicht an Kampfhandlungen in einem bestimmten Dorf beteiligt und sich damit einem Befehl widersetzt. Deswegen wurde er zusammen mit anderen von einem schiitischen Milizanführer zur Rede gestellt. Dabei wurde ihm und den anderen wegen Nichtbeteiligung an den Kampfhandlungen gesagt, jeder, der nicht kämpfe, stehe auf der Seite des IS. Eine Festnahme, Bedrohung oder Bestrafung wegen Befehlsverweigerung ist jedoch nicht erfolgt, ebenso nicht ein Aufsuchen seiner im Herkunftsstaat verbliebenen Familienangehörigen von schiitischen Milizangehörigen nach Ausreise des BF.
Der dem schiitischen Glauben angehörende BF konnte keine Bedrohung durch schiitische Milizangehörige aufgrund einer IS-freundlichen Gesinnung glaubhaft machen.
Fest steht, dass der BF aus dem Polizeidienst ins Ausland geflüchtet ist, und zwar problemlos auf legale Weise mit dem Flugzeug. Das Verlassen des Landes am 18.06.2015 erfolgte kurze Zeit nach dem Verlassen seiner Dienststelle.
Eine bei einer Rückkehr dem BF wegen Desertion drohende strafrechtliche Verfolgung kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Eine wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird vom Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0718; 21.04.1993, Zlen. 92/01/1121, 1122).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21.03.2002, Zl.99/20/0401, dargelegt, dass der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung dann asylrechtliche Bedeutung zukommt, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Weiters könne unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. daran anschließend VwGH 16.04.2002, Zl. 99/20/0604, 21.11.2002, Zl. 2000/20/0475; zur Möglichkeit der Asylrelevanz des Zwanges zum Vorgehen gegen Mitglieder der eigenen Volksgruppe vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2001/01/0435).
Die getroffenen Feststellungen bieten indes keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF bei einer Rückkehr zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen gezwungen werden könnte oder er wegen seiner politischen oder religiösen Überzeugungen desertiert wäre.
Da der BF keine Verfolgung aus einem GFK-Grund glaubhaft machen konnte, befindet er sich nicht aus wohlbegründeter Furcht im Bundesgebiet und wird ihm folglich kein Status des Asylberechtigten zuerkannt und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abgewiesen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.
Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und grundsätzlich gesunden, jungen Mann, der seinen eigenen Angaben in niederschriftlicher Einvernahme vor dem BFA zufolge bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 verschiedenen Beschäftigungen, als Tischler, Schweißer, Installateur nachgegangen ist und zuletzt vor seiner Ausreise im Polizeidienst tätig war.
Er wurde in seinem Herkunftsstaat von seinen Geschwistern unterstützt - zu den jüngeren hat er derzeit noch regelmäßig Kontakt über das Internet - und lebte zuletzt mit zwei jüngeren Brüdern in einem Haus zusammen. Das Haus wird auch derzeit noch von seinen beiden Brüdern bewohnt. Der BF wird bei einer Rückkehr nach Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wieder im Haus bei seinen Brüdern Unterkunft nehmen und von seinen Familienangehörigen Unterstützung erwarten können.
Dass begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Das BVwG lässt dabei nicht außer Acht, dass im gegenständlichen Fall die Verhängung einer Haftstrafe gegen den BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Da es den Länderfeststellungen zufolge in Haft jedoch insbesondere zu Misshandlungen von sunnitischen Gefangenen und Terrorverdächtigen durch Regierungskräfte und schiitische Milizen kommt und der BF der schiitischen Bevölkerungsgruppe angehört, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von keiner drohenden menschenunwürdigen Behandlung in Haft auszugehen.
In Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände steht fest, dass den BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine lebensbedrohende oder existenzbedrohende Situation iSv Art. 3 EMRK erwartet.
Daher ist auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß
§ 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet ab