TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/30 G314 2212345-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

G314 2212345-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2018,Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am 22.04.2014 informierte die Vollzugsstelle der Justizanstalt XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über die Verhaftung des Beschwerdeführers (BF) am XXXX.2014 und seine Anhaltung in Untersuchungshaft. Vom BFA wurden daraufhin am XXXX.2014 den BF betreffende Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR) und im Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS) durchgeführt.

Am XXXX.2014 langte das Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2014, XXXX, beim BFA mit, mit dem ua der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB (nicht rechtskräftig) zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Am XXXX.2014 führte das BFA wieder Abfragen des BF im ZMR und im EKIS durch. Am XXXX.2015 langte das Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX.2015, XXXX, beim BFA ein, mit dem die über den BF verhängte Freiheitsstrafe auf zwei Jahre und sechs Monate angehoben wurde. Seine Verurteilung war demgemäß rechtskräftig. Am XXXX.2015 nahm das BFA wieder ZMR- und EKIS-Abfragen des BF vor.

Eine Anfrage der Justizanstalt XXXX betreffend § 133a StVG wurde vom BFA am XXXX.2015 dahingehend beantwortet, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den BF geprüft und in absehbarer Zeit erlassen würden.

Mit dem Schreiben der Vollzugsstelle der Justizanstalt XXXX vom XXXX.2015 wurde das BFA darüber informiert, dass die Auslieferung des BF an die serbischen Behörden zur Vollstreckung von zwei Freiheitsstrafen im Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten sowie von einem Jahr, jeweils abzüglich der bereits verbüßten Untersuchungshaft, für zulässig erklärt und er am XXXX.2015 den serbischen Behörden übergeben worden sei. Vom weiteren Vollzug der in Österreich über ihn verhängten Freiheitsstrafe sei wegen der Auslieferung gemäß § 4 StVG vorläufig abgesehen worden.

Nach ZMR- und EKIS-Abfragen am XXXX. bzw. XXXX.2016 wurde der BF mit Schreiben des BFA vom 04.08.2016 aufgefordert, binnen zwei Wochen zu der wegen seiner strafgerichtlichen Verurteilung beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG und eines achtjährigen Einreiseverbots Stellung zu nehmen. In dem Schreiben wird unter anderem nach Wiedergabe von § 52 Abs 1 Z 2 FPG Folgendes ausgeführt: "Das gegenständliche Verfahren wurde nach

Einlangen des Haftmeldezettels und der Vollzugsinfo ... am

22.04.2014 von der JA XXXX ... mit Anlegen des Papierakts am

23.04.2014 eröffnet". Als Anschrift des BF wird "unstet, ZMR mit XXXX.2016 negativ" angeführt. Das Schreiben wurde dem BF gemäß § 25 ZustG durch öffentliche Bekanntmachung am XXXX.2016 zugestellt. Eine Stellungnahme des BF langte zunächst nicht ein.

Mit Eingabe vom 07.11.2017 ersuchte der Rechtsanwalt XXXX als Vertreter des BF um Übermittlung des Bescheids, mit dem gegen diesen angeblich ein Einreiseverbot erlassen worden sei. Der betreffende Akt wurde beim BFA zunächst nicht aufgefunden.

Mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde der offene Teil der Freiheitsstrafe des BF für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen.

Mit dem (mit dem Schreiben vom 04.08.2016 übereinstimmenden) Schreiben des BFA vom 12.09.2018 wurde der BF zur Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots binnen zwei Wochen aufgefordert. Dieses Schreiben wurde seinem Rechtsvertreter am 13.09.2018 zugestellt. Der BF erstattete keine Stellungnahme.

Nach Abfragen des BF beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger, im Grundversorgungs-Informationssystem, im EKIS und im ZMR am XXXX. bzw. XXXX.2018 wurde ihm mit dem oben angeführten Bescheid ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG wurde damit begründet, dass das Verfahren "nach Einlangen des Haftmeldezettels und der Vollzugsinfo von der Justizanstalt XXXX ... am XXXX.2014 eröffnet" worden sei. Der BF habe sich nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten und sei am XXXX.2015 ausgereist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu, die Dauer des Einreiseverbots herabzusetzen. Der BF begründet die Beschwerde unter anderem damit, dass die Rückkehrentscheidung rechtswidrig sei, weil das Rückkehrentscheidungsverfahren nicht binnen sechs Wochen ab seiner Ausreise am 28.08.2015 eingeleitet worden sei.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 08.01.2019 einlangten, und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der BF nach seiner Auslieferung am 28.08.2015 wieder im Bundesgebiet aufhielt. Ihm wurde nie ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben wiedergegebene Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die nachträgliche bedingte Strafnachsicht des offenen Teils der mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX zu XXXX gegen den BF verhängten Freiheitsstrafe geht aus dem Strafregister hervor, aus dem sich keine anderen inländischen Verurteilungen des BF ergeben.

Abgesehen von einer Meldung mit Hauptwohnsitz in der Justizanstalt XXXX zwischen XXXX.2014 und XXXX.2015 sind im ZMR keine Wohnsitzmeldungen des BF ersichtlich. Es sind keine Hinweise auf einen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet nach dem XXXX.2015 aktenkundig; ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt wurde. Ein solcher ist weder im Fremdenregister dokumentiert noch wird er vom BF behauptet.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

Diese Bestimmung ist notwendig, weil sich ein Drittstaatsangehöriger nicht durch eine Ausreise der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entziehen soll, zumal Österreich insoweit zur Erlassung einer solchen Maßnahme unionsrechtlich gegenüber den anderen Mitgliedstaaten durch die Rückführungsrichtlinie verpflichtet ist. Die Möglichkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, wenn der Drittstaatsangehörige bereits ausgereist ist, soll aber nicht zeitlich unbeschränkt gelten. Aus diesem Grund wird ein zeitlicher Konnex zwischen Ausreise und Einleitung eines Rückkehrentscheidungsverfahrens hergestellt (ErläutRV BGBl I 2012/87).

Da der BF das Bundesgebiet am 28.08.2015 verließ, setzt eine Rückkehrentscheidung gegen ihn somit voraus, dass das Rückkehrentscheidungsverfahren schon vorher oder spätestens sechs Wochen danach eingeleitet wurde.

Das Rückkehrentscheidungsverfahren ist ein amtswegiges Verfahren. Die Einleitung eines solchen Verfahrens setzt einen entsprechenden Willensakt voraus, der der zuständigen Behörde zuzurechnen ist und seinem Inhalt nach - objektiv betrachtet - darauf abzielt, den Sachverhalt bezüglich der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu klären (in diesem Sinn etwa VwGH 19.06.2018, Ra 2018/03/0023, zur amtswegigen Einleitung eines Verfahrens nach dem Vorarlberger JagdG).

Für die amtswegige Einleitung eines Verwaltungsverfahrens ist kein bestimmter Verfahrensakt vorgeschrieben; es kann dies vorerst in bloß interner Form - etwa durch Aufnahme eines Aktenvermerks (§ 16 AVG), durch ein an eine andere Behörde gerichtetes Ersuchen um Beweisaufnahme (§ 55 AVG) oder um Aktenübersendung (Art 22 B-VG) - geschehen. Nach außen wird die Tatsache der amtswegigen Einleitung eines Verwaltungsverfahrens etwa durch eine Ladung oder durch eine Aufforderung zur Stellungnahme (§ 45 Abs 3 AVG) bekannt, womit gleichzeitig das Ermittlungsverfahren beginnt (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 261).

Ein Rückkehrentscheidungsverfahren kann in den Fällen des § 52 Abs 1 Z 2 FPG erst eingeleitet werden, wenn über den Umstand des nicht rechtmäßigen Aufenthalts Gewissheit besteht. Diese Einleitung muss wohl, um geltend gemacht werden zu können, nach außen hin in Erscheinung getreten sein (Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 52 FPG Anm 5).

Hier trat die amtswegige Einleitung des Rückkehrentscheidungsverfahrens nicht innerhalb von sechs Wochen ab dem 28.08.2015 nach außen in Erscheinung. Die bloß internen Verfahrensakte ab April 2014 (Abfragen, "Anlegen eines Papierakts") können eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG - auch aufgrund der langen Zeiträume, in denen das Verfahren ohne nachvollziehbaren Grund stillstand und keine Verfahrensakte gesetzt wurden - nicht rechtfertigen.

Eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG setzt voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat (siehe VwGH 28.10.2003, 2003/11/0056). Hier war die Zustellung des Schreibens vom 04.08.2016 durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG nicht zulässig, weil die Behörde keine Zustellung an der in der Vollzugsinformation und im Strafurteil aufscheinenden serbischen Adresse des BF (XXXX) versuchte und angesichts seiner Auslieferung zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen in Serbien zumutbare Ermittlungen zu seinem Haftort dort unterließ.

Die (nach § 52 Abs 1 Z 2 FPG relevante, nach außen in Erscheinung tretende) Einleitung des Rückkehrentscheidungsverfahrens gegen den BF erfolgte daher erst mit der Aufforderung zur Stellungnahme vom 12.09.2018 und damit weit nach dem Ablauf der sechswöchigen Frist, sodass keine auf diese Bestimmung gestützte Rückkehrentscheidung mehr erlassen werden kann. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher aufzuheben.

Die Aufhebung der Rückkehrentscheidung bedingt auch den Entfall der übrigen, darauf aufbauenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids, der somit im Ergebnis in Stattgebung der Beschwerde insgesamt ersatzlos aufzuheben ist.

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Zu Spruchteil B):

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist zuzulassen, weil - soweit überblickbar - eine Judikatur des VwGH zur Frage, in welcher Form die "Einleitung eines Rückkehrentscheidungsverfahrens" iSd § 52 Abs 1 Z 2 FPG erfolgt sein muss und insbesondere, ob und bejahendenfalls wie diese nach außen hin in Erscheinung getreten sein muss (wie dies in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 52 FPG Anm 5 vertreten wird), fehlt. Diese Rechtsfrage war bislang noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Beurteilung.

Schlagworte

Beschwerdefrist, Fristversäumung, Haft, Revision zulässig,
Rückkehrentscheidung behoben, Stellungnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2212345.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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