TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 W186 2115017-1

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §40 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §35

Spruch

W186 2115017-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Liberia alias Nigeria, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme am 29.09.2015, 01:21 Uhr, und Anhaltung infolge der Festnahme von 29.09.2015, von 01:21 Uhr bis 10:00 Uhr, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste 2006 illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 11.02.2006 seinen (ersten) Asylantrag, wobei er angab, aus Liberia zu stammen. Zuvor stellte er bereits im Jahr 2004 in der Schweiz einen Asylantrag, wobei er Angab nigerianischer Staatsangehöriger zu sein.

Dieser erste Asylantrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 28.2.2008, Zl. 06 01.831-BAW, nach Durchführung einer Sprachanalyse, durch die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Herkunft aus Liberia ausgeschlossen worden war, gemäß § 3, 8 Abs.1 Z. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ebenso wie bezüglich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria abgewiesen und diese Entscheidung mit einer Ausweisung nach Nigeria verbunden. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 21.04.2008 als unbegründet ab.

Am 08.05.2008 stellte die belangte Behörde ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die nigerianische Botschaft. Der Beschwerdeführer wurde am 05.08.2011 im PAZ Hernalser Gürtel der nigerianischen Vertretungsbehörde zum Interview vorgeführt, wobei er angab liberianischer Staatsangehöriger zu sein, weshalb kein Interview durchgeführt wurde.

Der Beschwerdeführer stellte am 24.06.2011 seinen nunmehr zweiten Asylantrag im Bundesgebiet, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 14.07.2011 wegen entschiedener Sache zurückwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 08.08.2011 als unbegründet ab.

Am 06.10.2011 stellte die belangte Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines HRZ bei der LIBERIANISCHEN Botschaft.

Der Beschwerdeführer stellte am 28.03.2012 einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, der mit Bescheid der LPD WIEN vom 01.12.2012 abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.09.2015 in 1010 WIEN wegen auffälligen Verhaltens einer Personenkontrolle unterzogen. Infolge der Feststellung seines illegalen Aufenthaltes wurde der Beschwerdeführer um 01:21 Uhr gemäß § 40 BFA-VG festgenommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Das Bundesamt) wurde umgehend fernmündlich verständigt und verfügte der Journalreferent des Bundesamtes die Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel, wohin der Beschwerdeführer in der Folge verbracht wurde.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.09.2015 um 09:10 Uhr vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Er wurde am 29.09.2015 um 09:40 Uhr aus der Verwaltungsverwahrungshaft entlassen.

Am 29.09.2015 langte hg. die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Verschleierung seiner Identität nicht zum Vorwurf gemacht werden habe können, zumal er immer erwähnt habe aus Liberia zu stammen. Es sei bezüglich der Festnahme keiner der in Art. 2 PersFr-B-VG angeführten Tatbestände erfüllt gewesen, insbesondere sei keine Ausweisung oder Auslieferung zu sichern gewesen. Die Festnahme und Anhaltung sei darüber hinaus auch aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in 1160 Wien melderechtlich in Erscheinung getreten sei, unverhältnismäßig gewesen. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Rechtswidrigkeit der Festnahme am 29.09.2015 und der darauffolgenden Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft feststellen. Zudem wurde Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG geltend gemacht.

Das Bundesamt legte am 30.09.201, hg. eingelangt am 05.10.2015, die Akten vor, und beantragte die Beschwerdeabweisung. Ein Kostenersatz wurde insbesondere nicht geltend gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste 2006 illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 11.02.2006 seinen (ersten) Asylantrag, wobei er angab, aus Liberia zu stammen. Eine im Verfahren durchgeführte Sprachanalyse schloss eine Herkunft aus Liberia mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus.

Der erste Asylantrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 28.2.2008 abgewiesen und diese Entscheidung mit einer Ausweisung nach Nigeria verbunden. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 21.04.2008 als unbegründet ab.

Am 08.05.2008 stellte die belangte Behörde ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die nigerianische Botschaft. Der Beschwerdeführer wurde am 05.08.2011 im PAZ Hernalser Gürtel der nigerianischen Vertretungsbehörde zum Interview vorgeführt, wobei er angab liberianischer Staatsangehöriger zu sein, weshalb kein Interview durchgeführt wurde.

Der Beschwerdeführer stellte am 24.06.2011 seinen nunmehr zweiten Asylantrag im Bundesgebiet, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 14.07.2011 wegen entschiedener Sache zurückwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 08.08.2011 als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung seither nicht nach.

Am 06.10.2011 stellte die belangte Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines HRZ bei der LIBERIANISCHEN Botschaft.

Der Beschwerdeführer stellte am 28.03.2012 einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, der mit Bescheid der LPD WIEN vom 01.12.2012 abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer verfügte im Zeitraum 20.03.2014 - 20.08.2016 über eine Hauptwohnsitz Meldung in 1160 Wien. Zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Festnahme konnte er jedoch weder Adresse noch Hausnummer nennen.

Er wies sich lediglich mit einer Kopie seiner Asylverfahrenskarte und eines Meldezettels aus. Die Asylverfahrenskarte wurde dem Beschwerdeführer bei einer am 12.09.2014 vorgenommenen Identitätsfeststellung abgenommen.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.09.2015 in 1010 WIEN einer Personenkontrolle unterzogen. Infolge der Feststellung seines illegalen Aufenthaltes wurde der Beschwerdeführer um 01:21 Uhr gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vorgeführt.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.09.2015 um 09:10 Uhr vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Er wurde am 29.09.2015 um 09:40 Uhr aus der Verwaltungsverwahrungshaft entlassen.

Der Beschwerdeführer hielt sich zum Zeitpunkt der Festnahme unrechtmäßig im Bundesgebiet aus. Er war zur Ausreise verpflichtet.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Angaben zur Festnahme und zur Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft beruhen auf einem Auszug aus der Anhaltedatei.

Dass der Beschwerdeführer spätestens seit Zustellung des abweisenden Erkenntnisses des Asylgerichtshofes verpflichtet war, das Bundesgebiet zu verlassen, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.08.2011. Dass diese Verpflichtung dem Beschwerdeführer auch bekannt war, ergibt sich aus dem Umstand, dass er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der BPD am 03.09.2011 darüber belehrt wurde.

Dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Festnahme zwar über eine aufrechte Meldeadresse verfügte, von dieser aber weder die Adresse noch die Hausnummer nennen konnte, ergibt sich einerseits aus seinem Auszug aus dem ZMR, sowie andererseits aufgrund des dokumentierten Schreibens des BFA zur Festnahme im Verwaltungsakt (AS 399).

Die Feststellung, wonach sich der Beschwerdeführer mit Kopien seiner Verfahrenskarte und seines Meldezettels auswies, sowie der Umstand, dass die Verfahrenskarte dem Beschwerdeführer bereits bei einer polizeilichen Kontrolle am 12.09.2014 abgenommen wurde, ergibt sich aus dem Anhalteprotokoll vom 29.09.2015, sowie aus der polizeilichen Meldung vom 23.09.2014.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

§ 7 BFA-VG lautet:

"§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2."

Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Prüfung der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG gegen die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurechenbare Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG zuständig.

Zu Spruchteil A)

3.2. Spruchpunkt I. - Abweisung der Beschwerden:

3.2.1 Absatz 1 und 4 des mit "Festnahme" betitelten § 40 BFA-VG lautet:

"(1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(...)

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen."

Der Beschwerdeführer wurde am 29.09.2015 in 1010 WIEN von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD WIEN beim mehrjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten und gemäß § 40 BFA-VG festgenommen.

Er befand sich von 29.09.2015, von 01:21 Uhr bis 10:00 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft und wurde um 09:10 Uhr zur Überprüfung des Aufenthaltes vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Der Beschwerdeführer wurde zur Vorführung vor das Bundesamt und zur Abklärung seines fremdenrechtlichen Status gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG festgenommen.

Es ist dem Bundesamt nicht anzulasten, den Aufenthalt des Beschwerdeführers, der sich seit mehreren Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, seine Identität verschleiert und seiner Ausreiseverpflichtung aus eigenem nicht nachgekommen ist, zu überprüfen um womöglich weiterer Verfahrensschritte setzen zu können.

Auch kann dem Bundesamt die Dauer der Anhaltung nicht zu Lasten gelegt werden:

Es gilt grundsätzlich die Regel, dass die Einvernahme eines vor 22:00 Uhr Festgenommenen im großstädtischen Bereich regelmäßig bis spätestens Mitternacht zu erfolgen hat (Hinweis E 12. September 2013, 2012/21/0204). Das mag in Fällen, in denen die notwendige Beiziehung eines Dolmetschers auf Schwierigkeiten stößt, anders zu beurteilen sein (VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0068)

Aufgrund der Festnahme des Beschwerdeführers nach Mitternacht (01:21 Uhr) konnte es dem Bundesamt nicht vorgeworfen werden, dass eine Einvernahme erst in der Früh gegen 09:00 Uhr erfolgen konnte, da die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich war. Das Bundesamt handelte durch die rasche Organisation des Dolmetschers und dem Ansetzen der Einvernahme um 09:00 Uhr nicht unverhältnismäßig.

Darüber hinaus ist dem Beschwerdeführer anzulasten, dass er seiner Verpflichtung zur Ausreise jahrelang nicht nachgekommen ist und daher unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieb, sowie, dass er seine Identität verschleierte und somit bislang mangels Erlangung eines Heimreisezertifikates seine zwangsweise Abschiebung zu verhindern vermochte.

Art. 1 des PersFr-B-VG normiert:

"(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind."

Der Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers war notwendig, um seinen Aufenthalt zu überprüfen und um gegebenenfalls weitere Schritte zur Abschiebung zu setzen. Der Eingriff steht sowohl aufgrund der raschen Organisation der Einvernahme und der dadurch bedingten kurzen Anhaltedauer, als auch aufgrund des mehrjährigen illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers, dem Nichtnachkommen seiner Ausreiseverpflichtung, sowie der Verschleierung seiner Identität nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis.

Es ist der Behörde in diesen Fällen nicht verwehrt, in vertretbaren Zeiträumen im Bundesgebiet aufhältige Personen zu ihrer Staatsbürgerschaft und zu ihren Aktivitäten, das Land freiwillig zu verlassen, zu befragen und Personen, die zwar formell über eine Abgabestelle verfügen, diese jedoch nicht selbständig nennen können, womit der Anschein mithergeht, dass die Person an dieser Abgabestelle nicht greifbar ist, gegebenenfalls kurzfristig festzunehmen.

3.3. Spruchpunkt II. - Kostenersatz:

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (Festnahme gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 FPG) Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer stellten einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG. Es gebührt ihnen gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG als unterlegene Parteien kein Kostenersatz. Die belangte Behörde ist zwar auf Grund der Beschwerdeabweisungen (vollständig) obsiegende Partei, da sie jedoch keinen Antrag auf Kostenersatz gestellt hat, gebührt ihr gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG trotz Obsiegens kein Kostenersatz.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen, konnte auf die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Sofern die Beschwerde vorbringt, dem Beschwerdeführer sei in der Vergangenheit bereits einmal eine Duldungskarte ausgestellt worden, so war ihr entgegen zu halten, dass nur ein Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte und die bescheidmäßige Abweisung dieses Antrages aktenkundig waren.

Zu Spruchteil B) - Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung, Festnahme, Identität, Kostenersatz,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2115017.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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