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97/01 Öffentliches AuftragswesenNorm
B-VG Art87 Abs2Leitsatz
Entscheidung betreffend Pauschalgebühren im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach dem BundesvergabeG 2006 Akt der Rechtsprechung des BVwG; ordnungsgemäße Gebührenentrichtung Zulässigkeitsvoraussetzung eines vergaberechtlichen Rechtsschutzantrags; keine Bedenken gegen die erstmalige Entscheidung des BVwG über akzessorische GebührenansprücheRechtssatz
Verletzung im Recht auf den gesetzlichen Richter durch den Beschluss einer Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung über Pauschalgebühren.
Die Pauschalgebührenregelung im BVergG 2006 gibt ein abgestuftes System der Bemessung der Höhe der Pauschalgebühren vor, wobei die Gebührenschuld im Zeitpunkt der Antragstellung entsteht, die Höhe der einzelnen Gebührensätze mittels Verordnung von der Bundesregierung festzusetzen ist und die Gebühren bereits zu diesem Zeitpunkt an das BVwG zu entrichten sind. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren fallen Gebühren nach dem GebG gemäß §318 Abs2 BVergG 2006 abweichend von der allgemeinen Gebührenpflicht für Eingaben vor dem BVwG nicht an. Die Pauschalgebührenregelung des BVergG 2006 für vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren weist eine - im Vergleich zu sonstigen Gebührenregelungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme (verwaltungs-)gerichtlichen Rechtsschutzes - wesentliche Besonderheit auf: Die ordnungsgemäße Vergebührung nach dem BVergG 2006 stellt gemäß §322 Abs2 Z3 BVergG 2006 und §328 Abs7 BVergG 2006 eine Zulässigkeitsvoraussetzung entsprechender vergabespezifischer Rechtsschutzanträge an das BVwG dar. Kraft dieser Bestimmungen sind ein Nachprüfungsantrag oder ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die trotz Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurden, vom BVwG zurückzuweisen.
Demgegenüber stellt die Entrichtung der Gerichtsgebühren, deren Vorschreibung zur Justizverwaltung im Sinne des Art87 Abs2 B-VG zählt, keine Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage im zivilgerichtlichen Verfahren dar, und auch die ordnungsgemäße Entrichtung der Eingabengebühr vor dem VwGH oder vor dem VfGH ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung einer Revision oder einer Beschwerde.
Die Verknüpfung von Verpflichtung zur Entrichtung von Pauschalgebühren und Zulässigkeit einschlägiger Vergabekontrollverfahren nach dem BVergG 2006 steht im Dienste der Effizienz des Vergaberechtsschutzes, indem - angesichts der im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren typischerweise vorliegenden Dreieckskonstellationen zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und konkurrierenden Unternehmen - die mit einschlägigen Nachprüfungsverfahren regelmäßig verbundene Verzögerung des laufenden Vergabeverfahrens nur bewirkt werden soll, wenn die antragstellenden Unternehmen die Schwelle der Entrichtung der Pauschalgebühr überwinden.
Da der Gesetzgeber die Entscheidung über die Zulässigkeit vergaberechtlicher Rechtsschutzbegehren der Rechtsprechung des BVwG zuordnet und dies aus verfassungsrechtlicher Sicht (vgl Art87 iVm Art134 Abs7 B-VG) auch muss, ist davon auszugehen, dass auch all jene im Sinne von VfSlg 19880/2014 akzessorischen Verfahren zur Überprüfung der Pauschalgebühren, die einen zwingenden Zusammenhang zu einem Vergabekontrollverfahren aufweisen, weil die Ordnungsmäßigkeit der Vergebührung (mit-)beurteilt wird, durch das BVwG als Organ der Rechtsprechung zu entscheiden sind und gerade nicht eine Angelegenheit der Justizverwaltung im Sinne des §3 BVwGG darstellen.
Das BVwG ist daher im Anlassverfahren, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, als Rechtsprechungsorgan durch Senat zuständig, über die Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaften auf Vorschreibung bzw Rückführung der entrichteten Pauschalgebühr zu entscheiden.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in der Sache erstmals rechtsförmliche Entscheidung des BVwG über Höhe oder Rückerstattung von Pauschalgebühren:
Zum einen hat der Verfassungsgesetzgeber - wie sich aus Art130 Abs2 Z2 B-VG ergibt - bei der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 das bundesvergabegesetzlich geregelte System des Vergaberechtsschutzes und seine Überführung in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mitgedacht. Zum zweiten ist - in einem System, in dem den Verwaltungsgerichten grundsätzlich die Befugnis zur Entscheidung in der Sache selbst zukommt - die erstmalige Entscheidung über akzessorische Gebührenansprüche wie beispielsweise auch über verfahrensrechtliche Entscheidungen kein Fremdkörper. Angesichts der gerichtlichen Zuständigkeit des BVwG stellen sich dem VfGH auch keine Fragen im Hinblick auf den unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz.
Der dargelegten Zuständigkeit des BVwG als Rechtsprechungsorgan steht im Übrigen auch nicht entgegen, dass die Geschäftsstelle des BVwG den Parteien die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr mitteilt oder formlos durch Nachforderung zur Verbesserung zu wenig entrichteter Pauschalgebühr auffordert, solange eben sichergestellt ist, dass über Antrag der Partei das BVwG mit Beschluss über die Höhe und gegebenenfalls einen Rückforderungsanspruch von Pauschalgebühren entscheidet.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Vergabewesen, Gebühr, Justizverwaltung - GerichtsbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E4474.2018Zuletzt aktualisiert am
28.08.2020