Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §34Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Dipl.-HTL-Ing. H S in L, vertreten durch DDr. Gernot Satovitsch, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wassergasse 11/2/5b, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. August 2018, Zl. LVwG-AV-15/005-2018, betreffend Ordnungsstrafe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
5 Mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 trug der Bürgermeister der Marktgemeinde L dem Revisionswerber auf, näher genannte Baugebrechen zu beheben, und schrieb ihm unter einem gemäß § 76 AVG Kommissionsgebühren von EUR 55,20 vor. Die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers an den Gemeindevorstand der Marktgemeinde L blieb ebenso erfolglos wie die in der Folge in Ansehung der vorgeschriebenen Kommissionsgebühren an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erhobene Beschwerde, die mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 8. August 2018 als unbegründet abgewiesen wurde.
6 Mit Eingabe vom 20. August 2018 beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG. Aufgrund von bestimmten, im Wiederaufnahmeantrag gemachten Ausführungen des Revisionswerbers wurde über ihn mit dem angefochtenen Beschluss eine Ordnungsstrafe gemäß § 34 Abs. 2 und 3 AVG in der Höhe von EUR 250.- verhängt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision.
7 Die Zulässigkeit der Revision wird damit begründet, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfrage der Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit des AVG durch ein Verwaltungsgericht und damit auch der Bestimmung des § 34 AVG für andere als Beschwerdeverfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, insbesondere Anträge auf Wiederaufnahme eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, noch nicht beantwortet habe, sodass eine diesbezügliche Rechtsprechung fehle.
8 § 34 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 137/2001, lautet auszugsweise:
"6. Abschnitt: Ordnungs- und Mutwillensstrafen Ordnungsstrafen
§ 34. (1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.
(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.
(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.
..."
9 § 69 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet
auszugsweise:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
...
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."
10 Art. 130 Abs. 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 22/2018, lautet:
"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über
Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen
Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher
Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine
Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4."
11 § 17 VwGVG, BGBl. I Nr 33/2013, lautet:
"3. Abschnitt
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Azuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."
12 § 32 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I. Nr. 2/2017,
lautet auszugsweise:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
...
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich § 17 VwGVG nicht nur auf Beschwerdeverfahren, sondern auch auf mit einem Beschwerdeverfahren in Zusammenhang stehende "Annexverfahren", wie insbesondere Verfahren über Anträge auf Wiederaufnahme eines Beschwerdeverfahrens nach § 32 VwGVG bezieht (vgl. VwGH 5.11.2018, Ra 2018/08/0219). Das Verwaltungsgericht hatte daher im gegenständlichen Wiederaufnahmeverfahren das AVG, und damit auch dessen § 34, sinngemäß anzuwenden. Ist der Wortlaut des Gesetzes aber eindeutig, liegt insoweit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, und zwar auch dann nicht, wenn es bisher dazu noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegeben hat, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. VwGH 29.11.2016, Ra 2016/06/0066, mwN).
14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018050250.L00Im RIS seit
02.10.2019Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019