TE Vwgh Beschluss 2019/1/30 Ra 2018/06/0020

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 litc;
BauO Tir 2011 §26 Abs3;
BauRallg;
ROG Tir 2011 §61;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision der I T in I, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stainerstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 11. Dezember 2017, LVwG- 2017/39/2283-7, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Axams; mitbeteiligte Partei: T GmbH in B, vertreten durch Dr. Gerhard Heinz Waldmüller, Dr. Martin Baldauf und Mag. Matthias Waldmüller, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) wurde die Beschwerde (u.a.) der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A. vom 22. August 2017, mit welchem der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für den Neubau einer Wohnanlage bestehend aus zwei Wohnhäusern mit jeweils vier Wohnungen und einer (gemeinsamen) Tiefgarage, für die Errichtung von Stützmauern und eines Kinderspielplatzes auf näher bezeichneten Grundstücken erteilt, die Zahl der mindestens zu schaffenden Abstellmöglichkeiten für die ständigen Benützer und Besucher der Wohnanlage und deren Aufteilung auf die einzelnen Wohnhäuser festgelegt sowie die im Zuge des Bauvorhabens geplanten Aufschüttungen und Abgrabungen für zulässig erklärt worden waren, mit einer Maßgabe hinsichtlich des Verwendungszweckes des Technikraumes als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Soweit die Revisionswerberin in den zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Gründen zunächst eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, weil das Gutachten des Amtssachverständigen Ing. S. nur mündlich in der Verhandlung dargetan und ihr nicht vorher zur Kenntnis gebracht worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich aus § 45 Abs. 3 AVG - der gemäß § 17 VwGVG in Verfahren vor Verwaltungsgerichten anzuwenden ist - nicht ergibt, dass ein Gutachten den Parteien schon vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen wäre (vgl. VwGH 24.4.2017, Ra 2017/06/0009, 0017 bis 0020, mwN). Dass die Revisionswerberin durch die Vorgangsweise des LVwG gehindert worden wäre, dem Gutachten des Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene zu entgegnen, wird in der Revision nicht dargelegt, und auch nicht aufgezeigt, zu welcher Frage die Revisionswerberin eine gegenteilige sachverständige Äußerung vorlegen hätte wollen.

6 Was die Ausführungen zur Befangenheit des beigezogenen Amtssachverständigen betrifft, ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 20.9.2018, Ra 2018/11/0077, mwN) zu verweisen, wonach jeder Vorwurf der Befangenheit konkrete Umstände aufzuzeigen hat, welche die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Der von der Revisionswerberin allein vorgebrachte Umstand, der Amtssachverständige habe in der Verhandlung vor dem LVwG eingeräumt, zunächst einem Irrtum hinsichtlich der Beurteilung des Bauvorhabens insofern unterlegen zu sein, als er das Gutachten nicht in einem Schriftsatz, sondern in zwei formell getrennten Schriftsätzen für jedes Wohnhaus erstellt habe, ist nicht geeignet, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen ließ der Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG keinen Zweifel daran, dass er das Bauvorhaben als einheitliche Wohnanlage beurteilt habe.

7 Es entspricht auch der ständigen hg. Judikatur zu § 26 Abs. 3 TBO 2011, dass Nachbarn kein Mitspracherecht hinsichtlich einer allfälligen Überschreitung der Baudichte - worunter gemäß § 61 TROG 2011 neben der Nutzflächendichte auch die Baumassendichte und Bebauungsdichte fallen - zukommt (vgl. etwa VwGH 29.1.2016, Ra 2015/06/0124, mwN). Dass die Revisionswerberin bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung substantiierte Einwendungen hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe - nur hinsichtlich dieser Festlegungen des Bebauungsplanes können Nachbarn gemäß § 26 Abs. 3 lit. c TBO 2011 erfolgreich die Verletzung subjektivöffentlicher Rechte geltend machen - vorgebracht hätte, behauptet sie in ihren Ausführungen zum Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht.

8 Die Revisionswerberin bringt in den Ausführungen zur Zulässigkeit weiter vor, das LVwG habe sich entgegen VwGH 4.11.2016, Ro 2014/05/0054, nicht mit den verbindlichen Vorgaben des Örtlichen Raumordnungskonzeptes (ÖROK) vom 25. Februar 2002 auseinandergesetzt, das für den gegenständlichen Bereich "eine überwiegend lockere Einfamilienhausbebauung mit einzelnen Bereichen dichterer Verbauung, Baumassendichte höchstens 1,8" zwingend vorschreibe. Es sei evident, dass mit der projektierten dichteren Verbauung durch eine Wohnanlage mit gemeinsamer Tiefgarage eine höhere Immissionsbelastung verbunden sei.

9 Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Revisionswerberin einen Widerspruch des gegenständlichen Bauvorhabens mit den Vorgaben des ÖROK (Baumassendichte höchstens 1,8) nicht vorbringt und diesbezüglich auch kein Nachbarrecht hätte (vgl. Rn. 7). Die Behauptung, es sei evident, dass mit einer dichteren Bebauung höhere Immissionen verbunden seien, belegt nicht, dass die Revisionswerberin rechtzeitig ausreichend konkrete Einwendungen iSd § 26 Abs. 2 lit. a TBO erhoben hätte.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2019

Schlagworte

Befangenheit von SachverständigenSachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53)Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Parteiengehör SachverständigengutachtenBaurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018060020.L00

Im RIS seit

11.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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