TE Vwgh Beschluss 2019/2/14 Ra 2018/18/0491

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Veröffentlicht am 14.02.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/18/0492

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revisionen der Österreichischen Botschaft Damaskus, Farabi Street 1, Bld. Mohamed Naim Al-Deker-Mezzeh, East Villas Damaskus, 5634 Damaskus, Syrien, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Juli 2018, Zlen. W101 2184789-1/12E, W101 2184783-1/6E, W101 2184785-1/6E, W101 2184786-1/6E, W101 2184787-1/5E, betreffend Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft in Damaskus; mitbeteiligte Parteien: 1. R H, 2. L A, 3. R A, 4. S A, 5. T A, alle vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 32), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligten, vier minderjährige Kinder und ihre Mutter, alle Staatsangehörige Syriens, stellten am 19. April 2017 persönlich bei der revisionswerbenden Botschaft Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Begründend führten sie aus, der Ehemann beziehungsweise Vater der Mitbeteiligten habe in Österreich den Status des Asylberechtigten erhalten.

2 Mit Bescheid vom 6. Oktober 2017 wies die revisionswerbende Botschaft die Anträge der Mitbeteiligten gemäß § 26 Fremdenpolizeigesetz (FPG) in Verbindung mit § 35 AsylG 2005 ab.

3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten statt und hob den verwaltungsbehördlichen Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG auf. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

4 Begründend hielt es fest, die revisionswerbende Botschaft sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Mitbeteiligten keine Familienangehörigen der Bezugsperson in Österreich seien. Die Bescheide seien daher ersatzlos zu beheben. Die Behörde sei jedoch verpflichtet, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen und den Mitbeteiligten die entsprechenden Visa auszustellen.

5 Dagegen erhob die revisionswerbende Botschaft Amtsrevisionen, in denen im Wesentlichen geltend gemacht wird, durch die ersatzlose Behebung des verwaltungsbehördlichen Bescheides sei es ihr nun - entgegen dem Auftrag des Verwaltungsgerichts - verwehrt, eine neuerliche Entscheidung über die Visa, die bescheidmäßig zu erfolgen habe, zu treffen. Diese unvertretbare Verfahrenssituation begründe eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

Mit separaten Schriftsätzen beantragte die revisionswerbende Botschaft die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Amtsrevisionen und hielt in der Begründung unter Hinweis auf den Spruch und unter Zitierung von Passagen aus der Begründung der angefochtenen Erkenntnisse des BVwG dazu fest, dass diese Entscheidungen des BVwG insofern einem Vollzug zugänglich seien, als sie einen konkreten Handlungsauftrag an die revisionswerbende Botschaft enthielten, demzufolge sie verpflichtet werde, die Visa zu auszustellen.

6 Die Mitbeteiligten beantragten in der von ihnen erstatteten Revisionsbeantwortung die Zurück-, in eventu Abweisung der Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Vorweg ist anzumerken, dass die Feststellungen des BVwG, wonach die Mitbeteiligten Familienangehörige der in Österreich befindlichen Bezugsperson sind und daher Anspruch auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 haben, unbestritten sind. Unstrittig ist ferner, dass das BVwG in seinen Erkenntnissen demzufolge die Verpflichtung der revisionswerbenden Botschaft zur Erteilung der begehrten Visa festgehalten hat.

11 Dessen ungeachtet ortet die revisionswerbende Botschaft ausgehend von den angefochtenen Erkenntnissen Unklarheiten im Sinne eines Widerspruchs der angefochtenen Erkenntnisse mit sich selbst, weil einerseits der verwaltungsbehördliche Bescheid ersatzlos behoben werde, womit eine neuerliche Entscheidung der revisionswerbenden Botschaft nicht mehr in Betracht komme, und andererseits ihr in der Begründung der Entscheidungen aufgetragen werde, einen neuen Bescheid zu erlassen.

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Spruch einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit dessen Begründung zu verstehen, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen. Die Begründung einer Entscheidung kann daher zur Auslegung eines Spruches einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, dessen Inhalt für sich allein betrachtet Zweifel offen lässt, herangezogen werden (VwGH 3.10.2018, Ra 2017/07/0135, mwH). Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruches der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt (VwGH 17.12.2018, Ra 2017/05/0293, mwH).

13 Im vorliegenden Fall hat das BVwG - ungeachtet der zitierten Rechtsgrundlagen - die bekämpfte behördliche Entscheidung spruchgemäß in Stattgebung der Beschwerde aufgehoben und in der Begründung eindeutig zum Ausdruck gebracht, die Behörde sei zu Unrecht zum Ergebnis gekommen, dass die Mitbeteiligten keine Familienangehörigen iSd § 2 Abs. 1 Z 22 bzw. § 35 AsylG 2005 seien und die bescheidmäßige "Verweigerung der Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 nicht hätte erfolgen dürfen". Die Verwaltungsbehörde sei ihrer Verpflichtung zur Erteilung eines Visums nicht nachgekommen und müsse daher ihrer Verpflichtung zur Visaerteilung in der Folge nachkommen. Ausgehend von Spruch und Begründung der angefochtenen Erkenntnisse kann somit kein Zweifel daran bestehen, dass die revisionswerbende Botschaft nunmehr die beantragten Visa auszustellen hat. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass in der Begründung der Erkenntnisse von ersatzloser Behebung die Rede ist. Von einem klaren Handlungsauftrag ist die revisionswerbende Botschaft aber offenbar ohnedies selbst ausgegangen, wie die Ausführungen in ihren Anträgen auf aufschiebende Wirkung der Amtsrevisionen zeigen.

14 Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Botschaft nicht gegeben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die in der Revision zentral thematisierte abstrakte Rechtsfrage nach der dogmatischen Einordnung der vorliegenden bekämpften Behebung, weil dadurch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, von der die Lösung des vorliegenden Revisionsfalls abhinge.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Februar 2019

Schlagworte

Spruch und BegründungIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018180491.L00

Im RIS seit

12.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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