TE OGH 2019/1/17 23Ds3/18w

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Veröffentlicht am 17.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Konzett und Mag. Brunar sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 21. März 2018, AZ D 7/17, 12/17, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Vertreters der Kammeranwaltschaft Dr. Müller sowie des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthaltenden – Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt.

Danach hat er dadurch, dass er am 12. November 2014, von 10. März bis 30. November 2015 und von 16. Februar 2016 bis zumindest Ende Februar 2017 rechtsanwaltliche Tätigkeiten und Winkelschreiberei des Dr. Fritz M***** nach dessen Verzicht auf Ausübung der Rechtsanwaltschaft begünstigte, indem er solche – über Unterstützungsleistungen „im Sinn des § 61 RL-BA 1977 und § 56 RL-BA 2015“ hinausgehende – Tätigkeiten sowohl in als auch außerhalb seiner Kanzleiräumlichkeiten zuließ, unter anderem die Teilnahme Dris. M***** an zumindest drei Befundaufnahmen am 12. November 2014, 10. März 2015 und 16. September 2015 in mehreren im Erkenntnis näher bezeichneten Zivilverfahren des Landesgerichts Feldkirch, gegen § 7 RL-BA 1977 und § 5 RL-BA 2015 verstoßen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen – hier nominell § 281 Abs 1 Z 3, 4, 9 lit a und Z 11 erster Fall StPO – in deren Rahmen vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) und die Strafe. Sie schlägt fehl.

Der aus Z 3 erhobenen Verfahrensrüge zuwider liegt ein Verstoß gegen § 260 Abs 1 Z 1 StPO nicht vor. Denn im Spruch des Erkenntnisses sind die Tatzeiten exakt angegeben und wird das vom Beschuldigten geduldete Verhalten des emeritierten Rechtsanwalts teils pauschal, teils unter Anführung einzelner Vertretungshandlungen hinreichend deutlich beschrieben. Damit entspricht dieser den gesetzlichen Anforderungen.

Die Kritik am Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Dr. M***** übende Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon daran, dass der darauf abzielende Beweisantrag des Beschuldigten (nur) in der Disziplinarverhandlung am 29. November 2017 gestellt wurde (ON 6 S 2), die Verhandlung jedoch am 21. März 2018 gemäß § 276a StPO neu durchgeführt wurde (ON 7 S 1), womit der Antrag gegenstandslos war (vgl Danek/Mann, WK-StPO § 238 Rz 4, § 276a Rz 10 mwN; RIS-Justiz RS0099049 [T9]).

Nominell aus Z 4, der Sache nach mit Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet der Berufungswerber zum einen eine unzulässige Berücksichtigung von in der Hauptverhandlung nicht vorgekommenen Akten des Landesgerichts Feldkirch, zum anderen eine verbotene Beweiserhebung durch Verlesung des Akts der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer über die Rückforderung der Altersrente betreffend Dr. M*****. Zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels iSd Z 5 muss jedoch konkret auf jene Feststellungen Bezug genommen werden, auf die sich dieser beziehen soll (RIS-Justiz RS0130729), was die Berufung im vorliegenden Fall unterlässt.

Die – die Beweiswürdigung des Disziplinarrats kritisierende – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist mit den Verweisen auf die Schilderungen des Beschuldigten betreffend seine Tätigkeit für das Ehepaar A***** und die an ihn gerichtete Vollmachtskündigung Dris. F*****, sowie auf die Aussage der Zeugin Sabrina A*****, dass sie Post „mit der Bezeichnung Kanzlei *****“ erhalten habe, und auf die Angaben des Zeugen S*****, wonach man sich wegen eines früheren Falles (neuerlich) an den Beschuldigten gewandt habe, nicht geeignet, Bedenken gegen die Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken. Dies gilt auch für die Verantwortung des Beschuldigten in Bezug auf das lediglich „als Freundschaftsdienst“ bzw „zur Unterstützung“ erfolgte Einschreiten Dris. M***** für Walter V***** und die Miteigentümergemeinschaft Sch*****, D***** sowie die vor verschiedenen Gerichten getätigten Angaben Dris. M*****.

Gegen die Annahme der Kenntnis des Beschuldigten von den festgestellten Vertretungshandlungen Dris. M***** bestehen schon aufgrund der Verrechnung dieser Leistungen an die Mandanten keine Bedenken.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Berufung auf die Satzung der Versorgungseinrichtung für Rechtsanwälte behauptet, Dr. M***** habe in der Kanzlei des Beschuldigten lediglich erlaubte – nämlich unentgeltliche administrative – Hilfstätigkeiten verrichtet, orientiert sie sich nicht an den Feststellungen, denen zufolge der emeritierte Rechtsanwalt sowohl juristische Beratungen als auch Vertretungen von Mandanten des Beschuldigten in Zivilverfahren vor dem Landesgericht (vgl § 27 ZPO) vorgenommen hat (ES 10 ff). Mit der Bestreitung der Feststellungen zur Betreuung der Eheleute A***** durch Dr. M***** hält die Rechtsrüge ebenfalls nicht am Gebot des Vergleichs des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf anzuwendenden Gesetz fest (RIS-Justiz RS0099810).

Ins Leere geht der Einwand, es würden Feststellungen zur Kenntnis des Beschuldigten betreffend die Teilnahme Dris. M***** an den Befundaufnahmen vom 12. November 2014 und vom 10. März 2015 fehlen. Diese sind, wenngleich nicht so detailliert wie in Ansehung des Termins vom 16. September 2015, dem Erkenntnissachverhalt deutlich genug zu entnehmen (ES 13).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) hat der Disziplinarrat die verhängte Strafe zu Recht nicht als Zusatzstrafe gemäß § 31 StGB ausgesprochen. Zum einen setzt die sinngemäße Anwendung der §§ 31, 40 StGB (vgl RIS-Justiz RS0054840) die Rechtskraft des Vorerkenntnisses voraus (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 3), die hier hinsichtlich des Disziplinarerkenntnisses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 18. Oktober 2017, D 12/15 ua, noch nicht gegeben war. Zum anderen nahm jenes Erkenntnis seinerseits auf ein Erkenntnis der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 19. Dezember 2016 (D 1/15 ua) Bedacht und reichte der gegenständlich festgestellte Tatzeitraum bis Februar 2017. Ist die abzuurteilende Tat zwischen zwei früheren Urteilen begangen worden, von denen das zweite auf das erste Bedacht genommen hat, so ist zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung im nunmehrigen Urteil § 31 StGB nicht anzuwenden (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 5).

Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat eine disziplinarrechtliche Vorstrafe und den langen Tatzeitraum als erschwerend, keinen Umstand hingegen als mildernd. Dass der Beschuldigte im Disziplinarverfahren „entsprechende Urkunden vorgelegt und eine klare Aussage erstattet“ habe, wirkt – der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zuwider – nicht mildernd, kann doch darin vorliegend kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) gesehen werden. Der festgestellte Tatzeitraum von mehr als 20 Monaten rechtfertigt die – von der Berufung kritisierte – Annahme des Erschwerungsgrundes der Fortsetzung der Tat durch längere Zeit (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). Aggravierend tritt nunmehr hinzu, dass der als erschwerend gewerteten einschlägigen Vorstrafe durch die inzwischen eingetretene Rechtskraft zweier auf diese Bedacht nehmenden Nachverurteilungen (s 23 Ds 1/18a und 23 Ds 2/18y) höheres Gewicht zukommt. Insgesamt ist die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße somit tat- und tätergerecht und einer Reduktion nicht zugänglich.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Textnummer

E124236

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0230DS00003.18W.0117.000

Im RIS seit

12.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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