Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 44.635,70 EUR sA und Feststellung (Streitwert 8.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2018, GZ 1 R 86/18z-49, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die vier hier in Frage stehenden Reihenhäuser sind – gemeinsam mit einem mehrstöckigen Wohnhaus mit 34 Wohnungen – zur gleichen Zeit auf einer einzigen Liegenschaft errichtet worden. Sie sind nicht unterkellert und haben eine gemeinsame Bodenplatte sowie gemeinsame Feuermauern; sie werden zusammen mit dem größeren Wohnhaus von einer in diesem untergebrachten gemeinsamen Heizzentrale mit Wärme versorgt, und alle Gebäude haben eine gemeinsame Wasserversorgung sowie Abwasserentsorgung. Alle Reihenhäuser werden zu Wohnzwecken genutzt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Anwendung des Mietrechtsgesetzes (MRG) auf bestimmte Räume kann durch Parteienvereinbarung nicht ausgeschlossen werden (RIS-Justiz RS0069393). Fällt ein Rechtsverhältnis in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 MRG, so besteht eine Vermutung für die Anwendbarkeit des MRG, die nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestands (§ 1 Abs 2 bis 4 MRG) widerlegt werden kann (RIS-Justiz RS0069235).
2. Ob ein „Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten“ iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliegt, entscheidet die Verkehrsauffassung; die Beurteilung hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0079853). Bei dieser Einzelfallbeurteilung ist das Vorhandensein gemeinsamer Versorgungseinrichtungen eines der Kriterien für die Einheitlichkeit, daneben spielen aber Alter der Gebäude, bauliche Trennung, Erhaltungszustand oder auch unterschiedliche Verwendung, einerseits zu Wohnzwecken, andererseits zu betrieblichen Zwecken, eine entscheidende Rolle (5 Ob 163/09w; vgl 5 Ob 123/11s, 5 Ob 213/03i). Grundsätzlich ist auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abzustellen; die Identität von Haus und Liegenschaft ist der Regelfall, mehrere auf einem Grundbuchskörper befindliche Häuser sind in der Regel zusammenzuzählen (RIS-Justiz RS0069823 [insbes T8, T13]; vgl RS0069376).
Die Vorinstanzen haben die Reihenhäuser als ein Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen qualifiziert und daher das Vorliegen des von der Klägerin behaupteten Vollausnahmetatbestands nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG verneint. Dies hält sich im Rahmen des den Gerichten bei der Beurteilung von Einzelfällen eingeräumten Ermessensspielraums und entspricht den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen. Die Revision zeigt dagegen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.
3. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des
Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828).
Entgegen den Revisionsbehauptungen brachte die Beklagte in erster Instanz ausdrücklich vor, die Bestandverhältnisse unterfielen dem Voll-, zumindest aber dem Teilanwendungsbereich des MRG und die von der Klägerin nunmehr vermisste Kündigungsmöglichkeit des Vermieters ohne wichtigen Grund iSd § 30 MRG sei nicht gültig zu vereinbaren gewesen. Die Vorinstanzen haben dies als hinreichend substanziierte Bestreitung des Klagsvorbringens gewertet (vgl RIS-Justiz RS0039927), ohne dass die Revision darlegt, warum dies im Einzelfall unvertretbar sein sollte.
4. Die Beklagte hat aufgrund eines objektiven Verschuldensmaßstabs für die typischen Fähigkeiten ihres Berufsstands einzustehen (RIS-Justiz RS0026489). Ob dieser Sorgfaltsmaßstab im konkreten Fall eingehalten wurde, ist eine Frage des Einzelfalls und wirft daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl RIS-Justiz RS0026541 [T4]; RS0026535 [T8]). Auch bei der Beurteilung der einen Vertragserrichter treffenden Sorgfaltspflichten sind der konkrete Auftrag und die sonstigen Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RIS-Justiz RS0026349 [insbes T17]), sodass sich in diesem Zusammenhang regelmäßig keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung stellen.
Die Vorinstanzen verneinten eine Pflicht des Hausverwalters, zum Schutz oder Verfolgung der Interessen des Vertretenen beim Abschluss von Mietverträgen im (zumindest Teil-)Anwendungsbereich des MRG diesem widersprechende Kündigungsklauseln vorzusehen. Die Revision zeigt nicht auf, warum entgegen der Ansicht der Vorinstanzen der Beklagten in diesem Zusammenhang rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen wäre.
5. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Klägerin daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E124251European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00244.18P.0129.000Im RIS seit
13.03.2019Zuletzt aktualisiert am
24.04.2019