TE OGH 2019/2/27 15Os161/18t

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Koerosh R***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 11. Juli 2018, GZ 22 Hv 105/17g-83, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz weitergeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Koerosh R***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (A./I./1./), nach §§ 15, 205 Abs 1 StGB (A./I./2./), nach § 205 Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/40 (A./I./3./) sowie nach § 205 Abs 2 StGB (A./II./1./ und 2./), des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1a StGB (B./) und zweier Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (C./1./ und 2./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er in L*****

A./ wehrlose Personen unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er als Physiotherapeut während der Therapieeinheiten

I./ mit ihnen den Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen vornahm, und zwar

1./ zwischen 15. Mai und 31. Dezember 2015 in zwei Angriffen mit der zur Tatzeit 75- oder 76-jährigen, in äußerst hilfsbedürftiger körperlicher Verfassung befindlichen und immobilen J***** F*****, indem er über der im Bett am Bauch Liegenden kniete und in einem Fall vaginal, in einem weiteren Fall anal in sie eindrang;

2./ am 3. Mai 2017 mit der zur Tatzeit 89-jährigen und körperlich schwer beeinträchtigten B***** L*****, indem er über der im Bett am Bauch Liegenden kniete, ihr die Unterhose auf einer Seite über die Hüfte hinunter zog, seinen nackten Penis an ihrem Gesäß sowie zwischen ihren Beinen rieb und in Richtung Scheide drückte, wobei es zu einem Eindringen infolge Zusammenpressens der Beine durch B***** L***** und ihrer Aufforderung, er solle aufhören, nicht gekommen ist;

3./ am 10. April 2013 mit der zur Tatzeit 73-jährigen, in äußerst hilfsbedürftiger körperlicher Verfassung befindlichen und praktisch immobilen E***** Fi*****, indem er im Bett auf der am Rücken Liegenden kniete, mit einem Finger vaginal in sie eindrang, diesen in ihrer Vagina hin- und herbewegte und gleichzeitig ihre Brust intensiv knetete;

II./ außer dem Fall des § 205 Abs 1 StGB an ihnen geschlechtliche Handlungen vornahm, und zwar

1./ zwischen 15. Mai und 31. Dezember 2015 an der in äußerst hilfsbedürftiger körperlicher Verfassung befindlichen und immobilen J***** F*****, indem er sie in mehreren Fällen intensiv an der nackten Brust streichelte;

2./ am 19. April 2017 an der körperlich schwer beeinträchtigten B***** L*****, indem er mit seiner Hand unter ihr Oberteil griff und zirka 15 Minuten ihre linke Brust massierte, sich hinter sie legte und seinen Penis gegen ihren Rücken und Gesäßbereich drückte;

B./ im August/September 2016 Br***** S***** durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt, indem er sie während der Physiotherapie aufforderte, sich auf den Bauch zu legen, sich im Reitersitz auf ihre Oberschenkel setzte und während der Massage wie bei sexuellen Handlungen (US 8) Vor- und Rückwärtsbewegungen mit den Händen und seinem Gesäß machte;

C./ außer den Fällen des § 201 StGB Personen mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

1./ zwischen Anfang 2017 und 21. Juli 2017 die zur Tatzeit 81- oder 82-jährige I***** Lo*****, indem er sich mit seinem vollen Körpergewicht auf die am Bauch Liegende setzte, sie so fixierte und bewegungsunfähig machte und bekleidet seinen erigierten Penis intensiv auf ihrem Rücken rieb;

2./ zwischen Ende 2014 und Ende 2015 in mehreren Angriffen die zur Tatzeit 80-jährige B***** R*****, indem er sich auf die am Bauch Liegende legte oder sich über sie kniete, sie mit seinem Körpergewicht niederdrückte und dabei seinen erigierten Penis intensiv auf ihrem nackten Rücken rieb.

Rechtliche Beurteilung

Die aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, „9“ und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (nominell Z 3 und 4, der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 4 [vgl Ratz in WK² StGB Vor §§ 21 bis 25 Rz 9]) richtet sich gegen die Abweisung des Antrags auf „Ergänzung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens durch 1. ergänzende Exploration (…) mit dem Angeklagten betreffend seine früheren Beziehungen und 2. Durchführung psychologischer Testungen (...) zur Ermittlung und Überprüfung des Vorliegens von Persönlichkeitsstörungen“. Dieser wurde zum Beweis dafür gestellt, dass beim Angeklagten die von der Sachverständigen diagnostizierte Persönlichkeitsstörung nicht vorliegt und daher die Voraussetzungen für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB nicht gegeben sind (ON 82 S 63). Der Beschwerde zuwider wurden durch die Antragsabweisung Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil das Verlangen nach neuerlicher Befundung durch die vom Gericht beigezogene Sachverständige zur bloßen Überprüfung der Richtigkeit ihres Gutachtens, ohne dass Mängel iSd § 127 Abs 3 erster Satz StPO aufgezeigt wurden, die bei der Befragung der Sachverständigen durch den Verteidiger (vgl ON 82 S 45 bis 57) nicht beseitigt werden konnten, auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (vgl RIS-Justiz RS0117263 [T1, T10]).

Die zur Antragsfundierung im Rechtsmittel nachgetragenen Argumente, die sich auch auf eine diesem angeschlossene, privat in Auftrag gegebene Expertise stützen, sind aufgrund des sich aus dem Wesen des Nichtigkeitsgrundes nach Z 4 ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Die Mängelrüge (Z 5) verweist zusammengefasst auf aus ihrer Sicht widersprüchliche Angaben der Zeuginnen F*****, L*****, Lo*****, R*****, S***** und Fi***** und vermeint, das Schöffengericht habe sich mit diesen „nicht hinreichend“ auseinandergesetzt und nicht „klar und nachvollziehbar“ begründet, weshalb es trotz der Widersprüche zu einem Schuldspruch gelangt sei.

Sie übersieht, dass die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde aus diesen Gründen entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kann diese Beurteilung aber mangelhaft sein, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden – und vom Rechtsmittelwerber deutlich und bestimmt zu bezeichnenden – Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei aber nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden (also für die Schuld- oder Subsumtionsfrage relevanten [RIS-Justiz RS0117499, RS0117264]) Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T4], RS0106588 [T15]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432).

Diese spricht die Beschwerde aber nicht an, indem sie eine Erörterung von Aussagen zum Zeitpunkt und zur Dauer der sexuellen Übergriffe, zur Lage und Bekleidung der Opfer während sowie zu deren allfälligen Beschwerden und Verhaltensweisen nach diesen und zur Anzahl sowie Art der Therapien vermisst.

Mit den Abweichungen zwischen den Angaben der Zeuginnen Lo***** und M***** J***** haben sich die Tatrichter auseinandergesetzt (US 23 f). Dass aus diesen Beweisergebnissen andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, begründet keine Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0098400).

Soweit die Rüge auf die teils späte Anzeigeerstattung der Opfer, deren Verhalten gegenüber dem Angeklagten nach den inkriminierten Vorfällen und teils auf deren körperlichen Zustand zu den Tatzeiten hinweist sowie sich (mehrfach) auf den Zweifelsgrundsatz beruft (vgl aber RIS-Justiz RS0102162), wird kein Begründungsmangel aufgezeigt sondern die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.

Das die Verwirklichung der Tatbestände nach § 218 Abs 1a StGB (B./) und nach § 205 Abs 1 StGB idF BGBl 2009/40 (A./I./3./) in Abrede stellende Vorbringen (nominell Z „9 und 10“, der Sache nach Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den Feststellungen (RIS-Justiz RS0099810), wonach der Angeklagte zu B./ mit seinen Händen und seinem Gesäß das Gesäß des Opfers in intensiver Weise berührte (US 8 f; vgl dazu Philipp in WK2 StGB § 218 Rz 19/7) und zu A./I./3./ die aufgrund ihrer massiven Bewegungseinschränkung verbunden mit ihrem fortgeschrittenen Alter bestehende Wehrlosigkeit der Frau ausnützte, um (nicht nur) ihre Brust zu kneten, sondern (von der Beschwerde übergangen) sie auch mit einem Finger vaginal zu penetrieren (US 5 f).

Der gegen die Unterbringungsanordnung gerichtete Einwand (nominell „Z 9 und 10“, der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5), beim Angeklagten liege keine Persönlichkeitsstörung vor, bestreitet der Sache nach die dazu getroffenen Feststellungen (US 11 f). Indem er dabei nicht einen Mangel iSd Z 5 aufzeigt, sondern gestützt auf eine dem Rechtsmittel angeschlossene, privat in Auftrag gegebene psychiatrische Expertise (vgl zur prozessualen Unbeachtlichkeit derselben aber RIS-Justiz RS0115646, RS0118421; Danek/Mann, WK-StPO § 222 Rz 5/2) die getroffenen Feststellungen bestreitet, wird lediglich in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt.

Soweit der Beschwerdeführer Gründe anführt, warum „keinesfalls davon ausgegangen werden“ könne, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Begehung schwerer Sexualstraftaten zu befürchten sei, richtet er sich der Sache nach gegen den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose und bringt solcherart nur ein Berufungsvorbringen zur Darstellung (RIS-Justiz RS0113980).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

Textnummer

E124227

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00161.18T.0227.000

Im RIS seit

12.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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