Entscheidungsdatum
18.02.2019Index
60/04 Arbeitsrecht allgemeinNorm
AZG §28Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren XX.XX.XXXX, BB, Adresse 1, Z, vom 18.01.2019, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.12.2018, ***, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 278,40 zu leisten.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im bekämpften Straferkenntnis wird AA angelastet, als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ gemäß § 9 Abs 1 VStG der Firma BB, Adresse 1, Z, nicht ausreichend dafür Sorge getroffen zu haben, dass die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten wurden. Bei einer Kontrolle anhand der vom Arbeitgeber vorgelegten digitalen Daten aus Kontrollgeräten/Fahrerkarten sei festgestellt worden, dass die in der folgenden Liste angeführten Arbeitnehmer beim Unternehmen BB, Adresse 1, Z, beschäftigt als Lenker eines Kraftfahrzeuges mit der in der folgenden Liste angeführten Beförderungsart und dem Kennzeichen zu folgenden gesetzwidrigen Arbeitszeiten und/oder Formverstößen herangezogen wurden. In weiterer Folge werden in 13 Übertretungsgruppen aufgegliedert die Einzeltathandlungen im Detail angeführt. Die Tathandlungen werden folgenden Strafnormen subsumiert:
Übertretungsgruppe 1: § 28 Abs 5 Z 8 iVm Abs 6 Z 4 AZG
Übertretungsgruppe 2: § 28 Abs 5 Z 2 iVm Abs 6 Z 1 lit a AZG
Übertretungsgruppe 3: § 28 Abs 5 Z 2 iVm Abs 6 Z 2 AZG
Übertretungsgruppe 4: § 28 Abs 3 Z 8 AZG
Übertretungsgruppen 5 bis 9: § 28 Abs 3 Z 2 AZG
Übertretungsgruppe 10: § 28 Abs 5 Z 2 iVm mit Abs 6 Z 2 AZG
Übertretungsgruppen 11 bis 13: § 28 Abs 3 Z 2 AZG
Für diese 13 Übertretungen wurden jeweils die gesetzlichen Mindeststrafen in der Höhe von Euro 72,00, Euro 200,00 und Euro 400,00 verhängt. Der Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren wurde mit Euro 170,00 bestimmt.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in der Herr Schreiring vorbringt, dass für die angelasteten Übertretungen gemäß Delegierung der gewerberechtliche Geschäftsführer CC senior, geboren XX.XX.XXXX, X, Adresse 2, verantwortlich sei.
II. Sachverhalt:
Laut Unternehmensregister ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der BB in Adresse 1, Z, AA, geboren XX.XX.XXXX. Er vertritt seit 01.02.2014 selbstständig. Laut Gewerberegister ist gewerberechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft seit 15.01.2015 CC, geboren XX.XX.XXXX, Y, Adresse 3. CC senior wurde nicht zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 bis 4 VStG für die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes bestellt.
Im Zuge einer vom Arbeitsinspektorat Tirol durchgeführten Kontrolle wurden anhand der vom Arbeitgeber vorgelegten digitalen Daten aus Kontrollgeräten bzw Fahrerkarten die in der Anzeige vom 21.08.2018 des Arbeitsinspektorates Tirol angeführten und im Spruch des bekämpften Straferkenntnis enthaltenen Übertretungen aufgelistet. Die gegenständlichen Strafen richten sich gegen den Arbeitgeber nach dem Arbeitszeitgesetz.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Y.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Gesetzesbestimmungen maßgeblich:
Gewerbeordnung 1994:
„§ 370. (1) Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt, so sind Geld- oder Verfallsstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.
[…]“
Verwaltungsstrafgesetz 1991:
„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
(3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.
(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.
(5) Verletzt der verantwortliche Beauftragte auf Grund einer besonderen Weisung des Auftraggebers eine Verwaltungsvorschrift, so ist er dann nicht verantwortlich, wenn er glaubhaft zu machen vermag, daß ihm die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift unzumutbar war.
(6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten – unbeschadet der Fälle des § 7 – strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.
(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.“
V. Erwägungen:
Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung als gewerberechtlicher Geschäftsführer bezieht sich nur auf die Einhaltung von Verpflichtungen, die sich aus gewerberechtlichen Vorschriften ergeben. Regelungen, die nicht den Kompetenztatbestand „Angelegenheiten des Gewerbes unter der Industrie“ (Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG) zugehören, fallen selbst dann, wenn sie in Beziehung zur Gewerbeausübung stehen, nicht in den Verantwortungsbereich des gewerberechtlichen Geschäftsführers (vgl VwGH 30.01.2002, 2001/03/0283). Der gewerberechtliche Geschäftsführer ist gegenüber der Behörde für die Einhaltung aller gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Nicht einzustehen hat er für Verletzungen des Arbeitsrechts, des Sozialversicherungsrechts und des Arbeitnehmerschutzes.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach § 9 Abs 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften unter anderem durch juristische Personen grundsätzlich strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Dies ist bei einer GmbH der handelsrechtliche Geschäftsführer.
Der Beschwerdeführer hat nicht die Bestellung von CC Senior zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 bis 4 VStG bescheinigt und diesen Umstand gar nicht einmal behauptet. Daher war das Verwaltungsstrafverfahren gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer zu führen.
Der Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers, dass für die Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz der gewerberechtliche Geschäftsführer aufgrund dieser Funktion strafrechtlich verantwortlich sei, ist rechtlich unzutreffend, weshalb der Schuldspruch gegen AA zu Recht erging.
Im Hinblick darauf, dass die Erstbehörde jeweils die gesetzlichen Mindeststrafen verhängt hat, erübrigt sich ein Eingehen auf die Strafbemessung, die im Rechtsmittel auch gar nicht angefochten wurde.
Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu des Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat, der für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,00 Euro zu bemessen ist. Daraus ergibt sich die Vorschreibung der Verfahrenskosten in Spruchpunkt 2.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Auslegung von Daten aus digitalen Kontrollgeräten und Fahrerkarten; Strafen gegen Arbeitgeber (GmbH) nach AZG; Strafrechtliche Verantwortlichkeit von handelsrechtlichem/gewerberechtlichem GeschäftsführerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.25.0277.1Zuletzt aktualisiert am
11.03.2019