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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Verkehr vom 4. April 1996, Zl. 56.041/7 - I/D/7a/96, betreffend Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1959 geborene Beschwerdeführerin ist seit 1980 verheiratet und hat 4 Kinder. In der Zeit ab 1978 bis 1991 war sie wiederholt kurzfristig (bis 3 Monate) bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt und bezog zwischendurch Karenzgeld bzw. Notstandshilfe.
Im Sommersemester 1995 begann sie an der Universität X. ihr Studium der Studienrichtung Soziologie, sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Studienzweig.
Ihren am 11. Mai 1995 gestellten Antrag auf Gewährung der Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG 1992) wies die Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle X, mit Bescheid vom 20. Juli 1995 für die Zeit ab März 1995 (für das SS 1995) ab, gewährte ihr jedoch ab Oktober 1995 (für das WS 1995/96) Studienbeihilfe in der Höhe von monatlich S 400,--. Sie begründete die Abweisung für das SS 1995 im Wesentlichen damit, die soziale Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin nach §§ 6 Z. 1, 28 und 30 Abs. 2 Z. 1 StudFG 1992 sei (für diesen Zeitraum) nicht gegeben. Aus der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Beilage geht hervor, dass die Behörde u.a. das Einkommen der Eltern der Beschwerdeführerin für die Ermittlung der zumutbaren Unterhaltsleistung herangezogen hat und damit das Vorliegen der Selbsterhaltereigenschaft der Beschwerdeführerin (nach § 27 StudFG 1992) - dazu waren auf Grund eines mündlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin Ermittlungen angestellt worden - implicite verneint hat. Die zumutbare Unterhaltsleistung lag (im SS 1995) über der damals geltenden Höchststudienbeihilfe für verheiratete Studierende mit Kindern (S 9000,-- pro Monat).
Ihre Vorstellung, in der die Beschwerdeführerin ihre Selbsterhaltereigenschaft (im Sinn des § 27 StudFG 1992) geltend machte, was zu einer Nichtberücksichtigung des elterlichen Einkommens nach § 30 Abs. 3 leg. cit. zu führen habe, wies der Senat der Studienbeihilfenbehörde für Studierende an der Universität X. mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin sei der Aufforderung, entsprechende Nachweise für das Zutreffen ihrer Behauptung vorzulegen, nicht nachgekommen.
In ihrer Berufung wies die Beschwerdeführerin auf bereits früher vorgelegte Bestätigungen (der zuständigen Gebietskrankenkasse und des Arbeitsamtes S.) hin, aus denen die Zeiten einschließlich der Höhe der von ihr empfangenen Bezüge ersichtlich sei. Andere Einkommensunterlagen könne sie nicht vorlegen, weil die Zeiten des Selbsterhaltes bereits bis zu 16 Jahren zurücklägen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. April 1996 wies die belangte Behörde diese Berufung ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, nach dem StudFG 1992 sei zur Berechnung der Studienbeihilfe regelmäßig das Einkommen der Eltern heranzuziehen. Lediglich für Studierende, die als Selbsterhalter im Sinn des § 27 StudFG 1992 anzusehen seien, werde das elterliche Einkommen nach § 30 Abs. 3 leg. cit. nicht in die Berechnung einbezogen. Voraussetzung für das Vorliegen eines Selbsterhalters sei sowohl eine Mindestdauer beim Bezug von Einkünften (vier Jahre) sowie eine Mindesthöhe der Einkünfte in dieser Zeit (S 84.000,-- im Jahr, das entspreche bei zwölf Monatsbezügen S 7.000,-- monatlich). Auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigungen sei eindeutig ersichtlich, dass sie mit Ausnahme eines einzigen Monats bei ihren Einkünften die erforderliche Mindestgrenze von S 7.000,-- nie erreicht habe. Damit seien die Voraussetzungen für die Qualifikation als Selbsterhalter nicht gegeben. Die Studienbeihilfenbehörde habe daher zu Recht bei der Berechnung der Studienbeihilfe nicht nur das Einkommen ihres Ehegatten, sondern auch das Einkommen ihrer Eltern berücksichtigt. Da die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Berufung keine neuerlichen Unterlagen vorlegen habe können und nach eigenen Angaben über keine weiteren Einkunftsnachweise verfüge, sei bei der Berechnung der Studienbeihilfe vom Einkommen ihrer Eltern auszugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in der sie vor allem geltend machte, die zum Unterschied zum Präsenz- und Zivildienst nicht erfolgte Berücksichtigung der Mutterschaft und Kindererziehung in § 27 StudFG 1992 belaste diese Norm mit Verfassungswidrigkeit. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 29. September 1998, B 1683/96, die Behandlung der Beschwerde ab, trat sie jedoch antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In ihrer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Rechtslage
1. Studienförderungsgesetz 1992
Im Beschwerdefall ist auf Grund der zeitlichen Lagerung für die Beurteilung der strittigen Frage der sozialen Bedürftigkeit, die davon abhängt, ob der Beschwerdeführerin die Eigenschaft als Selbsterhalterin zukommt oder nicht, das StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 619/1994 maßgebend. Paragraphenzitate ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf dieses Gesetz.
§ 27 (in der Fassung BGBl Nr 619/1994) lautet:
"(1) Die Höchststudienbeihilfe beträgt monatlich 8.800 S für Studierende, die sich vor der ersten Zuerkennung von Studienbeihilfe durch Einkünfte im Sinne dieses Bundesgesetzes mindestens vier Jahre zur Gänze selbst erhalten haben.
(2) Ein Selbsterhalt liegt nur dann vor, wenn das jährliche Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes während dieser Zeit wenigstens die Höhe der jährlichen Höchststudienbeihilfe gemäß Abs. 1 erreicht hat.
(3) Zeiten des Präsenz- oder Zivildienstes sind für die Dauer des Selbsterhaltes jedenfalls zu berücksichtigen."
Nach § 28 betrug die Höchststudienbeihilfe für verheiratete Studenten und für Studenten, die zur Pflege und Erziehung mindestens eines Kindes gesetzlich verpflichtet sind, im SS 1995 S 9.000,--, im WS 1995/96 S 9.400,--.
Nach § 8 Abs. 1 (in der Fassung BGBl. Nr. 619/1994) ist Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung zuzüglich
1.
der Hinzurechnungen gemäß § 9 und
2.
des Pauschalierungsausgleiches gemäß § 10.
Gemäß § 9 sind dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EstG 1988 die folgenden Beträge hinzuzurechnen:
1. steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1, Z. 1, Z. 2, Z. 3 lit. a - jedoch mit Ausnahme des Hilflosenzuschusses und der Hilflosenzulage sowie von Pflege- und Blindenzulagen (Pflege- oder Blindengeld, Pflege- oder Blindenbeihilfe) -, Z. 4 lit. a, c und e, Z. 5, Z. 8 bis 12, Z. 15, Z. 22 bis 24 sowie Z. 25, Z. 27 und Z. 28, wenn es sich dabei um wiederkehrende Leistungen handelt, und § 112 Z. 1 EStG 1988;
2. die Beträge nach den §§ 10, 12, 18 Abs. 1 Z. 4 sowie Abs. 6 und 7, 24 Abs. 4, 27 Abs. 3, 31 Abs. 3, 36, 41 Abs. 3 sowie 112
Z. 5, Z. 7 und Z. 8 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;
3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, und die besondere Schulbeihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983, BGBl. Nr. 455.
Für die Höhe der Studienbeihilfe ist das Ausmaß der sozialen Bedürftigkeit maßgebend ( § 30 Abs. 1). Die Studienbeihilfe ist zu berechnen, indem die jährlich jeweils mögliche Höchststudienbeihilfe nach § 30 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 u.a. um die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern (§ 31 Abs. 1) und des Ehegatten (§ 31 Abs. 3) vermindert wird.
Für Selbsterhalter gilt allerdings nach § 30 Abs. 3 eine vom Regelfall abweichende Sonderbestimmung, weil bei dieser Personengruppe die Höchststudienbeihilfe nicht um die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern zu vermindern ist.
2. Einkommenssteuergesetz 1988
§ 2 Abs. 2 und 3 EStG 1988 lauten:
"(2) Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18), außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) und Sanierungsgewinne (§ 36) sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105. Verluste aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter gelegen ist, sind weder ausgleichs- noch gemäß § 18 Abs. 6 und 7 vortragsfähig. Solche Verluste sind mit Gewinnen (Gewinnanteilen) aus diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen.
(3) Der Einkommensteuer unterliegen nur:
1.
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 21),
2.
Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22),
3.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23),
4.
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25),
5.
Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27),
6.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28),
7.
sonstige Einkünfte im Sinne des § 29."
Gemäß § 29 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 sind sonstige Einkünfte nur wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 gehören. Bezüge, die freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt werden, sind nicht steuerpflichtig.
II. Beschwerdeausführungen
1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung der Studienbeihilfe nach Maßgabe des StudFG 1992 verletzt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht sie im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe bei der Beurteilung ihrer Selbsterhaltereigenschaft nicht berücksichtigt, dass sie nach § 94 ABGB als haushaltsführender und wirtschaftlich schwächerer Ehegatte einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt bzw. einen Ergänzungsanspruch gegenüber ihrem Ehemann habe. Unter Berücksichtigung der in der Judikatur angewandten Prozentsätze (33 % des Familieneinkommens für den haushaltsführenden Ehegatten; 40 % für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten) hätte sie bei Berücksichtigung ihres Unterhaltsanspruches im Sinne des § 27 ein jährliches Einkommen von S 84.000,-- erreicht. Die Berücksichtigung ihres Unterhaltsanspruches bei der Berechnung des jährlichen Einkommens nach § 27 Abs. 2 sei aus 2 Gründen geboten:
a) aus einem Umkehrschluss aus § 30 Abs. 2 Z. 2, wonach die zumutbare Unterhaltsleistung des Ehegatten die mögliche Höchststudienbeihilfe des Studierenden vermindere und
b) aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 2 Abs. 2, 3 und 29
Z. 1 EStG 1988, aus denen sich ergebe, dass Unterhaltsleistungen unter den Einkommensbegriff fielen. Dass diese Leistungen nach dem EStG 1988 nicht steuerpflichtig seien, ändere daran nichts.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde ihren Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten bei der Berechnung des zur Selbsterhaltungsfähigkeit führenden Einkommens berücksichtigen bzw. sie zur Vorlage entsprechender Einkommensnachweise ihres Ehegatten zur Berechnung ihres Unterhaltes auffordern müssen.
2. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass das StudFG 1992 (§ 8 Abs. 1 Z. 1) am Einkommensbegriff des EStG 1988 anknüpft und § 27 Abs. 2 im Lichte der genannten Bestimmungen auszulegen ist. Diese Bestimmungen dürfen aber nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist auf den Gesamtzusammenhang, in der diese Bestimmungen stehen, Bedacht zu nehmen. Davon ausgehend besteht aber entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein Zweifel, dass das StudFG 1992 offenkundig auf das steuerpflichtige Einkommen abstellt (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 16. März 1999, 97/08/0554). Das ergibt sich insbesondere aus § 8 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 9 Z. 1, der ausdrücklich bestimmte nach dem EStG 1988 steuerfreie Bezüge für die Ermittlung des Einkommensbegriffes nach dem StudFG 1992 hinzuzählt: diese Bestimmung wäre völlig überflüssig und unverständlich, wenn vom weiten Einkommensbegriff der Beschwerdeführerin auszugehen wäre. Im Übrigen spricht auch die Bestimmung des § 8 Abs. 2, die den Fall des Zusammentreffens mehrerer Einkunftsarten regelt, von lohnsteuerpflichtigen Einkünften und stellt damit für diese Einkunftsart ausdrücklich klar, dass u.a. steuerbefreite Einkommen nicht darunter fallen. Dass dies für andere Einkunftsarten anders sein sollte, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und stünde auch mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 7 B-VG in offenkundigem Widerspruch. Wie sich aus § 29 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 zweifelsfrei ergibt, sind die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Unterhaltszahlungen nicht steuerpflichtig.
Aus § 30 Abs. 2 Z. 2 kann für die Auslegung des jährlichen Einkommens im Sinne des § 27 Abs. 2 schon deshalb nichts gewonnen werden, weil die letztgenannte Bestimmung ausdrücklich auf den Einkommensbegriff "im Sinne dieses Bundesgesetzes" verweist und damit § 8 angesprochen wird.
3. Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als nicht berechtigt und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Der Kostenspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGB. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999120058.X00Im RIS seit
20.11.2000