TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/22 L501 2207980-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2018
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Entscheidungsdatum

22.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L501 2207980-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2018, IFA 1073307408 VZ. 180910176, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46 und 52 Abs.2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) reiste spätestens am 12.06.2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Gründen ihrer Ausreise befragt, gab sie an, sie sei von schiitischen Milizen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit bedroht worden.

In ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) am 06.02.2018 brachte die bP zusammengefasst vor, dass sie von schiitischen Milizen bedroht werde, da sie illegal den von ihrem Onkel bezogenen Alkohol verkauft habe. Die Miliz habe von ihrem Alkoholverkauf erfahren und sie vier Tage lang festgehalten und gefoltert, um den Namen ihres Lieferanten zu erfahren. Nachdem sie ihren Onkel verraten habe, sei sie wieder freigelassen worden. Der Sheikh habe ihr aber gesagt, dass Basra nicht groß wäre und er sie beobachten werde. Am 05.09.2018 habe der Sheikh ihrem Vater das ihren Verrat bezeugende Video gezeigt und sei sie in der Folge aus dem Stamm ausgeschlossen worden. Zwei Monate später sei ihr Onkel von der Miliz angegriffen und mit einem Messer verletzt worden. Sie habe nur noch Kontakt mit ihrer Mutter, da der Vater ihr etwas antun würde.

Das BFA wies den Erstantrag der bP vom 12.06.2015 mit Bescheid vom 02.03.2018, VZ 150665978, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung der bP in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Das BFA erachtete das Vorbringen der bP zu der von ihr behaupteten Bedrohungssituation in ihrer Heimat mit näherer Begründung als nicht glaubhaft und ging des Weiteren davon aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliegt sowie eine Ausweisung keine Verletzung des Art 8 EMRK darstellt. Die bP erhob keine Beschwerde; der Bescheid erwuchs mit 05.04.2018 in Rechtskraft.

I.2. Am 25.09.2018 stellte die bP den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf Zuerkennung von internationalem Schutz. Zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung befragt, führte die bP aus, dass ihre alten Fluchtgründe aufrecht blieben und neue hinzugetreten seien. Ihr Onkel sei Anfang Juli dieses Jahr im Irak entführt worden.

In ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 03.10.2018 teilte die bP zusammengefasst mit, dass ihr ein Freund erzählt habe, sie stehe noch immer auf der Liste der Partei Asaib Ahl al-Haq; sie stehe seit 2015 auf dieser Liste; sie habe dies auch 2015 erzählt. Ihr Onkel habe im Wirtschaftsministerium gearbeitet, er sei oft in den Libanon und nach Jordanien gereist. Sie habe gemeinsam mit ihrem Onkel Alkohol verkauft, dies sei gegen die Parteien; dies sei das Problem. Was es bedeute, dass sie auf der Liste stehe, wisse sie selber nicht. Wenn sie auf der Liste sei, sei sie sicher tot. Ihre Mutter habe ihr erzählt, dass der Onkel nach seiner Rückkehr aus dem Libanon verschwunden sei. Ihre Onkel hätten eine Vermisstenanzeige erstattet; die Polizei habe sicherlich nach ihm gesucht, aber sicher ohne Ergebnis. Wenn eine der Parteien etwas sage, dann schweige die Polizei. Sie befürchte, dass ihr im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat etwas passiert; sie habe Angst vor denen. Sie habe drei Mal einen Asylantrag gestellt, sie habe dies nicht notwendig, sie habe viel Geld verloren. Ihr sei es lieber, bei ihrer Mutter zu schlafen, als hier zu verhungern und zu verdursten.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowohl hinsichtlich der Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Der bP wurde der Auftrag erteilt, ab 26.09.2018 in einem näher bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.)

Die belangte Behörde stellte zusammengefasst fest, dass ein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt nicht festgestellt habe werden können und sich die allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsstaat nicht geändert habe. Dem ‚neuen' Vorbringen sprach sie den glaubhaften Kern ab und führte diesbezüglich in der Beweiswürdigung wie folgt aus:

"Die nun im gegenständlichen Verfahren dargestellten Angaben hinsichtlich Ihres Fluchtgrundes, als dass Ihr Onkel seit Juni 2018 verschwunden wäre und Ihr Name nach wie vor auf der Liste der Asaib Ahl al-Haq stünde, waren zu keinem Zeitpunkt genügend substantiiert, um diese als glaubhaft zu bezeichnen, oder um darin einen neuen Sachverhalt zu erkennen. Sie gaben selbst an, dass Ihr Name bereits seit dem Jahr 2015 auf der Liste stünde und man Sie immer noch aufgrund Ihres illegalen Alkoholverkaufes suchen würde. Dass Ihr Onkel verschwunden ist, konnten Sie in keinster Weise beweisen, obwohl Sie angaben, dass Ihre übrigen Onkel eine Vermisstenanzeige gemacht hätten. Das Bundesamt hätte jedenfalls erwarten können, dass Sie vorschlagen würden, diese Vermisstenanzeige beim BFA in Vorlage zu bringen, was Sie jedoch nicht taten. Sofern Sie in den Raum stellten, dass Ihr Onkel verschwunden wäre, weil er Ihnen bis zum Jahr 2015 geholfen hätte, illegal Alkohol zu verkaufen, ist anzumerken, dass es für das Bundesamt nicht nachvollziehbar ist, dass Ihr Onkel etwa drei Jahre später erst entführt oder umgebracht worden wäre. Die schiitische Miliz hatte Ihren Onkel bereit im Jahr 2015 in Ihrer Gewalt und hätte bereits damals gegen Ihren Onkel vorgehen können. Dass Ihr Onkel plötzlich wieder von Interesse für die Miliz sein sollte, ist für das Bundesamt nicht nachvollziehbar und sind Ihre Angaben daher auch nicht glaubhaft, dies nicht zuletzt wo Sie doch auch nur sehr vage Schilderungen über das angebliche Verschwinden Ihres Onkels machten."

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurde festgehalten, dass es sich bei dem Vorbringen der bP um Umstände handle, die bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens bestanden hätten, bzw. wiesen die nun neu vorgebrachten Gründe keinerlei glaubhaften Kern auf. Es sei absolut nicht glaubhaft, dass der Onkel plötzlich, ca. drei Jahre nach den illegalen Alkoholgeschäften, entführt worden wäre oder dass die Miliz Asaib Ahl al-Haq irgendetwas mit seinem Verschwinden zu tun habe. Die bP habe im Verfahren letzten Endes auch nur angegeben, dass ihr Onkel im Juni 2018 verschwunden wäre und niemand aus der Familie wisse, wohin. Die bP habe keine dezidierten Angaben darüber gemacht, dass eine schiitische Miliz etwas mit dem Verschwinden zu tun haben könnte.

Mit Verfahrensanordnung vom 05.10.2018 wurde der bP für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Die mit Schreiben vom 16.10.2018 fristgerecht erhobene Beschwerde richtet sich gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des verfahrensgegenständlichen Bescheides. Moniert wurde, dass die Art und Weise, in welcher der bP die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde, nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht entspräche; die im Asylwesen tätigen Spezialbehörden müssten das ihnen zugängliche Wissen von Amts wegen verwerten. Falls asylrelevante Antworten ausgeblieben sind, wäre die bP gerne bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Die bP wäre aufgrund ihrer Tätigkeit mit Alkohol im Irak im erheblichen Ausmaß gefährdet, ihr Onkel sei in diesem Zusammenhang getötet worden. Auch sei die bP aus ihrem Stamm ausgeschlossen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Hinsichtlich der Anträge auf internationalen Schutz sowie der Vorbringen der nunmehrigen bP im Erstasylverfahren und im Folgeverfahren sowie der ergangenen Entscheidungen des BFA wird auf den unter Pkt. I. beschriebene Verfahrensgang verwiesen.

II.1.2. Die Identität und Herkunft der bP steht lt. BFA fest. Sie ist Staatsangehörige des Iraks, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitischen Glaubens. Sie kommt aus Basra und war im Herkunftsstaat durch ihre Arbeit als Kfz-Mechaniker bzw. in einem Restaurant in der Lage, ihre Existenz zu sichern. Ihre Eltern, ihre Geschwister sowie ihre Tanten und Onkel mütterlicherseits leben nach wie vor in Basra. Mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester ist die bP über WhatsApp regelmäßig in Kontakt. Ihr Vater ist Angestellter bei einem Stromanbieter, ihre ältere Schwester arbeitet bei einer türkischen Computerfirma, ihr Bruder spielt Fußball in einem Club, ihre Mutter ist Hausfrau. Die Familie verfügt über zwei Häuser. Die bP wird von ihrer Mutter finanziell unterstützt. Die bP ist ledig und für niemanden unterhalts- oder sorgepflichtig. Aktuell liegen keine lebensbedrohlichen Erkrankungen vor.

Die bP reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein. Sie verfügt in Österreich über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Sie besuchte Deutschkurse bis zum Niveau B1 und sechs bis sieben Monate die HTL bzw. auch ein Gymnasium; nach dem negativen Abschluss des Erstasylverfahrens beendete sie den Schulbesuch. Sie spricht mittelmäßig Deutsch und verfügt über gewöhnliche soziale Kontakte in Österreich. Die bP legte Empfehlungsschreiben von SeneCura und Privatpersonen vor. Eine soziale oder integrative Verfestigung hat nicht stattgefunden. Die bP stand in Österreich zu keiner Zeit in Beschäftigung, ist mittellos und zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf staatliche Zuwendungen angewiesen bzw. wird sie von ihrer im Irak lebenden Mutter finanziell unterstützt.

Die bP ist strafgerichtlich unbescholten. Der mit Stellung des Erstasylantrages beginnende Aufenthalt der bP in Österreich wurde durch Aufenthalte in Deutschland (von Feber bis Mai 2018) und den Niederlanden unterbrochen; ihren eigenen Angaben nach reiste sie am 24.09.2018 wieder neu nach Österreich ein. Sie verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Ihr Aufenthalt war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinne der §§ 382b oder 382e EO.

II.1.3. Der bP droht im Irak keine individuelle Gefährdung oder psychische und/oder physische Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte. Das Vorbringen der bP zur Begründung ihres verfahrensgegenständlichen zweiten Antrages auf internationalen Schutz weist keinen glaubhaften Kern auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak. Die bP ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit Berufserfahrung. Sie verfügt über familiäre Beziehungen im Irak und ist ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung ihres Auskommens möglich und zumutbar.

II.1.4. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der bP werden die bereits von der belangten Behörde im verfahrensgegenständlichen Bescheid getroffenen länderkundlichen Feststellungen auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt.

II.1.5. Eine entscheidungsmaßgebliche Änderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP ist seit der Rechtskraft des Bescheides des BFA vom 02.03.2018, VZ 150665978, nicht eingetreten.

II.2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen unter Punkt II. ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde zum gegenständlichen und dem vorangegangenen Verfahren. Der Sachverhalt steht sohin bereits aufgrund der Aktenlage außer Zweifel und ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung der belangten Behörde weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität auf. Die Feststellungen wurden der bP in der Einvernahme vor der belangten Behörde mit der Möglichkeit, dazu eine Stellungnahme abzugeben, ausgehändigt, worauf die bP ausdrücklich verzichtete.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu A)

II.3.1. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache)

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren

Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zu dem rechtskräftig entschiedenen Erstasylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783); im vorliegenden Fall somit der in Rechtskraft erwachsene Bescheid der belangten Behörde vom 02.03.2018, VZ 150665978.

Wie sich bei einem Vergleich der Verfahrensinhalte des ersten sowie des gegenständlichen Verfahrens zeigt, stützt die bP den gegenständlichen Folgeantrag auf bereits im Vorverfahren getätigte Angaben, die sie mit einem nach der Rechtskraft dieses Verfahrens neu aufgetretenen Geschehnis ergänzte.

So gab die bP in ihrer Einvernahme am 25.09.2018 selbst an, dass ihre alten Fluchtgründe aufrecht blieben, erweiterte aber die damalige Bedrohung um die Entführung ihres Onkels. Auch in ihrem Vorbringen, ein Freund habe sie informiert, dass sie auf der Liste der Asaib Ahl al-Haq stehe, ist kein neu entstandener Sachverhalt zu erkennen, zumal sie in der Einvernahme selbst angegeben hat, seit dem Jahr 2015 auf dieser Liste zu stehen und dies auch im Vorverfahren erzählt zu haben. (vgl. Bescheid Seite 7, 2. Absatz). Bei diesem Vorbringen handelt es sich somit jedenfalls - ungeachtet einer Beurteilung der Glaubhaftigkeit an dieser Stelle - um ‚Tatsachen', die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben und damit nicht zu einer neuen Sachentscheidung führen können (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089).

Neu brachte die bP vor, dass ihr Onkel im Juni/Juli nach seiner Rückkehr aus dem Libanon im Irak verschwunden sei; diese ‚Bedrohung' entstand sohin nach Rechtskraft der letzten Entscheidung. Die belangte Behörde hat daher im Sinne der Rechtsprechung zutreffend geprüft, ob diesem neuen Vorbringen ein glaubhafter Kern zukommt oder nicht. Ihre diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen werden vom Bundesverwaltungsgericht als logisch konsistent, schlüssig und nachvollziehbar erachtet. Dies insbesondere aus folgenden Gründen:

Wie die belangte Behörde richtig ausführt, fehlt es dem Vorbringen - auch angesichts des regen Kontakts zu der im Irak lebenden Mutter - an Substanz: das Verschwinden des Onkels wird isoliert in den Raum gestellt, es wird nicht in ein nachvollziehbares Geschehen eingebettet, vielmehr bleibt die Geschichte vage und wird kein wirklicher nachvollziehbarer Zusammenhang zur bP und der im Vorverfahren behaupteten Bedrohung durch schiitische Milizen aufgrund des illegalen Alkoholverkaufs hergestellt. In die Überlegungen miteinbezogen wurde des Weiteren der seit den behaupteten Geschehnissen im Jahr 2015 verstrichene Zeitraum von drei Jahren; wie das BFA richtigerweise ausführte, kann nicht erkannt werden, warum der illegale Alkoholverkauf des Onkels im Jahr 2015 auf einmal wieder von Interesse für die Miliz gewesen sein sollte, insbesondere da sie - dem Vorbringen nach - bereits zeitnah gegen ihn vorgegangen war. Zur gänzlich blassen Erzählung betreffend die Aufgabe einer Vermisstenanzeige durch ihren Onkel tritt noch das fehlende Angebot der bP, eine Kopie dieser Anzeige bzw. eine Bestätigung der Anzeigeerstattung - falls erforderlich - in Vorlage zu bringen; ein Verhalten, das nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einem wahren Vorbringen jedenfalls zu erwarten wäre.

Aus oben dargelegten Erwägungen teilt das Bundesverwaltungsgericht folglich die Beurteilung des BFA, wonach das im gegenständlichen Verfahren neu erstattete Vorbringen keinen glaubhaften Kern aufweist. Soweit die bP die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrecht hielt und sich darauf bezog, so liegt - wie bereits von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wurde - kein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern wird lediglich die Würdigung im Bescheid des BFA vom 02.03.2018, VZ 150665978, in Frage gestellt bzw. jener Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.

In der Beschwerde wurde den beweiswürdigenden Ausführungen des BFA nicht konkret entgegengetreten, sondern das bisherige Vorbringen der bP in knapper Form wiederholt; die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde stellt weder ein substantiiertes Bestreiten der behördlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung dar (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0021). Soweit in der Beschwerde dem BFA vorgehalten wird, kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben, weshalb das Verfahren mit Verfahrensmängeln belastet sei, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne in konkreter Weise die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen (VwGH 23.02.2016, Ra 2016/01/0012). Die Beschwerde lässt nämlich nicht erkennen, was bei einer anderen bzw. weiterführenden Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt hervorkommen hätte können, zumal in der Beschwerde nicht die Gelegenheit wahrgenommen wurde, die vom BFA in seiner Beweiswürdigung aufgezeigten Argumente zu entkräften.

Ausweislich der von der belangten Behörde in die Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen konnte auch eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage im Irak im Sinne einer Verschlechterung seit der Rechtskraft des Bescheides des BFA vom 02.03.2018, VZ 150665978, nicht festgestellt werden bzw. sind von Amts wegen seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens keine Änderungen der allgemeinen Situation im Irak notorisch.

Durch die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten durch den Bescheid der belangten Behörde vom 02.03.2018, VZ 150665978, wurde rechtskräftig darüber abgesprochen, dass der bP im Falle ihrer Rückkehr in den Irak kein reales Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht bzw. relevante exzeptionelle Umstände nicht vorliegen.

Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 MRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Die Rechtskraft der Entscheidung des BFA vom 02.03.2018 wäre daher nur durchbrochen, wenn die bP im gegenständlichen Folgeverfahren den Beweis des - im gesamten Irak bestehenden - realen Risikos einer derartigen Behandlung bzw. des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände erbracht hätte. Derartige Nachweise hat die bP im vorliegenden Fall nicht erbracht, auch eine Lageänderung wurde nicht vorgebracht. Besondere, in der Person der bP (neu) begründete Umstände, die dazu führten, dass gerade bei ihr ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko bestünde, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, wurden - wie bereits oben dargelegt - nicht glaubhaft vorgebracht und sind nicht ersichtlich.

Mit dem gegenständlichen zweiten Antrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sachlage und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs. 1 AVG verhindert werden soll (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).

II.3.2. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Abschiebung in den Irak)

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Ermittlungsverfahren sind verfahrensgegenständlich keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde von der bP selbst nichts dahingehend dargetan. Der bP ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. (Abs 1)

Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. (Abs 1a) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. (Abs 2) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt. (Abs 3) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. (Abs 4)

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass eine Entscheidung nach § 68 AVG als eine solche zu betrachten ist, die (auch) in Anwendung der §§ 3 und 8 AsylG 2005 ergangen ist, und mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

Für die bP sprechen ihre Deutschkenntnisse, die Empfehlungsschreiben sowie ihre strafrechtliche Unbescholtenheit. Sie verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch über eine sonstige hinreichend starke Nahebeziehung zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen, während im Irak Angehörige ihrer Kernfamilie leben. Die bP hat hierorts keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen, sie bestreitet ihren Lebensunterhalt durch staatliche Leistungen. Eine berufliche Integration ist in Ermangelung einer Erwerbstätigkeit nicht gegeben. Auch hat das bisherige Verfahren sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen der bP in Österreich ergeben. Die bP hat den überwiegenden Teil ihres Lebens im Irak verbracht, wurde dort sozialisiert und spricht die Sprache ihrer Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Sie ist ein junger, arbeitsfähiger und gesunder Mann. Es deutet nichts darauf hin, dass es ihr im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass selbst bei einem etwa acht Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ein Fremder dadurch nicht gehindert ist, sich wieder eine existenzielle Grundlage im Herkunftsland aufzubauen (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162). Eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der hier bestehenden Bindungen zu Österreich gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, ist im Verfahren nicht hervorgetreten.

Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber, wobei im konkreten Fall Folgendes miteinzubeziehen ist: Die bP hielt sich nach unrechtmäßig erfolgter Einreise im Juli 2015 nicht ununterbrochen in Österreich auf, sondern reiste vielmehr zwecks Stellung von weiteren Asylanträgen nach Deutschland und in die Niederlanden, bevor sie am 25.09.2018 wieder einreiste und den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag stellte. Sie verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel für Österreich; ihr bisheriger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Die bP hält sich zum Entscheidungszeitpunkt etwa drei Jahre im österreichischen Bundesgebiet auf. Sie leistete der gleichzeitig mit dem Bescheid vom 02.03.2018, VZ 150665978, verfügten Rückkehrentscheidung nicht Folge, sondern reiste vielmehr am 25.09.2018 wieder in Österreich ein.

Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs. 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen der bP iSd Art 8 Abs. 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG kann dem BFA nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen und Ausführungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine Abschiebung in den Irak unzulässig wäre. Derartiges wurde in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt und wurde in Bezug auf das Nichtvorliegen solcher Umstände bereits im ersten Asylverfahren meritorisch und rechtskräftig entschieden.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht vor.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Zurückverweisung an das BFA liegen nicht vor. Spruchpunkt III. (Frist für die freiwillige Ausreise), Spruchpunkt IV. (Einreiseverbot) sowie Spruchpunkt V. (Unterkunftsnahme) wurden nicht in Beschwerde gezogen, sodass darüber nicht abzusprechen war. Betreffend Spruchpunkt III ist vollständigkeitshalber anzuführen, dass Punkt 3 des Beschwerdeantrags diesen zwar anführt, dem allerdings Text eindeutig zu entnehmen ist, dass sich das Begehren auf Spruchpunkt II. bezieht.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da die das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitenden Anträge der Parteien zurückzuweisen sind. Bei der Frage, ob das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorlag, handelt es sich bloß um eine nicht übermäßig komplexe Rechtsfrage (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0056). Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall außerdem gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis nicht abgewichen wurde. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel,
berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot, entschiedene Sache,
Fluchtgründe, Folgeantrag, freiwillige Ausreise, Frist, Identität
der Sache, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, öffentliche
Ordnung, öffentliche Sicherheit, Privat- und Familienleben, private
Interessen, Rechtskraft der Entscheidung, res iudicata,
Rückkehrentscheidung, subsidiärer Schutz, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2207980.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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