TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/17 G314 2164965-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2018
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Entscheidungsdatum

17.12.2018

Norm

AsylG 2005 §17
AsylG 2005 §24 Abs1 Z1
AsylG 2005 §70
AVG §13 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1

Spruch

G314 2164965-3/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, irakischer Staatsangehöriger, gesetzlich vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2018, Zl. 1087107708-151343260, betreffend die Zurückweisung des Antrags vom 11.01.2018 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben und der Behörde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der aktuell 17-jährige Beschwerdeführer (BF) reiste gemeinsam mit seinen Eltern in das Bundesgebiet ein, wo die Familie am 14.09.2015 internationalen Schutz beantragte. Nach der freiwilligen Rückkehr der Eltern des BF in den Irak wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger (Land Oberösterreich, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX) mit der Obsorge für den allein in Österreich verbliebenen BF betraut, die damit ihrerseits (soweit hier relevant) die XXXX GmbH betraute.

Mit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.05.2017, Zl. XXXX, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak festgestellt und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt. Dieser Bescheid ist - nach der Zurückziehung der Beschwerde des BF dagegen - rechtskräftig.

Mit dem am 11.01.2018 beim BFA eingelangten Schreiben beantragte XXXX, eine mit der Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge bevollmächtigte Dienstnehmerin der XXXX GmbH, als Vertreterin des BF für diesen subsidiären Schutz gemäß § 8 AsylG, weil seit 24.11.2017 kein Kontakt mehr zwischen dem BF und seiner Familie bestünde. Der Vater des BF habe diesen auf Facebook blockiert und telefonisch zu ihm gesagt, er sei nicht mehr sein Sohn und müsse bei einer Rückkehr in den Irak auf der Straße schlafen. Der BF habe seither mehrmals konkrete Suizidabsichten für den Fall seiner Rückkehr geäußert. Es liege daher nunmehr eine völlig andere Situation vor als im vorangegangenen, bereits abgeschlossenen Verfahren. Diesem Schreiben war ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX an das BFA angeschlossen, in dem dieses ersucht wird, durch die zuständige Behörde in Bagdad erheben zu lassen, ob der BF zu seinen Eltern oder zu einer sonstigen, mit seiner Pflege und Erziehung beauftragten Person zurückkehren könne.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Antrag des BF auf subsidiären Schutz laut dem Schreiben vom 11.01.2018 gemäß § 13 Abs 3 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurden dem BF gemäß § 78 AVG Bundesverwaltungsabgaben von EUR 6,50 zur Zahlung binnen zwei Wochen auferlegt (Spruchpunkt II.). Die Zurückweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass ein Antrag auf subsidiären Schutz mangels gesetzlicher Grundlage nicht existiere, zumal im AsylG nur ein Antrag auf internationalen Schutz vorgesehen sei, der als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gelte. Das BFA sei für den Antrag überdies sachlich unzuständig, weil ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 17 Abs 1 AsylG dann gestellt sei, wenn ein Fremder vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde um Schutz vor Verfolgung ersuche. Die schriftliche Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz beim BFA sei gesetzlich nicht vorgesehen, zumal solche Anträge - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - mündlich einzubringen seien.

Dagegen richtet sich die von XXXX für den BF eingebrachte Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass der Antrag auf subsidiären Schutz "zulässig" sei und "die Folgen des § 17 Abs 4 FPG" bis zur Entscheidung in der Sache selbst "anzuwenden" seien. Hilfsweise wird beantragt, den Antrag als Wiederaufnahmeantrag gemäß § 69 AVG zu werten, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen, den BF mündlich anzuhören, auszusprechen, dass derartige Anträge keine Gebührenpflicht nach sich zögen, und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass der Antrag auf subsidiären Schutz am 11.01.2018 gestellt worden sei, weil nunmehr bekannt geworden sei, dass der BF möglicherweise nicht mehr zu seinen Eltern zurückkehren könne und diese die Obsorge nicht mehr ausüben wollten. Der BF habe am 25.01.2018 einen Suizidversuch unternommen und sei in die Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen worden. In Bezug auf den Status des Asylberechtigten nach § 3 AsylG hätten sich keine Neuerungen ergeben; diese beträfen lediglich die Gewährung von subsidiärem Schutz und die Rückkehrentscheidung. Aus verfahrensökonomischen Gründen sei daher die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht beantragt worden. Die mündliche Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei "auf die Einreise von Fremden ausgerichtet" und wäre hier "verfahrensökonomisch absurd". Das BFA hätte zumindest einen Verbesserungsauftrag erteilen oder den Antrag an die seiner Ansicht nach zuständige Behörde weiterleiten müssen. Wenn es vom Fehlen der sachlichen Zuständigkeit ausgehe, übersehe es die "bloße Hilfsfunktion der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes". Spruchpunkt II. sei "dem Grunde und der Höhe nach gesetzlos".

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 07.02.2018 einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

In der Folge wurde diverse, vorwiegend Strafverfahren gegen den BF betreffende Poststücke nachgereicht. Im November 2018 langten auftragsgemäß ergänzende Unterlagen und Informationen beim BVwG ein, durch die die Befugnis von XXXX, die Beschwerde für den BF zu erheben, geklärt werden konnte. Ergänzend wurde vom Kinder- und Jugendhilfeträger mitgeteilt, dass er mittlerweile mit dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, von der Obsorge für den BF enthoben worden sei, weil sich dieser nicht mehr in Österreich aufhalte und sein Aufenthalt unbekannt sei.

Der BF weist seit 10.10.2018 im Bundesgebiet keine Wohnsitzmeldung mehr auf; sein aktueller Aufenthalt ist unbekannt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts. Entscheidungswesentliche Widersprüche sind nicht aufgetreten, sodass sich eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Aus den dem BVwG ergänzend vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger, der zur Zeit der Beschwerdeerhebung mit der Obsorge und damit mit der gesetzlichen Vertretung für den BF betraut war, mit der Beschwerdeerhebung durch XXXX für den BF einverstanden war.

Der unbekannte Aufenthalt des BF ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, und dem Fehlen einer Wohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister. Es sind keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig, wo sich der BF aktuell aufhält.

Rechtliche Beurteilung:

Da die Bezirkshauptmannschaft XXXX als Kinder- und Jugendhilfeträger der Beschwerdeerhebung durch XXXX zustimmte, liegt eine von einer dazu legitimierten Person erhobene Beschwerde vor.

Da der aktuelle Aufenthaltsort des BF weder bekannt noch sonst leicht feststellbar ist, hat er sich dem Verfahren gemäß § 24 Abs 1 Z 1 AsylG entzogen. Gemäß § 10 Abs 5 BFA-VG ist daher der Kinder- und Jugendhilfeträger, dem die gesetzliche Vertretung zuletzt zukam, sein gesetzlicher Vertreter; das ist hier das Land Oberösterreich, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX.

Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag gemäß § 13 Abs 3 AVG zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (VwGH 22.08.2018, Ra 2018/15/0004). Hier hat das BVwG daher nur zu prüfen, ob das BFA die sachliche Behandlung des Antrags, dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, zu Recht verweigert hat, aber nicht inhaltlich über diesen Antrag zu entscheiden.

Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Ausgehend von dieser Definition ist nicht zweifelhaft, dass es sich bei dem Antrag vom 11.01.2018 - auch wenn er ausdrücklich nur auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gerichtet ist - um einen (allenfalls mangelhaften) Antrag auf internationalen Schutz handelt, zumal damit eindeutig angestrebt wird, dass sich der BF dem Schutz Österreichs unterstellen darf und § 2 Abs 1 Z 13 AsylG grundsätzlich nicht zwischen schriftlichen und mündlichen Anbringen unterscheidet. Konkret handelt es sich um einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG, der dem bereits rechtskräftig erledigten Antrag des BF nachfolgt.

Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 17 Abs 1 AsylG gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde um Schutz vor Verfolgung ersucht. Ersucht ein Fremder vor einer Behörde im Inland, die nicht in § 17 Abs 1 AsylG genannt ist, um internationalen Schutz, hat diese Behörde gemäß § 17 Abs 5 AsylG die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde oder das nächste Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen.

Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde gemäß § 13 Abs 3 AVG nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

§ 13 Abs 3 AVG dient dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sofort zurückzuweisen. Um ein derartiges Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen (VwGH 29.05.2018, Ra 2018/20/0059).

Das BFA hätte den Antrag vom 11.01.2018 daher nicht sofort zurückweisen dürfen, sondern hätte - allenfalls nach Erteilung eines Mängelbehebungsauftrags gemäß § 13 Abs 3 AVG - nach § 17 Abs 5 AsylG vorgehen müssen, zumal keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise bestehen. Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos aufzuheben und der Behörde insoweit die Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag vom 11.01.2018 unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Zu Spruchpunkt II. wird ergänzend auf § 70 AsylG hingewiesen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil erhebliche, über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfragen nicht zu lösen waren.

Schlagworte

Fortsetzung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2164965.3.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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