TE Bvwg Beschluss 2019/1/2 G311 2211651-1

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Veröffentlicht am 02.01.2019
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Entscheidungsdatum

02.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G311 2211651-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018, Zahl: XXXX, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018 wurde gegen die beschwerdeführende Partei gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein vierjähriges Einreiseverbot verhängt. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt.

Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer seit 11.08.2003 im Bundesgebiet gemeldet sei und er zur Zeit über eine Aufenthaltsberechtigung "Daueraufenthalt-EU" verfüge. Er sei zweifach geschieden und habe für zwei in Österreich lebende Kinder das Besuchsrecht. Seit seinem Aufenthalt in Österreich sei er bereits zwei Mal gerichtlich bestraft worden, und zwar zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten und einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 20 Monate, bedingt. Er besitze ein Haus in Bosnien. Am 17.08.2018 sei von der Staatsanwaltschaft XXXX wegen §§ 15 und 127 StGB Anklage erhoben worden. Disloziert wurden in der rechtlichen Beurteilung die strafgerichtlichen Verurteilungen laut Strafregister angeführt. Die Straftaten, die der Verurteilung wegen Körperverletzung zugrunde liegen, wurden angeführt. Abgesehen davon sei er von einem Detektiv beim Ladendiebstahl betreten worden. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere gemäß § 53 Abs. 3 FPG das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Der Beschwerdeführer zeige "aggressives Verhalten (Charaktermangel)" auch Personen gegenüber, die ihm nahe stehen.

Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde eine E-Mail des RA Mag. BÜHRINGER vom 10.12.2018 vorgelegt, demnach sei der Beschwerdeführer am XXXX.2018 vor dem Bezirksgericht XXXX von allen gegen ihn erhobenen Vorwürfe freigesprochen worden. Bis XXXX.2018 sei keine Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden, weshalb von der Rechtskraft des Freispruches auszugehen sei.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 27.12.2018 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015, Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).

14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die dem Urteil des Landesgericht XXXX vom XXXX.2013 zugrundeliegenden Straftaten in den Jahren 2010 und 2011 begangen wurden. Die Straftaten hinsichtlich des Urteiles des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2015, XXXX, wurden im Mai und Juni 2014 begangen.

Die belangte Behörde sah sich in den letzten vier Jahre auch vor dem Hintergrund dieser Straftaten nicht veranlasst gegen den Beschwerdeführer aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren durch Einholung der zeitlich letzten den Beschwerdeführer betreffenden strafgerichtlichen Entscheidung, allenfalls auch durch Abfrage der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen und Einholung allfälliger Straferkenntnisse und Strafverfügungen mit dem konkreten Verhalten das Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben und eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu treffen haben.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Da alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2211651.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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