TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/7 L504 2211446-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2019
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Entscheidungsdatum

07.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2211446-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX XXXX, XXXX1975 geb., StA. staatenlos, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 31.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach staatenloser Palästinenser aus dem Gaza ist.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation Folgendes an:

""Ich habe meine Heimat verlassen, weil ich meinen Kindern eine Zukunft geben möchte. Ich will, dass sie ein Leben in Sicherheit und Freiheit haben und eine Ausbildung genießen können. In meiner Heimat sind sie in ständiger Gefahr. Entweder von der Hamas, Israel oder dem IS. Ich will ihnen nur ein Leben bieten können."

Zu ihrer Rückkehrbefürchtung befragt gab sie an: "Ich habe Angst um das Leben meiner Kinder, da sie dort nie in Sicherheit sind."

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die bP zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen die sie im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat erwarte, im Wesentlichen vor:

"[...]

F: Wie geht es Ihnen. Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

A: Ja, ich bin dazu in der Lage. Ich habe keine physischen oder psychischen Probleme.

F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?

A: Nein, ich bin gesund und mir geht es gut.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende und vollständige Angaben gemacht?

A: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt und meine Angaben waren vollständig.

F: Wurden Ihnen diese Angaben jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ja, es wurde rückübersetzt und alles korrekt protokolliert.

F: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente besorgt?

A: Ja, alles was ich habe lege ich heute vor.

Antragsteller legt folgende Dokumente vor:

-

Integrationsunterlagen

-

Kopie des Reisepasses

-

Kopie der Heiratsurkunde

-

Kopien der Geburtsurkunden der Familie

-

diverse Fotos aus Österreich

F: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich, die Sie noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein.

F: Besitzen Sie einen Führerschein?

A: Ja, ich habe einen in Gaza.

F: Haben Sie jemals Personaldokumente besessen?

A: Ja, der Reisepass ist beim Schlepper.

F: Wo befindet sich der Reisepass momentan?

A: Er ist in der Türkei.

F: Wann genau haben Sie Ihren Reisepass zuletzt gehabt?

A: In der Türkei.

Anmerkung: AW antwortet nicht auf die Frage

Erneute Nachfrage: Wann hatten Sie Ihren Reisepass zuletzt?

A: Das war am 15.06.2016.

[...]

Erklärung: Sie haben am 31.07.2016 beim BFA um Asyl ersucht. Sie wurden am 01.08.2016 vor der Polizei bereits zu Ihrem Asylverfahren, d. h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern?

A: Ja, daran kann ich mich noch erinnern.

F: Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit?

A: Ja, diese Angaben waren vollständig und der Wahrheit entsprechend.

F: Hat eine Rückübersetzung stattgefunden und wurden Ihre Angaben korrekt protokolliert?

A: Ja, es wurde rückübersetzt aber ich verstehe kein Deutsch und alles wurde korrekt protokolliert.

F: Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?

A: Nein, ich will dazu nichts hinzufügen.

F: Also gibt es keine weiteren Fluchtgründe?

A: Doch es gibt einen weiteren Grund.

F: Was ist der weitere Grund?

A: Es wird eine große Geschichte.

Anmerkung: Der Fluchtgrund aus der Erstbefragung wird dem AW rückübersetzt.

F: Stimmt dieser Fluchtgrund oder wollen Sie etwas hinzufügen?

A: Der Fluchtgrund stimmt, aber er ist nur grob.

F: Wie haben Sie die Einvernahmesituation in der Erstbefragung wahrgenommen?

A: Die Situation war sehr gut.

F: Hatten Sie genügend Zeit alles zu sagen, was Ihnen wichtig war?

A: Ja, ich hatte genügend Zeit, ich hatte nur persönlichen Stress.

[...]

Datenaufnahme: [...]

[...]

Beschäftigungsart: Maurer und Maler

Zeitraum: Von: 1989 Bis: 2016 Dienstgeber: selbständig Angaben zur Person und Lebensumständen:

F: Unter welchen Lebensumständen haben Sie gelebt?

A: Die Lage war mittelmäßig.

F: Konnten Sie von Ihrer Arbeit als Maurer und Maler in Gaza leben?

A: Ja, ich konnte davon leben.

F: Was haben Sie im Monat verdient?

A: Ich habe ca. 1.500 Euro durchschnittlich im Monat verdient.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund?

A: Nein.

F: Wo lebt Ihre Familie dann?

A: Sie leben in einer Mietwohnung.

F: Haben Sie bislang eine Ehe geschlossen?

A: Ja, ich bin traditionell und standesamtlich verheiratet.

F: Wann und wo haben Sie geheiratet?

A: Das war im Jahr 1999 in Gaza in meinem Haus.

F: Was ist mit diesem Haus geschehen?

A: Dieses Haus habe ich verkauft, damit ich reisen kann. Ich habe es auch verkauft, weil es beschädigt war. Das Nachbarhaus wurde mit Raketen bombardiert und dadurch wurde auch mein Haus verkauft.

[...]

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und andere Medien?

A: Ja, wir kommunizieren am Tag ca. 10 Mal über What's-App

F: Unter welchen Umständen lebt Ihre Familie, wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt, wer versorgt sie etc.?

A: Sie leben unter guten Umständen und ich schicke Ihnen Geld ab und zu. Ich versorge die Familie.

F: Könnten Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Herkunftsland wieder an Ihrer Wohnadresse bzw. bei Verwandten wohnen?

A: Ja, natürlich.

F: Haben Sie noch Freunde oder Bekannte in der Heimat?

A: Ja, ich kenne ganz Gaza.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Freunden und Bekannten?

A: Nein.

F: In welchem Zeitraum haben Sie in Gaza gelebt?

A: Ich habe dort von meiner Geburt bis zu meiner Ausreise gelebt.

Angaben zum Fluchtweg:

F: Können Sie nochmals angeben, über welche Reiseroute Sie nach Österreich gekommen sind?

A: Ich bin von Ägypten über die Türkei, Griechenland, Italien nach Österreich.

F: Wann haben Sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen?

A: Das war am Anfang des Jahres 2015.

Anmerkung: AW ändert seine Aussage auf Ende des Jahres 2015.

F: Wann haben Sie Gaza definitiv verlassen?

A: Das war am 07.06.2016.

[...]

F: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

A: Ich bin bis nach Ägypten und in die Türkei mit dem Reisepass, dann bin ich illegal weiter gereist.

[...]

F: Wären Sie in den europäischen Ländern bzw. in der Türkei vor Verfolgung sicher gewesen?

A: Ja, ich wäre sicher gewesen. Es war aber schon hart nach Ägypten zu kommen, ich wollte dann einfach nach Österreich, das war mein Ziel.

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Ich habe über Youtube von Österreich gehört. Es ist nicht so weit weg wie Schweden. Ich habe gehört, dass Österreich ein Land ist, wo man leben kann. Österreich ist das erste europäische Land. Mir wurde gesagt, dass Österreich und Italien die ersten europäischen Länder sind.

F: Warum sind Sie nicht in Italien geblieben, das wäre noch näher gewesen?

A: Die Schlepper haben gesagt, dass ich in Griechenland oder Italien keinen Antrag stellen soll, weil man dort nichts bekommt. Alle haben gesagt, dass Österreich sicher ist.

F: Wie haben Sie Gaza verlassen?

A: Ich bin von mir zuhause zur ägyptischen Grenze mit dem Taxi gefahren. Ich könnte in Ägypten auch leben wie ich will. Weil ich über 40 bin, hätte ich in Ägypten bleiben und leben können, ohne ein Visum zu brauchen.

F: Hat es bei der Ausreise irgendwelche Probleme gegeben?

A: Nein, nur die Zeit war ein Problem, weil mein Visum für die Türkei nicht so lange gültig war.

F: Wurden Sie am Grenzübergang nach Ägypten persönlich kontrolliert?

A: Ja, ich wurde kontrolliert.

F: Haben Sie Gaza legal verlassen?

A: Ja, das stimmt.

[...]

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Ungefähr Ende des Jahres 2014, es war nach September, nach dem Krieg mit Israel, kamen wir zurück nach Hause in die Stadt Bet Hanon. Dann habe ich nach dem Krieg normal weitergelebt, bis Hamas meine Kinder immer zu Veranstaltungen gebracht haben. Sie haben mit ihnen über den Jihad geredet. Sie sagten, dass sie zu ihnen gehen müssen.

Ich bin dagegen gewesen, weil mir meine Kinder wichtig sind. Ich habe mit den Hamas und der Fatah nichts zu tun. Ich habe 10 Jahre lang für die Juden gearbeitet, ohne ein Problem. Die Geschichte des Jihad und das Land zu befreien ist mir egal. Mir ist es nur wichtig, dass meine Kinder leben können und ich habe immer versucht, meine Kinder unter Kontrolle zu haben, dass sie nicht zu diesen Veranstaltungen gehen und auch nicht bei den Anwerbungsaktionen bei der Moschee sind.

Anmerkung: AW für bei Rückübersetzung folgendes hinzu: Die Situation ist außer Kontrolle geraten. Ich konnte meine Kinder nicht schützen, auch mich selbst konnte ich mich nicht schützen.

Dann haben sie mich persönlich bedroht, sie haben mir gesagt, dass sie mich umbringen können und zu meinen Kindern sagen, dass ich als "Shahid" verstorben bin. (Shahid = von den Juden umgebracht)

Das wäre dann die größte Motivation für meine Kinder, zu diesen radikalen Gruppen zu gehen. Sie (Hamas) fängt mit den Kindern an, in der Schule oder im Kindergarten, dass sie dieser Ideologie nachfolgen, ohne Fragen und ohne Gedanken.

Für mich ist die Hauptsache, dass ich meine Kinder retten kann. In der Zeit des Krieges war es für mich auch in Ordnung, weil ich leben konnte. Aber wenn es meine Kinder trifft, dann muss ich was dagegen tun. Deswegen habe ich mein Land verlassen.

Auch wie Sie das sicher wissen, leben wir in Gaza zwischen Kämpfen, obwohl wir damit nichts zu tun haben, wir leben in Gefahr zwischen den Konflikten zwischen Hamas und Fatah und zwischen Hamas und Israel. Es gibt in diesem Gebiet auch den IS. Wir müssen unter diesen Gefahren immer leben und jeder weiß das.

(Ende der freien Erzählung)

Anmerkung: Die Angaben zum Fluchtgrund werden dem Antragsteller wortwörtlich rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Sind das Ihre Angaben zum Fluchtgrund und wurde alles richtig protokolliert?

A: Ja, ich habe noch ein Problem. Ich weiß nicht ob ich das hier sagen sollte. Meine Tochter wird bald 18 Jahre und ich habe sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Ich kann sie, wenn sie volljährig ist, nicht mehr nachholen, was soll ich machen? Ich kann sie nicht alleine zurücklassen. Mein Problem ist es, dass ich meine Kinder retten will.

Anmerkung: AW beginnt stark zu weinen.

Angeordnete Pause

Beginn: 11:00

Fortsetzung: 11:10

F: Sind das nun alle Ihre Gründe, warum Sie Ihre Heimat verlassen haben?

A: Ja, es gibt sonst keine weiteren Gründe.

F: Können Sie Ihr Vorbringen mit Beweismitteln untermauern?

A: Nein.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: Sie sagten, dass Sie für 10 Jahre für die "Juden" gearbeitet haben. Was genau war Ihre Aufgabe und wo haben Sie gearbeitet?

A: Ich habe als Maurer und Maler für die Juden gearbeitet. Ich habe mit einer Firma namens "XXXX XXXX" (phonetisch) zusammengearbeitet, als Sub-Unternehmer. Ich habe auch von Privathäusern Aufträge bekommen, von 1989 bis 1999.

F: Was haben Sie nach 1999 getan?

A: Dann passierte die Revolution und keine palästinensischen Arbeiter wurden mehr hineingelassen.

F: Hatten Sie eine Aufenthaltskarte für Israel?

A: Nein, damals konnte man einfach ohne Dokumente ein- und ausreisen. Nach dem Jahr 2000 war es dann sehr schlecht.

F: Wann sind die Hamas das erste Mal mit Ihren Kindern in Kontakt getreten?

A: Anmerkung: AW versteht die Frage nicht, diese wird ihm wiederholt.

Erneute Nachfrage: Wann sind die Hamas das erste Mal mit Ihren Kindern in Kontakt getreten?

A: Das war gegen Ende 2014.

F: Was ist damals genau passiert?

A: Sie haben die Kinder, nicht nur meine Kinder, von der Moschee mit einem Bus abgeholt und haben ihnen Waffen und Panzer gezeigt. Sie haben in den Sommercamps die Kinder von der Schule geholt und sie wurden trainiert und militärisch ausgebildet mit Fake-Waffen umzugehen. Das passiert bis heute nicht nur einmal, das passiert sehr oft.

F: Passiert dies nur Ihren Kindern oder allen Kindern?

A: Das passiert fast allen Kindern, aber speziell denen, die gut in der Schule sind.

F: Wurden Sie gefragt, bevor Ihre Kinder abgeholt wurden?

A: Nein, ich wurde nicht gefragt. Sie nehmen die Kinder mit und rufen später an und sagen, dass die Kinder bei ihnen sind.

F: Wurden Sie auch angerufen?

A: Ja.

F: Wie oft wurden Sie insgesamt angerufen?

A: Die ersten zwei Wochen haben sie nur angerufen, danach nicht mehr.

Anmerkung: AW antwortet nicht auf die Frage

Erneute Nachfrage: Wie oft wurden Sie angerufen?

A: Anmerkung: AW überlegt lange

Telefonisch wurde ich jede Woche mindestens zwei Mal pro Woche kontaktiert. Auf der Straße wurde ich sehr oft angesprochen. Am Anfang war es so und am Ende haben sie mich bedroht und gesagt, dass ich froh sein sollte, dass sie überhaupt mit mir sprechen, denn ich war für sie nur Dreck. Am Schluss haben sie mich nicht einmal mehr kontaktiert, sondern die Kinder einfach abgeholt. Als mit ihnen gestritten und gesagt habe, dass sie meine Kinder nicht nehmen sollten, wurde ich bedroht und mir wurde gesagt, dass diese nicht meine Kinder sind, sondern dass die Kinder dem Land gehören und sie zu uns und nicht mehr zu mir gehören.

F: Sind die Kinder durchgehend im Camp gewesen oder zwischendurch nach Hause gekommen?

A: Sie waren ca. 2-3 Tage pro Woche im Camp. Das ist nicht nur Militärtraining, es geht hauptsächlich um Brain-Washing. Bei uns ist das System so, dass wenn die Kinder mit der Hochschule fertig werden oder 18 Jahre alt werden, dann müssen Sie Soldaten bei den Hamas werden. Das geht allen gleich, nicht nur meinen Kindern. Wenn es so weiter geht, werden Sie ohne Gehirn einfach die Hände und Füße des Führers küssen, ohne zu denken.

F: Von wem wurden Sie angerufen?

A: Vom Führer der Moschee. Jedes Gebiet hat eine eigene Moschee und diese hat einen Führer. Die Führer kann die Kinder manipulieren in der Moschee.

F: Wie heißt dieser Führer?

A: Anmerkung: AW überlegt lange

Sie haben ihn XXXX XXXX genannt. Sein Familienname ist Hamad und es gibt noch einen, der heißt XXXX XXXX. Sie sind beide die Führer der Moschee.

F: Von welcher Moschee waren diese Personen die Führer?

A: Die Moschee heißt XXXX.

F: Wo befindet sich diese Moschee?

A: Die ist in XXXX XXXX.

F: Was haben Sie mit diesen Personen genau gesprochen bzw. was wollten diese als sie Sie angerufen haben?

A: Sie haben nur gesagt, dass die Kinder bei ihnen sind und am Abend nach Hause kommen. Die Kinder sagten, dass sie von ihnen verlangt haben, ihre Eltern zu kontaktieren, damit diese wissen, wo sie sich aufhalten.

F: Wo genau war das Camp wo Ihre Kinder hingebracht wurden?

A: Sie zeigen Ihnen alles. Sie haben Sie an einen Platz gebracht, wo ihnen der Trainingsplatz gezeigt wurde und die Waffen usw..

F: Haben Sie mit Ihren Kindern auch über diese Erfahrungen gesprochen?

A: Ja, wir reden mit den Kindern viel über die Geschichte von alten Leuten, über die Religion. Wir haben nicht spezifisch gesprochen, weil es kein spezifisches Thema gibt.

F: Hat sich die Einstellung Ihrer Kinder im Laufe der Zeit geändert?

A: Meine Kinder sind immer noch jung und es gab keine Veränderung, weil sie gut erzogen wurden. Ich hatte immer ein Auge auf sie und habe ihnen Tipps gegeben.

F: Welche Ihrer Kinder wurden abgeholt?

A: Das waren die älteren zwei Kinder. Die anderen zwei sind noch viel zu klein.

F: Wollten Ihre Kinder mit diesen Personen mitgehen?

A: Sie wollten nicht mitgehen, sie wurden gezwungen. Meine Kinder sind immer noch unter Kontrolle, aber die kann man schnell verlieren. Sie könnten plötzlich nur mehr Marionetten sein.

F: Haben Sie noch dasselbe Handy wie früher in Gaza?

A: Nein.

F: Haben Ihre Kinder erzählt, was sie im Camp gemacht haben?

A: Ja, sie haben immer erzählt was passiert ist und was sie gesehen haben. Manchmal haben sie sie nur zum Strand gebracht. Es war nicht immer, dass sie Waffen gesehen oder trainiert haben.

F: Von wem und wann wurden Ihre Kinder abgeholt und wann wurden sie wieder nach Hause gebracht?

A: Sie werden meistens von der Moschee oder der Schule abgeholt. Es waren immer andere Menschen, die die Kinder abgeholt haben.

F: Wohin wurden Ihre Kinder nach diesen Aktivitäten dann immer gebracht?

A: Wenn sie von der Schule geholt werden, werden sie auch dahin wieder zurückgebracht. Dasselbe gilt für die Moschee.

F: Wurden Ihre Kinder auch bei Ihnen abgeholt?

A: Nein, von zuhause nicht.

Angeordnete Pause

Beginn: 12:15

Fortsetzung: 12:30

F: Wann wurden Sie das erste Mal bedroht?

A: Das war Ende 2014 oder Anfang 2015.

F: Wie wurden Sie konkret bedroht bzw. was ist damals genau geschehen?

A: Einer der Führer hat mich auf der Straße getroffen, als ich auf dem Weg von zuhause zu meiner Mutter gehen wollte. Er spazierte mit mir auf der Straße und sagte zu mir, dass wir sehr gut zu mir waren und dass sie mich nicht beleidigt haben. Aber du bist schlecht und ein böser Mensch und auch feige. Deswegen sage ich dir klar, du bist nur eine kleine Kugel wert und dann bist du tot und das wird uns helfen und eine große Motivation für deine Kinder sein.

F: Wer hat mit Ihnen gesprochen?

A: Das war XXXX XXXX, er wohnt im gleichen Wohngebiet, wo ich wohnte.

F: Wurde jemals ein Mitglied Ihrer Familie konkret von irgendjemandem bedroht?

A: Nein, das war nur mit mir.

F: Ist mit Ihrer Familie seit Ihrer Ausreise irgendetwas Konkretes geschehen?

A: Nein, ab und zu gehen sie immer noch mit. Meistens sagen meine Kinder, dass sie nicht mitgehen können, weil ihr Vater nicht da ist.

F: Geben sich die Mitglieder der Hamas damit zufrieden, dass Ihre Kinder sagen, dass ihr Vater nicht da ist und sie deshalb nicht mitgehen können?

A: Sie gehen nicht mit Gewalt mit den Kindern um. Sie versuchen sie psychologisch zu überzeugen, damit sie freiwillig mitgehen.

F: Wie verhält sich Ihre Frau, wenn die Mitglieder der Hamas kommen?

A: Die Frauen gehen nicht auf die Straße. Die Frauen sind nicht gleich wie die Männer.

F: Sie haben auch den IS erwähnt. Gibt oder gab es zwischen Ihnen oder Ihrer Familie und dem IS einen konkreten Vorfall?

A: Der IS ist radikal. Hamas ist auch radikal. Sie hatten einen Streit wegen Containern mit Zigaretten. Die Hamas haben das von Ägypten gestohlen und nach Gaza gebracht und verkauft. Es gab einen Streit. Der IS hat dann alle Container angezündet.

F: Also mit Ihnen persönlich hat es niemals einen Zwischenfall mit dem IS gegeben?

A: Nein, niemals. Wir haben das nur mitbekommen.

F: Wissen die Hamas, dass Sie ausgereist sind bzw. wo Sie sich aufhalten?

A: Sie wissen, dass ich ausgereist bin, aber nicht wo ich mich aufhalte.

F: Sie haben vorgebracht, dass die erste Bedrohung Ende 2014 bzw. Anfang 2015 stattgefunden hat. Warum sind Sie dann erst so spät ausgereist?

A: Ich konnte nicht ausreisen, weil die Grenzen gesperrt waren. Aus dem Gebiet rauszukommen ist nicht leicht. Ich habe es viele Male gesucht.

F: Sie haben vorgebracht, dass Sie sich gegen Ende des Jahres 2015 entschlossen haben, Gaza zu verlassen. Warum haben Sie sich im September 2015 noch einen Reisepass ausstellen lassen?

A: Ich versuchte damals über die ägyptische Grenze rauszukommen. Es war damals nicht möglich einen Reisepass zu bekommen, weil die Beamten das gesperrt haben. Bis ich das Haus verkauft und das Geld zusammenbekommen habe, das hat auch Zeit gebraucht.

V: Wenn die Hamas Sie töten hätten wollen, warum haben sie es dann nicht gemacht? Sie wussten wo Sie wohnen und haben Sie schon seit ca. 2014 bedroht? Nehmen Sie dazu Stellung!

A: Das Ziel von ihnen war es nicht, mich zu töten, sondern sie wollen die Kinder haben. Wenn ich mich dagegen sträube, dass die Hamas meine Kinder bekommen, dann könnten sie mich töten, aber das ist nicht das Ziel. Sie wollen die Kinder.

F: Wieso sollten die Hamas gerade Ihre Kinder rekrutieren bzw. wieso sollten sie Sie bedrohen? Die Hamas haben genügend freiwillige Mitglieder und sind sogar eine Volksbewegung?

A: Sie haben ganz Gaza eigentlich rekrutiert, nicht nur meine Kinder. Sie sind strenger geworden und sagen den Kindern, dass sie nach Jerusalem marschieren sollen. Sie sagen, dass jedes palästinensische Kind nach Jerusalem gehen soll. Das steht in den Nachrichten. Sie können das auch nachlesen, es gibt einen Krieg, aber von den Hamas ist keiner gestorben. Es sterben nur zivile Personen, auf beiden Seiten.

V: Aber dieses Problem betrifft dann jeden in Gaza richtig?

A: Ja, das stimmt. Wenn man die Grenze nach Ägypten aufmacht, würde niemand in Gaza bleiben. Ich habe in Gaza 40 Jahre gelebt. Ich habe Krieg und Streit gesehen, aber man konnte leben. Aber wenn es um meine Kinder geht, dann ist das etwas anderes, dann muss ich dagegen etwas tun.

V: Bei der Erstbefragung haben Sie eine persönliche Bedrohung, welche konkret gegen Sie oder Ihre Familie gerichtet ist, nicht erwähnt. Auch die heutigen Sachverhalte bezüglich Ihrer Kinder haben Sie nicht geschildert. Sie schilderten lediglich die allgemeine Lage in Gaza. Heute haben Sie Ihr Vorbringen wesentlich gesteigert. Nehmen Sie dazu Stellung!

A: Sie haben mir gesagt, dass es kein Gericht ist und es eine weitere Einvernahme gibt, in der ich alles schildern kann. Die Befragung war wirklich kurz.

V: Heute haben Sie dezidiert angegeben, dass Ihre Angaben vollständig und der Wahrheit entsprechend waren. Sie gaben auch an, dass eine Rückübersetzung stattgefunden hat und alles korrekt protokolliert wurde. Auch brachten Sie vor, dass Sie zu Ihren Angaben nichts hinzufügen wollen. Nehmen Sie dazu Stellung!

A: Bei der ersten Befragung hat alles gepasst. Ich habe nur die Fragen beantwortet. Wegen dem Fluchtgrund haben sie zu mir gesagt, dass ich eine zweite Einvernahme bekomme und dann alles erzählen kann. Ich konnte darauf nichts sagen. Der Hauptgrund sind meine Kinder und das habe ich bei der Erstbefragung schon gesagt.

Anmerkung: Dem AW wird der Fluchtgrund bei der Erstbefragung rückübersetzt.

F: Warum haben Sie damals nur die allgemeine Lage geschildert und nicht eine konkrete Bedrohung gegen Ihre Person?

A: Sie sagten, dass ich nur grob erzählen sollte und nicht die Hauptgeschichte. Sie haben auch gesagt, dass die Geschichte der Palästinenser bekannt ist und dass ich nicht viel erzählen muss. Es kann auch sein, dass ich es damals nicht alles korrekt verstanden habe. Ich kannte das System nicht.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein, ich bin nirgends vorbestraft.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein, von den Behörden werde ich nicht gesucht.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein, niemals.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein, mit den Behörden hatte ich keine Probleme.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein, ich war politisch nicht tätig.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein, niemals.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein, das ist niemals passiert.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein, niemals.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein, niemals.

F: Gab es jemals auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein, es gab auf mich niemals irgendwelche Übergriffe und es ist an mich auch niemals irgendwer herangetreten.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Entweder werden wir eine Waffe tragen müssen oder sie werden mich töten.

F: Woher wissen Sie, dass das passieren wird?

A: Ich bin seit 40 Jahren in Gaza, ich weiß das.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Nein, mit den Behörden sicher nicht.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat Bescheid?

A: Ja, darüber weiß ich Bescheid.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs schriftlich Stellung zu nehmen. Möchten Sie die Erkenntnisse des BFA Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu abgeben?

A: Nein, ich kenne die allgemeine Situation in meiner Heimat. Ich verzichte darauf. Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben.

Angaben zum Privat- und Familienleben:

[...]

F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

A: Nein, ich habe alles gesagt, ich habe nur das Problem wegen meiner Tochter. Sonst habe ich alles gesagt. Ich bin hier wegen meinen Kindern. Schauen Sie nach meinen Kindern, mit Ihrem Herzen.

F: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie wollten?

A: Ja, das hatte ich. Ich hatte die Gelegenheit alles vorzubringen, was mir wichtig war.

[...]"

Mit Verfahrensanordnung der bP ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Gaza nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist durch die gewillkürte Vertretung Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Das Bundesamt traf auf Grund des Ermittlungsverfahrens nachfolgende Feststellungen, denen sich das BVwG anschließt:

"Zu Ihrer Person:

Ihre Identität konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Soweit Sie mit den im Adressat genannten Daten bezeichnet werden, stellt dies Ihre Verfahrensidentität dar.

Sie führen als Verfahrensidentität den Namen XXXX XXXX und das Geburtsdatum XXXX1975.

Sie stammen aus dem Ort XXXX XXXX im Gazastreifen und sind staatenloser Palästinenser.

Sie sprechen die Sprachen Arabisch, ein wenig Hebräisch und ein wenig Deutsch, gehören zur Volksgruppe der Araber und sind Moslem sunnitischen Glaubens.

Sie verfügen über eine mehrjährige Schulbildung und einschlägige Berufserfahrung.

Sie sind mit Ihrer weiterhin im Gazastreifen aufhältigen Gattin verheiratet und sind Vater von fünf sich ebenfalls in Gaza aufhaltenden Kindern.

Der Aufenthaltsort Ihrer Familie ist der Ort XXXX in Gaza. Sie haben regelmäßigen Kontakt zu Ihren dort aufhältigen Verwandten. Neben Ihrer Kernfamilie halten sich noch zahlreiche weitere Verwandte (Mutter, Geschwister) in Gaza auf.

Fest steht, dass Sie an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen Ihres Gesundheitszustandes leiden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie sich zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung in medizinischer Behandlung befinden, oder dass Sie medikamentöser Behandlung bedürften.

Nicht festgestellt werden konnte, wann und wie Sie auf österreichisches Bundesgebiet gelangt sind bzw. wie lange Sie sich schon in Österreich aufhalten. Fest steht jedoch, dass Sie am 31.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich einbrachten.

Fest steht, dass Sie strafgerichtlich unbescholten sind.

Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Fest steht, dass Sie in der Heimat nicht vorbestraft sind und von keiner Behörde gesucht werden.

Fest steht, dass Sie in Ihrer Heimat niemals von den Behörden angehalten oder festgenommen wurden. Fest steht, dass Sie mit den Behörden in Ihrer Heimat insgesamt niemals Probleme hatten.

Fest steht, dass Sie niemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei waren und sich nicht politisch betätigt haben.

Fest steht, dass Sie in der Heimat weder aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von staatlicher Seite verfolgt wurden.

Fest steht, dass es auf Sie persönlich niemals irgendwelche Übergriffe gegeben hat und niemals irgendwer an Sie herangetreten ist.

Fest steht, dass Sie anlässlich Ihrer Erstbefragung andere Fluchtmotive geschildert haben, als im Rahmen der freien Erzählung vor dem Bundesamt. Fest steht, dass Sie im Zuge Ihrer Erstbefragung lediglich die allgemeine Lage in Gaza schilderten, ohne eine persönliche Bedrohung geltend gemacht zu haben. Fest steht, dass Sie derartiges erst nachträglich anlässlich Ihrer Einvernahme zum Antrag auf internationalen Schutz vorgebracht haben. Fest steht daher, dass Sie bei der Einvernahme vor dem Bundesamt ein gesteigertes Vorbringen erstattet haben, was sich zwangsläufig negativ auf Ihre Glaubwürdigkeit auswirken muss.

Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie von mutmaßlichen Mitgliedern der Hamas mit dem Tod bedroht wurden. Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie Ihr Heimatland aufgrund einer persönlichen, konkret Ihre Person betreffenden wie auch immer gearteten Bedrohung oder Verfolgung verlassen haben. Es war nicht feststellbar, dass Sie vor Ihrer Ausreise einer individuellen Verfolgung aus in Ihrer Person gelegenen Gründen durch Organe der Hamas ausgesetzt waren oder stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie bei einer Rückkehr nach Gaza bzw. in den Gazastreifen einer solchen ausgesetzt wären. Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass Sie Gefahr liefen, in den palästinensischen Autonomiegebieten einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen wären.

Sie waren vor der Ausreise aus Palästina keiner Verfolgung durch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ausgesetzt noch wären sie einer solchen im Falle einer Rückkehr in die Heimat ausgesetzt. Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung in ihrem Heimatland festgestellt werden, welche konkret Ihre Person betrifft.

Dass Ihre Kinder von mutmaßlichen Mitgliedern der Hamas manipuliert worden wären bzw. noch immer werden, konnte lediglich als eine in den Raum gestellte Behauptung gewertet werden, welche sich als nicht zweifelsfrei verifizierbar darstellt und ein Problem darstellen würde, welches de facto die gesamte Bevölkerung in Gaza betreffen würde.

Fest steht, dass Sie sich vor Ihrer Ausreise einen Reisepass bei den heimischen Behörden ausstellen ließen. Fest steht, dass Sie Gaza legal verlassen haben, am Grenzübergang zu Ägypten persönlich kontrolliert wurden und Sie in diesem Zusammenhang keine Komplikationen vorgebracht haben.

Fest steht, dass Sie sich als Palästinenser ohne Visum in Ägypten niederlassen und dort leben hätten können, Sie jedoch nach Europa weitergereist sind, da Österreich Ihr Ziel gewesen wäre. Die erkennende Behörde geht somit davon aus, dass Sie nicht unbedingt auf der Suche nach Schutz vor einer Verfolgung nach Österreich gereist sind, sondern um Ihren Lebensstandard zu erhöhen und die Zukunftsperspektiven Ihrer Familie zu verbessern.

Die von Ihnen angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes sind teilweise unplausibel, wurden von Ihnen an wesentlichen Passagen gesteigert und sind daher für die Behörde auch unglaubwürdig. Der von Ihnen zur Begründung des Asylantrages vorgebrachte Fluchtgrund konnte nicht als asylrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass Sie verhaftet oder geschlagen wurden oder Probleme wegen Ihrer Volksgruppe oder Ihrer Religionszugehörigkeit hatten.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr einer staatlichen oder privaten Verfolgung aus Konventionsgründen, insbesondere im Zusammenhang mit den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftslandes, ausgesetzt wären, steht nicht fest. Auch unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass bei einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Gaza für Sie eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Fest steht, dass es in Gaza immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Hamas und den israelischen Sicherheitsbehörden kommt. Dass diese Konflikte aber unmittelbar und allgemein jede einzelne dort aufhältige Person betreffen würde, war nicht festzustellen. Fest steht ferner, dass sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Gaza eine allgemeine und unmittelbare, reale Gefahr für Zivilpersonen, d.h. ein "real risk" im Sinne der Rechtsprechung, nicht ableiten lässt.

Fest steht, dass die palästinensische De-Facto-Behörde (Hamas) prinzipiell keinen Hinderungsgrund für eine eventuelle Rückkehr nach Gaza darstellt. Fest steht, dass Sie Ihr Heimatland nach persönlichem Durchlaufen der Grenzkontrollen legal verlassen haben.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Fall Ihrer Rückkehr in Ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wären.

Fest steht, dass Sie volljährig, gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig sind und zudem über ein tragfähiges soziales- und familiäres Netzwerk in Gaza verfügen. Sie kamen in den Genuss einer mehrjährigen Schulbildung, sammelten in Ihrem bisherigen Leben Berufserfahrungen als Maurer und Maler und stehen noch in Kontakt zu Ihren Verwandten und Bekannten in Gaza. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass Ihnen im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre oder dass Sie bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werden. Fest steht, dass Ihre Familie in der Heimat unter guten Umständen lebt.

Fest steht, dass Sie vollkommen gesund sind und keine medizinische Behandlung benötigen. Fest steht, dass in Ihrem Heimatland grundsätzlich medizinische Behandlungsmöglichkeiten, wenn auch nur eingeschränkt, vorhanden sind.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie reisten im Juli 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und brachten am 31.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Sie leben in einer Flüchtlingsunterkunft und sind selbst mittellos und von staatlicher Unterstützung abhängig. Verwandte oder Bekannte aus der Heimat haben Sie in Österreich nicht. Festgestellt wird somit, dass in Ihrem Fall somit kein Familienbezug zu einem Angehörigen in Österreich vorliegt.

Zu Ihrem Privatleben gaben Sie im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass Sie niemals einen gültigen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet hatten und vier Tage pro Woche arbeiten gehen. Früher hätten Sie einen Deutschkurs besucht, jedoch würde derzeit keiner stattfinden. Sie würden, wenn Sie in Österreich bleiben könnten, gerne als Maler und Maurer arbeiten. Sie leben von der Grundversorgung und sind noch in einer öffentlichen Unterkunft untergebracht. Sie haben einen Deutschkurs besucht, jedoch den Deutschkurs Niveau A2 nicht abgeschlossen. Sie haben in Österreich keine weiteren Schulen, Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert. Sie sind weder Mitglied in einem Verein, noch karitativ in einer Organisation tätig. Sie haben in Österreich keine Verwandten oder Bekannte. Sonstige soziale Bindungen und/oder sonstige wirtschaftliche Anknüpfungspunkte konnten nicht festgestellt werden. Es konnten insgesamt keine Umstände festgestellt werden, die auf ein schützenswertes Privatleben iSd EMRK in Österreich hinweisen."

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt stützte sich zur Lagebeurteilung auf das Länderinformationsblatt Palästinensische Gebiete - Gaza der Staatendokumentation, Stand 12.09.2018. Die bP wollte im Verfahren vor dem Bundesamt dazu keine Stellungnahme abgeben. Daraus ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:

POLITISCHE LAGE

Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 6.8.2018). 137 Staaten erkennen Palästina als unabhängigen Staat an (PUN 2018). Am 29.11.2012 erhielt Palästina den Status als beobachtendes Mitglied bei der UNO. Konkret bedeutet der Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat, den etwa auch der Vatikan innehat, mehr Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung - sofern sie betroffen sind - an Diskussionen teilnehmen und Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen der UN wie dem Internationalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht, etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der israelischen Regierung vor Gericht zu bringen (BPB 30.11.2012).

Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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