TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 W182 1263536-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W182 1263536-4/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER, LLM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2018, Zl. 750977606/170007983/BMI-BFA_STM_AST, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. Nr. 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen

Bescheides wird insofern stattgegeben, als gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als der Spruchpunkt zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 9 Abs. 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 5, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, §§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 4, Abs. 9 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist Sunnit, hat im Herkunftsland zuletzt in Grosny in der Republik Tschetschenien gewohnt, reiste im Juli 2005 im Alter von 9 Jahren mit seinen Eltern und Brüdern illegal nach Österreich ein und stellte hier am 16.07.2005 einen Asylantrag.

Sein Asylantrag wurde im Wesentlichen mit den individuellen Fluchtgründen seines Vaters begründet, eigene Fluchtgründe wurden für den BF nicht geltend gemacht.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 22.11.2005, Zl. 05 09.776-BAG, den Asylantrag des BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBL. I Nr. 101/2003 ab, erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach Russland" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin aus. Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF keine eigenen Fluchtgründe habe, sondern wegen der Probleme des Vaters, die als nicht glaubwürdig erachtet worden seien, nach Österreich geflohen sei.

1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde nach einer Verhandlung am 30.10.2006 mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.11.2006, Zl. 263.536-2/2-III/07/05, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBL. I Nr. 101/2003 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Russland nicht zulässig sei, wobei ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.11.2007 erteilt wurde (Spruchpunkt II. und III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Vater des BF eine Glaubhaftmachung einer individuellen Verfolgungsgefahr im Herkunftsland aufgrund massivster Widersprüche zwischen seinen und den Angaben seiner Gattin zu den fluchtauslösenden Vorfällen nicht gelungen sei, jedoch eine Gesamtbetrachtung der Rückkehrsituation des BF und seiner Familie anzustellen gewesen sei. Dazu wurde weiters begründend ausgeführt: "Es ist unbestritten, dass in Tschetschenien für alle dort ansässigen Personen, insbesondere jedoch für Kinder, aufgrund der Kriegshandlungen die Sicherheitslage sehr angespannt und die humanitäre Not groß ist. So hat der Unabhängige Bundesasylsenat bereits mehrfach, zuletzt etwa in der Entscheidung vom 11.05.2006, Zl. 254.578/0- V/13/04, festgestellt, dass "die tschetschenische Bevölkerung unter sehr schweren Bedingungen lebt. Die Grundversorgung der Bevölkerung, insbesondere in Grosny, mit Nahrungsmitteln ist äußerst mangelhaft. Die Lieferung von Nahrungsmitteln durch internationale Hilfsorganisationen in das Krisengebiet ist nur sehr begrenzt und punktuell möglich. Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser etc.) und Gesundheitssystem sind nahezu vollständig zusammengebrochen. Etwa 50% des Wohnraums ist seit dem ersten Krieg (1994-1996) zerstört. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach der offiziellen Statistik 30% (russischer Durchschnitt: 4%), nach inoffiziellen Schätzungen 80%. Das reale Pro-Kopf-Einkommen ist sehr niedrig. Es beträgt nach den offiziellen Statistiken etwa ein Zehntel des Einkommens in Moskau. Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum, weil die Industriebetriebe überwiegend zerstört sind. Viel Geld wird in Tschetschenien mit illegalem Verkauf von Erdöl und Benzin verdient. Viele Familien leben auch davon, dass ein Ernährer in der Ferne arbeitet und ihnen Geld schickt. Die medizinische Versorgung in Tschetschenien ist völlig unzureichend. Durch die Zerstörungen und Kämpfe besonders in der Hauptstadt Grosny sind medizinische Einrichtungen in Tschetschenien weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Wichtige medizinische Einrichtungen in Grosny und Umgebung sind nach Augenzeugenberichten stark beschädigt oder zerstört. Der Wiederaufbau verläuft weiterhin sehr schleppend (Ad-hoc- Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom 13.12.2004, S. 15 f.)." UNHCR rät von einer Rückkehr nach Tschetschenien weiterhin ab (vgl. Beil. A des Verhandlungsprotokolles vom 30.10.2006)." Angesichts dessen erschien es dem Unabhängigen Bundesasylsenat nicht hinlänglich unwahrscheinlich, dass der BF samt seiner Familie bei Rückkehr in Hinblick auf die bestehende Sicherheits- und Versorgungslage in der tschetschenischen Republik einem Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Eine realistisch wahrscheinliche Relokation in andere Gebiete der Russischen Föderation außerhalb der tschetschenischen Republik wäre laut damaliger Einschätzung des Unabhängigen Bundesasylsenat dem BF und seiner Familie nicht zumutbar gewesen.

1.3. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.10.2010, Zlen 2007/20/0456 -0461-6, wurde Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 07.11.2006 in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass seitens des Unabhängigen Bundesasylsenats den in der Berufungsverhandlung vorgelegten ärztlichen Bestätigungen vom Oktober 2006, wonach bei der Mutter des BF eine ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei und sie an ständig wiederkehrenden Kopfschmerzen leide, keine Beachtung geschenkt und in den beweiswürdigenden Erwägungen den möglichen Einfluss der allfälligen Traumatisierung der Mutter des BF auf ihr Aussageverhalten nicht berücksichtigt worden sei.

In einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 25.01.2011 wurde für den BF die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 22.11.2005, Zl. 05 09.776-BAG, von seiner gesetzlichen Vertretung zurückgezogen, welcher sohin rechtskräftig wurde.

Am 24.10.2016 stellte der BF zuletzt einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005.

1.4. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2011, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX , wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX .2011, Zl. XXXX wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 1, 130 vierter Fall und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX , wobei XXXX unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Den Verurteilungen lag zugrunde, dass der BF in der Nacht zum XXXX 2011 mit zwei Mittätern mit einem Brecheisen in einem XXXX eingebrochen und diesen nach Bargeld in nicht mehr feststellbarer Höhe und anderen stehlenswerten Gütern durchsucht hat, am XXXX 2011 mit denselben Mittätern in ein XXXX einzubrechen versucht hat, wobei ein Mittäter sich beim vergeblichen Versuch XXXX einzutreten, um über den Hintereingang in das Geschäft einzudringen, verletzt hat und es beim Versuch geblieben ist. Weiters hat der BF mit einem Mittäter am selben Tag versucht, durch Aushebeln eines XXXX in ein Lokal einzusteigen, wobei sie jedoch auf frischer Tat betreten wurden.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX .2012, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130, 1. Fall StGB und des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX rechtskräftig verurteilt, wobei mit Beschluss die bedingte Strafnachsicht zum Urteil vom 05.09.2011 widerrufen und vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil vom 07.11.2011 unter Verlängerung der Probezeit auf 5 Jahre abgesehen wurde. Den Verurteilungen lag zugrunde, dass der BF am XXXX .2012 einer Person ein Mobiltelefon im Wert von € XXXX ,- unter Androhung von Schlägen abgenötigt hat. Weiters hat er am selben Tag in Zusammenwirken mit 3 Mittätern mehreren Personen Mobiltelefone weggenommen, indem sie diese zunächst einkreisten, dann stießen, schlugen, traten, würgten und die Übergabe der Mobiltelefone forderten. Am XXXX 2012 hat er in Zusammenwirken mit 4 Mittätern einer Person ein Mobiltelefon im Wert von € XXXX ,- sowie eine Uhr im Wert von € XXXX ,- abgenötigt, indem sie dieser zunächst Faustschläge und Fußtritte verpasst, sohin, überdies mit Gewalt, verfolgt, an der Jacke festgehalten und die Übergabe der genannten Wertgegenstände gefordert haben. Am XXXX .2012 hat der BF einer Person ein Mobiltelefon mit nicht mehr feststellbaren Wert weggenommen. Weiters hat er am XXXX .2012 einen Diebstahlstäter im Zusammenwirken mit anderen Mittätern dabei unterstützt, ein gestohlenes Mobiltelefon zu verkaufen, wobei er sich den Erlös mit den Mittätern aufgeteilt hat. Als mildernd wurde vom Gericht das reumütige Geständnis, der teilweise Versuch, die Schadensgutmachung, als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren strafbaren Handlungen, die einschlägige Vorverurteilung und der rasche Rückfall bewertet.

Weiters wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX .2014, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, 15 StGB, sowie nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von XXXX rechtskräftig verurteilt. Den Verurteilungen lag zugrunde, dass der BF am XXXX .2014 gewerbsmäßig an einen verdeckten Ermittler 1,6 g bto Marihuana um € XXXX ,- verkauft hat und eine unbekannte Menge des Suchtgiftes zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an unbekannte Abnehmer bereitgehalten hat. Weiters hat er ein bestimmte Menge des Suchtgiftes seit Herbst 2013 bis zum XXXX .2014, zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Als mildernd wurde vom Gericht das teilweise Geständnis, der Umstand, dass die Taten vor Vollendung des 21 Lebensjahres begangen wurden, es teilweise beim Versuch geblieben ist und das Suchtgift sichergestellt werden konnte, als erschwerend die zwei einschlägigen, rückfallsbegründenden Vorstrafen bewertet.

Zuletzt wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2017, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX 2016 in einem Kaufhaus einen Pullover im Wert von € XXXX gestohlen hat. Als mildernd wurde vom Gericht das reumütige Geständnis, das Zustandebringen der Beute, das Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit, als erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 39 StGB (Strafschärfung bei Rückfall) bewertet.

2. In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 19.12.2017 zur Prüfung der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er bei verschiedenen Freunden wohne, da er Streit mit seiner Familie gehabt habe und ausziehen habe müssen. Er sei schon öfters straffällig gewesen. Es sei irgendwie schief gegangen, weil er Streit mit seiner Familie gehabt habe. Jetzt habe er aber mit der Matura begonnen und werde bald heiraten. Er lebe von der Mindestsicherung und vom Arbeitslosengeld. Er habe drei Jahre eine Lehre gemacht, dann als Security bei einem Dönerladen gearbeitet. Aktuell besuche er ein Abendgymnasium und wolle die Matura machen. Auf die Frage, was er im Herkunftsland zu befürchten hätte, gab er an, das er dort niemanden kenne. Er sei ein kleines Kind gewesen, als er nach Österreich gekommen sei. Seine Eltern könnten aber schon gefährdet sein. Europäische Tschetschenen hätten dort Probleme. Er wolle auf keinen Fall wieder zurück. Er habe von vielen Tschetschenen gehört, dass die Lage dort schlecht sei. Auf die Frage, ob ihm im Fall der Rückkehr ins Herkunftsland Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohe, gab der BF an:

"Ich habe keine Ahnung, wer mich dort umbringen soll. Mich kennt dort keiner, ich kenne keinen, der mir etwas antun würde."

3. Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 07.11.2006, Zl. 263.536/2-III/07/05, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), dem BF die ihm mit Erkenntnis vom 07.11.2006, Zl. 263.533/2-III/07/05, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, ein auf 6 Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt VIII.). Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Lage in der Russischen Föderation, vor allem in Bezug auf Tschetschenien nicht mehr so darstelle, dass dies zu Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde, weshalb dem BF bereits aus diesem Grund der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen sei. Außerdem habe er den Tatbestand gem. § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 erfüllt, indem er mehrmals straffällig geworden und zu Freiheitsstrafen von insgesamt 3 Jahren und 4 Monaten verurteilt worden sei. Gem. § 9 Abs. 4 AsylG 2005 sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden gewesen. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor, eine Rückkehrentscheidung wurden nach § 9 Abs. 1 - 3 BFA-VG und seine Abschiebung gemäß § 46 FPG als zulässig erachtet. Gemäß § 18 BFA-VG stelle sein Verbleib in Österreich eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar und sei seine sofortige Ausreise erforderlich. Gem. § 55 Abs. 4 FPG habe das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt werde, was der Fall sei. Schließlich sei gegen den BF gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot zu verhängen gewesen.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 28.02.2018 wurde dem BF ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

4. Gegen diese Entscheidung erhob der BF durch seinen anwaltlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde. Darin wurden erhebliche Verfahrensfehler und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Zutreffend sei, dass der BF insgesamt zu XXXX Jahren und XXXX Monaten Freiheitstrafe aufgrund zahlreicher Delikte verurteilt worden sei. Es handle sich aber dabei um länger zurückliegende Straftaten ohne jegliche Aktualität. Die letzte Straftat habe der BF im XXXX 2016 begangen. Der BF habe in der Einvernahme ausführlich dargelegt, dass es sich um Fehler gehandelt habe. Zudem habe es sich um Straftaten des BF im jugendlichen Alter gehandelt. Inzwischen sei er erwachsen geworden und führe einen ordentlichen Lebenswandel (fixer Beruf, eigene Wohnung in Aussicht, etc.). In Tschetschenien habe der BF keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte. Bei einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK sei auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen. Hinzu trete noch, dass der BF mit seinen Eltern und Geschwistern überwiegend in Österreich aufgewachsen sei und somit sehr starke Anknüpfungspunkte in Österreich vorliegen würden und eine erhebliche Integration in die österreichische Gesellschaft gegeben sei. Dazu komme, dass der BF über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfüge und auch über eine Ausbildung und Beschäftigungszeiten, was von der Behörde nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Ausgehend von all dem hätte trotz der vorliegenden Straftaten, eben weil diese länger zurückliegen, eine positive Prognose für den BF festgestellt werden müssen. Es wäre jedenfalls von einem Einreiseverbot abzusehen gewesen, zumal dieser in der Zwischenzeit vielmehr erwachsen geworden sei, verlobt sei und sich in Österreich verheiraten werde und daher neben den Anknüpfungspunkt der eigenen Familie eine neue Familie haben werde und somit noch fester in Österreich verankert sei. Weiters wurde auf einen Jahresbericht von Amnesty International aus dem Jahr 2017 zum Thema Nordkaukasus und Tschetschenien verwiesen, wonach dort zahlreiche Menschenrechtsverletzungen wie unfaire Gerichtsverfahren, Folterungen und Misshandlungen stattfinden würden. Auch würde es an einer angemessenen medizinischen Versorgung fehlen. Letztlich wurde noch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu mehr als zehnjährigen Inhaltsaufenthalten verwiesen. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG idgF, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

6. Am 22.06.2018 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seines Vaters, seines volljährigen Bruders, seines rechtsfreundlichen Vertreters, seiner Lebensgefährtin als Zeugin sowie einer Dolmetscherin der tschetschenischen Sprache statt. Das Beschwerdeverfahren des BF wurde zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 AVG mit den Beschwerdeverfahren seines Vaters sowie seines volljährigen Bruders, denen ebenfalls durch Bescheide des Bundesamtes der Status des subsidiären Schutzberechtigten aberkannt wurde, zusammengezogen.

In der Verhandlung brachte der BF u.a. vor, dass er seit ein bis zwei Wochen in Österreich mit einer russischen Staatsangehörigen zusammenlebe, mit der er nach muslimischen Ritus verheiratet sei. Sie würde auch ein Kind von ihm erwarten. Ihr komme in Österreich der Status einer subsidär Schutzberechtigten zu. Sie würden bei ihren Eltern leben, doch habe der BF eine Wohnung in Aussicht. Dazu legte der BF eine Reservierungsbestätigung eines Standesamtes per E-Mail vom XXXX über die Reservierung eines Trauungstermines am XXXX für eine Hochzeit mit seiner Lebensgefährtin vor. Weiters legte er einen Auszug aus einem Mutter-Kind-Buch vor, wonach bei seiner Lebensgefährtin der XXXX als errechneter Geburtstermin bestätigt werde. Er habe in Österreich den Schulabschluss, jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. Er habe eine Maurerlehre abgebrochen und sei dann als Hilfsarbeiter auf Baustellen gewesen. Er schätze, ungefähr fünf Jahre auf Baustellen gearbeitet zu haben. Zurzeit arbeite er wieder. Am nächsten Tag habe er ein Vorstellungsgespräch, weil er seine Arbeit wechseln wolle. In diesem Zusammenhang verwies er auf eine vorgelegte Bestätigung einer Personalservice GmbH, wonach er dort auf unbestimmte Zeit als allgemeine Hilfskraft angestellt sei. Weiters legte er einen Auszug aus dem Datensammelsystem der WGKK vom 23.03.2018 vor, wonach er seit 06.03.2018 als Hilfskraft angestellt sei, sowie eine Bestätigung seines Bewährungshelfers vom 06.03.2018, wonach der BF seit Oktober 2012 im Rahmen der Bewährungshilfe betreut werde und Unterstützungen der Bewährungshilfe in Anspruch nehme.

Danach befragt, was er bei einer Rückkehr in die Russische Föderation befürchten würde, gab der BF an, dass es dort keinen gebe, der ihm wehtun würde, da er noch ein kleines Kind gewesen sei, als er das Herkunftsland verlassen habe. In Tschetschenien würden jedoch die Menschen unterdrückt werden und gebe es keine Meinungsfreiheit. Danach befragt, was er konkret befürchten würde, gab der BF an: "Den ganzen Blödsinn, den ich hier gemacht habe, wenn ich das dort gemacht hätte, würde es ganz anders aussehen." Er kenne ein bis zwei Personen, die dort einen Blödsinn gemacht haben. Diese seien geschlagen und misshandelt und mit Elektroschocks behandelt worden. Auf Vorhalt, dass es an ihm liege, ob er straffällig werde oder nicht, gab dieser an: "Ich weiß nicht, ob ich mitgenommen werde oder was mit mir passiert." Auf die Frage, warum er mitgenommen werden sollte, erklärte er im Wesentlichen, dass man nie wisse, was passiere. Er kenne dort niemanden und wisse nicht einmal, wovon er dort leben könnte. Auf Vorhalt, dass er in Tschetschenien Verwandte hätte, gab er an, dass er nicht glaube, dass die Familie ihn dort unterstützen würde. Nachgefragt, warum er dies glaube, gab er an, dass er sie kaum kenne und sie sozusagen fremd für ihn seien. Auf Vorhalt, dass er den Verwandten einmal im Jahr gratulieren würde, gab er im Wesentlichen an, dass er dies nur mache, weil sein Vater dies von ihm verlange. Auch würden die Tschetschenen in Tschetschenien die europäischen Tschetschenen nicht mögen, da sie aufgrund der Demonstrationen denken würden, dass sie alle gegen Tschetschenien seien. Nachgefragt, was der BF von diesen Tschetschenen befürchten würde, gab er an: "Es wird sicher irgendeine Auseinandersetzung geben." Auf die Frage, wieso er nicht in eine andere Region in der Russischen Föderation gehen könne, zumal er gesund und arbeitsfähig sei und seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten könne, gab der BF im Wesentlichen an, dass er keine Ausbildung habe, dort nichts anfangen könne und nichts habe. Außerdem würden sie dort auch europäische Tschetschenen nicht mögen. Unter Vorhalt, dass für den Fall, dass gegen seinen Vater eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen werde, er dort auch einen Familienangehörigen hätte, gab der BF an, gehört zu haben, dass sein Vater in Tschetschenien gesucht werde. Genaue Informationen dazu habe er jedoch nicht. Wenn sein Vater keine Probleme in Tschetschenien hätte, hätte der BF auch keine.

Im Herkunftsland würden sich die Onkel und Cousins väterlicherseits, weiters die Großeltern, Onkeln, Tanten und Cousins und Cousinen mütterlicherseits aufhalten. Der BF habe zumindest einmal im Jahr Kontakt zu den Cousins väterlicherseits. Er habe das Herkunftsland im Alter von acht Jahren verlassen und könne besser Deutsch als Tschetschenisch sprechen. Mit seinem Vater unterhalte er sich gemischt Tschetschenisch und Deutsch, da dieser ganz wenig Deutsch verstehe. In Tschetschenien habe er zwei Klassen Volksschule besucht.

Der Vater des BF brachte u.a. vor, dass sich drei Brüder samt den Familien und Kinder in Tschetschenien aufhalten würden, seine Söhne hätten ab und zu Kontakt zu den Onkeln und Cousins. Weiters brachte er vor, dass er sich sicher sei, dass er und seine Söhne in Tschetschenien regelmäßig festgenommen werden würden, um von ihm Geld abzupressen. Er habe keine finanzielle Möglichkeit, seine Söhne zu schützen. Alle würden wissen, dass er aus Österreich zurückgekommen sei und vermuten, dass er ein reicher Mann sei. Sie seien eine Finanzierungsquelle für die tschetschenischen Behörden. Alle tschetschenischen Männer, die jetzt in Europa seien, seien für die tschetschenischen Behörden Wahhabiten und gegen Kadyrov eingestellt.

Die Lebensgefährtin des BF bestätigte als Zeugin im Wesentlichen die Angaben des BF, dass sie schwanger sei. Sie kenne den BF seit ungefähr einem Jahr und habe ihn in der Abendmaturschule kennen gelernt. Im Jänner hätten sie nach muslimischen Ritus geheiratet. Es sei noch nicht lange her, dass er mit ihr zusammen bei ihren Eltern wohne, er sei aber auch manchmal bei Freunden. Sie wolle, dass der BF zu ihr ziehe. Sie sei im Alter von 9 Jahren nach Österreich gekommen und halte sich hier nunmehr elf Jahre auf. Sie habe den Status einer subsidiär Schutzberechtigten und habe jetzt einen Antrag auf Ausstellung des Aufenthaltstitels nach dem NAG gestellt. Sie gehöre der tschetschenischen Volksgruppe an und sei russische Staatsangehörige. Sie habe auch Familienangehörige im Herkunftsland, etwa eine Großmutter väterlicherseits in Tschetschenien oder einen Onkel, der sich aber irgendwo in Russland aufhalte. Sie habe kaum Kontakt zu ihren Verwandten, nur ab und zu zu festlichen Anlässen. Auf die Frage, ob sie persönlich etwas befürchten würde, wenn sie zu Besuch nach Tschetschenien fahren würde, gab die Zeugin an, dass sie das nicht tun wolle, da ihr der Präsident und die Politik nicht gefalle und es kein freies Land sei. Sie würde auch nicht wollen, dass ihr Kind dorthin komme. In Tschetschenien herrsche keine Meinungsfreiheit. Sie könne auch nicht nach Russland fahren, da Tschetschenien in Russland liege und die Länder und Präsidenten verbunden seien. Sie arbeite seit Jänner als Kassiererin und habe einen Hauptschulabschluss. Die Abendmaturaschule besuche sie nicht mehr, da es zu schwer für sie sei. In Österreich würden sich ihre Mutter, zwei Schwestern sowie Stiefgeschwister aufhalten.

Die Verhandlung mit dem BF konnte größtenteils in deutscher Sprache geführt werden, wobei nur bei Verständigungsschwierigkeiten auf die Dolmetscherin zurückgegriffen wurde. Dem BF wurden Länderberichte zu Kenntnis gebracht und ihm dazu eine Frist von 2 Wochen für eine Stellungnahme eingeräumt.

7. In einer Stellungnahme vom 10.07.2018 wurde auf einen Bericht von Amnesty international aus dem Jahr 2015 hingewiesen, wonach es im Dezember 2014 in Tschetschenien zu wiederholten Übergriffen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten gekommen sei. Laut eines Berichtes von Amnesty International aus dem Jahr 2008 seien 3.000 bis 5.000 Menschen durch den Geheimdienst in Tschetschenien zum "Verschwinden" gebracht worden, wobei die Fälle in den letzten Jahren abgenommen haben, jedoch kein einziger Verantwortlicher verurteilt worden sei. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty international würden die Menschenrechtslage in Tschetschenien schon seit langem kritisieren. Auch im Jahresbericht 2017 sei etwa von öffentlichem Druck auf Behörden und Justiz genauso die Rede wie von Schikanen, denen Menschenrechtsverteidiger immer wieder ausgesetzt seien. Diese Feststellungen würden genau mit den Angaben des BF und seinen Ängsten bzw. Befürchtungen übereinstimmen. Diese würden die in einer zivilisierten Gesellschaft rechtswidrigen Handlungen betonen, die obendrein den klaren Vorgaben der Menschenrechtskonvention widersprechen. Eine Abschiebung wäre nach den angeführten Erkenntnissen und Stellungnahmen unmenschlich. Dies werde auch durch den Umstand, dass der BF mittlerweile in Österreich verwurzelt sei und dieses Land als Heimatland betrachte, da er die meiste Zeit seines Lebens hier verbracht habe und keine sozialen Kontakt - außer Glückwunschkarten zu besonderen Anlässen - zu seinen Angehörigen in Tschetschenien habe, bekräftigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Aufgrund der der Entscheidung zugrunde liegenden Akten des Bundesamtes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist Sunnit, reiste im Juli 2005 im Alter von 9 Jahren illegal mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich ein und wurde für ihn am 16.07.2005 ein Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.11.2006, Zl. 263.536-2/2-III/07/05, wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 nicht zulässig sei, wobei ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.11.2007 erteilt wurde. Begründend wurde die Entscheidung - insbesondere auch im Hinblick auf die vulnerable Situation des BF als Kind - im Wesentlichen auf die infolge der Kriegshandlungen sehr angespannte allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Tschetschenien gestützt. Die behaupteten individuellen Fluchtgründe des Vaters des BF wurden für unglaubwürdig erachtet.

Ein Aufenthaltstitel nach dem NAG ist dem BF nie zugekommen.

Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2011, wegen des Vergehens des Diebstahls und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von XXXX , wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2011 wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von XXXX , wobei XXXX unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2012 wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes, des Verbrechens des versuchten Raubes, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls und des Vergehens der Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von XXXX rechtskräftig verurteilt, wobei mit Beschluss die bedingte Strafnachsicht zum Urteil vom 05.09.2011 widerrufen und vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil vom 07.11.2011 unter Verlängerung der Probezeit auf 5 Jahre abgesehen wurde.

Weiters wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2014 wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von XXXX rechtskräftig verurteilt.

Zuletzt wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichtes vom Jänner 2017 wegen des Vergehens des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von XXXX wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Der XXXX -jährige BF ist gesund und arbeitsfähig. Im Herkunftsland halten sich drei Onkel sowie Cousins väterlicherseits, weiters die Großeltern, Onkel, Tanten und Cousins und Cousinen mütterlicherseits auf.

In Österreich halten sich die Mutter sowie drei Brüder des BF auf. Ein gemeinsamer Haushalt besteht seit Jahren nicht mehr. Gegen den ebenfalls in Österreich aufhältigen Vater sowie den volljährigen Bruder des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag zur Zl. W182 1263533-4 und W182 1263535-4, eine vom Bundesamt verhängte Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bestätigt. Der BF hat in Österreich eine Lebensgefährtin, die russische Staatsangehörige ist, wobei aus der Beziehung im Dezember ein gemeinsames Kind hervorgegangen ist. Es konnten keine unüberwindbaren Hindernisse hinsichtlich einer Rückkehr ins Herkunftsland festgestellt werden. Der BF weist seit Jänner 2016 lediglich eine Kontaktmeldeadresse als Obdachloser auf. Eine Neuanmeldung ist seither nicht erfolgt.

Der BF hat in Österreich den Pflichtschulabschluss absolviert und verfügt über entsprechende Deutschkenntnisse, hat darüber hinaus keine Berufs- oder sonstige Ausbildung abgeschlossen, wobei er seit 2015 überwiegend Mindestsicherung bezogen hat. Er ist seit März 2018 Erwerbstätigkeiten als XXXX bei Leihfirmen nachgegangen.

Der BF hat im Herkunftsland bis zu seinem 9 Lebensjahr die Schule besucht und verfügt über entsprechende Tschetschenisch- und Russisch-Sprachkenntnisse.

Der BF konnte nicht glaubwürdig dartun, dass ihm im Herkunftsland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Verfolgung seitens der Behörden oder privater Personen drohen würde.

Dem BF droht bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat kein reales Risiko einer Verletzung im Sinne der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Im Übrigen wir der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang der Entscheidung zugrundgelegt.

1.2. Zur Situation in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

In Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, ist die gesamte Regierungsspitze auf Befehl Moskaus festgenommen worden, insgesamt sieben Personen: der kommissarische Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und vier weitere ranghohe Beamte. Ihnen wird Korruption vorgeworfen. Persönliche Waffen der Politiker wurden beschlagnahmt. Die Politiker wurden von Sicherheitskräften aus Moskau in Handschellen zum Flughafen gebracht und zu Vernehmungen in die russische Hauptstadt geflogen. Die muslimisch geprägte russische Teilrepublik Dagestan wird von Korruption und islamistischem Extremismus geprägt und macht Moskau Sorgen. Präsident Wladimir Putin entsandte im vergangenen Oktober den ehemaligen russischen Vize-Innenminister Wladimir Wassiljew, um für Ordnung zu sorgen. Im Januar war bereits der Bürgermeister der Hauptstadt, Mussa Mussajew, wegen Amtsmissbrauchs verhaftet worden (Euronews 6.2.2018, vgl. Kurier 5.2.2018). Der Präsident der Republik Dagestan, Ramasan Abdulatipow, ist im September 2017 von seinem Amt aus Altersgründen zurückgetreten (Ostexperte.de 28.9.2017). Am 9.10.2017 wird daraufhin Wladimir Wasiljew zum kommissarischen Oberhaupt der Republik Dagestan ernannt (Länderanalysen - Chronik 9.10.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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Euronews (6.2.2018): Dagestan: Gesamte Regierung in Handschellen abgeführt,

http://de.euronews.com/2018/02/06/dagestan-gesamte-regierung-in-handschellen-abgefuhrt, Zugriff 7.2.2018

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/, Zugriff 21.7.2017

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ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 21.7.2017

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Kurier (5.2.2018): Russland: Regierungsspitze in Dagestan festgenommen,

https://kurier.at/politik/ausland/russland-regierungsspitze-in-dagestan-festgenommen/309.777.147, Zugriff 7.2.2018

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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Ostexperte.de (28.9.2017): Präsident von Dagestan verkündet Rücktritt,

https://ostexperte.de/praesident-von-dagestan-verkuendet-ruecktritt/, Zugriff 7.2.2018

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Mena Watch (10.5.2017): Russland setzt auf sunnitische Soldaten in Syrien,

http://www.mena-watch.com/russland-setzt-auf-sunnitische-soldaten-in-syrien/, Zugriff 21.7.2017

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Russland Analysen (9.10.2017): Chronik: Russland im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/russland/chroniken/Chronik_RusslandAnalysen_2017.pdf, Zugriff 7.2.2018

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Standard (25.4.2017): Al-Kaida reklamiert Anschlag auf U-Bahn in St. Petersburg für sich,

https://derstandard.at/2000056544365/Al-Kaida-reklamiert-Anschlag-auf-U-Bahn-in-St-Petersburg?ref=rec, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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