TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/4 W103 1266873-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2019
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Entscheidungsdatum

04.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W103 1266873-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zl. 751692709-160923656, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 12.10.2005 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.11.2005 gemäß § 5 AsylG (Dublinverfahren) zurückgewiesen. Diese Zurückweisung wurde mit Entscheidung des Bundesasylsenates vom 11.04.2006 bestätigt.

Am 01.06.2016 wurde der BF im Rahmen eines Dublinverfahrens von der Schweiz nach Österreich überstellt und stellte am Flughafen Schwechat den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am 04.07.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. In Bezug auf seinen Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, Mitarbeiter seines Vaters wollten ihn in Russland umbringen. Er könne nicht genau sagen was sein Vater gearbeitet habe, sogar die Mutter habe es nicht gewusst. Deshalb seien auch seine Eltern getötet worden.

Am 04.05.2016 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, sich einwandfrei mit der anwesenden Dolmetscherin verständigen zu können und sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen. Die weitere Befragung nahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"(...)

F: Werden Sie rechtlich vertreten?

A: Nein.

F: Gibt es Gründe, die gegen eine Befragung am heutigen Tage sprechen.

A: Ich kann mich heute nicht gut konzentrieren, weil ich gestresst bin.

F: Warum sind Sie gestresst?

A: Wegen meinem Leben.

F: Wie fühlen Sie sich gesundheitlich?

A: Nicht gut. Versuchen wir die Einvernahme trotzdem.

F: Wie gut verstehen Sie die anwesende Dolmetscherin?

A: Ja, gut.

F: Stimmen die Angaben aus Ihren bisherigen Befragungen?

A: Ja, sie stimmen.

F: Wie heißen Sie, wie alt sind Sie und wo wurden Sie geboren?

A: Mein Name ist XXXX , ich bin am XXXX , in XXXX in der Russischen Föderation, geboren.

F: Welche Volksgruppenzugehörigkeit haben Sie?

A: Ich bin Ossete.

F: Welche Glaubenszugehörigkeit haben Sie?

A: Orthodox.

F: Gibt es irgendwelche Beweismittel die Sie heute vorlegen wollen?

A: Nein, ich bin in Behandlung, ich habe nur eine Terminkarte und ein Rezept für die Substitution. Ich muss heute nach der Einvernahme zum Arzt, ich brauche neue Medikamente, ich habe nun auch persönliche Probleme, ich bin obdachlos geworden, ich habe aber für ein Caritas-Asylzentrum eine Wegbeschreibung bekommen.

Anmerkung, Kopien liegen dem Akt bei.

F: Haben Sie einen Reisepass?

A: Nein, ich habe nichts.

F: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

A: Nein, weder noch.

F: Welche Familienangehörigen haben Sie und wo leben Ihre Familienangehörigen?

A: Meine Eltern sind schon gestorben, ich habe noch einen Bruder namens XXXX , zu ihm habe ich keinen Kontakt, er ist irgendwo in Europa. Ich wurde von der Schweiz abgeschoben und habe da den Kontakt zu ihm verloren.

F: Was ist mit Ihren Eltern?

A: Die sind schon gestorben. Ich will jetzt nicht über das Thema sprechen. Die Eltern wurden getötet, das war vor 15 oder 16 Jahren.

F: Haben Sie darüber eine Sterbeurkunde oder Ähnliches über Ihre Eltern?

A: Ich habe nichts.

F: Wo haben Sie vor Ihrer Ausreise gelebt?

A: Unmittelbar vor der Ausreise habe ich in XXXX gelebt, ich habe mich dort versteckt.

F: Wann war das?

A: Ich kann mich nicht an ein Datum erinnern. Ich habe das alles vergessen, wie einen alptraum.

F: Haben Sie abgesehen von Ihrem Bruder Familienangehörige in Österreich oder der EU?

A: Nein, keine.

Frage direkt an den AW auf Deutsch: Sprechen Sie schon Deutsch?

A: Nein. Ich will nach meiner Behandlung mit einem Deutschkurs anfangen.

Anmerkung: Eine einfache Konversation nicht möglich

F: Wann haben Sie Russland verlassen, wann sind Sie ausgereist?

A: Vor ungefähr 15 Jahren.

F: Wo leben Sie zur Zeit?

A: Ich habe nun die Adresse der Caritas bekommen. Gestern war ich in XXXX in einem Heim.

F: Wo waren Sie vorher?

Anmerkung: AW zeigt einen Meldezettel.

F: Welche Schul- oder sonstige Ausbildung haben Sie?

A: 9 Jahre Schule, sonst keine weitere Ausbildung.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat auch berufstätig, wenn ja, von wann bis wann?

A: Als Hilfskraft auf Baustellen, etwa ein Jahr.

F: Wovon haben Sie in Ihrer Heimat gelebt?

A: Ein Onkel väterlicherseits hat mich unterstützt.

F: Lebt der Onkel noch in Russland?

A: Ja, aber ich habe keinen Kontakt zu ihm.

F: Haben Sie in Nord-Ossetien strafbare Handlungen begangen?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Ja, deswegen bin ich geflohen, aber ich bin unschuldig.

F: Hatten Ihre Familienangehörigen Probleme in Nord-Ossetien?

A: Mein Vater hatte Probleme.

F: Haben Sie sich in Ihrer Heimat jemals an die Polizei oder an ein Gericht gewandt?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat politisch oder religiös tätig?

A: Nein.

F: Wann sind Sie ausgereist?

A: Vor 15 Jahren.

F: Waren Sie seither wieder in Ihrer Heimat?

A: Nein, wie kann ich das machen.

F: Wie finanzieren Sie sich zurzeit Ihren Aufenthalt in Österreich?

A: Grundversorgung.

F: Wo und wie oft haben Sie um Asyl angesucht?

A: Einmal in Österreich, dann in der Schweiz, dann wurde ich wieder nach Österreich gebracht und habe einen zweiten Antrag gestellt.

F: Wie oft sind Sie straffällig geworden?

A: Kein mal.

F: Das stimmt nun nicht ganz. Was sagen Sie dazu?

A: Vor ca. drei Monaten hatte ich eine Gerichtsverhandlung, bei Gericht meinten sie, ich solle einfach gehen. Ich habe Blumen gepflückt das heißt gestohlen.

FLUCHTGRUND

F: Schildern Sie mir möglichst konkret und mit allen Details warum Sie Russland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt haben? Geben Sie alle Fluchtgründe mit allen Details und diese möglichst konkret an.

A: Ich kann nicht zurück in meine Heimat, dort werde ich umgebracht. Die Leute suchen nach irgendwelchen Dokumenten, die Leute glauben, dass ich und mein Bruder diese Dokumente besitzen, aber wir wissen nichts davon.

F: Um welche Leute geht es, und um welche Dokumente?

A: Staatliche Beamte suchen uns, weil sie Dokumente von uns wollen, aber ich weiß nicht um welche Dokumente es sich handelt. Ich bin nach XXXX , Georgien, geflüchtet, wurde dort aber auch gefunden. Unser Vater hat uns nichts erzählt. Die Leute glauben, dass wir die Dokumente gelesen haben und daher über die Information verfügen, es war aber eine Sache nur zwischen unserem Vater und den Beamten.

Ich habe das alles vergessen und will mich nun nicht daran erinnern. Es ist schwer für mich, darüber zu reden, ich kann mich nicht an diese Tage erinnern.

F: XXXX liegt in Georgien, sind Sie von Georgien nach Österreich gereist?

A: XXXX wird auch von Russland kontrolliert. Von dort bin ich wieder zurück nach XXXX und von dort nach Europa.

F: Wurden sie persönlich konkret bedroht?

A: Nicht nur bedroht, sondern fast getötet.

F: Können sie dazu nähere Angaben machen?

A: Es waren seriöse, wichtige Politiker, die kennen viele Leute, die haben gute Beziehungen. Ich wollte zuerst nach Moskau flüchten, wusste aber, dass ich dort auch gefunden werde.

F: Wie war die Bedrohung von der Sie sprechen?

A: Die sind mit Waffen einfach zu uns gekommen, und wollten uns erschießen, es gab keine mündliche Bedrohung, aber wir konnten flüchten. Deswegen bin ich immer noch am Leben.

F: Woher wissen sie dann, dass die Leute die Dokumente wollen?

A: Von meinem Onkel.

F: Konnte Ihnen Ihr Onkel mehr zu der Sache sagen?

A: Nein, er hat mir nichts weiteres dazu erzählt, er meinte nur, wir sollten nicht zurückkehren und ich werde auch nicht zurückkehren. Ich lebe hier auf der Straße, habe hier meine Gesundheit verloren, ich wäre ja verrückt, wenn ich das einfach so ohne Grund machen würde.

F: War das jetzt alles oder wollen Sie noch etwas ergänzen oder hinzufügen?

A: Nein, nichts, ich will hier nur ein normales Leben führen, behandelt und wieder gesund werden.

F: Was befürchten Sie, wenn Sie in Ihre Heimat zurückkehren würden?

A: Erstens, ich will nicht zurückkehren, besser sie bringen mich hier um.

Anmerkung: AW beginnt zu weinen.

F: Wollen sie etwas ergänzen?

A: In der Schweiz wurde mir gesagt, dass ich zurückgeschickt werde, da habe ich mit einem Messer am Hals geschnitten, die Polizei konnte mich retten.

F: Das ist mittlerweile alles verheilt?

A: Ja, es gab dort auch einen Arzt, ich wurde dort behandelt, nach der Abschiebung habe ich wieder mit einer Therapie angefangen.

F: Wofür oder wogegen bekommen sie Medikamente?

A: Ich habe psychische Probleme, ich habe ständig Angst, ich höre Stimmen, ich war schon fast gesund, jetzt fangen die Probleme wieder an.

F: Haben Sie Probleme mit Alkohol oder Suchtmitteln?

A: Ja, ich trinke sehr viel, Drogensucht auch. Ich nehme alles, was mich beruhigt.

F: Werden Sie aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt?

A: Die Verfolgungen die ich hatte, hatten nichts damit zu tun, aber meine Verfolger waren Politiker.

F: Wann sind diese Verfolgungen passiert?

A: Ich kann das jetzt nicht sagen, vor etwa 15 Jahren. Ich will das alles sehr schnell vergessen, ich kann mich nicht daran erinnern.

Ich habe schon so oft darüber erzählt, es ist schon das dritte Mal, ich habe schon alles erzählt. Ich will das vergessen, aber wie soll das gehen, wenn sie mich immer danach fragen.

F: Konnten Sie sich auf die Einvernahme konzentrieren und haben Sie die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet?

A: Ja, ich habe alles gesagt und alles wahrheitsgemäß beantwortet.

F: Wie haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

A: Ja, natürlich.

Anmerkung: Dem AW werden die Länderfeststellungen zu Russland in Deutsch zur Abgabe einer Stellungnahme angeboten.

A: Nein, nein, nein, die brauche ich nicht.

(...)"

2. Mit Bescheid vom 20.06.2018, Zl. 751692709-160923656, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.07.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt IV. und V.). In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität des Beschwerdeführers fest (AS 278 bis 279) und traf Feststellungen zur Lage in dessen Herkunftsstaat (vgl. die Seiten 11 ff des angefochtenen Bescheides).

Beweiswürdigend wurden im Wesentlichen folgende Erwägungen getroffen:

"(...)

Festzuhalten ist, dass Ihre Angaben immer sehr allgemein und unbestimmt bleiben. Werden nur grobe Details nachgefragt, wollen Sie sich schon nicht mehr erinnern können.

In der Erstbefragung geben Sie an, dass Sie Mitarbeiter Ihres Vaters umbringen wollen. Sie wüssten nicht was Ihr Vater gearbeitet hat, und das hätte auch Ihre Mutter nicht gewusst. Sie geben weiter an, dass Ihre Eltern umgebracht wurden.

In der späteren Einvernahme wussten Sie dann davon zu berichten, dass es staatliche Beamte wären, die nach Dokumenten suchten, von denen diese Beamten annehmen, dass Sie und Ihr Bruder im Besitz derselben wären. Deswegen wolle man Sie umbringen.

Das hätten Sie alles von Ihrem Onkel väterlicherseits erfahren, der nach wie vor in Ihrer Heimat lebt. Mehr hätte Ihnen Ihr Onkel nicht erzählt und deswegen könnten Sie nun keine weiteren Angaben dazu machen.

Warum nun dieser Onkel nicht gefährdet ist, sie aber schon, können Sie nicht erklären.

Sie erwähnen kurz, dass hinter Ihrer Bedrohung seriöse, wichtige Politiker stehen würden.

Einmal wären unbekannte Leute mit Waffen zu Ihnen gekommen und hätte Sie erschießen wollen und das ohne jegliche mündliche Bedrohung. Trotzdem hätten Sie flüchten können. Wie man vor Leuten, die man nicht kennt, deren Absicht diese nicht Kund tun, die bewaffnet sind und die einen erschießen wollen, einfach flüchten kann, bleibt unerklärt.

Wie bereits erwähnt, blocken Sie jede weitere Frage zu den Vorgängen mit den Hinweisen ab, dass Sie sich nicht mehr erinnern könnten oder nicht mehr erinnern wollten, bzw. da die Erinnerung daran für Sie belastend wäre, wollten Sie nun nicht mehr darüber sprechen.

Aus Mitarbeitern Ihres Vaters werden staatliche Beamte und schlussendlich wichtige Politiker.

Ihre Eltern sollen getötet worden sein, der Bruder Ihres Vaters, also Ihr Onkel, kann aber ohne Probleme in der Heimat leben.

Sie geben an, einen Bruder zu haben, dessen Alter sei Ihnen aber unbekannt.

Weitere Angaben fehlen entweder ganz oder Sie bleiben derart vage, dass Ihren Angaben die Glaubwürdigkeit als Fluchtgrund entsprechend den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention abgesprochen werden muss.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Ihrer Begründung für die Antragstellung die Glaubwürdigkeit, aus den genannten Gründen, aberkannt werden musste. Es ist somit offensichtlich, dass Sie versuchen, über ein Asylverfahren Ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation einer Verfolgungsgefährdung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Aus Ihrem Gesamtvorbringen ergibt es sich, dass Sie grundsätzlich arbeitsfähig wären. Sie haben in der Russischen Föderation auch schon vor Ihrer Ausreise gearbeitet.

Da Ihnen im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, Sie die Landessprache Russisch beherrschen, sowie mit den lokalen Sitten und Gewohnheiten vertraut sind, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Sie verfügen über eine schulische Grundbildung. Sie verfügen über Berufserfahrung als Hilfsarbeiter auf Baustellen.

Sie geben einen Onkel väterlicherseits an, der Sie schon früher unterstützt hat. Sie verfügen damit über soziale, bzw. familiäre Anknüpfungspunkte in Ihrer Heimat.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Betreffend der Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben betreffend:

Sie sind volljährig, Sie sind nicht verheiratet und Sie haben keine Kinder, es liegen also keine Obsorgepflichten vor. In Österreich haben Sie keine Familienangehörigen. Ihr Onkel lebt nach wie vor in der Russischen Föderation.

Sie sind im Jahr 2005 erstmalig alleine und nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Sie waren zwischenzeitlich in der Schweiz, wo Sie 2015 einen weiteren Asylantrag gestellt haben.

Sie befinden sich nun seit Juli 2016 wieder im Bundesgebiet, den größeren Teil Ihres Lebens haben Sie aber in der Russischen Föderation zugebracht.

Sie haben kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, das nicht auf dem Asylgesetz fußt.

Gemäß Ihren Angaben haben Sie in Österreich nicht gearbeitet. Sie haben in Österreich von der Grundversorgung gelebt. Sie sind nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Vereinigung.

Zusammenfassend wird festgehalten, dass Sie in Österreich nicht sozial verankert oder integriert sind.

(...)"

In rechtlicher Hinsicht wurde von der Erstinstanz ausgeführt, eine asylrelevante Verfolgung habe vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden können. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergäben sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, der gemäß Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK zur Gewährung von Asyl führe. Den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe hätte keine Glaubwürdigkeit beschieden werden können, da er eine individuelle asylrelevante Gefährdungslage nicht glaubhaft machen habe können.

Zu Spruchpunkt II. wurde nach Wiedergabe des § 8 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AsylG 2005 ausgeführt, dass sachliche Gründe für die Annahme sprechen müssten, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichten nicht aus. Nach der Judikatur des EGMR obliege es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behaupte, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlaubten (EGMR 5.7.2005, Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hätte die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (EGMR 26.7.2005, N. gg. Finnland). Dabei könne bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht seien (EGMR 6.2.2001, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.8.2001. 2000/01/0443).

Der Beschwerdeführer habe während des gesamten Verfahrens keinerlei glaubhaften Indizien oder Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, welche die Annahme hätten rechtfertigen können, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr laufen würde, im Falle ihrer Rückkehr in den Heimatsstaat, der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe unterworfen zu werden.

Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und zur ausgesprochenen Rückkehrentscheidung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Wiedergabe der entsprechenden rechtlichen Grundlagen und auf Art. 8 EMRK bezugnehmender höchstgerichtlicher Judikatur aus, dass weder ein Eingriff in das Familienleben vorliege, noch der Eingriff in das Privatleben ungerechtfertigt wäre, zumal sich der Beschwerdeführer erst seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum in Österreich aufhalte und er in dieser Zeit keine nennenswerten wirtschaftlichen oder sozialen Kontakte aufgenommen habe. Er sei illegal eingereist und seien keine für einen Verbleib in Österreich sprechenden Gründe vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gefunden worden.

Mit Verfahrensanordnung vom 20.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

3. Mit am 13.07.2018 eingelangtem Schriftsatz wurde - unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses - fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, der Beschwerdeführer sei russischer Staatsangehöriger und habe seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Die russischen Sicherheitsbehörden seien nicht gewillt bzw. nicht im Stande, dem BF den notwendigen Schutz zu bieten. Der BF habe zudem keine innerstaatliche Fluchtalternative in Russland. Der BF habe zu seinen Fluchtgründen glaubhaft angegeben, dass er im Fall einer Rückkehr in die russische Föderation eine asylrelevante Verfolgung durch die Regierung befürchte. Ihm werde von dieser unterworfen, dass er Dokumente besitze, die für diese wichtig seien. Näheres könne er dazu aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht angeben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 18.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2018 der entscheidenden Geschäftsabteilung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation, wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Zur Person

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Osseten an und dem orthodoxen Glauben. Seine Identität steht mangels Vorlage von Dokumenten nicht fest. Er stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Juli 2016 infolge Abschiebung aus der Schweiz im Rahmen eines Dublinverfahrens.

Der Beschwerdeführer leidet lt. eigenen Angaben unter Alkoholproblemen sowie psychischen Problemen - ärztliche Unterlagen dazu wurden keine vorgelegt - lt. Aktenlage sind keine schweren Erkrankungen bekannt. Der BF hat in seiner Heimat einen Onkel, welcher ihn unterstützen könnte.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte oder dass ihm eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, in der Russischen Föderation eine Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein.

Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht berufstätig und kann seinen Lebensunterhalt in Österreich nicht eigenständig bestreiten. Der Beschwerdeführer nahm an keinem Deutschkurs teil. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine besonderen Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur in Österreich. Dem Beschwerdeführer kam zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Lt. Strafregisteranfrage vom 18.07.2018 wurde de BF mit Urteil der XXXX vom 09.11.2017 RK 16.05.2018 wegen § 15 § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagsätzen zu je 4.- Euro im NEF 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

1.2.1 Hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Situation in der Russischen Föderation wird unter der Heranziehung der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderberichte Folgendes festgestellt:

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat: (Gesamtaktualisierung am 21. Juli 2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 7.5.2018)

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit 7.5.2018 in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 13).

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montag (7.5.2018) den Eid für seine vierte und somit letzte Amtszeit abgelegt. Vor etwa 5.000 Gästen im Kreml in Moskau gelobte er, "dem Volk treu zu dienen", wie es in der Eidesformel heißt (Kurier.at 7.5.2018).

Bei der Präsidentenwahl im März 2018 hatte die Wahlbehörde ihm ein Rekordergebnis von knapp 77% der Stimmen zugesprochen. Überschattet wird die Amtseinführung von der Gewalt, mit der die Polizei am 5.5.2018 Kundgebungen von Regierungsgegnern auflöste. Landesweit wurden dabei etwa 1.600 Anhänger des Oppositionellen Alexej Nawalny festgenommen, die meisten aber wieder freigelassen. Doch das Bürgerrechtsportal "OVD-Info" zählte am Montag immer noch dutzende Demonstranten in Gewahrsam (Standard.at 7.5.2018).

Alexej Nawalny hatte zu landesweiten Protesten gegen den Kremlchef aufgerufen, unter dem Motto "Er ist nicht unser Zar" fanden sich in rund 90 Städten Demonstranten zusammen. Die größten Veranstaltungen gab es traditionell in Moskau und St. Petersburg. Vor allem junge Menschen folgten dem Aufruf Nawalnys. In der Hauptstadt Moskau waren es nach Einschätzung der Tageszeitung Kommersant rund 10.000 Demonstranten, während die Polizei die Menge dort auf nur 1.500 Personen taxierte. Die in jedem Fall verhältnismäßig geringe Zahl der Demonstranten ist auch auf die anhaltende Zersplitterung der russischen Opposition zurückzuführen. So beteiligten sich weder die sozialliberale Jabloko-Partei, noch die neue "Partei der Veränderungen" um Xenia Sobtschak und Dmitri Gudkow an den Kundgebungen. Die Obrigkeit hingegen hatte eine enorme Anzahl an Sicherheitskräften aufgefahren, um mögliche Unmutsbekundungen im Keim zu ersticken. Neben der Polizei waren Männer in Kosakenuniform im Einsatz. Kosaken - eigentlich Folklore - treten immer wieder als Hilfspolizisten auf. In Moskau gingen sie hart gegen die Menge vor. Auch die Polizei setzte Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein. Kritik am harten Vorgehen der Behörden gab es nicht nur von der EU, sondern auch aus dem Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. Speziell der Einsatz der Kosaken rief dort Unmut hervor. Kremlsprecher Dmitri Peskow hingegen kommentierte die Vorfälle nicht. Nawalny wurde gleich nach seinem Eintreffen auf dem für die Protestaktion zentralen Puschkin-Platz abgeführt. Etwa 80% der Festgenommen wurden innerhalb eines Tages wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch Nawalny kam nach mehreren Stunden vorläufig frei, allerdings muss er sich am 11.5.2018 - vier Tage nach den Inaugurationsfeiern im Kreml - vor Gericht wegen der Organisation einer ungenehmigten Kundgebung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verantworten. Als Wiederholungstäter droht dem Oppositionellen eine empfindliche Strafe (Standard.at 6.5.2018).

Quellen:

-

Standard.at (6.5.2018): Härte gegen Proteste vor erneuter Putin-Amtseinführung,

https://derstandard.at/2000079263953/Nawalny-nach-Festnahme-bei-Oppositionskundgebung-wieder-frei, Zugriff 7.5.2018

-

Standard.at (7.5.201): Putin trat vierte Amtszeit als Präsident an, kommt am 5. Juni nach Wien, https://derstandard.at/2000079311730/Putin-tritt-vierte-Amtszeit-als-russischer-Praesident-an, Zugriff 7.5.2018

-

Kurier.at (7.5.2018): Putin trat vierte Amtszeit an und besucht am 5. Juni Wien,

https://kurier.at/politik/ausland/putin-trat-vierte-amtszeit-an-geloebnis-vor-5000-gaesten/400031920, Zugriff 7.5.2018

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 2. Politische Lage).

Wie erwartet ist Russlands Präsident Putin bei der Präsidentschaftswahl am 18.3.2018 im Amt bestätigt worden. Nach Auszählung von 99% der Stimmen errang er 76,7% der Stimmen. Putins stärkster Herausforderer, der Kommunist Pawel Grudinin, kam auf 11,8%, dahinter der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski mit 5,7%. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur Tass zufolge bei knapp 67%, und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration. 70% waren in den letzten Wochen inoffiziell als Ziel gestellt worden, zuletzt hatte der Kreml die Erwartungen auf 65% heruntergeschraubt (Standard.at 19.3.2018, vgl. Presse.at 19.3.2018). Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben (Tagesschau.de 19.3.2018).

Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018).

Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin. Sie stellte Bilder einer Überwachungskamera in einem Wahllokal nahe Moskau zur Verfügung, die offenbar zeigen, wie Wahlhelfer gefälschte Stimmzettel in eine Urne stopfen. Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018).

Quellen:

-

Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 19.3.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 19.3.2018

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Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 19.3.2018

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt

2.2 Politische Lage Dagestan und Abschnitt 4 Rechtsschutz/Justizwesen).

In Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, ist die gesamte Regierungsspitze auf Befehl Moskaus festgenommen worden, insgesamt sieben Personen: der kommissarische Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und vier weitere ranghohe Beamte. Ihnen wird Korruption vorgeworfen. Persönliche Waffen der Politiker wurden beschlagnahmt. Die Politiker wurden von Sicherheitskräften aus Moskau in Handschellen zum Flughafen gebracht und zu Vernehmungen in die russische Hauptstadt geflogen. Die muslimisch geprägte russische Teilrepublik Dagestan wird von Korruption und islamistischem Extremismus geprägt und macht Moskau Sorgen. Präsident Wladimir Putin entsandte im vergangenen Oktober den ehemaligen russischen Vize-Innenminister Wladimir Wassiljew, um für Ordnung zu sorgen. Im Januar war bereits der Bürgermeister der Hauptstadt, Mussa Mussajew, wegen Amtsmissbrauchs verhaftet worden (Euronews 6.2.2018, vgl. Kurier 5.2.2018).

Der Präsident der Republik Dagestan, Ramasan Abdulatipow, ist im September 2017 von seinem Amt aus Altersgründen zurückgetreten (Ostexperte.de 28.9.2017). Am 9.10.2017 wird daraufhin Wladimir Wasiljew zum kommissarischen Oberhaupt der Republik Dagestan ernannt (Länderanalysen - Chronik 9.10.2017).

Quellen:

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Euronews (6.2.2018): Dagestan: Gesamte Regierung in Handschellen abgeführt,

http://de.euronews.com/2018/02/06/dagestan-gesamte-regierung-in-handschellen-abgefuhrt, Zugriff 7.2.2018

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Kurier (5.2.2018): Russland: Regierungsspitze in Dagestan festgenommen,

https://kurier.at/politik/ausland/russland-regierungsspitze-in-dagestan-festgenommen/309.777.147, Zugriff 7.2.2018

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Russland Analysen (9.10.2017): Chronik: Russland im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/russland/chroniken/Chronik_RusslandAnalysen_2017.pdf, Zugriff 7.2.2018

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Ostexperte.de (28.9.2017): Präsident von Dagestan verkündet Rücktritt,

https://ostexperte.de/praesident-von-dagestan-verkuendet-ruecktritt/, Zugriff 7.2.2018

2. Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

-

Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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