TE OGH 2019/1/23 3Ob205/18w

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Veröffentlicht am 23.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Ing. MMag. Dr. Gerhard Benda, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 5.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 27. Juli 2018, GZ 3 R 77/18x-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 27. Februar 2018, GZ 26 C 142/17k-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das gegenständliche Schadenersatzbegehren der Klägerin betrifft ihre Kosten aus einem vorangegangenen Zivilprozess, in dem sie sich den dort Beklagten als Nebenintervenientin angeschlossen hatte. Den Vorprozess beendete die nunmehrige Beklagte (als dortige Klägerin) durch eine Ruhensvereinbarung mit ihren Gegnern, weil sie (nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens) davon ausging, den Prozess voraussichtlich zu verlieren. Wäre in diesem Vorprozess eine für die nunmehrige Beklagte nachteilige (abweisende) Gerichtsentscheidung ergangen, hätte (auch) die nunmehrige Klägerin als Nebenintervenientin damals einen Anspruch auf Kostenersatz erworben. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vorgangsweise der Beklagten im Vorprozess rechtsmissbräuchlich gewesen sei und daher einen Schadenersatzanspruch begründe.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb – ungeachtet des gegenteiligen, jedoch nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig; dies ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. An den Beitritt als Nebenintervenient sind weder besondere rechtliche Nahebeziehungen noch ein vertragsähnliches Verhältnis mit wechselseitigen Treuepflichten, Sorgfaltspflichten, Aufklärungspflichten und Fürsorgepflichten geknüpft. Die Hauptpartei bleibt vielmehr Herrin des Verfahrens, ihr allein obliegt die Disposition über den Streitgegenstand und sie kann alle ihr unerwünschten Prozesshandlungen des Nebenintervenienten einschließlich von ihm ergriffener Rechtsmittel zurücknehmen (RIS-Justiz RS0035570 [T1]).

Der Nebenintervenient erhält grundsätzlich Kostenersatz im selben Verhältnis wie die Hauptpartei, der er konkret beigetreten ist (RIS-Justiz RS0035807). Vor Rechtskraft einer ihm günstigen Kostenentscheidung steht dem (einfachen) Nebenintervenienten kein Anspruch zu (3 Ob 68/98s = RIS-Justiz RS0035807 [T2]).

Im Fall eines Vergleichs richtet sich der Kostenersatzanspruch des Nebenintervenienten nach dem Inhalt dieses Vergleichs; ist darin über seine Kosten nichts vereinbart, so verhindert der Vergleich das Entstehen eines Ersatzanspruchs (1 Ob 338/97f). Auch im Fall einer außergerichtlichen Einigung der Hauptparteien, die zum Ruhen des Verfahrens führt, entsteht kein Kostenersatzanspruch des Nebenintervenienten (6 Ob 544/89).

2. Es stellt eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage dar, ob ein durch eine Prozessbeendigung ohne seine Einbindung („über seinen Kopf hinweg“) vermeintlich geschädigter Nebenintervenient seine Kosten aus dem Titel des Schadenersatzes von Hauptparteien wegen Rechtsmissbrauchs oder sittenwidriger Schädigung begehren kann (3 Ob 68/98s). Nach der – in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei dieser Beurteilung auch das Streitbeilegungsinteresse der Parteien und das Gebot des § 204 ZPO, wonach das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf einen Vergleich hinwirken soll, zu beachten (3 Ob 68/98s).

3. Allgemein kann nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls dann von einer missbräuchlichen Rechtsausübung gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als eben jenes, dem anderen Schaden zuzufügen; besteht hingegen ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Rechte entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch zu einer missbräuchlichen, dass der sein Recht Ausübende daneben auch die Absicht verfolgte, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen (RIS-Justiz RS0026271 [T8, T10, T12, T14, T15, T18, T22, T23 bis T25]). Zweifel am Rechtsmissbrauch geben zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (RIS-Justiz RS0026271 [T26]).

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung, die hier die von der Klägerin beanstandete Ruhensvereinbarung der Beklagten mit ihren Gegnern im Vorprozess stelle keinen Rechtsmissbrauch dar, keineswegs unvertretbar. Die Beklagte kann sich nämlich für die gewählte Vorgangsweise, die von der Klägerin als rechtsmissbräuchlich erachtet wird, auf ihr Interesse an einer (möglichst kostengünstigen) Beendigung des (Vor-)Verfahrens berufen; nach den Feststellungen kam die nun beklagte Eigentümergemeinschaft nach Vorliegen des Gutachtens des Sachverständigen in einer Eigentümerversammlung überein, den (Vor-)Prozess nicht mehr fortzuführen; danach vereinbarten die Hauptparteien ewiges Ruhen des Verfahrens, wobei den beteiligten Rechtsanwälten „klar“ war, dass die Ruhensvereinbarung den Vorteil hatte, dass die Nebenintervenientin keinen Kostenzuspruch erzielen würde, und nicht feststeht, dass die nunmehrige Beklagte von diesem Umstand auch nur informiert wurde. Entgegen der Meinung der Klägerin kann daher nach dem bindend festgestellten Sachverhalt nicht davon gesprochen werden, es sei „das ausschließliche Motiv“ der damaligen Hauptparteien gewesen, die damalige Nebenintervenientin zu schädigen. Dass eine aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegen würde, trifft somit nicht zu.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E124216

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00205.18W.0123.000

Im RIS seit

11.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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