TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W134 2174431-1

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W134 2174427-1/10E

W134 2174438-1/9E

W134 2174435-1/9E

W134 2174441-1/7E

W134 2174440-1/8E

W134 2174433-1/7E

W134 2174431-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078855906-150897415, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078862301-150898263, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078861707-150897623, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Viertbeschwerdeführerin XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078861903-150897666, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Viertbeschwerdeführerin XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078862007-150897747, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Sechstbeschwerdeführerin XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078862105-150897771, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Einzelrichter über die Beschwerde der Siebtbeschwerdeführerin XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zahl 1078862203-150897801, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016.

2. Am 21.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF1" genannt) brachte zunächst vor, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er habe in Kabul 5 Jahre die Grundschule besucht. Vor 17 Jahren sei er in den Iran gezogen. Er sei mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet und habe 5 Kinder.

Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der BF1 vor, dass seine Eltern und Geschwister vor 17 Jahren bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen seien. Sein Onkel im Iran habe ihn daraufhin aufgenommen. Er habe seither im Iran gelebt und seine Cousine geheiratet. Die Repressalien im Iran seien jedoch sehr hoch gewesen. Er habe keinen langfristigen Aufenthaltstitel erhalten und für kurzfristige Aufenthaltstitel hohe Schmiergelder bezahlen müssen. Ausländische Kinder hätten im Iran nicht zur Schule gehen können.

Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF2" genannt) brachte zunächst vor, dass sie 5 Jahre eine Schule im Iran besucht habe. Sie sei mit dem BF1 verheiratet und habe 5 Kinder den Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: "BF3" genannt), die Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF4" genannt), die Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF5" genannt), die Sechstbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF6" genannt) und die Siebtbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF7" genannt).

Zu ihrem Fluchtgrund befragt brachte die BF2 vor, dass sie den Iran aufgrund der Repressalien gegen afghanische Staatsbürger verlassen habe. Die Situation in Afghanistan sei schlecht.

3. Am 05.05.2017 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (im Folgenden: "BFA" genannt) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 brachte zunächst vor, dass er schiitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Er habe mit seiner Familie in Bamyan und in Kabul gelebt. Er habe im Iran 5 Jahre eine afghanische Schule besucht. Er habe in Bamyan in der Landwirtschaft und in Kabul als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er sei mit der BF2 traditionell verheiratet. Er habe fünf Kinder, die Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer (im Folgenden "BF3-BF7" genannt).

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF1 zusammengefasst an, dass sein Vater mit der Familie in den Iran gezogen sei, als er ein Jahr alt gewesen sei, weil ein Paschtune getötet worden sei und sein Vater und andere Leute Angst hatten deswegen beschuldigt zu werden. Das zweite Mal habe er Afghanistan wegen des Bürgerkrieges verlassen. Das Haus seiner Familie in Kabul sei von einer Rakete getroffen worden. Dabei habe er seine Familie verloren. Den Iran habe er verlassen, weil er keine Dokumente besessen habe. Die iranischen Behörden hätten daher vorgehabt ihn nach Syrien in den Krieg zu schicken.

Die BF2 brachte zunächst vor, dass sie schiitische Muslimin sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Sie spreche Dari. Sie sei im Iran geboren und aufgewachsen. Sie sei 5 Jahre im Iran zur Schule gegangen, dann sei sie Hausfrau gewesen. Sie sei mit dem BF1 verheiratet. Die BF3-BF7 seien ihre leiblichen Kinder.

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF2 zusammenfassend an, dass sie im Iran als Afghanen immer Probleme gehabt hätten. Ihr Mann habe nicht legal arbeiten können, er sei auch schon von der iranischen Polizei festgenommen worden. Zwei Mal sei ihr Mann schon nach Afghanistan abgeschoben worden. Ihrem Mann sei auch von den iranischen Behörden vorgeschlagen worden, nach Syrien in den Krieg zu gehen, um eine Aufenthaltskarte für den Iran zu bekommen. Sie seien geflüchtet, weil sie Angst gehabt hätten, dass ihr Mann nach Syrien in den Krieg geschickte werde. Frauen und Mädchen seien in Afghanistan nicht sicher. Da sie 4 Töchter habe, habe sie große Angst.

Ihre Kinder, die BF3-BF7 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

4. Das BFA hat mit den angefochtenen Bescheiden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Anträgen bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG, wie auch § 8 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG stattgegeben (Spruchpunkt II.) und den Beschwerdeführern eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 04.10.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Zur Begründung der Bescheide führte die belangte Behörde aus, dass die für den Iran geltend gemachten Fluchtgründe nicht das Heimatland des BF betreffen würden. Der BF1 habe nur die schlechte Sicherheitslage in seinem Heimatland ins Treffen geführt. Eine Gefährdung des BF1 habe nicht glaubhaft gemacht werden können. Es hätten sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, dass die BF2 der sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen angehöre. Sie trug ein langes Kopftuch und gab an, dass sie sich gewohnheitsgemäß so kleide. Die BF2 pflege alleine ohne ihren Mann kaum soziale Kontakte. Spazieren und einkaufen gehe sie nur gemeinsam mit ihrem Mann. Für die BF3-BF7 seien keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden.

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, (in der Folge: AVG) vom 09.10.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Gegen die oben genannten Bescheide richten sich die im Wege der Rechtsvertretung erhobenen Beschwerden, welche fristgerecht beim BFA einlangten. In diesen wird u.a. ausgeführt, dass für die BF2 und die BF4-BF7 aufgrund ihrer politischen Gesinnung und ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten afghanischen Frauen ein Verfolgungsrisiko bestehe. Dem BF1 würde aufgrund seiner langen Abwesenheit eine westliche Gesinnung unterstellt werden und daher Verfolgung drohen.

7. Die gegenständlichen Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.10.2017 vom BFA vorgelegt.

8. Den Beschwerdeführern wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 30.01.2018) im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 28.03.2018 zur Kenntnis gebracht.

Seitdem wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (kurz LIB), Stand 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 30.01.2018) durch folgendes Dokument aktualisiert: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, aktualisiert durch die Kurzinformationen vom 22.08.2018, 11.09.2018 und 19.10.2018. Aus der aktuellen Fassung des LIB ergeben sich im Vergleich zu dem Stand des LIB, von welchem in der mündlichen Verhandlung ausgegangen wurde, keine wesentlichen Änderungen der Situation insbesondere der Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in den hier relevanten Provinzen. Das BVwG geht daher von der aktuellen Fassung des LIB aus.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte in den gegenständlichen Rechtssachen am 16.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführer im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahmen.

10. Mit Bescheiden des BFA vom 27.09.2018 wurde allen 7 BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 04.10.2020 erteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF1:

Der BF1 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF1 ist Dari. Er habe sich in Bamyan, in Kabul und im Iran aufgehalten. Der BF1 besuchte 5 Jahre die Schule und war anschließen in der Landwirtschaft und als Hilfsarbeiter tätig. Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet. Die BF3-BF7 sind seine leiblichen Kinder.

Der BF1 lebt mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in Österreich. Der BF1 ist strafrechtlich unbescholten, arbeitsfähig, jung und gesund.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 seinen Herkunftsstaat aufgrund einer Verfolgung durch die Taliban oder einer anderen konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlies oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF auf Grund seines in Österreich ausgeübten westlichen Lebensstils (selbstbestimmtes Leben, westlicher Kleidungsstil und westliches Frauenbild) in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.2. Zur Person der BF2:

Die BF2 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanischer Staatsangehörige, schiitische Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF2 ist Dari. Sie wurde im Iran geboren und besuchte dort 5 Jahre die Schule.

Die BF2 ist mit dem BF1 verheiratet und hat 5 Kinder, die BF3-BF7. Sie lebt mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in Österreich. Die BF2 besucht nach den Ferien, am 25.06.2018 erst wieder den nächsten Deutschkurs. Sie spricht kaum Deutsch. Die BF2 kümmerte sich in Afghanistan um den Haushalt und die Betreuung der gemeinsamen Kinder. Auch in Österreich kümmert sich die BF2 überwiegend um den Haushalt und ihre 5 Kinder. Sie verbringt die meiste Zeit zu Hause macht den Haushalt und hilft ihren Kindern beim Hausaufgaben machen. In ihrer Freizeit treibt die BF2 in einer reinen Frauengruppe Sport und geht mit ihren Kindern in den Park. Die BF2 ist an dem Beruf der Kindergärtnerin interessiert, hat aber noch keine konkreten Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft. Die BF2 geht gemeinsam mit ihrem Mann einkaufen.

Die BF halten sich erst seit Juni 2015 in Österreich auf. Es konnte nicht glaubhaft dargelegt werden, dass die BF2 während dieses kurzen Aufenthalts in Österreich westliches Verhalten oder eine westliche Lebensführung so angenommen hat, dass es als Verletzung der sozialen Normen angesehen würde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität der BF2 geworden ist, dass es für BF2 eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen.

Auch der Kleidungsstil der BF2 in Österreich - sie trägt ein Kopftuch, ein Kleid und lange Hosen darunter - verstößt jedenfalls nicht in einer solchen Form gegen die sozialen Normen in Afghanistan, dass er eine (asylrelevante) Verfolgung auslösen würde. Eine vorübergehende intensivere Verhüllung zur Vermeidung einer etwaigen sozialen Ausgrenzung wäre der BF2 im Übrigen zumutbar.

In Afghanistan besteht Schulpflicht, wo ein Schulangebot faktisch auch vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund besteht keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung, wenn die BF2 ihren Töchtern eine grundlegende Bildung zukommen lässt. In Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif war zum Zeitpunkt ihrer Ausreise Bildung für Mädchen gesellschaftlich geduldet. Es gab im Laufe des Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif diesbezüglich substanziell geändert hätte. Die BF2 und der BF1 würden als Eltern auch aktuell den Bildungswunsch ihrer Töchter fördern und den BF3 sowie den BF4-BF7 den Schulbesuch in Afghanistan gestatten.

1.3. Zur Person des BF3:

Der BF3 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanische Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF3 ist Dari. Er wurde im Iran geboren. Er ist der leibliche Sohn des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person des BF3 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in seinem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.4. Zur Person der BF4:

Die BF4 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehörige, schiitischer Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF4 ist Dari. Sie wurde im Iran geboren und ist die leibliche Tochter des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person der BF4 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.5. Zur Person der BF5:

Die BF5 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehörige, schiitischer Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF5 ist Dari. Sie wurde im Iran geboren und ist die leibliche Tochter des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person der BF5 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.6. Zur Person der BF6:

Die BF6 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehörige, schiitischer Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF6 ist Dari. Sie wurde im Iran geboren und ist die leibliche Tochter des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person der BF6 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

1.7. Zur Person der BF7:

Die BF7 wurde am XXXX geboren und führt den im Spruch genannten Namen. Sie ist afghanische Staatsangehörige, schiitischer Muslimin und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache der BF7 ist Dari. Sie wurde im Iran geboren und ist die leibliche Tochter des BF1 und der BF2.

Eigene in der Person der BF7 liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

Bei den BF3-BF7 handelt es sich um unmündige minderjährige Kinder, die in Österreich gemäß der Schulpflicht die Schule besuchen. Sie sind damit noch zweifelsfrei in einem anpassungsfähigen Alter. Es kann nicht festgestellt werden, dass es den BF3-BF7 unmöglich oder unzumutbar wäre, sich (wieder) in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren. Die BF4-BF7 wären in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif keiner Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt, wenn sie die Schule besuchen würden, um eine grundlegende Bildung zu erhalten.

Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass die BF3-BF7 auf Grund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation der Kinder in Afghanistan physische und/oder psychische Gewalt droht und sie deswegen einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

1.8. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.8.1. Auszug Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, aktualisiert durch die Kurzinformationen vom 22.08.2018, 11.09.2018 und 19.10.2018:

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

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Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

[...]

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

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Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

[...]

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Bild kann nicht dargestellt werden

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

[...]

Bamyan/Bamian

Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba Gebirges. Die Provinz besteht aus sieben Distrikten: Bamyan City, Kahmard, Panjab, Sayghan, Shaibar/Shibar, Waras und Yakawlang (Pajhwok o.D.h; vgl. UN OCHA 4.2014). In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.), der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird (HT 25.5.2017; vgl. AJ 25.5.2017).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt (CSO 4.2017). Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara (Al-Jazeera 27.6.2016). Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (GN 2013).

Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindungen zwischen Kabul und Bamyan

erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region unterstützen. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (Farnesina 29.8.2016). Ausgeführt durch eine chinesische Firma, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten bereits fertiggestellten Phase wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine Straße mit 178 km, die durch mehr als 37 Dörfer gehen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase - dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (Xinhua 9.1.2017).

Laut Vereinten Nationen (UN) war Bamyan mit Stand November 2017 landesweit die einzige Opium-freie Provinz (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet; die Ursache dafür ist, laut UNAMA, die aktive Einbindung religiöser Gelehrter in Friedensprozesse, sowohl auf Gemeinde- als auch Regierungsebene (UNAMA 20.11.2017). Die Provinz wird trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als sicherer Hafen betrachtet (GV 16.4.2017; vgl. LP 18.10.2017, Tolonews 28.6.2017). Mit Stand April 2017 war die Provinz laut Berichten sicher und war offen für den lokalen und internationalen Tourismus (GV 16.4.2017; vgl. Pajhwok 3.9.2017). So hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 die Anzahl inländischer und ausländischer Touristen verdoppelt (Pajhwok 3.9.2017).

Im Zuge einer Befragung wurde die Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2017 als Grund zum Optimismus angeführt (AF 2017). Bamyan hat in den letzten 15 Jahren weniger Gewalt als die anderen Provinzen durchlebt (VA 5.7.2017). Sogar Frauen können in Bamyan sicher und alleine in eigens für sie errichtete Cafés gehen, ohne belästigt zu werden (AN 19.11.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 4 zivile Opfer (0 getötete Zivilisten und 4 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Drohungen, Einschüchterungen und Belästigungen, gefolgt von Blindgängern/Landminen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 60% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Bamiyan

Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben (Pajhwok 14.1.2018). So nahmen im Juli 2017 elf Talibanmitglieder an den Friedensverhandlungen in der Provinz Bamyan teil (Pajhwok 8.7.2017).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in Bamyan gemeldet (ACLED 23.2.2018).

[...]

Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft (BFA Staatendokumentation 4.2018). Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 23.3.2016). Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Trotzdem gilt Afghanistan weiterhin als eines der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit (AF 13.12.2017). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AF 13.12.2017). Viel hat sich dennoch seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl.

USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit

16.49 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon 77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen

ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o.D.).

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. LobeLog 15.11.2017). Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MENA FN 19.12.2017).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent (BFA Staatendokumentation 4.2018) und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht (BFA Staatendokumentation; vgl. IWPR 18.4.2017). Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WB 28

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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