TE Bvwg Beschluss 2019/1/31 W152 2105337-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W152 2105337-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2015, Zl. 1023649305-14756253, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste am 29.06.2014 (illegal) in das Bundesgebiet ein und stellte am 01.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf er am 03.07.2014 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einer Erstbefragung unterzogen wurde.

Im Rahmen dieser Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei Mitglied der Partei BNP (Bangladesh Nationalist Party), wobei es bei Zusammenkünften oft zu Zusammenstößen mit den Leuten der jetzigen Regierungspartei Awami League (AL) gekommen sei. Er sei dann angeklagt worden, dass er randaliert habe, wobei er u. a. auch Autos beschädigt hätte. Seit dieser Anklage würden immer wieder Leute der AL in der Nacht kommen und den Beschwerdeführer misshandeln und schlagen. Dann habe er Angst um sein Leben bekommen und beschlossen sein Land zu verlassen und zu flüchten.

Am 27.08.2014 erfolgte eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, wobei der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbrachte, er sei am 13.01.2013 als Obmann seiner Partei BNP für den Wahlsprengel Nr.XXXX in der Gemeinde XXXX bestellt worden. Er habe auch einen politischen Mentor namens XXXX, der Obmann der BNP des Polizeiverwaltungsbezirkes XXXX gewesen sei, gehabt. Der Beschwerdeführer sei politisch sehr engagiert gewesen und sei dem Auftrag von XXXX, dass er an Kundgebungen teilnehmen solle, gefolgt. Der Beschwerdeführer sei dann in den Fokus der "Chatra League" (lt. Wikipedia ist die Chhatra League der Studentenflügel der Awami League) geraten, wobei er insbesondere von deren Obmann des Polizeiverwaltungsbezirkes XXXX namens XXXX verfolgt werde. So habe dieser den Beschwerdeführer am 20.11.2013 persönlich mit dem Erschießen gedroht. Weiters schicke ihm XXXX immer wieder seine Leute, die den Beschwerdeführer beobachten. Es seien auch andere Parteikollegen misshandelt worden, wobei ein Freund des Beschwerdeführers vor drei Jahren verschleppt und getötet worden sei. Am 29.11.2013 habe er an einer Demonstration der BNP teilgenommen, wobei es dann zu Zusammenstößen mit der "Chatra League" und der Polizei gekommen sei. Der Beschwerdeführer sei dann wegen illegalen Waffenbesitzes und Sachbeschädigung - so soll er Polizeiautos beschädigt haben - angezeigt worden. Der Beschwerdeführer legte hiebei eine Bestätigung der BNP vom 13.01.2013 vor, worin die politische Tätigkeit des Beschwerdeführers und dessen Gefährdung beschrieben werden. Weiters legte er u.a. Abschriften der gegen ihn gerichteten Anzeige ("First Information Report") vom 29.11.2013, ein "Charge Sheet", ein "Order Sheet" und einen Haftbefehl ("Warrant of Arrest") vom jeweils 29.11.2013 einschließlich der diesbezüglichen beglaubigten Übersetzungen vor.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, wies dann den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 14.03.2015 Zahl: 1023649305-14756253, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III). Das Bundesamt stellte hiebei fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Bangladesch sei. Das Bundesamt traf hiebei auch Länderfeststellungen, worin u. a. ausgeführt wird, dass in der Praxis eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive unterstelle. Richter werden durch die Regierung ernannt und können nicht als unabhängig betrachtet werden. Auch die Polizei sei während juristischer Verfahren von der politischen Partei abhängig, die gerade an der Macht sei. Korruption und ein erheblicher Rückstand bei den Fällen würden das Gerichtssystem behindern und Gerichtsverfahren seien geprägt durch eine überlange Verfahrensdauer, was viele Angeklagte bei der Inanspruchnahme ihres Rechtes auf ein faires Verfahren hindere, ebenso wie das Vorkommen vor Zeugenbeeinflussung, Einschüchterung von Opfern und fehlende Beweise. Weiters werde ohne Basis Klage gegen jemanden erhoben, um einer Person Schaden zuzufügen oder sie zu zwingen, sich in ein teures Gerichtsverfahren zu begeben, was bis zu Aufgabe von Besitz gehen könne. Meistens gehe es dabei um Grundbesitz, manchmal seien aber auch Mitglieder einer Oppositionspartei betroffen. Daher reiche es, dass der Name auf einem First Information Report der Polizei erscheine. Sobald die Oppositionspartei an die Macht komme, stoppe sie alle Gerichtsverfahren gegen ihre Aktivisten. Feststellungen zur Lage von Mitgliedern und Funktionären der BNP unterblieben jedoch. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner relevierten Bedrohungssituation sei jedoch nicht glaubhaft. Beweiswürdigend wurde hiebei ausgeführt, dass die extrem vage Art und Weise, wie der Beschwerdeführer den behaupteten Fluchtgrund vor dem Bundesamt schildere, völlig ungeeignet sei, um das Vorbringen für glaubhaft befinden zu können. So habe seinen Angaben sämtliche Hinweise gefehlt, die annehmen lassen, dass er wahre Erlebnisse schildere. So habe er von sich aus weder Details vorgebracht noch seien Ausführungen hervorgegangen, die von einer Erzählung sprechen lassen, die sich auf wahre Begebenheiten beziehe. Hinsichtlich der vorgelegten Beweismittel wird darauf verwiesen, dass diese nach dem Amtswissen in ganz Bangladesch für Geld leicht zu erwerben seien und sein erstattetes Vorbringen diese auch zur Gänze entkräfte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerecht erhobene Beschwerde, wobei insbesondere ausgeführt wird, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid mit Ermittlungsfehlern belastet, weil eine nähere Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorbringen und der daraus erwachsenden Verfolgungssituation des Beschwerdeführers in Bangladesch nicht erfolgt sei. Das Bundesamt habe auch keinerlei Ermittlungen, bspw. mit Hilfe eines Vertrauensanwaltes, durchgeführt.

Mit Schriftsatz vom 26.06.2015 (hg. OZ 4) wurden Kopien von Zeitungsartikeln und eines Plakates, wo der Beschwerdeführer abgebildet sein soll, und von Teilnahmebestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vorgelegt.

Am 19.06.2016 wurden Kopien medizinischer Befunde hg. abgegeben (hg. OZ 5).

Am 12.10.2016 wurden Kopien eines Haftbefehles ("Arrest Warrant") vom 26.04.2017 und eines A2-Sprachzertifikates vom 06.04.2017 hg. abgegeben (hg. OZ 6).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Obwohl gemäß § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt weitere Entscheidungen getroffen, in denen er diese Grundsätze weiter ausgebildet hat. So hat er im Erkenntnis vom 19.04.2016, Zl. Ra 2015/01/0010, ausgeprochen, dass auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, dies allein noch nicht dazu führt, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom 20.05.2015, Zl. Ra 2014/20/0146).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

Das Bundesamt stützte sich in erster Linie darauf, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig anzusehen sei, wobei die extrem vage Art und Weise, wie der Beschwerdeführer den behaupteten Fluchtgrund vor dem Bundesamt schildere, völlig ungeeignet sei, um das Vorbringen für glaubhaft befinden zu können. So haben seinen Angaben sämtliche Hinweise gefehlt, die annehmen lassen, dass er wahre Erlebnisse schildere. So habe er von sich aus weder Details vorgebracht noch seien Ausführungen hervorgegangen, die von einer Erzählung sprechen lassen, die sich auf wahre Begebenheiten beziehe. Hinsichtlich der vorgelegten Beweismittel werde darauf verwiesen, dass diese nach dem Amtswissen in ganz Bangladesch für Geld leicht zu erwerben seien und sein erstattetes Vorbringen diese auch zur Gänze entkräfte. Die relevierte Bedrohungssituation konnte - insbesondere im Hinblick auf den Verweis der leichten Erwerbbarkeit der vorgelegten Beweismittel für Geld - hiebei jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit und Nachvollziehbarkeit widerlegt werden, weshalb nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes ausgegangen werden kann.

Vor dem Hintergrund der bereits vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen betreffend ungerechtfertigte Anschuldigungen, Abhängigkeit der Polizei von der jeweils regierenden Partei und Korruption im Behördenapparat von Bangladesch, wobei jedoch Feststellungen zur Lage von Mitgliedern bzw. Funktionären der Oppositionspartei BNP (Bangladesh Nationalist Party) unterblieben, hätte es zur relevierten politischen Tätigkeit bzw. Funktion des Beschwerdeführers bei der BNP und insbesondere im Hinblick auf die relevierte Anzeige und den bereits in der Einvernahme vorgelegten Haftbefehl auch Erhebungen vor Ort unter allfälliger Beiziehung eines Vertrauensanwaltes bedurft.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da also der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) ab. Bereits durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, politische Aktivität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W152.2105337.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten