Entscheidungsdatum
04.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W254 2146283-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gesetzlich vertreten durch XXXX, diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2016, Zl. XXXX:
A) In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des
angefochtenen Bescheides aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Eltern der Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, stellten für diese am 11.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Das Vorliegen eigener Fluchtgründe wurde verneint.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.10.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), der Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde ihr dagegen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.01.2018 erteilt (Spruchpunkt III). Begründend führte die belangte Behörde - sofern hier wesentlich - aus, dass die gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe und keine Rückkehrbefürchtungen zu Somalia angeführt habe. Die Ausführungen ihrer Mutter seien nicht glaubhaft gewesen und würden die Gründe für deren Ausreise im reinen privaten Bereich liegen. Eine Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex der weiblichen Genitalverstümmelung fand durch die belangte Behörde nicht statt.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 11.10.2016 erhob die Beschwerdeführerin, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung -Diakonie und Volkshilfe, mit Schriftsatz vom 11.01.2017 fristgerecht Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen die inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. Die Fluchtgründe seien nicht vorgebracht worden, da keine eigene Einvernahme der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Mutter als gesetzliche Vertretung stattgefunden habe. Darin hätte die gesetzliche Vertretung vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Somalia der realen Gefahr einer Genitalverstümmelung ausgesetzt sei. Die belangte Behörde wäre als Spezialbehörde verpflichtet gewesen, entsprechende Länderberichte zur Genitalverstümmelung in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen und wäre der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der jungen Frauen in Somalia, welchen eine erhebliche Gefahr einer Genitalverstümmelung drohe, der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen.
Mit Bescheid vom 23.01.2018 wurde der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.01.2020 erteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die zu treffenden Feststellungen entsprechen der Darstellung des Sachverhalts im Verfahrensgang, auf die verwiesen wird. Dieser Sachverhalt wird der Entscheidung als Sachverhaltsfeststellung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt und der Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt nach § 28 Abs. 2 Ziffer 2 voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. auch VwGH 25.01.2017, Zl. Ra 2016/12/0109).
Gemäß § 18 AsylG 2005 hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn es sich um einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) handelt.
Gemäß § 19 Abs. 2 AsylG 2005 ist ein Asylwerber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. Steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest und hat sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen, so steht gemäß § 24 Abs. 3 AsylG 2005 die Tatsache, dass der Asylwerber vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht einvernommen wurde, einer Entscheidung nicht entgegen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Materialien zum AsylG 2005 gehen davon aus, dass Ziel der Bestimmungen des § 34 AsylG sei, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV 952 BlgNR XXII. GP).
Gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG sind die Bestimmungen des § 34 AsylG nicht anzuwenden auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
Verfahrensgegenständlich hat es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und darüber hinaus den mangelhaft ermittelten Sachverhalt in wesentlichen Teilen nicht seiner Entscheidung berücksichtigt. Der angefochtene Bescheid ist aus den folgenden Gründen mangelhaft:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Im gegenständlichen Verfahren fand keine Befragung der gesetzlichen Vertreterin zum Asylantrag der Beschwerdeführerin statt, weshalb diese mangels Gelegenheit bzw. mangels eingeräumter Möglichkeit kein Vorbringen erstatten konnte, welches unter Umständen im Hinblick auf § 3 AsylG 2005 asylrelevant wären. Beim Asylantragsformular handelte es sich augenscheinlich um einen Vordruck, bei dem angegeben wurde, dass keine eigenen Fluchtgründe für das Kind vorgebracht werden, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Angaben die belangte Behörde von der amtswegigen Ermittlung eventueller Schutzgründe von vornherein zu befreien in der Lage wäre.
Da keine der gesetzlich normierten Ausnahmen vorliegt und Anträge (im damals zu führenden) Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 gesondert zu prüfen sind, hätte es zur notwendigen Sachverhaltsklärung betreffend die Beschwerdeführerin jedenfalls einer Befragung bzw. Einvernahme der gesetzlichen Vertreterin bedurft; eine solche wurde von der belangten Behörde jedoch nicht durchgeführt.
Der belangten Behörde hätte es aufgrund ihres Amtswissens jedoch auch bekannt sein müssen, dass die weibliche Genitalverstümmelung in Somalia weit verbreitet ist und nicht beschnittenen Mädchen und Frauen eine solche bei einer Rückkehr aufgrund des sozialen Drucks drohen könnte. Wie auch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 24.06.2010, Zl. 2007/01/1199) zu entnehmen ist, kann weibliche Genitalverstümmelung sehr wohl unter Umständen als asylrelevante Verfolgung qualifiziert werden.
Vor dem Hintergrund der obigen Rechtsprechung war die belangte Behörde daher von sich aus verpflichtet, Ermittlungen zu einer sich daraus ergebenden allfälligen Bedrohung in Somalia durchzuführen und die diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse einer nachvollziehbaren Prüfung zu unterziehen. Das Bundesamt hätte von sich aus die Situation rückkehrender minderjähriger Mädchen nach Somalia, die nicht beschnitten sind, jedenfalls näher beleuchten und dahingehende Ermittlungen - auch durch entsprechende Befragung der gesetzlichen Vertreterin - tätigen müssen. Die belangte Behörde ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Es fand weder eine Befragung der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin dazu statt, noch wurden Ermittlungen und darauf basierende substantiierte Feststellungen zur Situation von Frauen in Somalia und insbesondere auch zum Thema Genitalverstümmelung und den damit verbundenen Problemen für den Fall einer Rückkehr getroffen. Dem folgend fehlt auch eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen zur Feststellung des in diesem Punkt entscheidungsrelevanten Sachverhalts unterlassen und die Gefahr der Beschneidung der Beschwerdeführerin völlig übergangen.
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei Letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin niederschriftlich zu befragen und den entscheidungswesentlichen Sachverhalt durch allfällige weitere Ermittlungen zu erheben haben. Die belangte Behörde wird daher weiters dazu angehalten, sich mit dem Themenbereich der weiblichen Genitalverstümmelung eingehend auseinanderzusetzen und dazu konkrete Ermittlungsschritte, sei es durch eine gezielte Befragung, durch Einholung von entsprechenden Länderberichten oder durch weitere sich daraus ergebender Maßnahmen, zu setzen. Aufgrund des zu behandelnden Themenbereichs der weiblichen Genitalverstümmelung wird die Einvernahme von einer weiblichen Organwalterin der belangten Behörde unter Beiziehung einer weiblichen Dolmetscherin durchzuführen sein oder eine entsprechende Belehrung iSd § 20 AsylG 2005 zu erfolgen haben.
Die belangte Behörde hat es daher - entgegen ihrer in § 18 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflicht - insgesamt unterlassen, sich mit den im Verfahren hervorgekommenen Fluchtgründen eingehend zu befassen. Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten umfassend ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb im Hinblick auf diese besonders gravierenden Ermittlungslücken eine Zurückverweisung erforderlich und auch gerechtfertigt ist (vgl. etwa VwGH 20.10.2015, Zl. Ra 2015/09/0088, wonach bei Nichtfeststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine Zurückverweisung zulässig ist).
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Denn die belangte Behörde ist als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig. Überdies soll eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.
Unter Wahrung des Grundsatzes der amtwegigen Ermittlungspflicht und des Parteiengehörs wird die belangte Behörde auch aktuelle Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat treffen, das Vorbringen der gesetzlichen Vertreterin vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Herkunftsstaat würdigen und schließlich die rechtlichen Konsequenzen daraus ziehen müssen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die belangte Behörde aus den oben angeführten Erwägungen in entscheidenden Punkten jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und daher den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit belastet hat, sodass die nunmehrige Durchführung des Verfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht einer Neudurchführung des Verfahrens gleichkommt. Sohin liegen verfahrensgegenständlich jedenfalls die in der eingangs zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs genannten krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken vor.
Durch das mangelhaft geführte Ermittlungsverfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. überhaupt die Durchführung wesentlicher Teile der Asylverfahren auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert, weshalb im Einklang mit den Erkenntnissen des VwGH zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Zlen. Ro 2014/03/0063 und Ra 2014/08/0005, der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I. zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Folglich war das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihren in Österreich lebenden Geschwistern kein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vorliegt, da Geschwister nicht unter den Begriff der "Familienangehörigen" iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, auf den § 34 AsylG 2005 verweist, subsumierbar sind. Das Asylverfahren der Mutter (IFA-Zl.: XXXX) wurde bereits im Jahr 2015 rechtskräftig entschieden. Demnach ist kein Familienverfahren in Betracht zu ziehen (siehe dazu insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.11.2018, Ro 2018/19/0004, wonach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 dahingehend auszulegen ist, dass eine gemeinsame Führung der Verfahren nur dann zu erfolgen hat, wenn diese gleichzeitig beim BFA oder gleichzeitig im Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind).
Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22).
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde bloß ansatzweise bzw. unzureichend ermittelt, entspricht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W254.2146283.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.03.2019