Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2016 verstorbenen I***** F*****, über den Revisionsrekurs der M***** S*****, vertreten durch Dr. Gernot Breitmeyer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Dezember 2017, GZ 44 R 487/17v-64, womit der Rekurs der Gläubigerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 12. Juli 2017, GZ 50 A 16/16p-52, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Revisionsrekurs wird, soweit damit die Zurückweisung des Rekurses gegen die Bestimmung der Gebühren des Gerichtskommissärs und der Entschädigung des Verlassenschaftskurators bekämpft wird, zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht wird die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung aufgetragen.
Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die am ***** 2016 verstorbene Erblasserin lebte zuletzt in einem Pflegewohnhaus der Stadt Wien. Sie hinterlässt eine Tochter, die auch als Sachwalterin für sie bestellt war. Die Revisionsrekurswerberin ist die Stieftochter der Erblasserin. Im Verlassenschaftsverfahren wurde keine Erbantrittserklärung abgegeben und in der Folge ein Verlassenschaftskurator bestellt.
Neben weiteren Gläubigern meldete der F***** als Sozialhilfeträger im Verlassenschaftsverfahren eine Forderung von 72.596,83 EUR für an die Erblasserin erbrachte stationäre Wohn- und Pflegeleistungen an und beantragte die Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt.
Die Stieftochter meldete eine Forderung von 122.880 EUR an. Sie brachte vor, die Verlassenschaft nach ihrem Vater sei zur Gänze dessen Witwe, der nunmehrigen Erlasserin, eingeantwortet worden. Im Hinblick auf den Pflichtteil der leiblichen Kinder hätten die Stieftochter und ihr Bruder mit der Witwe vereinbart, dass sie nach deren Tod die Eigentumswohnung bekämen. Daher sei hinsichtlich dieser Eigentumswohnung eine notarielle Schenkung auf den Todesfall vereinbart worden, wobei die Stieftochter die Wohnung erhalten und ihrem Bruder einen Anteil ausbezahlen sollte. Im Jänner 2015 sei die Wohnung von der Erblasserin, vertreten durch deren leibliche Tochter als Sachwalterin, mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung um 64.000 EUR an eine Dritte verkauft worden, welche sie ihrerseits im November 2015 um 83.000 EUR weiterverkauft habe. Tatsächlich übersteige der Verkehrswert der Wohnung beide Verkaufspreise und betrage 110.000 EUR bis 125.000 EUR. Der Verkauf der Wohnung im Jänner 2015 sei vertragswidrig und unter dem Verkehrswert erfolgt, wobei auch die Sachwalterin Kenntnis von der Vereinbarung zwischen der Witwe und deren Stiefkindern gehabt habe. Der gültige Schenkungsvertrag auf den Todesfall sei von der Geschenkgeberin zu ihren Lebzeiten verletzt worden, weshalb der Stieftochter gegen die Verlassenschaft ein Schadenersatzanspruch in Höhe des Werts der Eigentumswohnung zustehe. Allfällige Ansprüche des Bruders habe dieser der Stieftochter abgetreten. Als Bescheinigungsmittel bot sie ihre Einvernahme, den Notariatsakt vom 10. 11. 1997 sowie einen Auszug aus dem Immobilienpreisspiegel 2016 an und beantragte die Einholung eines Gutachtens zum Verkehrswert der Liegenschaft.
Der Verlassenschaftskurator erklärte, die Forderung der Stieftochter nicht anzuerkennen.
Mit Beschluss vom 12. 6. 2017 nahm das Erstgericht das Inventar mit Aktiven in der Höhe von 77.332,94 EUR und Passiven in der Höhe von 80.580,95 EUR, somit einer Nachlassüberschuldung von 3.248,01 EUR zur Kenntnis und hielt fest, dass die Masse- und Verfahrenskosten insgesamt 10.640 EUR und der tatsächlich vorhandene Verteilungsbetrag 74.278,83 EUR betragen (Punkt 1.).
In Punkt 2. dieses Beschlusses wurden die Gebühren des Gerichtskommissärs mit insgesamt 4.182 EUR und in Punkt 3. die Entschädigung des Verlassenschaftskurators mit insgesamt 4.640 EUR bestimmt.
In Punkt 4. wies das Erstgericht die Anträge der Stieftochter den Kurator aufzufordern, eine Begründung für seine Bestreitung nachzuholen und diese ihrem Vertreter zuzustellen, der ehemaligen Sachwalterin aufzutragen, die Unterlagen zum Verkauf der Eigentumswohnung vorzulegen und Auskunft über den Verbleib des Verkaufserlöses zu erteilen sowie eine Tagsatzung durchzuführen, zu welcher alle Gläubiger, der Kurator und auch die ehemalige Sachwalterin geladen werden, damit dort eine Einigung unter den Gläubigern versucht werde, ab.
In Punkt 5. sprach das Erstgericht aus, dass die von der Stieftochter angemeldete Forderung von 122.880 EUR vom Verlassenschaftskurator zur Gänze nicht anerkannt worden sei und bei der Verteilung keine Berücksichtigung finde. In Punkt 6. beauftragte es den Gerichtskommissär, das realisierte Nachlassvermögen, welches sich auf dem Anderkonto des Gerichtskommissärs befinde, nach Rechtskraft dieses Beschlusses wie folgt zu verteilen:
I. als Masseforderungen seien die mit 4.182 EUR bestimmten Gebühren des Gerichtskommissärs, die mit 4.640 EUR bestimmte Entschädigung des Verlassenschaftskurators, die Honorarforderung der steuerlichen Vertretung von 1.500 EUR sowie die Gerichtsgebühren des Bezirksgerichts Favoriten aus dem Sachwalterschaftsverfahren von 318 EUR zur Gänze zu befriedigen;
II. als bevorrechtet sei weiters die Sachwalterentschädigung mit einem Teilbetrag von 952,50 EUR zu befriedigen;
III. aus dem verbleibenden Restbetrag von 62.686,33 EUR zuzüglich allfälliger Zinsen seien anteilig (Quote 82,68 %) zu berichtigen: die Forderung des F***** im Gesamtbetrag von 72.596,83 EUR mit 60.025,08 EUR und die Forderungen dreier weiterer Gläubiger im Gesamtbetrag von 3.217,62 EUR mit insgesamt 2.660,45 EUR.
Schließlich enthob das Erstgericht mit Rechtskraft dieses Beschlusses den Verlassenschaftskurator seines Amtes (richtig: Punkt 7.).
Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Stieftochter „mangels materieller Beschwer“ zurück und bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend. Die Stieftochter habe ihre vom Verlassenschaftskurator bestrittene Forderung nicht durch unbedenkliche Urkunden bescheinigt und hätte aufgrund ihrer gegenüber den Nachlassgläubigern nachrangigen Forderung ohnehin keine Befriedigung erlangen können. Soweit sich der Rekurs gegen die Kenntnisnahme des Inventars sowie gegen die Enthebung des Verlassenschaftskurators richtete, sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Im Übrigen ließ es den Revisionsrekurs zu und begründete dies damit, dass zur Frage der Rekurslegitimation eines aus einem Schenkungsvertrag auf den Todesfall behauptetermaßen Schadenersatzberechtigten im Verhältnis zu anderen Nachlassgläubigern im Zusammenhang mit einer Überlassung an Zahlungs statt keine höchstgerichtliche Judikatur bestehe.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich das als „ordentlicher und außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Stieftochter mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass ihre Forderung zur Gänze und jene des Sozialhilfeträgers gar nicht berücksichtigt sowie die Gebühren des Gerichtskommissärs lediglich mit 3.442,08 EUR und die Entschädigung des Verlassenschaftskurators nur mit 1.000 EUR bestimmt und berücksichtigt werden. Zusätzlich werden Eventualanträge gestellt.
Der Sozialhilfeträger, die Verlassenschaft und der Verlassenschaftskurator beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen die Bestimmung der Gebühren des Gerichtskommissärs und die Entscheidung des Verlassenschaftskurators (Punkt 2. und Punkt 3. der erstgerichtlichen Entscheidung) richtet, jedenfalls unzulässig:
Nach § 62 Abs 2 AußStrG ist der Revisionsrekurs gegen Beschlüsse über den Kostenpunkt (Z 1) und die Gebühren (Z 3) jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0008673). Den Kostenpunkt oder die Bestimmung der Gebühren betreffen alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form – materiell oder formell – über Kosten oder Gebühren abgesprochen wird. Darunter fallen nach einhelliger Auffassung alle Entscheidungen über die Kosten oder die Belohnung eines (Verlassenschafts-)Kurators (RIS-Justiz RS0007696 [T11, T15]) oder die Gebühren des Gerichtskommissärs (2 Ob 150/17y; 7 Ob 6/14d) und zwar auch Formalentscheidungen, die die meritorische Erledigung eines Rechtsmittels gegen eine solche Entscheidung ablehnen (7 Ob 6/14d; vgl RIS-Justiz RS0044213; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 62 Rz 14). Ein untrennbarer Sachzusammenhang der beiden Spruchpunkte mit dem übrigen Entscheidungsteil, der eine abschließende Erledigung hindern könnte, liegt ebenfalls nicht vor (vgl 2 Ob 183/15y).
In diesen Punkten war daher der Revisionsrekurs als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.
II. Gemäß § 169 AußStrG bedarf es einer Annahme des Inventars zu Gericht nicht (2 Ob 64/18b). Dass das Gericht das Inventar zur Kenntnis nimmt, bedeutet weder eine beschlussmäßige Genehmigung noch eine solche Annahme, wie die Revisionsrekurswerberin in ihrem „aus anwaltlicher Umsicht“ erhobenen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs ohnehin selbst erkennt. Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses ist somit lediglich im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Überlassung an Zahlungs statt zu sehen, sodass es insoweit auch nur einen einheitlichen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses geben kann. Trotz der Gliederung des Rechtsmittels in ordentlichen und außerordentlichen Revisionsrekurs ist es daher zur Gänze als ordentliches Rechtsmittel zu behandeln (2 Ob 25/10f; RIS-Justiz RS0118275). Soweit die Endentscheidung vom Wert der Verlassenschaft bzw dem Inventar abhängig ist, kann ein behaupteter Fehler im Inventar mit Rekurs gegen diese geltend gemacht werden und ist dort als Vorfrage zu prüfen (2 Ob 64/18b; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 169 Rz 5 [Einantwortung]).
III. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen auch berechtigt:
Die Stieftochter macht geltend, der Verlassenschaftskurator sei zur Bestreitung ihrer Forderung nicht befugt. Diese hätte überdies zumindest in Höhe des ersten Verkaufspreises von 64.000 EUR als bescheinigt angenommen werden müssen. Die dem Sozialhilfeträger zuerkannte „Pflegeregress“-Forderung sei nicht ausreichend bescheinigt, aufgrund der Verfassungsbestimmungen der §§ 330, 707a ASVG mit 1. 1. 2018 weggefallen und eine Verfolgung dieser Ansprüche sei nicht mehr zulässig. Daher wäre zumindest eine teilweise Befriedigung ihrer Forderung möglich, selbst wenn diese als gegenüber den anderen Verlassenschaftsgläubigern nachrangig behandelt würde. Ein solcher Nachrang bestehe im Übrigen nicht. Es liege auch keine reine Schenkung, sondern teilweise ein entgeltliches Geschäft vor. Die Forderungen der ehemaligen Sachwalterin bestünden nicht, jene des Kurators und des Gerichtskommissärs nicht in der zuerkannten Höhe.
Hiezu wurde erwogen:
1. Aufgrund des Todeszeitpunkts der Erblasserin ist noch die Rechtslage vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) maßgeblich (§ 1503 Abs 7 Z 2 ABGB).
2. Nachlassgläubiger – darunter auch Legatare (RIS-Justiz RS0006581, RS0006582) und auf den Todesfall Beschenkte (vgl RIS-Justiz RS0006646) – sind dann Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens und damit rekursberechtigt, wenn sie von ihren Rechten nach den §§ 811 bis 815 ABGB Gebrauch machen oder durch eine Verfügung des Abhandlungsgerichts unmittelbar in ihre Gläubigerrechte eingegriffen wurde, etwa wenn der Nachlass anderen Gläubigern an Zahlungs statt überlassen wurde (RIS-Justiz RS0006659, RS0006604 [T9]; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 Rz 147; Fucik/Neumayr, Die Parteien des Verlassenschaftsverfahrens, iFamZ 2012, 139 [143 f]). Jedem Verlassenschaftsgläubiger steht daher das Recht zu, die Überlassung an Zahlungs statt und damit auch die in diesem Beschluss erfolgte Art der Aufteilung der vorhandenen Aktiva unter mehreren Gläubigern zu bekämpfen (4 Ob 50/13a; 4 Ob 148/12m; 4 Ob 113/12i; 1 Ob 164/12t; 10 Ob 21/12d; 1 Ob 631/90; vgl 2 Ob 75/17v; Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren² 178). Legatare und auf den Todesfall Beschenkte, die im Fall der Überlassung an Zahlungs statt ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft grundsätzlich nicht mehr geltend machen können (siehe Punkte 5.1, 5.2 und 7.), können sich gegen die Annahme wehren, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überlassung an Zahlungs statt vorliegen (idS schon 1 Ob 616/76; vgl Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 Rz 147; vgl Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 [143 f]).
Die Stieftochter, die bei Zutreffen ihres Rechtsmittelvorbringens für ihre angemeldete Schadenersatzforderung zumindest teilweise Befriedigung erlangen könnte, ist daher rechtsmittellegitimiert.
Das Rekursgericht hat den Rekurs zwar „mangels materieller Beschwer“ zurückgewiesen. Es hat ihn aber auch meritorisch behandelt und begründet, weshalb es die Rechtsansicht des Erstgerichts teilt. Die im Revisionsrekurs dagegen vorgetragenen Argumente sind daher einer inhaltlichen Prüfung zugänglich (2 Ob 56/18a; RIS-Justiz RS0007037 [T10]; vgl RS0044207; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 70 Rz 3).
3. Gemäß § 154 Abs 1 AußStrG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem 2. ErwSchG BGBl I 2017/59) hat das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist bei der Überlassung an Zahlungs statt das Vermögen 1. zunächst in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO; 2. sodann an den Sachwalter des Verstorbenen, soweit ihm für das letzte Jahr Beträge zuerkannt wurden; 3. schließlich an alle übrigen Gläubiger, jeweils im Verhältnis der Höhe ihrer unbestrittenen oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigten Forderungen zu verteilen.
4. Forderung der Stieftochter:
4.1 Da der Geschenkgeber auf den Todesfall Eigentümer des Geschenks bleibt, kann er darüber verfügen. Hat der Geschenkgeber solcherart die Erfüllung der Schenkung auf den Todesfall, etwa durch Veräußerung der Sache vereitelt, können dem Beschenkten gegen den Nachlass oder die Erben des Geschenkgebers Schadenersatzansprüche zustehen (RIS-Justiz RS0010743; Parapatits in Schwimann/Kodek4 § 956 ABGB Rz 20).
4.2 Sofern keine diesbezügliche Einschränkung seiner Befugnisse durch das Verlassenschaftsgericht erfolgt ist, obliegt die Entscheidung über die Befriedigung von Forderungen der Verlassenschaftsgläubiger dem bestellten Verlassenschaftskurator (7 Ob 382/97w). Im vorliegenden Fall hat der Verlassenschaftskurator die Forderung der Stieftochter ausdrücklich „nicht anerkannt“. Die Berechtigung hierzu ergibt sich aus dem Bestellungsbeschluss vom 23. 5. 2016, mit dem der Verlassenschaftskurator mit der Vertretung des ruhenden Nachlasses betraut worden ist. Die zusätzlich explizit angeführte Berechtigung, vor Rechtskraft der Bestellung verschiedene Nachlassaktiva zu realisieren, bedeutet keine Einschränkung seiner Befugnisse lediglich auf diese Angelegenheiten. Dagegen spricht nicht nur die Beschlussbegründung, in der (bloß) auf den derzeit unvertretenen Nachlass verwiesen wird, sondern auch die auf Antrag des Verlassenschaftskurators erfolgte gleichzeitige Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger per Edikt (§ 813 ABGB). Eine unbestrittene Forderung liegt daher nicht vor.
4.3 Um als „unbedenkliche“ Urkunde iSd § 154 Abs 2 AußStrG zu gelten, muss es sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs um ein Schriftstück handeln, dem besondere Glaubwürdigkeit zukommt (RIS-Justiz RS0001391), etwa gerichtliche Entscheidungen oder Privaturkunden, die zweifelsfrei von jener Person stammen, die darin eine sie belastende Erklärung abgegeben hat (2 Ob 75/17v; 4 Ob 166/14m).
Der Notariatsakt vom (richtig) 30. 10. 1997, mit dem die Erblasserin der Stieftochter die Eigentumswohnung unter Verzicht auf den Widerruf auf den Todesfall geschenkt hat, ist in beglaubigter Abschrift in seiner vollständigen Fassung aktenkundig. Aufgrund des ebenfalls aktenkundigen Grundbuchstands ist auch die Veräußerung der Wohnung vor dem Tod der Erblasserin nicht weiter bescheinigungsbedürftig. Der Verlassenschaftskurator selbst hat dem Erstgericht in seinem schriftlichen Bericht vom 5. 12. 2016 mitgeteilt, dass nach Einsichtnahme in den Pflegschaftsakt die Eigentumswohnung vor dem Tod der Erblasserin um den Kaufpreis von 64.000 EUR, welcher auch dem Verkehrswert des zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens entsprochen habe, mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung an eine Dritte verkauft worden war. Obwohl der Verlassenschaftskurator die angemeldete Forderung nicht anerkannt hat, enthält der Bericht keine Ausführungen, weshalb dadurch nicht gegen den Schenkungsvertrag verstoßen worden sei. Damit ist aber (lediglich) eine Schadenersatzforderung der Stieftochter wegen Verletzung des Schenkungsvertrags auf den Todesfall in Höhe von 64.000 EUR ausreichend urkundlich bescheinigt.
5. Befriedigungsrang der Forderung:
5.1 Nach herrschender Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 ist die Schenkung auf den Todesfall nach dem Tod des Erblassers – jedenfalls im Verhältnis zu den Verlassenschaftsgläubigern – wie ein Vermächtnis (Legat) zu behandeln (2 Ob 231/15g; 3 Ob 175/08v; RIS-Justiz RS0012517, RS0103393). Wie die Legatare unterliegen auch solche Geschenknehmer einer Kürzung nach § 692 ABGB. Eine Reduktion, gegebenenfalls auf Null, tritt daher ein, wenn und insoweit die Nachlassaktiven nach Abzug der Nachlasspassiven und anderer pflichtmäßiger Auslagen nicht ausreichen, um den Anspruch aus einer Schenkung auf den Todesfall zu begleichen (3 Ob 175/08v; RIS-Justiz RS0012643 [T3]; vgl RS0012654; Welser in Rummel/Lukas4 § 692 ABGB Rz 2).
5.2 Um den Geschenknehmer nicht besser zu stellen, als er bei vertragstreuem Verhalten des Erblassers stünde, ist auch der Schadenersatzanspruch aus der Verletzung eines Schenkungsvertrags auf den Todesfall
– jedenfalls im Verhältnis zu den übrigen Verlassenschaftsgläubigern – wie ein Legat zu behandeln (Schauer, Rechtsprobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personenhandelsgesellschaften [1999] 117 FN 221; vgl auch Oberhumer, Die Schenkung auf den Todesfall – kein Zwitter, NZ 2008/37 [139 f]). Auch ein solcher Schadenersatzanspruch ist daher, wie der Anspruch aus diesem Vertrag selbst, den übrigen Verlassenschaftsgläubigern gegenüber nachrangig (Schauer, Rechtsprobleme 117; Oberhumer, NZ 2008/37 [141]). Wäre der Nachlass aufgrund der Forderungen der übrigen Nachlassgläubiger überschuldet, erhielte die Stieftochter im vorliegenden Fall aus der Verlassenschaft nichts.
6. „Pflegeregress“-Anspruch des Sozialhilfe-
trägers:
6.1 Mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungs-
Gesetz (SV-ZG), BGBl I 2017/125, wurde die Verfassungsbestimmung des § 330a in das ASVG eingefügt. Danach ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig. Das Inkrafttreten dieser Bestimmung regelt die ebenfalls mit dem SV-ZG eingefügte Verfassungsbestimmung des § 707a Abs 2 ASVG. Danach trat § 330a ASVG mit 1. 1. 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, traten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.
6.2 Der Oberste Gerichtshof hat in der ausführlich begründeten und das Wiener Sozialhilfegesetz (LGBl 1973/11 idgF) betreffenden Entscheidung 1 Ob 62/18a ausgesprochen, dass das in § 330a ASVG angeordnete Verbot des Pflegeregresses auch dann zum Tragen kommt, wenn die Ersatzforderung auf einer stationären Aufnahme beruht, die zu Leistungen vor dem 1. 1. 2018 geführt hat. Die geänderte Rechtslage ist von Amts wegen auch noch in Rechtsmittelverfahren anzuwenden. Dieser Ansicht hat sich der erkennende Senat jüngst in der Entscheidung 2 Ob 94/18i angeschlossen.
6.3 Der Sozialhilfeträger leitet seinen Kostenregressanspruch, wie er in seiner Rekursbeantwortung selbst dargelegt hat, aus § 26 WSHG ab, nach dem der Empfänger der Hilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet ist, soweit er über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hiezu gelangt und die Verbindlichkeit zum Ersatz von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs, somit für Leistungen für stationäre Pflege, auf den Nachlass des Empfängers der Hilfe übergehen. Da mit 1. 1. 2018 jedoch diejenigen Landesgesetze insoweit außer Kraft getreten sind, als sie dem Verbot des § 330a ASVG entgegenstehen, wurde der angemeldeten Forderung des Sozialhilfeträgers (nachträglich) die materiell-rechtliche Grundlage entzogen (1 Ob 62/18a; 2 Ob 94/18i; vgl auch 2 Ob 12/18f).
6.4 Kann aufgrund der aktuellen Rechtslage eine Forderung des Sozialhilfeträgers nicht geltend gemacht werden, ist sie schon deshalb nicht (mehr) als Passivum zu berücksichtigen (2 Ob 94/18i; vgl 9 Ob 14/07k; vgl RIS-Justiz RS0007848; Fucik/Mondel, Abschaffung des „Pflegeregresses“ und Zivilverfahren, iFamZ 2017, 382 [384]). Dies betrifft im vorliegenden Fall die Forderung des F***** in Höhe von 72.596,83 EUR.
7. Nach ständiger Rechtsprechung sind in Verfahren nach §§ 154 f AußStrG die in der Insolvenz jeweils geltenden Vorschriften über die Aussonderungs- und Absonderungsansprüche, über die Masseforderungen und über die Insolvenzforderungen sinngemäß anzuwenden (2 Ob 66/17w; RIS-Justiz RS0007622).
Gemäß § 58 Z 3 IO können aber Ansprüche aus Schenkungen und im Verlassenschaftsinsolvenzverfahren auch Ansprüche aus Vermächtnissen nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Das betrifft auch Forderungen aus einer Schenkung auf den Todesfall (Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze [58. Lfg 2017] § 58 IO Rz 55 und Rz 60). Solche, von einer Konkursteilnahme ausgeschlossene Forderungen sind weder bei der Überschuldungsprüfung noch bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses zu berücksichtigen (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [7. Lfg 1999] § 67 KO Rz 123; Oberhumer, NZ 2008/37 [141]; vgl Welser in Rummel/Lukas4 § 692 ABGB Rz 12). Auch die Überschuldung nach § 154 AußStrG ist im Sinne des § 67 IO zu verstehen (Schumacher, Die Überlassung überschuldeter Verlassenschaften an Zahlungs statt, in FS Rechberger [2006] 551 [554]; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 154 Rz 6). Bei deren Prüfung bleibt daher die von der Stieftochter bescheinigte Forderung unberücksichtigt.
Ob – wie die Rechtsmittelwerberin behauptet – die Schenkung auf den Todesfall in Wahrheit ihre und ihres Bruders Pflichtteilsansprüche nach ihrem Vater teilweise abgelten sollte und insoweit entgeltlichen Charakter haben könnte (vgl dazu 2 Ob 201/17y), kann hier gemäß § 154 Abs 2 Z 2 AußStrG nicht berücksichtigt werden, weil diese Behauptung der Rechtsmittelwerberin und die daraus allenfalls resultierende Forderung jedenfalls weder unbestritten noch durch unbedenkliche Urkunden bescheinigt ist.
8. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 154 AußStrG die Forderungen des Sozialhilfeträgers und der Stieftochter nicht heranzuziehen sind und daher mangels Überschuldung eine Überlassung an Zahlungs statt nicht mehr in Betracht kommt (vgl Schumacher in FS Rechberger 563).
9. Dies führt zur Aufhebung der sich darauf beziehenden Teile der Beschlüsse der Vorinstanzen. Das Erstgericht wird das Verlassenschaftsverfahren weiterzuführen haben. Auf die im Revisionsrekurs aufgeworfenen weiteren Fragen zur Bestreitung und Bescheinigung angemeldeter Forderungen nach § 154 Abs 2 AußStrG ist mangels Relevanz nicht mehr einzugehen. Während des Verlassenschaftsverfahrens ist es grundsätzlich Sache des Vertreters des ruhenden Nachlasses, die Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen (vgl RIS-Justiz RS0007631). Erfolgt keine Einigung, können die Verlassenschaftsgläubiger den Rechtsweg beschreiten (8 Ob 154/09v; Fucik/Neumayr, iFamZ 2012, 139 [143]).
10. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 185 AußStrG, wonach im Verlassenschaftsverfahren – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Ersatz von Vertretungskosten stattfindet.
Textnummer
E124109European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00075.18W.1217.000Im RIS seit
08.03.2019Zuletzt aktualisiert am
11.06.2019