TE OGH 2019/1/24 6Ob199/18k

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft *****, vertreten durch Mag. Sigrun List, Rechtsanwältin in Eugendorf, gegen die beklagte Partei Mag. A*****, vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, als Verfahrenshelfer, wegen Aufkündigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Juli 2018, GZ 22 R 182/18w-79, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. März 2018, GZ 32 C 629/17y-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung als Zwischenurteil nunmehr zu lauten hat:

„Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 14 MRG ist – vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung – gegeben.

Die Entscheidung über die Wirksamkeit der Aufkündigung der Klägerin vom 28. 6. 2017 und über die Kosten des Verfahrens erster Instanz wird der Endentscheidung vorbehalten.“

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Wohnhaus in der R***** 34 in Salzburg, in dem sich die vom Beklagten jedenfalls seit 1999 gemietete Wohnung befindet, wurde 1939 errichtet und hat nur zwei selbständige Wohnungen.

Derzeit bezahlt der Beklagte an Miete inklusive aller Nebenkosten 678,44 EUR (rund 8,92 EUR/m²) monatlich, bestehend aus der Miete in Höhe von 381,53 EUR, Betriebskosten in Höhe von 245,48 EUR und Stromkosten in Höhe von 51,43 EUR.

Ab 2014 trat die Klägerin – eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Wohnbaugesellschaft – in Verhandlungen mit der damaligen Eigentümerin E***** zwecks allfälligen Ankaufs der Liegenschaft ein. Parallel dazu trat sie auch in Kontakt mit dem Beklagten und schlug ihm die Beschaffung von Ersatzwohnungen vor. Nahezu sämtliche dieser Wohnungen, jedenfalls aber die aktuell noch dem Beklagten angebotenen Wohnungen wären wohnbeihilfefähig gewesen; der Beklagte hätte aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse auch Anspruch auf Gewährung der Wohnbeihilfe.

Mit Kaufvertrag vom 12. 8. 2016/24. 8. 2016 samt einem Nachtrag vom 24. 11. 2016/12. 12. 2016 erwarb die Klägerin von E***** um den Kaufpreis von 950.000 EUR die Liegenschaft R***** 34. Die Übertragung sämtlicher Nutzungsrechte (inklusive der Rechte der Vermietung, Mietvorschreibung, Aufkündigung udgl) durch die Verkäuferin an die Klägerin erfolgte mit 30. 11. 2016; demgemäß erfolgte die Betriebskostenabrechnung durch die Verkäuferin für das Jahr 2016 nur bis zum 30. 11. 2016. Die Klägerin wurde zwischen 5. und 28. 9. 2017 im Grundbuch eingetragen.

Bereits am 6. 12. 2016 hatte die Klägerin als „außerbücherliche Grundeigentümerin“ beim Magistrat der Stadt Salzburg ein Baubewilligungsansuchen gemäß den §§ 2, 10 Salzburger BauPolG dahin gestellt, dass der Abbruch des Wohnhauses samt Nebenanlagen bewilligt werde. Der antragsgemäße Bescheid wurde am 2. 2. 2017 erlassen und erwuchs in Rechtskraft.

In seinem aktuellen Zustand weist das Objekt R***** 34 eine Reihe von Bauelementen auf, die ihre Lebensdauer erreicht bzw bereits überschritten haben; so sind etwa die Fenster und die Dacheindeckung weitgehend am Ende ihrer technischen Lebensdauer angelangt. Im Keller besteht ein bereits längerfristig wirkender Feuchtigkeitseintrag entlang der westseitigen, südseitigen und teilweise auch an der ostseitigen Außenwand. Weitere Feuchtigkeitseintritte erfolgen von der südwestseitig gelegenen Terrasse durch die Decke. Die Außenfassade weist eine große Anzahl von Durchdringungen sowie im Bereich des südseitigen Loggia-Anbaus eine Reihe von breiteren und damit funktional maßgeblichen Rissen sowie einige Ausbrüche, Abplatzungen und Feuchtstellen auf. Beide Wohnungen weisen deutliche Spuren der Wohnnutzung auf, teilweise sind abgenutzte, allerdings noch restfunktionsfähige Bauteile und -elemente vorhanden (etwa abgenutzte Kunststoff- und Holzböden, alte Heizkörper).

Die Herstellung eines dem aktuellen Stand der Regeln der Technik entsprechenden Zustands erfordert eine weitgehende Erneuerung der Ausbaugewerke und der Gebäudetechnik sowie die Behebung der bestehenden Schäden bzw des Erhaltungsrückstands am Rohbau. Die Gesamterrichtung des Wohnbaus (gleiche Flächen) in einem ortsüblichen, durchschnittlichen Standard würde einen Kostenaufwand in Höhe von 560.000 EUR netto verursachen, die Herstellung eines ortsüblichen Standards im Sinne einer möglichen Minimalsanierung zum Stichtag 1. 3. 2018 einen solchen in Höhe von 193.617 EUR netto, wobei die Sanierungsmaßnahmen, die sofort und kurzfristig durchzuführen wären, um eine fortschreitende Schädigung des Gebäudes zu vermeiden, hievon einen Teilbetrag in Höhe von 138.881 EUR ausmachen würden. Damit wären die wesentlichen bestehenden Baumängel bzw Schäden behoben und Bauelemente bzw Anlagen, die in den nächsten zehn Jahren jedenfalls das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, getauscht oder ertüchtigt worden. Damit ginge aber keine relevante Hebung des Wohnstandards in den beiden Wohnungen selbst einher. In diesem Fall wäre die Erzielung eines Mietzinses für beide Wohnungen (138 m² Nutzfläche)
– orientiert an seiner oberen Grenze – von 9,50 EUR/m² (= 1.311 EUR monatlich) möglich. Dieser Mietzins entspräche einem Mietzins für einen guten Wohnwert, dessen Anforderungen (bessere Qualität der Standardausstattung, Balkon, Loggia, Gemeinschaftsanlage, ansprechende Architektur) hier allerdings nicht zur Gänze erfüllt sind. Unter Berücksichtigung der kurzfristigen Sanierungsmaßnahmen zu einem Aufwand von 138.881 EUR wäre an der oberen Grenze betrachtet maximal ein guter Wohnwert (dessen Anforderungen auch hier nicht zur Gänze erfüllt wären) erreichbar. In einer Gegenüberstellung über einen Zeitraum der nächsten zehn Jahre wären an Kosten der dargestellte Sanierungsaufwand (193.617 EUR) und ein jährlicher Erhaltungsaufwand von 0,5 % der Herstellkosten (28.000 EUR) sowie an Erträgen die über einen Zeitraum von zehn Jahren erzielbaren Mieteinnahmen (157.320 EUR) anzusetzen; daraus würde sich ein Minussaldo von 64.297 EUR errechnen.

Die gesamtheitliche Aktualisierung des Gebäudes auf den Stand der Regeln der Technik würde zum Stichtag 1. 3. 2018 dagegen einen Kostenaufwand von 319.862 EUR netto verursachen. Damit könnte ein Standard geschaffen werden, mit welchem eine Vermietung des Objekts in nahezu sehr gutem Wohnwert (sehr gute Wohnlage, sehr gute Ausstattung; hochwertige Böden und Bäderausstattung, großer Balkon, Terrasse, Grünlage, repräsentative Architektur) möglich sein könnte. In diesem Fall wäre die Erzielung eines Mietzinses für beide Wohnungen (138 m² Nutzfläche)
– orientiert an seiner oberen Grenze – von 12 EUR/m² (= 1.656 EUR monatlich) erzielbar. Dies entspräche einem Mietzins für einen sehr guten Wohnwert, dessen Anforderungen hier allerdings ebenfalls nicht zur Gänze erfüllt sind. In einer Gegenüberstellung über einen Zeitraum der nächsten zehn Jahre wären an Kosten der dargestellte Sanierungsaufwand (319.862 EUR) und ein jährlicher Erhaltungsaufwand von 0,5 % der Herstellkosten (28.000 EUR) sowie an Erträgen die über einen Zeitraum von zehn Jahren erzielbaren Mieten (198.720 EUR) anzusetzen; daraus würde sich ein Minussaldo von 149.142 EUR errechnen.

Diese Berechnungen erfolgten ohne Valorisierung. Eine Valorisierung der erzielbaren Mietzinse mit einer jährlichen Indexanpassung von 2 % und eine gleichzeitige Valorisierung der Erhaltungskosten würden unter Berücksichtigung der Finanzierungskosten für die Sanierungskosten (Mietzinsreserven sind nicht vorhanden), die bei einer Bankfinanzierung bei rund 2 % der Sanierungskosten liegen würden, im Ergebnis in relativer Hinsicht keine anderen Resultate ergeben. Zudem besteht bei der Klägerin die nach § 14 WGG gegebene Verpflichtung, 3,5 % an Eigenmittelzinsen anzusetzen.

In beiden dargestellten Fällen ist die Erhaltung des Objekts R***** 34 wirtschaftlich nicht sinnvoll; eine Abbruchreife in technischer Hinsicht liegt jedoch nicht vor. Die Klägerin unterliegt als gemeinnützige Wohnbaugesellschaft den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und darf von ihren Mietern nur die Bezahlung von kostendeckenden Mieten (= Investitionskosten für Grund, Planung und Bau zuzüglich 3 % für die Bauverwaltung) verlangen. Bei einer Sanierung des Wohnhauses könnte die Klägerin diese gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten.

Die Vorinstanzen erklärten die auf § 30 Abs 2 Z 14 MRG gestützte gerichtliche Aufkündigung der Klägerin vom 28. 6. 2017, mit der die Klägerin zwei Ersatzwohnungen in der E*****Straße, in der B*****straße und in der H***** Straße (alle in Salzburg) angeboten hatte, mit 30. 9. 2017 für wirksam und erkannten den Beklagten schuldig, die Wohnung geräumt zu übergeben. Das Wohnhaus sei wirtschaftlich abbruchreif, die baubehördliche Bewilligung zu dessen Abtragung mit rechtskräftigem Bescheid erteilt worden und zumindest die von der Klägerin angebotene Ersatzwohnung in der E*****Straße im Vergleich zur bisherigen Wohnung in der R***** 34 entsprechend und dem Beklagten auch zumutbar.

Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob auch dann mit Zwischenurteil nach § 32 MRG vorzugehen gewesen wäre, wenn sich der Vermieter in der Aufkündigung die Ersatzbeschaffung nicht vorbehalten, sondern bereits Ersatz angeboten hatte, und zum Verhältnis des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 14 MRG und der Erhaltungspflicht des Vermieters.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

1. Nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG kann der Vermieter aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen, wenn die ordnungsgemäße Erhaltung des Miethauses, in dem sich der Mietgegenstand befindet, aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwands zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit noch auf Dauer sichergestellt werden kann, die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Miethauses erteilt worden ist und dem Mieter Ersatz beschafft wird.

1.1. § 1 Abs 4 Z 2 MRG in der von 1. 3. 1994 bis 31. 12. 2001 geltenden Fassung sieht vor, dass unter anderem § 30 MRG für Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbstständigen Wohnungen […] gilt; diese Bestimmung gilt – trotz ihrer Aufhebung durch die MRN 2001 – unverändert für vor 2002 geschlossene Mietverträge weiter (Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 [2015] § 1 MRG Rz 63). Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, wenn der Beklagte im Revisionsverfahren danach differenzieren will, ob er die Wohnung erst im Jahr 1999 oder bereits im Jahr 1997 anmietete. Dass sich im Wohnhaus R***** 34 (nur) zwei Wohnungen befanden und befinden, haben die Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt.

1.2. Feststellungswidrig sind die Ausführungen der Revision, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Aufkündigung im Juni 2017 nicht einmal „außerbücherliche Eigentümerin“ der Liegenschaft gewesen, weshalb es ihr an der Aktivlegitimation fehle. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die Klägerin die Liegenschaft bereits mit Kaufvertrag vom 12. 8. 2016/24. 8. 2016 samt einem Nachtrag vom 24. 11. 2016/12. 12. 2016 von der Verkäuferin erworben, wobei die Übertragung sämtlicher Nutzungsrechte (inklusive der Rechte der Vermietung, Mietvorschreibung, Aufkündigung udgl) durch die Verkäuferin an die Klägerin mit 30. 11. 2016 erfolgt war.

1.3. Im Gegensatz zu § 19 Abs 2 Z 4 MG idF BGBl 409/1974 ist die wirtschaftliche Abbruchreife nunmehr durch § 30 Abs 2 Z 14 MRG definiert. Maßgeblich ist, ob die ordnungsgemäße Erhaltung des Miethauses, in dem sich der Mietgegenstand befindet, aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwands zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit noch auf Dauer sichergestellt werden kann. Sowohl die Literatur (Würth in Rummel³ [2003] § 30 MRG Rz 46; Hausmann in Hausmann/Vonkilch3 [2013] § 30 MRG Rz 105, 191; Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 § 30 MRG Rz 61; Lovrek in GeKo Wohnrecht I [2017] § 30 MRG Rz 185; Illedits in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³ [2018] § 30 MRG Rz 190) als auch die Entscheidung 3 Ob 242/12b (vgl auch LGZ Wien MietSlg 42.353 [1990], 57.382 [2005]; LGZ Graz MietSlg 54.356 [2002]) stellen dabei auf einen Zeitraum von zehn Jahren ab (ohne Bezugnahme auf einen konkreten Zeitraum 6 Ob 181/10a unter Hinweis auf zu § 19 Abs 2 Z 4 MG idF BGBl 409/1974 ergangene Rechtsprechung [RIS-Justiz RS0068292]).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ergeben sämtliche Berechnungen für den Zeitraum von zehn Jahren Deckungslücken, sodass tatsächlich wirtschaftliche Abbruchreife gegeben ist. Dem tritt der Beklagte im Revisionsverfahren auch nicht konkret entgegen, er meint lediglich, die Vorinstanzen hätten nicht berücksichtigt, dass sich die Klägerin zur Finanzierung der Erhaltungsarbeiten auch eines Fremdkapitals bedienen könnte. Dass sich dadurch an den Berechnungen der Vorinstanzen konkret etwas geändert hätte, legt die Revision allerdings nicht dar; der Beklagte übersieht zudem, dass Fremdkapital rückgeführt werden muss.

1.4. Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, eine Kündigung komme nicht in Betracht, weil der Vermieter zur Erhaltung verpflichtet sei. Tatsächlich steht die Pflicht des Vermieters zur Erhaltung des Mietgegenstands einer Kündigung wegen wirtschaftlicher Abbruchreife entgegen. Diese Verpflichtung besteht jedoch nur dann, wenn die dafür notwendigen Maßnahmen nicht unwirtschaftlich sind. Für das Verhältnis zwischen Erhaltungspflicht und Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG bedeutet dies, dass bis zur Grenze der Unwirtschaftlichkeit der Anspruch des Mieters auf Erhaltung des Mietgegenstands gegenüber dem Vermieter besteht und ab Erreichen dieser Grenze der Vermieter zur Kündigung berechtigt ist. In diesem Sinn sind auch die Äußerungen in der Literatur zu verstehen, wonach die Ursache für die wirtschaftliche Abbruchreife eines Hauses selbst, also etwa die Unterlassung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen durch den Vermieter, kein Tatbestandsmerkmal des § 30 Abs 2 Z 14 MRG sei (Lindinger, Kündigungsgründe im Schatten der Baukonjunktur, immolex 2011, 134; Hausmann aaO Rz 192; Lovrek aaO Rz 184). Die Rechtsprechung hat bereits klargestellt, dass das Verschulden des Vermieters am Eintritt der Abbruchreife unbeachtlich ist und die Voraussetzungen der Abbruchreife objektiv zu prüfen sind (RIS-Justiz RS0068280 [T2]), der verdrängte Mieter in einem solchen Fall aber berechtigt sein kann, bei Verschulden des Vermieters Schadenersatz zu fordern (8 Ob 267/69 SZ 43/17).

Der Beklagte bemängelt im Revisionsverfahren, die Vorinstanzen hätten nicht berücksichtigt, dass er am 19. 3. 2018 bei der Schlichtungsstelle des Magistrats der Stadt Salzburg einen Antrag auf Durchführung der notwendigen Erhaltungsarbeiten durch die Klägerin gestellt und dieses Verfahren bei Schluss der Verhandlung erster Instanz noch nicht abgeschlossen gewesen sei; das gegenständliche Verfahren wäre deshalb zu unterbrechen gewesen. Damit verkennt der Beklagte aber, dass sich zwar sowohl im Schlichtungsverfahren als auch im Kündigungsverfahren die Frage der (Un-)Wirtschaftlichkeit von Erhaltungsarbeiten stellt, diese Frage aber in beiden Verfahren bloß eine Vor- und nicht eine Hauptfrage darstellt. Damit ist aber Präjudizialität des Schlichtungsverfahrens nicht gegeben (vgl RIS-Justiz RS0041572&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=29.11.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19771222_OGH0002_0020OB00228_7700000_002">RS0041572 [insb T6, T7]). Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung lässt sich auch der Entscheidung 3 Ob 242/12b nichts Gegenteiliges entnehmen.

1.5. Die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Miethauses muss im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung an den Kündigungsgegner bereits rechtskräftig sein (7 Ob 527/87). Dass diese Voraussetzung hier nicht gegeben wäre, behauptet der Beklagte nicht. Er meint allerdings, der Bescheid habe gegen öffentlich-rechtliche Bauvorschriften verstoßen, weil dem Verfahren nicht ein beglaubigter Grundbuchsauszug zugrunde gelegt worden sei.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die Zivilgerichte grundsätzlich an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden. Eine inhaltliche Überprüfung eines Verwaltungsbescheids durch das Gericht hat dabei nicht stattzufinden (RIS-Justiz RS0036981, RS0036864). Die Rechtskraft erfasst zwar auch im Verwaltungsrecht nur die Parteien des Verwaltungsverfahrens. Dritte, die am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt waren, können (abgesehen von einer Rechtskrafterstreckung, etwa bei Rechtsnachfolge) nur durch die Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung eines Bescheids gebunden sein (4 Ob 192/06y; RIS-Justiz RS0121545). Die Tatbestandswirkung eines Bescheids tritt aber dann ein, wenn ein Bescheid in einer Rechtsvorschrift als Tatbestand für eine Rechtsfolge eingesetzt wird, wenn also die Rechtsordnung schon an die bloße Existenz des Bescheids bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Die rechtliche Relevanz eines solchen Bescheids für den Adressaten der Rechtsvorschrift ergibt sich in einem derartigen Fall also nicht aus der Verbindlichkeit des Bescheids für ihn, sondern aus der an den Bescheid anknüpfenden Bestimmung (RIS-Justiz RS0114910).

§ 30 Abs 2 Z 14 MRG setzt in diesem Sinn einen (rechtskräftigen) baubehördlichen Bescheid voraus; eine inhaltliche Prüfung dieses Bescheids steht den Zivilgerichten nicht zu.

1.6. Damit haben aber die Vorinstanzen zutreffend das Vorliegen der beiden Tatbestandsvoraussetzungen der wirtschaftlichen Abbruchreife und der baubehördlichen Bewilligung zur Abtragung des Wohnhauses bejaht, sodass im Hinblick auf § 32 MRG jedenfalls die Voraussetzungen für die Erlassung eines Zwischenurteils betreffend das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG gegeben sind. Insoweit war der Revision damit jedenfalls ein Erfolg zu versagen.

2. Die Vorinstanzen haben allerdings nicht bloß ein Zwischenurteil in diesem Sinn gefasst, sondern die Aufkündigung der Klägerin für wirksam erklärt und dem Beklagten die Räumung der von ihm gemieteten Wohnung aufgetragen. Dem kann nicht gefolgt werden:

2.1. Nach § 32 Abs 1 MRG kann sich der Vermieter, der dem Mieter einen Mietgegenstand unter anderem nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG aufkündigt, in der Kündigung vorbehalten, die hiernach gebotenen Ersatzmietgegenstände erst im Zug des Verfahrens anzubieten. Das Gericht hat dann vorab durch Zwischenurteil darüber zu entscheiden, ob der Kündigungsgrund – vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung – gegeben ist. Wird durch Zwischenurteil entschieden, dass der Kündigungsgrund gegeben ist, so hat der Vermieter nach Abs 2 binnen drei Monaten nach dem Eintritt der Rechtskraft des Zwischenurteils dem Mieter zwei entsprechende Wohnungen zur Auswahl mit Schriftsatz als Ersatz anzubieten. Nicht ausdrücklich geregelt ist allerdings der Fall, dass der Vermieter – wie im vorliegenden Verfahren – bereits in der Aufkündigung Ersatz anbietet (Hausmann aaO § 32 MRG Rz 3; Lovrek aaO § 32 MRG Rz 4).

2.2. Zu dieser – vom Berufungsgericht zutreffend als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten – Rechtsfrage liegt Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bislang nicht vor.

In der Literatur vertritt Lovrek (aaO § 32 MRG Rz 4) die Auffassung, aus den verfahrensrechtlichen Anordnungen sei abzuleiten, dass das Gericht auch in diesem nicht ausdrücklich geregelten Fall mit Zwischenurteil über den Kündigungsgrund zu entscheiden habe, wenn der Mieter Einwendungen gegen die Kündigung erhebt.

Sowohl Klausegger (in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht3 § 32 MRG Rz 2, 3) als auch Hausmann (aaO § 32 MRG Rz 3, 5) betonen zwar, dass die eher seltene Vorgehensweise des Ersatzangebots in der Kündigung selbst nicht weiter geregelt sei, differenzieren jedoch hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsgrund durch Zwischenurteil nicht zwischen sofortigem und vorbehaltenem Ersatzangebot. Ihren Ausführungen ist somit nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass ein Zwischenurteil nur bei vorbehaltenem Ersatzangebot zu fällen sei.

Würth (in Rummel3 § 32 MRG Rz 2, 4) und Würth/Zingher/Konvanyi/Etzersdorfer (aaO § 32 MRG Rz 2, 4) sind der Auffassung, die verfahrensrechtlichen Regelungen des § 32 MRG seien nur bei Vorbehalt des Ersatzes anzuwenden (insbesondere auch das Begehren auf Geldersatz!), und beschränken die Entscheidung über den Kündigungsgrund mit Zwischenurteil ausdrücklich auf diesen Fall. Auch Fasching (Lehrbuch² [1990] Rz 2159) hält eine Entscheidung über den Bestand des Kündigungsgrundes nur dann für geboten, wenn sich der Vermieter das Ersatzangebot in der Kündigung vorbehalten hat.

2.3. § 32 MRG stimmt im Wesentlichen mit der Vorgängerbestimmung des § 21a MG, die mit BGBl 409/1974 erlassen wurde, überein (vgl 6 Ob 3/02p). Der Gesetzgeber des MRG nahm lediglich – neben der Einführung des § 32 Abs 2 Satz 2 MRG, der das Kriterium „entsprechend“ näher konkretisiert – eine Änderung dahin vor, dass dem Mieter im Fall des § 32 Abs 3 Z 2 MRG (Nichtannahme einer der angebotenen Wohnung, obwohl diese entsprechend gewesen wäre) nicht mehr nur die halbe, sondern die gesamte angemessene Entschädigung gebührt.

2.3.1. Die Novellierung des Mietengesetzes mit BGBl 409/1974 hatte den Zweck der Ausgestaltung eines zeitgemäßen Miet- und Wohnrechts zur Vermeidung sozialer Härten verfolgt. Hinsichtlich der Regelung der Ersatzbeschaffung sollte eine Koordinierung mit den § 26 Abs 2 und 5 des Assanierungs- und Bodenbeschaffungsgesetzes in der in RV 135 BlgNR 13. GP vorgesehenen Fassung erfolgen (ErläutRV 852 BlgNR 13. GP 11, 14 f, 22). Der schließlich erlassene § 21a MG beruhte auf einem Abänderungsantrag, auf den sich die im Nationalrat vertretenen Parteien im Zuge von Verhandlungen zum Schutz der Erhaltung des Althausbestands und zur Verhinderung von Abbruchspekulationen geeinigt hatten (AB 1261 BlgNR 13. GP 1, 7; siehe Art I Z 10).

2.3.3. Im Ausschussbericht wird zu § 21a MG ausgeführt (AB 1261 BlgNR 13. GP 4), dass dieser „dem § 21 des Stadterneuerungsgesetzes [BGBl 287/1974; AB 1109 BlgNR 13. GP 4] und dem § 18 des Bodenbeschaffungsgesetzes [BGBl 288/1974] über die Entschädigung von Bestandnehmern nachgebildet [sei], weil sozial vergleichbare Verhältnisse bestehen. Durch die Anordnung, dass vorab durch Zwischenurteil darüber zu entscheiden ist, ob der Kündigungsgrund – vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung – gegeben ist, [werde] auch eine für den Ablauf des Verfahrens weitreichende Angleichung angestrebt. Die im Stadterneuerungs- und Bodenbeschaffungsgesetz auf dem Enteignungsbescheid beruhende Verpflichtung zur Räumung dem Grund nach [werde] hier durch das Zwischenurteil festgestellt; es [seien] daher in diesem Verfahrensabschnitt – von den Fragen der Ersatzbeschaffung abgesehen – alle sonst den Grund des Anspruchs betreffenden Rechtsgründe, Einwendungen, Angriffs- und Verteidigungs-mittel abschließend zu prüfen und zu erledigen; mangeln diese Voraussetzungen, so [sei] die Kündigung bereits in diesem Verfahrensabschnitt durch Urteil (Endurteil) als rechtsunwirksam aufzuheben“. Nach § 21 Abs 2 StadterneuerungsG und § 18 Abs 2 BodenbeschaffungsG hat der Enteignungswerber den Bestandnehmern […] binnen sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheids […] Ersatz anzubieten; nach jeweils Abs 3 darf er nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Stellung des Anbots den Bestandnehmer […] auf Räumung klagen.

2.3.4. Sämtliche genannten Bestimmungen wurden somit erkennbar zum Schutz von Mietern gegen die beim spekulativen Häuserabbruch aufgetretenen Missstände geschaffen (vgl Schimetschek, Der Kündigungsgrund der wirtschaftlichen Abbruchreife, ImmZ 1978, 35 [36]). Diesem Zweck liefe es aber zuwider, die Anwendung der Verfahrensbestimmungen des § 21a MG bzw des § 32 MRG (konkret: die Erlassung eines Zwischenurteils) davon abhängig zu machen, ob der Vermieter bereits in der Aufkündigung oder erst im Zuge des Verfahrens die Ersatzwohnungen anbietet. Im ersten Fall wäre der Mieter nämlich gezwungen, sich bereits zu einem Zeitpunkt für eine angebotene Wohnung zu entscheiden, zu dem er noch die Behauptung der wirtschaftlichen Abbruchreife und/oder des Vorliegens eines baubehördlichen Bescheids bekämpft. Darüber hinaus hat der Vermieter nach § 32 Abs 3 MRG im Zug des fortgesetzten Verfahrens auf Begehren des Mieters eine angemessene Entschädigung anzubieten, über die das Gericht mit Beschluss zu entscheiden hat, bevor es eine Endentscheidung über die Aufkündigung treffen darf. All dies wäre zu Lasten des Mieters abgeschnitten, wäre das Gericht nicht in jedem Fall verhalten, ein Zwischenurteil darüber, ob der Kündigungsgrund – vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung – gegeben ist, zu fällen.

2.3.5. Auch aus dem Wortlaut des § 32 Abs 1 Satz 2 MRG, der dem Gericht bei Erhebung von Einwendungen gegen die Kündigung zwingend (arg „hat das Gericht“) die Entscheidung über den Kündigungsgrund mit Zwischenurteil vorschreibt, ist nicht jedenfalls darauf zu schließen, diese Anordnung betreffe nur den Fall der vorbehaltenen Ersatzbeschaffung. Abs 1 Satz 2, der von Einwendungen gegen „diese“ Aufkündigung spricht, ist nicht zwangsläufig eine Bezugnahme auf Satz 1 also die Aufkündigung mit Vorbehalt der Ersatzbeschaffung. „Diese“ Aufkündigung ist dahin zu verstehen, dass damit jede Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 9, 11, 14 bis 16 MRG erfasst ist und die Betonung auf „diese“ Aufkündigung vielmehr eine Abgrenzung zu anderen in der Aufkündigung vorgebrachten Kündigungsgründen darstellt. Wendet sich der Mieter etwa nur gegen letztere, erübrigt sich ein Zwischenurteil. Wird eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 9, 11, 14 bis 16 MRG begehrt und erhebt der Mieter gegen diese Einwendungen, ist die Fällung eines Zwischenurteils über das Vorliegen des Kündigungsgrundes hingegen – unabhängig davon, ob schon die Kündigung Ersatzangebote enthält oder sich der Vermieter diese vorbehält – zwingend. Eines Antrags des Mieters bedarf es deshalb – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – nicht.

2.4. Der Beklagte hat die Fällung eines Endurteils anstelle eines Zwischenurteils bereits in seiner Berufung gerügt. Die Frage der Zulässigkeit eines Zwischenurteils ist nun zwar grundsätzlich eine prozessuale Frage; ihre unrichtige Lösung bedeutet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz. Wenn das Berufungsgericht
– wie hier – einen Verfahrensmangel verneint, wäre dies nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht weiter anfechtbar. Dies gilt aber nicht, wenn sich die Frage der Erlassung eines Zwischenurteils aus materiell-rechtlichen Gründen stellt (vgl 6 Ob 187/05a); die Frage, ob von der Erlassung eines Zwischenurteils bei einem bereits in der Kündigung enthaltenen Anbot von Ersatzwohnungen abzusehen ist, ist vielmehr eine Rechtsfrage.

2.5. Damit haben aber die Vorinstanzen zu Unrecht sofort ein Endurteil gefällt, weshalb der Revision des Beklagten insoweit Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern waren, dass (lediglich) ein Zwischenurteil über das Bestehen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG – vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung – gefasst wird.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E124211

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00199.18K.0124.000

Im RIS seit

08.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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