TE Bvwg Beschluss 2018/10/2 L516 2144445-2

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AVG §68
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L516 2144445-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Bangladesch, vertreten durch Mag.a Brigitte BALDAUF MA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2018, XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 25.01.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 17.07.2017, L519 2144445-1/30E, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Jene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erwuchs mit Zustellung an den Beschwerdeführer am 01.08.2017 in Rechtskraft.

2. Am 07.02.2018 stellte der Beschwerdeführer den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 26.08.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

3. Das gegenständliche Verfahren des Beschwerdeführers wurde nicht zugelassen.

4. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 22.08.2018 den Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten und hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides) wegen entschiedener Sache zurück. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III). Mit Verfahrensanordnung wurde vom BFA gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 20.09.2018.

6. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 26.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der Beschwerdeführer begründete einen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 05.12.2016 zusammengefasst damit, er sei als Mitglied und Bezirkssekretär der BNP sowohl von Angehörigen der Regierungspartei als auch von den Sicherheitsbehörden verfolgt worden. Von seinen politischen Gegnern sei eine falsche Anzeige gegen ihn erstattet worden, weshalb er nunmehr von der Polizei gesucht werde.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im ersten Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näherer Begründung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen vorgebrachten Ausreisegrund für nicht glaubhaft und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Ausweisung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle (BVwG 17.07.2017, L519 2144445-1/30E). Jene Entscheidung erwuchs am 01.08.2017 in Rechtskraft.

1.2. Der Beschwerdeführer führte zur Begründung des verfahrensgegenständlich zweiten Antrages auf internationalen Schutz zusammengefasst aus, dass am 30.01.2018 Zivilpolizisten in Bangladesch zu seinem Zuhause gekommen seien. Seine Frau sei aufgefordert worden, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zu nennen. Seine Frau habe ihm auch mitgeteilt, dass er in seiner Heimat strafrechtlich angezeigt worden sei. Es handle sich dabei angeblich um mehrere Anzeigen. Am 04.02.2018 sei sein Zuhause in Bangladesch von uniformierten Polizisten umstellt und seine Frau schikaniert worden. Als seine Frau einen Haftbefehl oder Durchsuchungsbefehl verlangt habe, sei sie geschlagen worden und man habe ihr gesagt, dass sie als Frau dazu überhaupt kein Recht habe. Er habe dies von seiner Frau am 05.02.2018 telefonisch erfahren. Er habe dann am 07.02.2018 um Asyl angesucht. Am 19.02.2018 sei eine Anzeige im Gericht XXXX erstattet worden, am 18.02.2018 gebe es einen Strafverfahrenseintrag von ihm. Es sei dies ein politisch motiviertes Strafverfahren. Er sei in Bangladesch als stellvertretender Sekretär bei der BNP tätig gewesen, in Österreich mache er nichts (AS 7, 101).

Der Beschwerdeführer legte dem BFA zur Bescheinigung seines Vorbringens in Kopie verschiedene fremdsprachige Schriftstücke in Vorlage (AS 107-145), deren Übersetzung vom BFA veranlasst wurde und welche vom Beschwerdeführer als Haftbefehl, Strafverfahrenseintrag bei der "D.B." sowie Verpfändungsexekutionsbestätigung bezeichnet wurden (AS 97).

1.3. Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz zunächst fest, die Polizei wäre beim Beschwerdeführer zu Hause in Bangladesch bei seiner Frau gewesen und hätte nach dem Beschwerdeführer gesucht. Er wäre strafrechtlich angezeigt worden (Bescheid, S 9). Im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides traf das BFA "[b]etreffend die Feststellungen zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz" wörtlich die folgenden Ausführungen (Bescheid S 43; Hervorhebungen und Orthografie im Original):

"Die Polizei sei bei Ihnen zu Hause bei Ihrer Frau gewesen und hätte Sie gesucht. Sie wären angezeigt worden.

Es steht fest, dass Sie das Bundesgebiet seit der Stellung des Erstantrages nicht verlassen haben.

Sie haben im gegenständlichen Verfahren keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht. Als ausschließliche Motivation für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates machen Sie die bereits im Erstverfahren geprüften und als nicht asylrechtfertigend gemachten Umstände geltend.

Die einzige Neuerung in Ihrem Vorbringen bestand in der Behauptung, dass die Polizei bei Ihnen zu Hause gewesen wäre. Beweisen können Sie Ihr behauptetes Vorbringen nicht.

Sie haben nachträglich Dokumente einbringen können. Wie in den Länderinformationsblätter zu Bangladesch hervorgeht, sind echte Dokumente falschen Inhalts leicht zu beschaffen. Dies gilt dort als Kavaliersdelikt und daher findet eine ausreichende Strafverfolgung nicht statt.

Ihre ID steht nicht fest, deshalb sind diese Dokumente Ihnen nicht eindeutig zuordenbar.

Da Sie nur Kopien von den Dokumenten in das Verfahren eingebracht haben, können diese nicht auf Echtheit überprüft werden.

Außerdem hätten Sie diese Dokumente schon beim Erstverfahren einbringen können.

Somit ist für die Behörde kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellbar und das Bundesamt ist daher verpflichtet Ihren Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, aus den Gerichtsakten des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zum gegenwärtigen Beschwerdeverfahren, konkret aus den in den Akten befindlichen Niederschriften und aus dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden konkreten Quellen bzw Aktenseiten (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Stattgabe der Beschwerde gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG und Behebung des bekämpften Bescheides

§ 68 AVG

3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Allgemein zur entschiedenen Sache gem § 68 Abs 1 AVG

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

§ 21 Abs 3 BFA-VG

3.3. Gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (Satz 2). Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen (Satz 1).

3.4. Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren

3.4.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

3.4.2. Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2017, L519 2144445-1/30E, welches am 01.08.2017 rechtskräftig geworden ist.

3.4.3. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren neu vorgebracht, dass nach Abschluss des Vorverfahrens die Polizei in Bangladesch das Zuhause des Beschwerdeführers aufgesucht habe und ihn gesucht habe, am 19.02.2018 eine Anzeige im Gericht XXXX gegen ihn erstattet worden sei und es seit 18.02.2018 einen Strafverfahrenseintrag von ihm gebe. Er hat dazu in seiner Einvernahme vor dem BFA ein Konvolut an Dokumenten vorgelegt, welches sein zentrales Kernvorbringen belegen soll und nicht von vorneherein als ungeeignet erscheint (vgl dazu VwGH 17.03.2011, 2008/01/0266).

Die Ausführung des BFA im Rahmen der Beweiswürdigung, wonach der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht, erweist sich vor diesem Hintergrund als unrichtig.

Soweit das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung ausführt, dass der Beschwerdeführer die von ihm nun vorgelegten Dokumente schon beim Erstverfahren hätte einbringen können, erweist sich dies als nicht nachvollziehbar, zumal diese laut der vom BFA veranlassten Übersetzung erst vom Februar bzw März 2018 stammen sollen, das Vorverfahren jedoch bereits seit 01.08.2017 rechtskräftig abgeschlossen war.

Soweit das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung ausführt, dass der Beschwerdeführer nur Kopien von den Dokumenten in das Verfahren eingebracht habe und diese nicht auf Echtheit geprüft werden könnten, ist festzustellen, dass das BFA den Beschwerdeführer nicht aufgefordert hat, die Dokumente im Original vorzulegen. Die Authentizität der vorgelegten Dokumente kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits deshalb in Zweifel gezogen werden, weil diese nur in Kopie in Vorlage gebracht wurden (vgl VfGH 07.03.2012, U1558/11).

Das BFA führt im Rahmen der Beweiswürdigung des Weiteren aus, es gehe aus den Länderinformationsblättern zu Bangladesch hervor, dass echte Dokumente falschen Inhalts leicht zu beschaffen seien, dies dort als Kavaliersdelikt gelte und daher keine ausreichende Strafverfolgung stattfinde. Eine darüber hinaus gehende Auseinandersetzung mit den vorgelegten Dokumenten hat das BFA jedoch unterlassen, was vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Ausführungen als besonders gravierende Ermittlungslücke angesehen werden muss. Dies deshalb, da es nicht ausreichend ist, sich auf eine allgemeine Berichtslage in Bezug auf die Erlangbarkeit ge- bzw verfälschter Dokumente zurückzuziehen, da die Berichtslage alleine nicht zu einem Automatismus führen kann, Beweismittel aus Bangladesch von vornherein als nicht beweiskräftig zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt ein bloß allgemeiner Verdacht nicht, um im Verfahren vorgelegte Urkunden generell den Beweiswert abzusprechen (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0083).

Die Ausführung des BFA im Rahmen der Beweiswürdigung, wonach die "ID" des Beschwerdeführers nicht feststehe und deshalb diese Dokumente ihm nicht eindeutig zuordenbar seien, erweist sich nicht ausreichend, allein damit die Entscheidung des BFA zu bergründen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die von einem Asylweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofs zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit. Hat das BFA die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen, konnte dieser mangelhafte Sachverhalt vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" absprach. Vielmehr wäre der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs 3 BFA-VG 2014 stattzugeben gewesen (VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

Die beweiswürdigenden Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid erweisen sich aus den zuvor dargelegten Gründen, als nicht ausreichend tragfähig, dieses neue Vorbringen des Beschwerdeführers schon allein damit schlüssig als unglaubhaft zu erachten.

3.4.5. Im Ergebnis wurde eine - ordnungsgemäße - Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren auf das Vorliegen eines "glaubhaften Kerns" vom BFA unterlassen und dem Bundesverwaltungsgericht ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erlaubt, diesen Mangel selbst zu beheben (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.4.6. Der Beschwerde ist daher gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG stattzugeben und der angefochtene - im Zulassungsverfahren ergangene - Bescheid ist aufzuheben. Das Verfahren ist somit zugelassen.

3.4.7. Das BFA wird im fortzusetzenden Verfahren das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen - im gegenständlichen Fall somit die Beschwerdeausführungen - sowie allfällig zwischenzeitig vorgelegte Beweismittel zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw vervollständigt werden. Das BFA wird nach den dazu zweckmäßigen Ermittlungsschritten das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei vom Beschwerdeführer dabei neu behauptete Geschehnisse - und auch seine Rechtfertigung für den Zeitpunkt seines Vorbringens - vom BFA individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.5. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Revision

3.6. Da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Beweismittel,
Beweisverfahren, Beweiswürdigung, entschiedene Sache,
Ermittlungspflicht, Fluchtgründe, Folgeantrag, Glaubhaftmachung,
Glaubwürdigkeit, Identität der Sache, Kassation, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, mündliche
Verhandlung, Rechtskraftwirkung, res iudicata, wesentliche
Sachverhaltsänderung, Zurückverweisung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2144445.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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