TE Bvwg Beschluss 2019/1/3 W230 2211689-1

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Veröffentlicht am 03.01.2019
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Entscheidungsdatum

03.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
BVwGG §9 Abs1
BWG §39
BWG §69 Abs2
BWG §70
FMABG §22 Abs2a
VwGG §30 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W230 2211689-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan KEZNICKL als Vorsitzenden und die Richter Dr. Gert WALLISCH und Mag. Ulrike SCHERZ als Beisitzer über den Antrag, der Beschwerde der XXXX , vertreten durch RA Mag. Okan ERSOY, Karlsplatz 3, 1010 Wien, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16.11.2018, Zl. XXXX , die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 16.11.2018 verfügte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA, im Folgenden: belangte Behörde) gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft folgende Anordnungen:

"I. Gemäß § 70 Abs. 4d Bankwesengesetz (BWG), BGBl. 532/1993 idgF, iVm § 69 Abs. 2 iVm § 39 Abs. 2, Abs. 2b und Abs. 3 Z 3 BWG wird seitens der Finanzmarktaufsichtsbehörde ("FMA") der XXXX aufgetragen, für die Dauer der aufgrund der aktuellen Wirtschafts- und Währungskrise der Türkei anhaltenden Risikolage einen Liquiditätspuffer iHv mindestens 100,0 Mio EUR vorzuhalten, wobei dieser gemäß Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ("CRR") Teil 6 iVm. DelV LCR (EU) 2015/61, Kapitel 2, Artikel 10 ausschließlich in Aktiva der Stufe 1 in EUR in Österreich oder bei einer Zentralbank, welche dem Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, "SSM") angehört, zu halten ist.

II. Gemäß § 70 As. 4a Z 5 iVm § 69 Abs. 2 iVm § 39 Abs. 2 und 2b BWG wird der XXXX für die Dauer der aufgrund der aktuellen Wirtschafts- und Währungskrise der Türkei anhaltenden Risikolage der Abschluss jeglicher Neugeschäfte mit Adressenausfallsrisiko mit Unternehmen sowohl mit Sitz in der Türkei als auch solchen Unternehmen außerhalb der Türkei, welche gemäß § 1 Z 2 Granulare Krediterhebungs-Verordnung 2018 ("GKE-V 2018") iVm Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR einem beherrschenden Einfluss oder der wirtschaftlichen Abhängigkeit einer Gegenpartei mit Bezug auf das Länder- und Konzentrationsrisiko Türkei unterliegen (idF "türkische Unternehmen"), darunter auch jene Neugeschäfte, die direkt oder indirekt die Muttergesellschaft XXXX (idF " XXXX ") und mit ihr verbundene Unternehmen betreffen, untersagt; ausgenommen hiervon sind Absicherungsgeschäfte, die der Risikoreduktion für die XXXX dienen sowie zur Gänze bar besicherte Kredite, [...wird näher definiert ...]"

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist am 20.12.2018 bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde eingelangt. In der Beschwerde wird der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Der Antrag wird damit begründet, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beschwerde anzumerken sei, dass

"mit dem Vollzug dieses Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil, nämlich als Bankinstitut auch keine Geschäfte mit anderen Bankinstituten abschließen zu dürfen, welche auch wenn von anderen Aufsichtsbehörden wie BaFIN, kontrolliert, Türkeibezug haben. Es ist daher unbedingt erforderlich, insbesondere um der Finanzsituation der Beschwerdeführerin keine Schäden zuzufügen, dem bekämpften Bescheid [gemeint wohl: der Beschwerde] die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen".

Nähere Ausführungen sind in der unmittelbar auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bezogenen Passage des Beschwerdeschriftsatzes nicht enthalten.

Die übrigen Teile des Beschwerdeschriftsatzes enthalten Ausführungen zu den Gründen, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt. Konkret zu ihrer wirtschaftlichen Lage macht die beschwerdeführende Partei in diesen Ausführungen - zusammengefasst - geltend, dass ihr bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 14.03.2018 aufgetragen worden sei, "zusätzliche Eigenmittel zu halten" und "das per 31.12.2017 bestehende direkte und indirekte Gesamtengagement in der Türkei von rund 67 % auf maximal 30% der Bilanzsumme per 31.12.2020 zu reduzieren", sowie "das Verhältnis Aktiva mit direkten und indirekten türkischen Gegenparteien zur Bilanzsumme von rund 67% per 31.12.2017 schrittweise auf 54% zum 31.12.2018, auf 42% zum 31.12.2019 und auf höchstens 30% zum 31.12.2020" zu reduzieren. Die beschwerdeführende Partei habe daraufhin Gespräche mit FMA und OeNB geführt und ein Modell (Modellplan) vorgelegt, mit dem dargestellt werde, welche Maßnahmen die Bank zur Erfüllung dieses Auftrags setze. Dieses "Modell/Managementgespräch vom 12.06.2018" liegt der Beschwerde bei. Damit will die Beschwerde den Beweis dafür antreten, dass sie Maßnahmen zur Erfüllung des Bescheides vom 14.03.2018 umsetze. Die jetzige wirtschaftliche Situation der beschwerdeführenden Partei sei "seit ihrer Gründung vor 20 Jahren in bestem Zustand". Das CET betrage per Ende August 20,60%. Das "Türkei-Exposure" sei von 63,42% beginnend mit Jänner 2018 per Ende August 2018 auf 52% und nunmehr auf 50% reduziert worden. Die Bilanzsumme habe sich von EUR 956 Mio zu Beginn 2018 auf EUR 938 Mio per August 2018 reduziert. Die beschwerdeführende Partei habe "sehr gute Eigenkapitalausstattung, sehr gute Liquiditätssituation, äußerst geringe NPL Rate und eine ausgeglichene Loan-Deopsit Ratio".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1. Anwendbares Recht

§ 22 Abs. 2 und 2a FMABG lauten:

"(2) Beschwerden gegen Bescheide der FMA und Vorlageanträge haben, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht nach Anhörung der FMA mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ist der Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und sind die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen. Wenn sich die Voraussetzungen, die für den Beschluss über die aufschiebende Wirkung maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

(2a) Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Über eine Beschwerde ist, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, innerhalb der Frist zu erkennen, innerhalb der in erster Instanz zu entscheiden ist, spätestens jedoch nach sechs Monaten; die Frist beginnt mit Einlangen der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht zu laufen."

§ 9 Abs. 1 BVwGG lautet

"Aufgaben des Vorsitzenden und der Beisitzer eines Senates

§ 9. (1) Der Vorsitzende leitet die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Er entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, eröffnet, leitet und schließt diese. Er verkündet die Beschlüsse des Senates, unterfertigt die schriftlichen Ausfertigungen, arbeitet den Erledigungsentwurf aus und stellt im Senat den Beschlussantrag."

2. Zuständigkeit des Senats:

In Abkehr von seiner bisherigen Praxis zu § 22 FMABG schließt das Bundesverwaltungsgericht aus dem - zu ähnlich gelagerten Regelungen des Postmarktgesetzes ergangenen - Erkenntnis des VwGH vom 05.09.2018, Ra 2018/03/0056, dass eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 22 Abs. 2 FMABG nicht unter Inanspruchnahme der Vorsitzendenkompetenz des § 9 BVwGG erfolgen darf, sondern im Senat ergehen muss.

3. Zusammensetzung des Senats:

Die Rechtssache wurde der Gerichtabteilung W230 am 21.12.2018 zugewiesen. Der Vorsitzende des für die Gerichtsabteilung W230 vorgesehenen Senats, Mag. Philipp CEDE, LL.M., ist zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt urlaubsbedingt verhindert, dasselbe gilt für seine erste Vertreterin in dieser Funktion Dr. Esther SCHNEIDER. Als nächstgereihter Vertreter agiert in dieser Funktion daher nach der Vertretungsregelung der geltenden Geschäftsverteilung 2018 Dr. Stefan KEZNICKL. Als erster Beisitzer des Senats wäre er von der Geschäftsverteilung vorgesehen, scheidet hiefür aber wegen Wahrnehmung der Vorsitzendenfunktion aus, so dass als erster Beisitzer der nächstgereihte Dr. Gert WALLISCH fungiert. Als zweite Beisitzerin sieht die Geschäftsverteilung Dr. Esther SCHNEIDER (verhindert), danach Dr. Birgit HAVRANEK (ebenfalls urlaubsbedingt verhindert) vor, so dass Frau Mag. Ulrike SCHERZ als Nächstgereihte zum Zug kommt.

4. Zur inhaltlichen Behandlung des Antrags

Gemäß § 22 Abs. 2 FMABG haben Beschwerden gegen Bescheide der FMA (und Vorlageanträge) keine aufschiebende Wirkung (ausgenommen in Verwaltungsstrafverfahren). Auf Antrag ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht nach Anhörung der FMA mit Beschluss zuzuerkennen, "insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre". Diese Bestimmung ist zwar vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.03.2018, G 257/2017, aufgehoben worden. Die Aufhebung tritt jedoch jedoch nach Spruchpunkt II. des zitierten Erkenntnisses erst mit Ablauf des 31.08.2019 in Kraft und ist daher bei unveränderter Gesetzeslage bis zu diesem Zeitpunkt weiter anzuwenden.

Die in § 22 Abs. 2 FMABG definierten Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ("insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre") entsprechen nahezu wörtlich den Voraussetzungen der Zuerkennung aufschiebender Wirkung im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (§ 85 Abs. 2 VfGG) und im verwaltungsgerichtlichen Revisionsverfahren (§ 30 Abs. 2 VwGG).

Folglich kann in dieser Hinsicht auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zu § 30 Abs. 2 VwGG) und des Verfassungsgerichtshofes (zu § 85 Abs. 2 VfGG) zurückgegriffen werden. Die zwei in § 22 Abs. 2 FMABG genannten Voraussetzungen (unverhältnismäßiger Nachteil für den Beschwerdeführer und kein entgegenstehendes zwingendes öffentliches Interesse) müssen kumulativ vorliegen. Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, kann dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht Folge gegeben werden; das Vorliegen der anderen Voraussetzung kann in diesem Fall (ebenso wie zB auch die Frage der Vollzugstauglichkeit) offen gelassen werden (vgl. zB VfGH 02.04.2013, B 201/13).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu § 85 Abs. 2 VfGG ist ein Nachteil im Sinne dieser Bestimmung dann unverhältnismäßig, wenn bei einem mittlerweiligen Vollzug der angefochtenen Entscheidung (im Sinne einer auf welche Weise immer stattfindenden Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit) durch die dadurch bewirkte Lage der Tatsachen dem Beschwerdeführer ein Nachteil droht, der auch nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Hauptverfahren nicht wieder gut zu machen und daher geeignet ist, den vom Verfassungsgerichtshof zu gewährenden Rechtsschutz zu beeinträchtigen (vgl. zum Ganzen VfGH 29.09.1998, B 1287/98, VfGH 06.05.2014, E 252/2014).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist jede aufsichtsbehördliche Maßnahme regelmäßig mit Nachteilen für die Beaufsichtigten verbunden. Es kann jedoch aus diesem Umstand allein noch kein unverhältnismäßiger Nachteil abgeleitet werden (vgl. VwGH 02.04.2010, AW 2010/17/0015; 24.05.2012, AW 2012/17/0026; 17.03.2010, AW 2010/17/0004). Es ist Sache des Beschwerdeführers, Tatsachen, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erfüllen, in seinem Antrag konkret darzulegen und solcherart der ihm obliegenden Konkretisierungspflicht zu entsprechen (vgl. zB VfGH 28.03.1996, B 1054/96; VfGH 09.09.1996, B 2798/96 vgl. VwGH 25.02.1981, VwSlg. 10.381 A/1981; 07.08.2013, AW 2013/17/0023). Um dem Gericht die gebotene Interessenabwägung zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass der Antragsteller sein Interesse an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch ein präzises Vorbringen bzw. die Vorlage von Bescheinigungsmitteln, zB mittels konkreter Angaben über seine finanziellen Verhältnisse hinreichend konkretisiert (vgl. VfSlg 16.065/2001, VfGH 16.08.2013, B 869/2013; VwGH 11.03.1996, AW 95/17/0071; 27.06.1996, AW 96/17/0028; 10.08.2011, AW/2011/17/0028). Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt entscheidend von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten Angaben ab (vgl. VwGH 09.10.2013, AW 96/17/0028; 02.04.2010, AW 2010/17/0015).

Das im vorliegenden Antrag erstattete Vorbringen ist nicht geeignet, einen unverhältnismäßigen Nachteil der beschwerdeführenden Gesellschaft darzutun. Dem Vorbringen fehlen beispielsweise konkret beschriebene und quantifizierte Angaben zu etwaigen durch die Umsetzung des Bescheides bedingten wirtschaftlichen Auswirkungen auf die beschwerdeführende Gesellschaft, eine Darstellung des Verhältnisses dieser Auswirkungen zur sonstigen wirtschaftlichen Lage der beschwerdeführenden Gesellschaft, etwaige Möglichkeiten der Gesellschaft, gegenzusteuern etc.

Gerade im Lichte des in der Beschwerde erstatteten Vorbringens, dass

die "wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin ... seit ihrer

Gründung vor 20 Jahren in bestem Zustand" sei, dass sie eine "sehr gute Eigenkapitalausstattung, sehr gute Liquiditätssituation, äußerst geringe NPL Rate und eine ausgeglichene Loan-Deposit Ratio" habe, sowie vor dem Hintergrund des in der Beschwerde behaupteten Umstands, dass die beschwerdeführende Gesellschaft bereits jetzt schon (in Umsetzung des rechtskräftigen Bescheides vom 14.03.2018) laufend Schritte setze, um ihr Türkeiengagement zu reduzieren, hätte eine Darlegung eines unverhältnismäßigen Nachteils ein konkretes Vorbringen dazu erfordert, aus welchen Gründen und inwiefern eine bereits vor Erledigung des Beschwerdeverfahrens eintretende Umsetzung des nunmehr angefochtenen Bescheides, mit dem ein bestimmter Risikopuffer vorgeschrieben und der Abschluss von Neugeschäften mit einer bestimmten Kategorie von Geschäftspartnern mit Türkeibezug untersagt wurde, eine Auswirkung hätte, die für die beschwerdeführende Gesellschaft nicht verkraftbar wäre oder sonstwie die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten hätte.

Das Bundesverwaltungsgericht wird durch das Vorbringen nicht in die Lage versetzt, beurteilen zu können, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für die beschwerdeführende Gesellschaft einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich bringt.

Damit fehlt bereits eine notwendige Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Dem Antrag ist daher keine Folge zu geben. Es ist bei diesem Ergebnis nicht erforderlich, auf die Frage einzugehen, ob der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die Frage der Senatszuständigkeit für Zwecke des § 22 FMABG iVm. § 9 BVwGG nicht abschließend geklärt ist.

Die Senatszuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist die Ausnahme von der verfassungsrechtlichen normierten Regel der Einzelrichterzuständigkeit. Senatszuständigkeit besteht nur, soweit diese durch einfachgesetzliche Bestimmungen begründet ist (vgl. Art. 135 Abs. 1 B-VG). Eine solche Festlegung durch den einfachen Gesetzgeber muss klar und unmissverständlich sein.

Aspekte der Praktikabilität sind Teil des Regelungsgedankens sowohl des § 9 BVwGG als auch des § 22 Abs. 2a FMABG: Dass eine Senatszuständigkeit für die Erledigung eilbedürftiger Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mehr manipulativen und organisatorischen Aufwand bedeutet (und damit kosten-, personal-, vor allem aber zeitintensiver ist) als eine Vorsitzendenzuständigkeit, bedarf keiner weitwendiger Ausführung. Im Unterschied zur Judikatur zur Systematik des § 13 VwGVG, die darauf abstellte, dass die Beschwerde gegen den Bescheid über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung eine eigene Beschwerdesache bildet, die mit Erkenntnis abschließend zu erledigen ist (so dass sie nicht als vorbereitende Handlung im Sinne von § 9 BVwGG qualifiziert werden kann), liegt die Situation bei einem "Aberkennungssystem", wie es § 22 FMABG oder auch § 44a PMG zugrunde liegt, insofern anders, als die Frage der aufschiebenden Wirkung in keinen gesonderten verwaltungsbehördlichen Bescheid einfließt. Insofern hätte das Gesetz auf Ebene der Prämisse des Erkenntnisses VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0056, eine andere, von der darin zitierten Vorjudikatur differenzierende Lösung zugelassen.

Doch auch aufbauend auf der Lösung des Erkenntnisses VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0056, ließe sich für den Bereich des § 22 FMABG ein anderes Ergebnis vertreten. Im Erkenntnis vom 05.09.2018, Ra 2018/03/0056, hatte der Verwaltungsgerichthof die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Vorsitzenden des Senates nach § 9 BVwGG im Zusammenhang mit einer Rechtssache nach dem Postmarktgesetz zu beurteilen. Er vertrat unter Hinweis auf Vorjudikatur (zum AlVG), dass die "in § 9 Abs. 1 BVwGG dem Vorsitzenden zugewiesene Aufgabe, das Verfahren bis zur Verhandlung zu führen, wobei die dabei erforderlichen Beschlüsse keines Senatsbeschlusses bedürfen", nur das Verfahren über die Beschwerde in der Hauptsache erfasse, nicht aber die "im Rahmen eines ‚Zuerkennungssystems' dazu tretende besondere Frage der dem VwG vorbehaltenen Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz".

Dieses Erkenntnis baut darauf auf, dass das Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als Teil des "Verfahrens" verstanden wird, das vom Senat zu führen und abzuschließen ist. Das dem Erkenntnis zugrunde liegende Postmarktgesetz definiert den Umfang der Senatszuständigkeit wie folgt: "(2) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die Post-Control-Kommission belangte Behörde ist (§ 6 Abs. 2 VwGVG), durch Senate." Das Postmarktgesetz stellt daher auf Fälle ab, in denen die Post-Control-Kommission belangte Behörde ist, beziehungsweise in den Worten des zitierten Erkenntnisses, (Rz 39) "als belangte Behörde fungiert". § 22 FMABG definiert die Senatszuständigkeit anders und normiert, dass das Bundesverwaltungsgericht "über Beschwerden gegen Bescheide der FMA" im Senat zu entscheiden hat. Geht man davon aus, dass es sich bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung um eine vom "Verfahren über die Hauptsache" zu trennende Frage handelt, lässt sich vor dem Hintergrund des § 22 Abs. 2a FMABG auch vertreten, dass dieses Verfahren getrennt zu betrachten ist vom Verfahren über die "Beschwerde gegen [den] Bescheid der FMA". Auf dieser Basis könnte vertreten werden, dass es als davon zu trennende Angelegenheit aus dem Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2a FMABG herausfällt und damit der Einzelrichterzuständigkeit und nicht der Senatszuständigkeit unterliegt, so dass sich auch die Abgrenzung zwischen den Aufgaben des Senats und seines Vorsitzenden (§ 9 BVwGG) von vornherein nicht stellt. Vertretbar erscheint auch, das Gebot der unmissverständlichen Festlegung von Zuständigkeiten (Rz 45 des Erkenntnisses vom 05.09.2018, Ra 2018/03/0056) bei einer verfassungsrechtlichen Regel der Einzelrichterzuständigkeit, von der der Gesetzgeber abweichende Regelungen treffen kann, nicht so zu verstehen, dass es zu dem Ergebnis führt, dass eine einfachgesetzliche Regelung im Zweifel zugunsten der Senatszuständigkeit auszulegen ist (vgl. auch VwGH 02.08.2016, Ro 2015/05/0008).

Eine weitere ungeklärte Frage ist, ob der Senat eine Entscheidung über die aufschiebende Wirkung erlassen darf, obwohl die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BVwGG erfüllt wären (ob also die Vorsitzendenzuständigkeit zwingend ist und eine Senatsentscheidung in diesem Fall eine Verletzung der Zuständigkeitsordnung bedeutet). Nur wenn dies verneint wird, "hängt" die vorliegende Entscheidung von der oben dargestellten Rechtsfrage auch "ab".

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Bescheinigungsmittel, Finanzmarktaufsicht,
Interessenabwägung, konkrete Darlegung, Konkretisierung,
Kumulierung, öffentliche Interessen, Revision zulässig,
Risikominimierung, Schaden, unverhältnismäßiger Nachteil,
wirtschaftliche Gründe, wirtschaftliche Situation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W230.2211689.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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