TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/16 L504 2116563-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2116563-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX,XXXX1988 geb., StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2015, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 13.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Bagdad stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation Folgendes an:

"Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund)?

Ich habe den Irak verlassen da mein Leben nach dem Fall von Saddam Hussein von schiitischen Milizen bedroht war. Da mein Vater und ich Mitglieder der Baath Partei sind ist unser bzw. mein Leben seit den Unruhen in Syrien in Gefahr. Aus Angst um mein Leben bin ich geflohen."

Im Falle einer Rückkehr habe die bP Angst um ihr Leben.

Die bP wurde am 06.10.2014 und am 30.09.2015 beim Bundesamt niederschriftlich zur Sache einvernommen.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zugesprochen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs 4 AsylG erteilt.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz begründete die Behörde damit, weil "aufgrund der gegenwärtigen Lage (andauernde bewaffnete Konflikte bzw. Anschläge, anhaltende Unsicherheit, fehlende Sicherheitslage, hohe Arbeitslosigkeit, mangelhafte Infrastruktur, schleppender Wiederaufbau) nicht mit der geforderten Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die bP im Falle der Rückkehr zumindest einer unmenschlichen Behandlung iSv Art 3 EMRK ausgesetzt wäre. Es könne gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass die bP als Zivilperson einer realen Gefahr infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ausgesetzt wäre.

Gegen die Nichterteilung des Status eines Asylberechtigten wurde Beschwerde erhoben.

Am 05.12.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP eine Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.

Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich spätestens in der Verhandlung durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Es wurde der bP am Ende der Verhandlung aufgetragen das BVwG unverzüglich zu verständigen, wenn sich entscheidungsrelevante Änderungen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz bzw. ihr Privat- und Familienleben betreffen, ergeben. Bis zu dieser Entscheidung langte keine solche Mitteilung ein.

Im Folgenden werden zur Darstellung seines Aussageverhaltens Auszüge aus der Verhandlungsschrift dargestellt:

[...]

Wenn Sie sich im Irak jemanden vorstellen müssten, welchen Namen oder Namensteile verwenden Sie dabei?

Ich sage, ich bin XXXX.

[...]

Wenn Sie bisher falsche Angaben gemacht haben und diese bislang nicht richtig gestellt haben, haben Sie jetzt noch die Möglichkeit dazu!

Alles, was ich bis jetzt angegeben habe, ist richtig.

[...]

Haben Sie im Irak noch Familienangehörige?

Im Irak nicht, meine Geschwister und meine Eltern sind nicht im Irak, aber ich habe im Irak Onkel und Tanten, sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits. Diese führen auch den Namen XXXX. Der Familienname XXXX steht nicht im Reisepass meines Vaters, deshalb kann er diesen Namen in der Türkei nicht anführen.

[...]

Sie gaben beim Bundesamt an, dass Sie mit Ihrer Familie 2003 den Irak verlassen hätten und dann bis zu Ihrer Abreise im Februar 2014 nach Österreich in Syrien gelebt hätten. Waren Sie zwischen 2003 und 2014 wieder einmal im Irak aufhältig?

Damit wir den Aufenthalt in Syrien erwirken können, ist die ganze Familie aus Syrien ausgereist und beim nächsten Grenzübergang wieder herausgekommen aus dem Irak, damit wir einen Ausreisestempel bekommen um diesen bei den syrischen Behörden vorlegen zu können, um dadurch eine neue Aufenthaltsdauer beginnen zu können, 2005, 2006, 2007 und 2008.

Sind Sie oder Familienangehörige von Ihnen zwischen 2003 und 2014 einmal nach Bagdad gereist?

Meine Mutter ist einmal in dieser Zeit nach Bagdad gefahren und meine Schwester 2 Mal. Nachgefragt für welche Zwecke gebe ich an, meine Mutter wegen grundbücherlicher Eintragung, meine Schwester ist dorthin gefahren, um ihren Urlaub zu verlängern. Nachgefragt wird klargestellt, dass sie dort bei ihrem Arbeitgeber ihren unbefristeten Urlaub verlängert hat. Meine Schwester führt auch den Namen XXXX. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter und meine Schwester keine Probleme damit gehabt haben. In Bagdad haben sie die ersten 3 Namen geführt und das hat zu keinen Problemen geführt. Dadurch hatten sie keine Probleme. Es gibt auch andere Familien im Irak, die diesen Namen auch führen.

Haben Sie Ihren irakischen Personalausweis zur heutigen Verhandlung mitgenommen? Legen Sie diesen jetzt vor!

Diesen habe ich vergessen.

Sie haben beim Bundesamt Ihren irakischen Personalausweis im Original vorgelegt. Dieser wurde am XXXX März 2008 in "XXXX" (Schreibweise lt. Niederschrift) ausgestellt (AS 15,17, 81). Dabei handelt es sich offensichtlich um einen Bezirk in Bagdad. Es scheint, dass sie zumindest 2008 doch in Bagdad waren. Was sagen Sie dazu?

Es gibt dafür eine Erklärung, für 50 Dollar habe ich in Syrien diesen gefälschten Ausweis gekauft.

Für Ihre Mutter wurde am XXXX02.2010 in Bagdad ein Personalausweis ausgestellt. Was sagen Sie dazu?

Ich möchte etwas berichtigen. Den Ausweis, den ich in Syrien für 50 Dollar gekauft habe ist nicht gefälscht, sondern wurde tatsächlich von der Behörde in Bagdad ausgestellt. Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Sie können für 1000 Dollar einen echten irakischen ausstellen lassen, wobei Sie nicht einmal zur Behörde gehen müssen.

Wie sind Sie in den Besitz dieses irakischen Personalausweises gekommen?

Ich habe diesen Ausweis von einem irakischen Staatsbürger, der in Syrien gelebt hat, bekommen. Nachgefragt gebe ich an, mein Vater war ein XXXX und dadurch hatte er viele Bekannte, die ebenfalls nach Syrien gelangt sind. Einer dieser Iraker hat für mich diesen Ausweis ausstellen lassen.

Hat dieser auch noch andere Dokumente für Sie ausgestellt?

Nur diesen Ausweis.

Sind Sie sonst in Syrien zu einem gefälschten bzw. gekauften Dokument gelangt?

Ich habe lediglich ein Zeugnis ausstellen lassen in Syrien, das ist nicht gefälscht.

Für welche Zwecke haben Sie sich diesen irakischen Personalausweis 2008 ausstellen lassen?

Weil die Gültigkeit meines Personalausweises abgelaufen war. Nachgefragt gebe ich an, wie komme ich sonst aus Syrien wieder heraus in den Irak, ich brauche ein Dokument. Nachdem die Gültigkeit meines Reisepasses abgelaufen war, brauchte ich einen gültigen Ausweis, um einen neuen Reisepass ausstellen zu lassen.

[...]

Sie gaben beim Bundesamt an, dass Sie sich in Syrien von der irakischen Botschaft einen irakischen Reisepass haben ausstellen lassen. Wann wurde der ungefähr ausgestellt und wie lange war er gültig?

Ich habe diesen Reisepass bei der irakischen Botschaft in Syrien 2010 ausstellen lassen und ich glaube, dass dieser Pass für 8 Jahre gültig war. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht weiß, ob es dabei Probleme gab, weil ich nicht beim Konsulat war. Freunde meines Vaters haben das für mich erledigt.

Was wurde aus dem Reisepass, wo befindet sich dieser?

Der Schlepper hat den Reisepass an sich genommen. Nachgefragt gebe ich an, dass der Schlepper und ich mit dem Flugzeug nach Wien geflogen sind. Nachdem wir den Flughafen verlassen haben, hat er mir diesen Reisepass weggenommen. Nachgefragt gebe ich an, dass es richtig ist, dass ich den Reisepass dem Beamten vorgewiesen habe. Er hat den Pass angeschaut und ihn abgestempelt und er hat von mir einen Daumenabdruck genommen. Ich weiß nicht, ob es ein biometrischer Reisepass war.

RI merkt an, dass beim biometrischen Reisepass die Fingerabdrücke bei der Behörde jedenfalls abgegeben werden müssen. Die Nichtbeanstandung bei der Einreise deutet darauf hin, dass Sie sehr wohl bei der Reisepassausstellung vor Ort bei der Behörde gewesen sein müssen.

Ich habe den Antrag ausgefüllt und diesen mit meinem Fingerabdruck versehen, dieser wurde dann durch die Freunde meines Vaters bei der Behörde vorgelegt, nicht alle 10 Finger, nur 1 Finger war auf dem Abdruck.

Welcher Finger?

Der linke Daumen.

Warum haben Sie sich diesen Personalausweis nicht so wie den irakischen Reisepass in der irakischen Botschaft in Syrien ausstellen lassen?

Die Person, die mir den Ausweis gegeben hat, war bereit, diesen Ausweis innerhalb einer Woche zu liefern und ich habe diesen Ausweis so schnell wie möglich gebraucht, das ist der Grund.

Mit welchem Dokument haben Sie sich bei den kurzfristigen Ein- und Ausreisen in bzw. aus dem Irak ausgewiesen?

Reisepass. Das ist so gelaufen, an der Grenze zu Syrien waren syrische, irakische und UNO-Mitarbeiter gemeinsam anwesend. Wenn eine Gruppe aus Syrien in den Irak gekommen ist, waren ein Stapel von 30 Pässen, wurde in einem gestempelt ohne ihn direkt anzusehen. Und dann nach Abstempeln der Pässe wurden diese den Personen zurückgegeben. Diese Prozedur war 2007 am stärksten. Um diesen Vorgang leicht abzuwickeln, hat jeder von uns Geld bezahlt und ich nehme an, dass dieses Geld auf die syrischen und irakischen Beamten aufgeteilt wurde. Ich weiß nicht mehr, wie viel ich seinerzeit bezahlt habe.

Wenn Ihr Vater so gute Beziehungen selbst zur irakischen Botschaft in Syrien hatte, warum haben Sie sich nicht irakische Dokumente mit einem anderen Namen ausstellen lassen?

Das Problem war nicht im Stammesnamen, sondern im Vornamen, XXXX.

Warum soll XXXX ein Problem sein?

Schauen Sie, wie ich aussehe, das ist auch ein Problem. Im Irak weiß man, wer ich bin. Die wissen, wer mein Vater ist. Man hat mich gekannt, ohne den Namen zu wissen, wer ich bin, aber die Leute haben mich gekannt und wenn ich vielleicht ein Jahr unentdeckt im Irak gewesen wäre, hätten sie mich eines Tages doch erkannt und ich weiß nicht, was sie dann mit mir gemacht hätten. Es könnte sein, dass sie mich auch getötet hätten. Ich möchte Ihnen etwas sagen, der jetzige Staat will Rache üben, nachdem sie meinen Vater nicht erreichen können, nehmen sie einen Sohn und ich bin sein Sohn. Im Irak nimmt man Rache nicht an der Tochter, sondern immer am Sohn.

Wieso sollte Sie heute noch im Irak jemand erkennen? Sie sind im Alter von ca. 22 Jahren ausgereist, aus der Aktenlage geht nicht hervor, dass Sie etwa ständig in den Medien gewesen wären oder sonst quasi jedem bildlich oder namentlich bekannt waren.

Mein Vater war immer gegen diese Regierung, die jetzt im Irak regiert. Die jetzige Regierung könnte von den Milizen verlangen, Rache an meinem Vater zu üben bzw. mich dann töten. Vor 6 oder 8 Monaten wurde unser Haus okkupiert. Man kam zu unserem Haus, wir wurden gesucht, deshalb wurde das Haus beschlagnahmt. Das ist ein Beweis, dass unsere Sache nicht vergessen ist.

P legt Beweismittel vor und gibt an, das ist eine Liste von Leuten, deren Konten im Irak eingefroren sind und deren Besitz im Irak beschlagnahmt wurde.

Betrifft das nur Ihren Vater oder Ihre gesamte Familie?

Es geht um meinen Vater. Der Name meines Vaters kommt 2 Mal vor.

Welche Folgen hat es, wenn man auf dieser Liste steht?

Diese Nummer, Zahlen, die davor stehen, verbergen sich rechtliche Vorwürfe.

Sie gaben beim Bundesamt an, dass Sie per Flugzeug von Amman/Jordanien nach Wien geflogen sind? Waren das ein Direktflug?

Das ist richtig.

Warum sind Sie nicht von Syrien aus nach Österreich geflogen?

Die Milizen haben uns verfolgt auch in Syrien, daher sind wir von Syrien wiederum nach Jordanien geflüchtet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich die irakischen Milizen meine.

Das war erst 2014 als Sie die Milizen verfolgten?

Es hat eine Ortschaft in Syrien gegeben, mit dem Namen XXXX, dort haben wir uns aufgehalten, dort haben uns die irakischen Milizen verfolgt, dann sind wir nach Jordanien geflüchtet.

Erzählen Sie mir, wie die Verfolgung durch die irakischen Milizen in dem Ort konkret ausgesehen hat, was passiert ist.

Zu dieser Zeit hat die syrische Regierung angefangen zu wackeln. Die irakischen Milizen und die Iraner haben die Kämpfer von Bashar al-Asad geholfen und der Preis dafür, dass die syrischen Behörden Namen von Mitgliedern der Baath-Partei, Namen von irakischen Mitgliedern der Baath-Partei, die in Syrien sich aufhalten bekanntgeben.

Sind Sie von Syrien nach Amman in Begleitung eines Schleppers gereist?

Ich bin nicht nach XXXX, sondern in die Türkei gefahren. Und von der Türkei mit dem Flugzeug nach XXXX.

Warum sind Sie nicht von der Türkei direkt nach Österreich geflogen?

Es waren überall Kämpfer, deshalb konnten wir nicht direkt nach Jordanien fahren. Es war sicherer in die Türkei zu flüchten, um dann mit dem Flugzeug nach XXXX zu gelangen.

Wie kamen Sie von Syrien in die Türkei?

Wir sind mit Hilfe eines Schleppers dorthin gekommen, mit dem Auto.

Hatten Sie für die Reise von der Türkei nach XXXX für Jordanien ein Visum?

Natürlich. Nachgefragt gebe ich an, dass das Reisebüro der Fluggesellschaft für mich das Visum legal besorgte.

Haben Sie sich am Flughafen in Aman mit ihrem eigenen Reisepass ausgewiesen? Gab es Probleme bei der Ausreise?

Problemlos.

Sie gaben an, dass Sie von der österreichischen Botschaft in XXXX ein Visum, ausg. am 28.02.2014, erhalten haben und Sie wären damit nach Österreich eingereist.

Wer war für Sie in Österreich der Einlader bzw. wer hat in Österreich die Verpflichtungserklärung für Sie abgegeben?

Keine Ahnung, das weiß ich nicht.

Das muss man am Formular angeben, die Bestätigungen müssen dabei sein.

Ich bin allein in die österreichische Botschaft gegangen und habe um ein Einreisevisum nach Österreich angesucht. Ich musste dann ein Formular ausfüllen und man sagte mir, dass ich telefonisch verständigt werde, ich glaube, dass ich 10 Tage später verständigt wurde. Ich kam dann in die Botschaft und bezahlte die Gebühren, ich kann nicht erwähnen wie viel. Ich bekam meinen Reisepass, der mit dem österreichischen Visum versehen war.

Das BVwG hat bei der österr. Botschaft in XXXX angefragt, ob für eine Person mit Ihrer in Österreich angegebenen Identität ein Visum ausgestellt wurde. Die Botschaft gab am 24.04.2018 zur Antwort, dass für eine solche Person - auch unter Berücksichtigung anderer Schreibweisen des Namens - keine Visaerteilung bekannt ist. Was sagen Sie dazu?

Ich sage, dass das, was ich Ihnen erzählt habe, der Wahrheit entspricht. Wenn Sie wollen, kann ich genau beschreiben, wie diese Botschaft ausgesehen hat.

[...]

Warum sind Sie nicht so wie Ihre Eltern in der Türkei geblieben? Offenbar leben sie dort in Sicherheit.

Ich wollte nicht in der Türkei bleiben. Seit ich ein Kind war habe ich eine Vorliebe für Österreich, speziell für Wien gehabt, ich habe immer für Wien geschwärmt.

Beim Namen XXXX handelt es sich um einen durchaus geläufigen Namen und leben nach wie vor Personen mit diesem Namen im Irak, wie einer Abfrage via google unter Suchworte "XXXX" oder "XXXX" und "XXXX" ersichtlich ist (Zugriff am 04.12.2018). So führt etwa 2015 ein irakischer XXXX diesen Namen. ZB findet man auf Facebook oder Twitter auch Personen sogar mit dem gleichen Vor- und Familienamen, XXXX XXXX, wie sie, die in Bagdad wohnhaft sind. Diese müssten dann ja auf Grund dieses Namens die gleichen Probleme haben wie Sie, leben aber in Bagdad.

Aber das Aussehen, mein Aussehen ist verräterisch. Nachgefragt, was so verräterisch an meinem Aussehen ist, gebe ich an, Leute, die mich kennen, werden mich wiedererkennen, das habe ich gemeint. Nachgefragt gebe ich an, dass man mich trotz des derzeitigen Vollbartes wiedererkennen würde.

[...]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität steht lt. Bundesamt fest und wird in diesem Verfahren der Entscheidung zugrunde gelegt. Da dem BVwG selbst trotz Aufforderung in der Verhandlung keine nationalen, mit Lichtbild versehenen Identitätsdokumente im Original vorgelegt wurden, kann mangels Überprüfbarkeit durch Augenscheinnahme zur Identität keine eigene Feststellung getroffen werden.

Die bP ist den beim Bundesamt vorgelegten Unterlagen, im Einklang mit ihren persönlichen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und bezeichnet sich als den Sunniten zugehörig.

Die bP ist in Bagdad aufgewachsen, absolvierte dort die Schule und bis 2003 ein Studium.

Sie verfügt im Herkunftsstaat noch über ein verwandtschaftliches Netz.

1.2. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen bzw. persönlichen Erlebnissen und der zu erwartenden Rückkehrsituation:

Es ist glaubhaft, dass die bP mit ihrer Familie nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 den Irak verlassen hat.

Ihren Angaben nach war ihr Vater Mitglied der Baath Partei und in der Regimezeit von Saddam Hussein hochrangiger Offizier im Geheimdienst. Dieser steht der Berichtslage nach in Verdacht für die Ermordung von damaligen Regimegegnern verantwortlich zu sein.

Die bP hat selbst ihren Angaben nach keine Straftaten im Irak begangen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Irak von Behörden / Gerichten gesucht wird. Ebenso nicht ihre Mutter und Schwester. Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP wegen der Zugehörigkeit zur Familie ihres Vaters wegen dessen vorgeworfener Straftaten im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatlichen Akteuren ausgesetzt wäre.

Die bP behauptet Mitglied der Baath-Partei gewesen zu sein. Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP in dieser Partei aktiv gewesen wäre oder sich diesbezüglich vor der Ausreise irgendwie exponiert hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie im Falle einer Rückkehr diesbezüglich einer entscheidungsrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Das BVwG geht davon aus, dass sich die bP, so wie auch ihre Mutter und Schwester, nach der Ausreise auch wieder im Irak aufgehalten hat. Es kam nicht hervor, dass sie dabei Probleme hatten. Die Mutter war unstreitig zumindest zur Regelung grundbücherlicher Angelegenheiten und zur Ausstellung eines irakischen Identitätsdokumentes in Bagdad, die Schwester zumindest für Zwecke der Regelung ihres aufrechten Arbeitsverhältnisses bzw. Verlängerung der Beurlaubung in Bagdad aufhältig.

Die bP versuchte ihre letzten Aufenthalte und den Ausreiseweg zu verschleiern, ebenso die Existenz des irakischen Reisepasses.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP, so wie von ihr behauptet, mit dem von ihr angeführten österreichischen Visum eingereist ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Bagdad, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

1.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Auf Grundlage der in das Verfahren einbezogenen Quellen zum Irak (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018, mit den darin genannten Berichten sowie der schon im Verfahren des Bundesamtes herangezogenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.09.2015, zur Rolle des Vaters und der Gefährdung seiner Familie [siehe Ausführungen unter II.2.]) wird zusammengefasst Folgendes festgestellt:

Politik / Zusammensetzung der Bevölkerung

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten.

Der Irak hat ca. 38 Millionen Einwohner. Etwa 75-80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15-20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.

Etwa 97 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Christen, Jesiden und andere Religionen bilden mit ca. 3 % eine Minderheit. Die Christen zählen überwiegend zu den orientalisch-christlichen Gemeinschaften:

Chaldäisch-katholische Kirche, Assyrische Kirche des Ostens, Alte Kirche des Ostens, Armenische Apostolische Kirche, Römisch-katholische Kirche, Syrisch-katholische Kirche, Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, Assyrisch-evangelische Kirche und andere.

Sicherheitskräfte - Milizen

Die irakischen Sicherheitskräfte ISF:

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen.

Wenngleich es zum Teil erhebliche Mängel gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass generell keine wirksamen Schutzmechanismen durch die Sicherheitskräfte vorhanden wären oder dass die Bevölkerung dazu keinen Zugang hätte. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung:

Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt.

Volksmobilsierungseinheiten (PMF):

Der Name bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes.

Rechtschutz

Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz. Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen und Einflussnahmen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Personal- und Kompetenzmangel wird zuweilen beklagt.

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte vereinzelt, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, gibt es diesbezüglich Mängel im Verfahren. Urteile ergehen vereinzelt mit überschießend hohen Strafen.

Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich Iraker vereinzelt auch an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.

Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt

Allg. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert. Vereinzelte IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv und für Verbrechen verantwortlich, die Sicherheitslage ist veränderlich. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist hoch. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt.

Sunniten

Ca. 17-22 % der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. Es gibt vereinzelte Berichte über Menschenrechtsverletzungen an Sunniten, va. durch schiitische Milizen oder unbekannte Täter. Vor allem Personen die Angehörige der terroristischen Gruppierung IS sind oder im Verdacht stehen solche zu sein oder diese unterstützen, können solcherart gefährdet sein. Auf Grund der Berichtslage lässt sich jedoch nicht schließen, dass dies Teil eines systematischen, quasi jeden Sunniten gleichermaßen treffenden Risikos ist. Sunniten, die in schiitisch dominierten Regionen leben, können gesellschaftliche Diskriminierung in einem moderaten Level erfahren, vor allem in den südlichen Gouvernements. Es handle sich vorwiegend um Diskriminierung am Arbeitsmarkt bzw. um gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund von Nepotismus. Schiitische Arbeitgeber würden eher Schiiten einstellen. Generell ist die Zahl von registrierten, sicherheitsrelevanten Vorfällen jedoch seit dem Zeitpunkt als der IS als "vertrieben" gilt, stark rückläufig.

Die Provinz Babil (ca. 1,9 Millionen Einwohner) gehört zu jenen Provinzen, die 2018 bislang die geringste Zahl an Konfliktfälle und Todesopfer zu verzeichnen hat. So zB im 1. Quartal 16 Vorfälle mit 6 Todesopfer, 2. Quartal bei 13 Vorfällen 19 Todesopfer, 3. Quartal bei 16 Vorfällen 7 Todesopfer. Die Vorfälle waren jeweils an verschiedenen Orten in der Provinz (Quelle: ACLED)

Aktuelle Sicherheitslage in der Herkunftsregion Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden.

Die Sicherheitslage verbesserte sich in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen.

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018). Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten.

Ex-Ba'athisten

Nach dem Fall des Regimes Saddam Husseins durchlief der Irak eine Ent-Ba'athifizierung, die die Auflösung der Ba'ath-Partei und verschiedener mit ihr verbundener Organisationen umfasste. Es kam zu Verhaftungen ehemaliger Parteimitglieder, sowie zur Säuberung des Staatsapparates, der Streitkräfte und der öffentlichen Verwaltung. Sunniten stellen die Ent-Ba'athifizierung wiederholt als "Ent-Sunnifizierung" dar und beklagen, dass der Prozess zu einem Instrument konfessioneller Politik geworden ist. Das Ausmaß der Verfolgung war nicht zwangsläufig daran geknüpft, ob eine Person hochrangiges oder niederrangiges Mitglied war, sondern wie bekannt die Baath-Parteimitgliedschaft in der Gesellschaft war, und ob die Person sich aus Sicht der Gesellschaft "schuldig" gemacht hatte. Einige mittel- bis hochrangige Ba'athisten können für schwere, unter dem Saddam Regime begangene Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein. Es ist darüber hinaus auch möglich, dass einige frühere Ba'athisten Verbindungen zum IS oder zu anderen aufständischen Organisationen, wie der "Armee der Männer des Naqshbandi-Ordens", haben.

Im Zuge der Ent-Ba'athifizierung von 2003-2013 soll es zu Festnahmen unter dem Anti-Terror-Gesetz, zu Inhaftierungen ohne ordentliche Verfahren und zur Folter von Tausenden von Menschen, die der Mitgliedschaft in der Ba'ath-Partei bezichtigt wurden, gekommen sein.

Die irakische Regierung modifizierte im Februar 2015 das De-Baathifizierungsgesetz als Schritt, ehemalige Baath-Mitglieder wieder ins politische Leben zu integrieren.

Bewegungsfreiheit

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an. Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden.

Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, selektiv umgesetzt haben.

Eine Kontrolle der eigenen Staatsangehörigen findet bei der Ausreise statt. Iraker mit gültigem Reisepass genießen Reisefreiheit und können die Landesgrenzen problemlos passieren.

Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein. Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen, Genehmigungen einzuholen, die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger, die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen, benötigen einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger, die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten, auch Kurden) müssen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen über sich ergehen lassen. Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen.

IDPs und Flüchtlinge

Die Zahl der Vertriebenen sinkt stetig; die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen. Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren.

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Bei jenen Irakern, welche in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellten, Verfolgung behaupteten und während des Beschwerdeverfahrens freiwillig wieder zurückkehrten, handelt es sich überwiegend um arabische Sunniten und Schiiten. Neben Österreich führen auch andere Staaten der EU abgelehnte irakische Staatsangehörige in den Irak zurück.

Dokumente

Identitätsbescheinigende Dokumente die im Irak ausgestellt wurden sind wenig zuverlässig, zumal sie häufig auch auf Grund mangelnder Dokumentation ausgestellt werden.

Jedes irakische Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen

2. Beweiswürdigung

Ad 1.1.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt widerspruchsfreien Aussagen, ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP, diese Angaben bestätigenden, vorgelegten Bescheinigungsmittel.

Ad 1.1.2. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen bzw. persönlichen Erlebnissen und der zu erwartenden Rückkehrsituation

Einleitend ist dazu anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.

Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin jeweils bezeugten Vorganges nicht an.

Gerade beim Antrag auf internationalen Schutz kommt der persönlichen Aussage zur eigenen Gefährdungssituation im Herkunftsstaat als Beweismittel und zentralem Punkt in diesem Verfahren besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse bzw. eigene sinnliche Wahrnehmungen über die berichtet wird, die sich zumeist - auch auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen - weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen und normalerweise alleine in der persönlichen Sphäre der bP liegen.

Im Wesentlichen geht es für die Entscheider darum zu beurteilen, ob es im konkreten Fall glaubhaft ist, dass die diesbezüglichen Aussagen der bP auf einem tatsächlichen persönlichen Erleben beruhen oder ob sich die Partei dabei der Lüge bedient bzw. die Aussagen nicht erlebnisbegründet sind.

Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff). Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach - uU auch durch Suggestion Dritter beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwarten, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. "Folgenberücksichtigung").

Als Beurteilungskritierien für die Glaubhaftmachung nennt der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise:

Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Auch auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung Bedacht zu nehmen. Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

Das BVwG geht auf Grund des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die bP in nicht unerheblichen Bereichen, wo es um die Ausreise bzw. ausreisekausale Probleme und Rückkehrbefürchtungen geht, offenkundig keine bzw. geringe Bereitschaft zeigte wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Offensichtlich hielt sie es selbst für einen positiven Ausgang des beantragten internationalen Schutzes für abträglich hier den Tatsachen entsprechende Angaben zu machen.

So sah sie es als erforderlich an, den Ausreiseweg bzw. die Ausreisemodalitäten zu verschleiern. Dies trotz schon anfänglicher Aufforderung nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen:

In der Erstbefragung gab sie an, dass sie über den "Landweg" nach Österreich gekommen sei. Per Pkw von Syrien in die Türkei und dort mit Hilfe von Schleppern per Pkw über unbekannte Häfen, unbekannte Länder, unbekannte Städte bis in das "Lager" nach Österreich gebracht worden wäre.

In der folgenden Einvernahme gab sie hingegen an, dass sie von XXXX nach Wien mit einem österreichischen Visum in ihrem irakischen Reisepass "geflogen" sei. Das Visum sei ihr von der österreichischen Botschaft in XXXX am 28.02.2014 ausgestellt worden. Sie habe dabei bei der Einreisekontrolle am Flughafen Schwechat keine Probleme gehabt. Den Reisepass könne sie zum Nachweis der Behauptung nicht vorlegen, da ihn der Schlepper danach an sich genommen habe.

Abgesehen von den unterschiedlichen Reisewegen vermögen auch ihre Behauptungen zur Einreise mit einem österreichischen Visum nicht überzeugen. Das BVwG hat bei der österreichischen Botschaft in XXXX wegen dieser Visumausstellung angefragt und erhielt von dieser mit Schreiben vom 09.04.2018 zur Auskunft, dass für eine Person mit der von der bP im Asylverfahren angegebenen Identität kein Visum erteilt wurde. Berücksichtigt wurden bei der Nachschau auch andere Schreibweisen des Namens. Auf Vorhalt dieses Ermittlungsergebnisses gab die bP im Wesentlichen nur an, dass ihre Angaben richtig seien.

Angesichts der sich im Verfahren offenkundig abzeichnenden Tendenz, dass die bP durchaus trotz Wahrheitsermahnung bereit ist Falschaussagen zu tätigen, vermag das BVwG die Auskunft der Österreichischen Botschaft nicht in Zweifel zu ziehen. Zudem würden die Organwalter der Botschaft im Falle von nicht wahrheitsgemäßen Angaben einer dienst- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit unterliegen. Eine Konsequenz, die die bP diesbezüglich nicht dergestalt im Falle von wahrheitswidrigen Angaben trifft.

Ebenso versucht die bP über den Verbleib ihres irakischen Reisepasses zu täuschen. In der Erstbefragung gab sie an, dass ihn der Schlepper "in der Türkei" abgenommen hätte.

Später gab sie dazu an, dass ihn der Schlepper nach ihrer Einreise "in Schwechat" nach der Grenzkontrolle abgenommen hätte.

Aus diesem Aussageverhalten schließt das BVwG, dass die bP während des Asylverfahrens sehr wohl noch über den Reisepass verfügte, ihn aber aus taktischen Gründen nicht vorlegt. Sie geht - nach Ansicht des BVwG - offensichtlich selbst davon aus, dass sich darin Eintragungen befinden, welche für die Glaubhaftmachung ihrer Gefährdung und damit für den positiven Ausgang des Verfahrens abträglich wären. Bei solchen Eintragungen könnte es sich etwa um Ein- und Ausreisestempel handeln, die ihre Behauptungen über Aufenthalte und Reisebewegungen oder womöglich auch ihrer Identität widerlegen würden oder darin ersichtliche Aufenthaltstitel, die sie aus taktischen Gründen verschwieg. Möglich wird auch gehalten, dass sie den Reisepass verbirgt, um damit auch während ihres Asylverfahrens weiterhin in den Irak reisen zu können. Ein Verhalten, das sich den Erfahrungen der Asylinstanzen nach durchaus häufig bei irakischen Asylwebern wiederfindet, wie sich aus ho. von polizeilicher Seite einlangenden Reisemeldungen ergibt. Selbst bei Personen die bereits den Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten erlangt haben. Auch dies würde natürlich gegen eine objektivierbare Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat sprechen. Selbst wenn man einer häufigen Argumentation für derartige Verschleierung oder Verbergung des Reisepasses folgt, nämlich, dass man damit der Gefahr abgeschoben zu werden entgegen wirken möchte, spricht dies dafür, dass die Asylwerber wohl selbst der Ansicht sind keine hinreichenden Gründe für die Erlangung eines Schutzberechtigten zu haben.

In jedem Fall aber stellt dies eine gravierende Verletzung der Mitwirkungsverpflichtung dar, die sich auf die persönliche Glaubwürdigkeit und damit auf die Glaubhaftmachung ihrer dargelegten "Fluchtgeschichte" auswirkt.

Die bP versuchte im Verfahren auch eine Verfolgung wegen der früheren Mitgliedschaft bei der Baath-Partei darzulegen. Divergent waren ihre diesbezüglichen Angaben im Zuge mehrerer Einvernahmen inwieweit sie in diese Partei involviert war.

In der Erstbefragung begründete sie den Fluchtgrund überhaupt nur auf den Umstand, dass der Vater und die bP "Mitglieder" der Baath Partei gewesen wären.

In der folgenden Einvernahme behauptete die bP, dass sie während ihrer Universitätszeit "Chef von der Baath Partei", konkret von der Studentenorganisation der Universität und Mitglied gewesen sei. Bescheinigungsmittel zum Nachweis der Behauptung besitze sie nicht.

In einer weiteren Einvernahme beim Bundesamt gab sie dazu an:

"In welcher Zeit waren Sie auf der Uni Studentenführer der Baath Partei?

Ich war kein Studentenführer, ich war nur ein Mitglied". Sie habe sich in Nichts eingemischt, auch nicht, wenn jemand etwas Regimekritisches gesagt habe.

Eine einfache Mitgliedschaft der bP wird durchaus für lebensnah erachtet, jedoch geht das BVwG hier auf Grund der Aussagen der bP davon aus, dass sie eher unpolitsch war und sich diesbezüglich nicht exponiert hat, weshalb es auch nicht nachvollziehbar wäre, dass sie nunmehr wegen ihrer damaligen Mitgliedschaft, rd. 16 Jahre danach, aktuell im Irak im Focus staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure stehen sollte.

Der Vater der bP hat sich auch nicht etwa durch die Parteimitgliedschaft oder Tätigkeit in der Partei exponiert, sondern vielmehr durch seine ihm vorgeworfenen Straftaten unter dem Regime. Der Berichtslage nach waren zudem rd. 90 % der damaligen irakischen Offiziere Mitglieder und alleine daraus ist idR keine Exponiertheit entstanden. Jene, die sich darüber hinaus aber "krimineller Taten" schuldig machten, konnten jedoch einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sein.

Aus der vom Bundesamt eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.09.2015 zum Wirken des Vaters der bP, ergeben sich keine Hinweise, dass seine Familienmitglieder ebenfalls verfolgt würden. Eine derartige aktuelle "Sippenhaftung" ergibt sich auch nicht konkret aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018. Die unstreitig gebliebenen Ermittlungsergebnisse, wonach sich die Mutter und die Schwester nach 2003 im Irak zur Regelung persönlicher Angelegenheiten aufgehalten haben, scheinen dies jedenfalls auch in der Praxis zu bestätigen.

Zu der in der zitierten Anfrage gestellten Frage, ob es Hinweise gebe, dass auch Familienangehörige des Vaters, also auch die bP, im Irak verfolgt würden, wurden dafür keine Hinweise gefunden. Die Quellen würden zu höheren Baath-Mitgliedern und/oder ehemaligen Offizieren ein facettenreiches Bild liefern. Diese seien sowohl als Verbündete des IS genannt, als auch als Ziel von Verhaftungen durch denselbigen.

2015 hat das irakische Kabinett jedoch die Änderung der De-Baathifizierungsgesetzes beschlossen, um frühere Mitglieder der Baath-Partei in den politischen Prozess wieder zu integrieren und die sunnitischen Ressentiments gegen die Regierung zu verringern.

Folgt man den Angaben der bP beim Bundesamt in der Einvernahme am 06.10.2014, so wird sie von Gerichten oder Behörden im Irak nicht gesucht und hatte mit diesen auch nie Probleme. Sie befürchtet von "Milizen, die zur Regierung gehören" und diese unterstützen, wegen dem Vater, welcher für die Verfolgung von Schiiten zuständig gewesen sei, verfolgt zu werden.

Wie sich aus der Berichtslage jedoch ergibt, gibt es für eine derartige Gefahr keine konkreten Hinweise.

Auch das von der bP eingestandene Verhalten, wonach sie während ihres Aufenthaltes in Syrien zumindest jährlich kurz in den Irak ein- und wieder ausreiste, um für den weiteren legalen Aufenthalt in Syrien die erforderlichen Stempel beim Grenzübergang zu erlangen, weisen nicht wirklich auf eine subjektive Furcht hin, im Irak verfolgt zu werden. Zwar gab die bP an, dass "zur Erleichterung des Vorganges" auch Geld geflossen sei, jedoch kann man sich der allgemeinen Lebenserfahrung nach auch dabei nie sicher sein, dass alles den gewünschten Vorstellungen nach abläuft. Ein derartiges Risiko erhöht sich jedenfalls dadurch, dass der Grenzposten - so wie die bP angab - durch syrische, irakische und Organe der UNO besetzt waren und dadurch die Wahrscheinlichkeit zu pflichtgemäßem Handeln idR der allgemeinen Lebe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten