TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/22 W237 2160963-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2019
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Entscheidungsdatum

22.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W237 2160963-1/10E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 06.11.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2017, Zl. 15-1081959700/151053784, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2018 und 06.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, iVm §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: AsylG 2005), § 57 und § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), und § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 10.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, Staatsangehöriger von Somalia und am XXXX geboren worden zu sein.

1.2. Am nächsten Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei brachte er zunächst vor, aus Mogadischu zu stammen, der Volksgruppe der Hawiye anzugehören und muslimischen Glaubens zu sein. Er könne weder lesen noch schreiben, habe keine Schulausbildung und noch nie gearbeitet. Er sei traditionell verheiratet, Kinder habe er jedoch keine. Im Juli 2015 habe er Mogadischu verlassen und sei mit dem Flugzeug in den Iran geflogen. Schließlich sei er über die Türkei und Griechenland nach Europa gelangt und folglich über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist, wo er um Asyl angesucht habe. Aus Somalia sei er geflohen, weil dort Krieg herrsche.

1.3. Mit Schriftsatz vom 07.03.2017 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter eine Säumnisbeschwerde, die er am selben Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einbrachte. Darin führte er aus, sein Antrag auf internationalen Schutz sei seit mehr als 15 Monaten beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig; "die Entscheidungsfrist des § 22 Abs. 1 AsylG von 15 Monaten" sei daher verstrichen. Es werde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und Asyl oder gegebenenfalls subsidiären Schutz zuerkennen.

1.4. In weiterer Folge lud das Bundesamt den Beschwerdeführer zu einer Einvernahme am 16.05.2017, in welcher er im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache ausführlich zu seiner Herkunft, seinem Lebenslauf in Somalia, seinen Familienangehörigen sowie seinen Fluchtgründen befragt wurde. Hierbei führte der Beschwerdeführer an, dass seine Ehefrau alleine und ohne Verwandte in Mogadischu lebe. Vor ungefähr fünf Monaten habe er mit seinen Eltern telefoniert, die ihm gesagt hätten, dass sie nach Äthiopien geflüchtet seien; genaueres könne er nicht angeben. Seine Eltern hätten in Mogadischu zwei Häuser besessen, nach seiner Hochzeit mit seiner Frau habe er in einem Haus gemeinsam mit seiner Frau gelebt. Ein Cousin seines Vaters lebe weiterhin in Mogadischu, dieser sei nicht verheiratet und lebe alleine. Wenn es keine Probleme gäbe, würde der Beschwwerdeführer auch wieder nach Mogadischu zurückgehen und bei seinem Cousin leben, der ihn auch versorgen könnte.

Zu seinem Fluchtgrund führte er an, dass er von der Regierung gesucht werde. Andere Jugendliche in Mogadischu seien nach ihm gefragt worden, es gebe allerdings keinen Haftbefehl. Im Mai 2015 seien Mitglieder der Al Shabaab zum Beschwerdeführer gekommen und hätten ihm gesagt, er solle als Spion tätig werden und Regierungsinformationen an sie weitergeben, andernfalls werde er von ihnen getötet. Er habe schließlich Informationen darüber weitergegeben, wo Regierungssoldaten unterwegs seien. Einige Tage danach sei er in einem Auto mit einer Pistole bedroht und geschlagen worden. Die Al Shabaab habe ihn inhaftiert und zum Selbstmordattentäter ausbilden wollen. Der Beschwerdeführer habe das nicht gewollt, er sei dort zwei Monate lang eingesperrt gewesen. Man habe in sein Essen Medikamente gegeben und er sei fünf Minuten nach der Mahlzeit eingeschlafen. Er vermute, dass sie versucht hätten, ihn mit diesen Medikamenten umzustimmen. Schließlich habe er zugestimmt, einen Auftrag zu erledigen und sei nach Mogadischu gebracht worden. Bei einer Veranstaltung von "Radio Mogadischu" habe er verdeckt gearbeitet und seine Informationen an zwei Al Shabaab-Mitglieder weitergegeben. Die Al Shabaab sei zwar mit Regierungsleuten vernetzt, es gebe jedoch auch Mitglieder der Regierung, die nicht mit ihr zusammenarbeiteten; diese würden dann von der Al Shabaab ausspioniert werden. Der Vorgesetzte habe nach diesem Auftrag gewollt, dass der Beschwerdeführer weitere Aufträge durchführe. Ihm sei schließlich die Flucht gelungen, weil es eine Schießerei gegeben habe. Er habe Angst, bei einer Rückkehr von der Al Shabaab oder der Regierung umgebracht zu werden.

Zu seinem Clan befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass es sich bei den Hawiye um einen sehr angesehenen und großen Clan handle, der in Mogadischu angesiedelt sei.

Zu seinem Leben in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er derzeit von der Grundversorgung lebe. Er gehöre außerdem einer Theatergruppe an.

Der Beschwerdeführer legte in der Einvernahme folgende Unterlagen vor:

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Bestätigungsschreiben der Heimleitung eines Flüchtlingsheims vom 24.04.2017, wonach der Beschwerdeführer sehr hilfsbereit sei und sich stets zu gemeinnützigen Tätigkeiten gemeldet habe; er sei sehr integriert und trage zu einem positiven Wohngemeinschaftsklima bei;

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Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs A2 von März 2016 - Mai 2017;

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Bestätigungsschreiben der Tiroler Festspiele vom 17.11.2016 über die Teilnahme des Beschwerdeführers als Statist in einer Oper.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 23.05.2017 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, es sei unglaubwürdig, dass die Regierung den Beschwerdeführer einsperre und an die Al Shabaab ausliefere. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Erstbefragung lediglich vorgebracht, Somalia wegen allgemeiner Kriegszustände verlassen zu haben, eine Bedrohung oder Entführung durch die Al Shabaab habe er jedoch nicht erwähnt. Eine Gruppierung wie die Al Shabaab könne es sich nicht leisten, für sie unbedeutende Einzelziele wie den Beschwerdeführer zu verfolgen. Der Beschwerdeführer habe sich darüber hinaus auch in Widersprüche verwickelt; so habe er unterschiedliche Orte angegeben, wo er das erste Mal Kontakt mit den Al Shabaab Milizen gehabt habe. Mogadischu befinde sich unter Kontrolle der Regierung und AMISOM, es bestehe weder eine Präsenz der Al Shabaab noch ein Risiko, von der Al Shabaab dort zwangsrekrutiert zu werden. Es sei zudem absurd, dass der Beschwerdeführer ohne Bewachung zu einer Veranstaltung gefahren sei, nachdem man ihn zuvor zwei Monate inhaftiert habe. Es sei auch nicht miteinander vereinbar, wenn der Beschwerdeführer einerseits angebe, die Al Shabaab und die Regierung hätten untereinander gute Kontakte, andererseits behaupte, die Al Shabaab setze Leute zu Spionagezwecken ein. Mangels Konretisierung und Nachvollziehbarkeit seiner Angaben sei dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen. Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, der in Mogadischu zumindest durch die Ausübung von Gelegenheits- oder Hilfsarbeiten sein notwendigstes Auslangen finden könnte. Ein schützenswertes Privatleben in Österreich sei zudem nicht entstanden.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 23.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten Bescheid vollinhaltlich Beschwerde, in der er ausführte, er sei von der Al Shabaab zu Spionagetätigkeiten gezwungen worden, wobei sie ihn regelmäßig unter Drogen gesetzt hätten. Dass er befürchte, mit der Regierung Schwierigkeiten zu bekommen, weil er für die Al Shabaab gearbeitet habe, sei seine persönliche Meinung und zeige nicht auf, dass sein Vorbringen deshalb unglaubwürdig sei. Der Vorwurf, er habe sein Vorbringen massiv gegenüber der Erstbefragung gesteigert, sei unverständlich und erscheine rechtswidrig. Die Polizei sei im August 2015 mit der Anzahl der Asylwerber überfordert gewesen, weshalb die damalige Kurzfassung der Fluchtgründe nicht verwundere. Richtigerweise habe er jedoch auch damals angegeben, dass es in Somalia Krieg gebe - und diesen gebe es in erster Linie wegen der Al Shabaab. Er habe auch detaillierte und gleichlautende Angaben zu den Örtlichkeiten seines Fluchtvorbringens gemacht. Angesichts der Hungersnot in Somalia sei es auch nicht unglaubwürdig, dass sich seine Familie überwiegend nach Äthiopien begeben habe. Durch die zwangsweise Rückkehr vieler Somalis aus dem Jemen bzw. aus Kenia sei es zu einer schwierigen humanitären Situation in Mogadischu gekommen.

3.1. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.04.2018 mit dem Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

In dieser gab der Beschwerdeführer an, in seinem bisherigen Verfahren stets die Wahrheit angegeben und die Dolmetscher in den Befragungen im Verwaltungsverfahren gut verstanden zu haben Er gehöre dem Clan der Hawiye, Subclan Abgaal, Subsubclan XXXX , an und sei in Mogadischu im Bezirk Shibis mit seinen Eltern, drei Schwestern sowie drei Brüdern aufgewachsen; nur eine Schwester und ein Bruder seien jünger als er. Dem Beschwerdeführer wurden weiters nähere Nachfragen zu seinem Heimatbezirk gestellt. Im Jahr 2015 habe er seine Frau geheiratet, Kinder habe er hingegen keine. Dem Beschwerdeführer wurden anschließend nähere Fragen zu seinem Schulbesuch in Mogadischu gestellt.

Die Familie habe von der Vermietung zweier geerbter Häuser in Shibis gelebt und selbst ein drittes bewohnt. Sie seien aber alle sehr arm gewesen und hätten wegen einer lang andauernden Dürre keine Arbeit annehmen können. Mittlerweile seien seine Familienangehörigen inklusive seiner Ehefrau aber nach Äthiopien gezogen; nur sein älterer Bruder lebe noch in Mogadischu, dieser sei aber von der Terrormiliz Al Shabaab verhaftet worden, weil er sich geweigert habe, sich ihr anzuschließen. Weiters befinde sich noch ein Onkel irgendwo in Somalia, der Beschwerdeführer habe aber noch nie Kontakt mit diesem gehabt. Fünf Monate nach seiner Einreise in Österreich habe der Beschwerdeführer mit seiner Mutter in Äthiopien telefoniert, er wisse aber nicht genau, wo sie sich befinde. Dem Beschwerdeführer wurden in weiterer Folge nähere Fragen betreffend die Kontaktaufnahme mit seiner Mutter gestellt und ihm dabei Ungereimtheiten vorgehalten.

Nach seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass eines Nachts bewaffnete Männer der Al Shabaab gekommen seien, die ihn um Auskunft über die Aufenthaltsorte von Regierungsmitgliedern gefragt hätten. Zwei Tage später seien sie mit einem Fahrzeug wiedergekommen und hätten den Beschwerdeführer aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Nachdem der Beschwerdeführer dies verweigert habe, sei er zu einem Stützpunkt außerhalb Mogadischus entführt und dort für ungefähr zwei Monate unter Indoktrinierungen und Folter in Einzelhaft gefangen gehalten worden. Schließlich habe er eingewilligt, bei einer Jahreskonferenz des Radiosenders "Radio Mogadischu" in einem Hotel für die Al Shabaab zu spionieren. Nach diesem Einsatz sei er aufgefordert worden, Anschläge durchzuführen, was er aber mehrmals verweigert habe. Als der Stützpunkt, in dem er gefangen gehalten worden sei, von Regierungssoldaten angegriffen worden sei, habe er die Gelegenheit zur Flucht genützt. Nach seiner Rückkehr zu seiner Familie habe diese ihm zur sofortigen Ausreise im Juli 2015 verholfen. Die 8.000,- US-Dollar für seine Reise nach Europa habe sich die Familie von einem Nachbarn ausgeliehen.

Der Beschwerdeführer wurde daraufhin zu den näheren Umständen seiner Ausreise aus Somalia sowie zu einzelnen Punkten seines Vorbringens befragt. Anschließend hielt ihm der erkennende Richter Widersprüche und Ungereimtheiten in seinem Vorbringen vor.

Zu seinem Leben in Österreich befragt gab der Beschwerdeführer an, allein in einer Flüchtlingsunterkunft in Tirol zu wohnen. Er habe keine Arbeit, sei unbescholten und lebe von der Grundversorgung. Sollte er in Österreich bleiben können, würde er gern Automechaniker werden und sich weiterbilden; Vorkenntnisse habe er allerdings keine und er könne auch nicht autofahren. Er spreche ein wenig Deutsch; dem Beschwerdeführer wurden daraufhin ein paar kurze Frage in deutscher Sprache gestellt, die er entsprechend beantwortete. Einmal habe er bei den Tiroler Festspielen mitgearbeitet.

Zu den ihm mit der Ladung zur Verhandlung übermittelten Berichten zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Somalia gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab. Weiters wurden Berichte über die aktuelle humanitäre Situation ins Verfahren eingeführt; der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers behielt sich dazu eine Stellungnahme innerhalb zweier Wochen vor.

3.3. Am 06.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung mit ihm durch.

3.3.1. Der Beschwerdeführer gab darin an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Er bestätigte seine in der ersten mündlichen Verhandlung getätigten Angaben. Einmal habe er mit seiner Mutter telefoniert, als sie bereits in Äthiopien gewesen sei. Beim Kontaktaufbau habe den Beschwerdeführer sein Freund Ahmed unterstützt; dieser stehe auch als Zeuge zur Verfügung. Seine Mutter habe beim ersten Telefonat große Angst gehabt und ihm nicht alles erzählt, zumal sein Bruder ein Mitglied der Al Shabaab geworden sei. Mittlerweile habe er noch einmal mit seiner Mutter telefoniert, die derzeit krank sei und in XXXX lebe.

Zu momentanen beruflichen Tätigkeiten befragt meinte der Beschwerdeführer, er habe von Juni 2017 bis März 2018 in einem Altersheim in Kufstein als Abwäscher gearbeitet. Eine Bestätigung dafür könne er nicht vorlegen und in der ersten Verhandlung habe er vergessen, diesen Umstand zu erwähnen. Seit der letzten Verhandlung habe er auch keinen Deutschkurs besucht.

Zu den ihm in der Ladung zur Verhandlung mitübermittelten Länderberichten legte der Rechtsvertreter ergänzend den "Humanitarian Response Plan - July-December 2018" des Office for the Coordination of Humanitarian Affairs der Vereinten Nationen vor. Darin sei festgehalten, dass die humanitäre Krise in Somalia nicht beendet und die internationale Hilfe unterfinanziert sei. Humanitäre Hilfe im Großraum Mogadischu werde durch diverse Warlords behindert. Dies stimme auch mit den Länderinformationen der im Vorfeld der Verhandlung vorgehaltenen Berichte überein. Bei den IDPs in Mogadischu sei die Zahl von schwer unterernährten Personen kritisch. Dazu komme, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge bzw. Rückkehrer limitiert und Rückkehrhilfen unsicher seien. Angesichts dessen, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers nicht mehr in Mogadischu leben würden, die Stadt mit Rückkehrern überlaufen sei und der Beschwerdeführer aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht anderswo in Somalia leben könnte bzw. dürfte, sei ihm subsidiärer Schutz zu erteilen.

3.3.2. Nach Schluss der Verhandlung verkündete der erkennende Richter den Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses samt den tragenden Entscheidungsgründen.

3.4. Mit Schreiben vom 08.11.2018 beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter Pkt. I dargelegte Verfahrensgang wird zum Inhalt der Feststellungen erhoben.

1.2. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, gehört dem Mehrheitsclan der Hawiye, Subclan Abgaal, Subsubclan XXXX , an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er wurde in Mogadischu geboren, wo er im Bezirk Shibis aufwuchs und bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 gemeinsam mit seinen Eltern und seinen sechs Geschwistern lebte. Im Jahr 2015 ehelichte er seine Frau, mit der er keine Kinder hat. Die Familie lebte bislang - zumindest teilweise - von der Vermietung zweier Häuser im Heimatbezirk und bewohnte selbst ein drittes Haus. Die Eltern und zumindest einige Geschwister des Beschwerdeführers sowie seine Frau leben nach wie vor in Mogadischu.

Der Beschwerdeführer reiste im Sommer 2015 von Somalia über den Iran und die Türkei nach Griechenland, von wo er sich schließlich über den Landweg nach Österreich begab und hier am 10.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers. Er ist in der Lage, sich auf grundlegendem Alltagsniveau in deutscher Sprache zu verständigen, zwischen März 2016 bis Mai 2017 besuchte er einen Deutschkurs des Sprachnieveaus A2. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von der Grundversorgung. Im Jahr 2016 beteiligte er sich bei den Tiroler Festspielen Erl als Statist, weiters wirkte er an gemeinnützigen Tätigkeiten in seiner Flüchtlingsunterkunft mit und arbeitete von Sommer 2017 bis März 2018 in einem Altersheim in Kufstein als Abwäscher.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und steht in Österreich nicht in medizinischer Behandlung.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2.2. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen konnte nicht festgestellt werden. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in Mogadischu oder vor seiner Ausreise bzw. aktuell unter besonderer Armut leben würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Quellen:

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz der AMISOM (Mission der Afrikanischen Union in Somalia) in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in diesem Land zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf.

Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).

UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (NHRC 10.12.2017a).

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten:Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

Quellen:

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Benadir / Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017).

Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vgl. UKUT 3.10.2014, vgl. EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017).

Die Sicherheitslage hat sich also verbessert (UNSOM 13.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017), bleibt aber volatil (UNSC 5.9.2017). Die MSM hat einige Erfolge verzeichnet, darunter Maßnahmen zur Entwaffnung von Milizen und Zivilisten. Auch die Polizei in Mogadischu funktioniert merklich besser, als vor drei oder vier Jahren. Das Polizeikontingent der AMISOM ist aktiv. Es werden in der ganzen Stadt regelmäßig Patrouillen durchgeführt. Zusätzlich befinden sich Stützpunkte der Armee an neuralgischen Punkten der Stadt. Auch die National Intelligence and Security Agency (NISA) und ihre Spezialeinheiten werden in Mogadischu eingesetzt. Der wichtigste Faktor in Mogadischu ist aber die Präsenz der AMISOM. Sie ist in Mogadischu mit je einem Bataillon aus Uganda und Burundi, mit dem militärischen Stab und mit rund 300 Polizisten präsent. In einem gewissen Ausmaß stellt sie für al Shabaab einen Abschreckungsfaktor dar. Sie macht es für AS schwieriger, in die Stadt zu gelangen (BFA 8.2017). Auch die Regierung zeigt einige Bemühungen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Allerdings sind diese ungenügend; korrupte, unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der al Shabaab, Mogadischu zu infiltrieren (ICG 20.10.2017).

Mogadischu ist folglich nicht absolut abgeschottet (BFA 8.2017). Der Amniyat ist schon seit Jahren in der Stadt aktiv und konnte Sicherheitsstrukturen unterwandern (ICG 20.10.2017). Insgesamt reicht die in Mogadischu gegenwärtig gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte nicht aus, um eine flächeneckende Präsenz sicherzustellen. Al Shabaab hingegen verfügt eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017). Diese Präsenz ist aber keine offen militärische, sondern eine verdeckte (DIS 3.2017). Diese ist in den Außenbezirken stärker, als in den inneren. Zentral-Mogadischu ist relativ konsolidiert. Gleichzeitig hängt die Präsenz der Gruppe auch von der Tageszeit ab. Die nördlichen Bezirke - v.a. Dayniile und Heliwaa - werden in der Nacht von al Shabaab kontrolliert (BFA 8.2017).

Insgesamt scheint sich die al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität verlegt zu haben. Dabei sucht die al Shabaab ihre Ziele v.a. im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017; vgl. LI 1.4.2016). Ob Mogadischu als sicher oder unsicher bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung und von persönlichen Erfahrungen ab (BFA 8.2017). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014).

Mindestens einmal pro Monat kommt es zu einem signifikanten Sprengstoffanschlag. Tödliche, von al Shabaab inszenierte Zwischenfälle ereignen sich regelmäßig. Pro Monat töten die Islamisten ca. 20 Personen in Mogadischu. Dabei richten sich die Aktivitäten vorwiegend gegen die Regierung. Zusätzlich sind neben der al Shabaab auch andere Akteure für Mode und Attentate verantwortlich (BFA 8.2017). Bis in den Oktober 2017 hat Mogadischu eine moderate Verbesserung der Sicherheitslage erlebt. Die Zahl an Attentaten und Anschlägen ging zurück, die Sicherheitskräfte konnten einige Angriffe erfolgreich verhindern (ICG 20.10.2017). Andererseits schien sich al Shabaab später aus taktischen Überlegungen heraus auf Mogadischu zu konzentrieren. Dort sollen Anschläge - speziell auf sogenannte "soft targets" (z.B. Hotels und Märkte) - verstärkt werden (UNHRC 6.9.2017). In welche Richtung sich die Sicherheitslage mittelfristig entwickeln wird, ist schwer einschätzbar (BFA 8.2017).

An der im September 2015 dargestellten Situation hat sich gemäß der Informationen der Fact Finding Mission 2017 nichts Wesentliches geändert (BFA 3./4.2017):

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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