TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/29 W274 2181409-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2019
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Entscheidungsdatum

29.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W274 2181409-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , iranischer Staatsbürger, XXXX ), vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017, GZ. 1076794605-160996670 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am 18.07.2016 bei der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug des BMI internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er im Rahmen der Erstbefragung an, er sei zum Christentum übergetreten, weshalb er von den iranischen Behörden verfolgt werde. Er habe Angst um sein Leben.

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 04.12.2017 gab er im Wesentlichen an, bis zu seinem 24. Lebensjahr die Moschee im Iran besucht zu haben, jedoch zu diesem Zeitpunkt auf wesentliche Glaubensfragen keine Antwort im Islam gefunden zu haben. Er habe in Wien den Priester XXXX kennengelernt, sei von diesem begeistert gewesen, weil er ihm Antworten auf seine Fragen habe geben können, außerdem sei die Kirche nicht weit entfernt gewesen. Er habe am 23.11.2015 erstmals die Kirche besucht und Ende April 2016 seinen Glauben gefunden. Im Juni 2016 habe er bei einer Veranstaltung im Studentenheim offen über seinen Glauben gesprochen. Später habe man ihm gesagt, dass eine Denunziantin aus dem Iran anwesend gewesen sei, die Informationen über Konvertiten an die iranische Botschaft weitergebe. Er glaube, sein Telefon werde überwacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG, erließ eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.) und bestimmte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen (Spruchpunkt IV.). Die Fluchtgeschichte rund um Bedrohungen aufgrund einer vermeintlichen Konversion sei nicht glaubhaft. Im Iran ergebe sich keine extreme Gefahrenlage gegenüber der Zivilbevölkerung bzw. eine unmenschliche Behandlung bewirkende humanitäre Situation, auch die Versorgung im Iran sei grundsätzlich gewährleistet. Es bestünden keine wesentlichen integrativen Bindungen zu Österreich. Nach der gebotenen Interessensabwägung sei eine Rückkehrentscheidung zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem primären Antrag, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Am 26.11.2018 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in der der BF einvernommen wurde und in der weitere Urkunden vorgelegt wurden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Festgestellt wird:

Fallbezogen stellt sich die Lage im Iran dar wie folgt:

Allgemeine Lage

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Der aus Dezfool im Bundesstaat Khuzestan stammende BF besuchte dort die Grundschule, erwarb die Matura in Ahwaz und studierte dort sodann Logopädie. Er ist ledig. Seine Familie lebt im Iran.

Nach mehrjährigen Vorbereitungen reiste der BF am 01.10.2015 mit einem österreichischen Studentenvisum per Flugzeug über Istanbul nach Österreich. Nicht festgestellt werden konnte, zu welchem Studium er in Österreich zugelassen wurde. Nach einer gewissen Deutschvorbildung im Iran (Goethe-Zertifikat B1 vom 21.01.2015, AS 77), besuchte er in Österreich Deutschkurse, unter anderem vom 04.10.2016 bis 27.01.2017 sowie vom 16.01.2017 bis 17. März 2017 am Sprachenzentrum der Uni Wien. Nachdem ihm dort der positive Abschluss eines B2-Kurses nicht möglich war, erwarb er am 03.08.2017 das B2-Zertifikat beim ÖSD (AS 120 bis 121). Mit Schreiben vom 04.11.2016 von XXXX wurde die im Iran erworbene Qualifikation des BF als einem österreichischen Fachhochschul- Bachelor-Studiengang der Logopädie entsprechend bestätigt und nostrifiziert (AS 89). Der BF nahm mangels entsprechender Deutschkenntnisse in Österreich zunächst keines seiner geplanten Studien auf. Die Gültigkeit seines ersten Studentenvisums endete am 20.10.2016 (AS 21).

Der BF erhielt über eine Werbeaktion der iranisch-christlichen Gemeinde am 17.11.2015 eine persische Bibel geschenkt und besuchte über diese "Werbeaktion" am 23.11.2015 erstmals diese Gemeinde. Er war von Glaubensgesprächen mit XXXX , Leiter und Pastor dieser Gemeinde, begeistert. Ab Jänner 2016 besuchte er dort regelmäßig die Kirche. Er besuchte im Jahr 2016 einen aus zwei Einheiten bestehenden Taufkurs, wobei die erste Einheit aus zehn Wochen mit zwei Stunden wöchentlich und die zweite Einheit (Hauptteil) aus vier Monaten, zwei Stunden wöchentlich, bestand. Der Kurs wurde von XXXX gehalten. Der Taufvorbereitungskurs fand in einer Gruppe von 20 bis 30 Persern und Afghanen statt und wurde auf Farsi gehalten. Am 24.09.2016 wurde der BF in der oben genannten Gemeinde getauft (Beilage ./E und AS 69). Er besuchte und besucht auch weiterhin regelmäßig die Gottesdienste und Veranstaltungen dieser Gemeinde, singt im Chor und leistet gelegentlich Küchendienst und Hilfe beim Kinderprogramm (Beilage ./F). Das Angebot der Evangeliumsgemeinde mit nunmehrigen Sitz in der Karl-Popper-Straße 16, 1100 Wien, zu der die iranisch-christliche Gemeinde gehört, umfasst Gottesdienste sowohl auf Farsi als auch auf Deutsch. In letzter Zeit besucht der BF auch alle zwei Wochen die Messe auf Deutsch am Sonntag. Ihm ist wichtig, in der christlichen Religion direkten Zugang zu Gott zu finden. Die iranisch-christliche Gemeinde als Teilgemeinde der Evangeliumsgemeinde ist eine staatlich anerkannte Freikirche als Mitglied des Bundes der Freikirchen Österreichs.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF im Sommer 2016 im Studentenheim in Anwesenheit weiterer Iraner offen über den Glauben sprach und ihm in weiterer Folge zugetragen wurde, es wäre eine Iranerin anwesend gewesen, die Informationen über Konvertiten an die iranische Botschaft weitergebe. Nicht festgestellt werden konnte auch, dass im Anschluss an diese Begebenheit bzw. generell Telefongespräche des BF, die er mit seiner Familie im Iran führte, abgehört werden.

Der BF verfügt über ein - gemessen an seiner Aufenthaltsdauer in Österreich - beachtliches Wissen über die Bibel und besucht in der Iranischen Christlichen Gemeinde in Wien nunmehr seit etwa drei Jahren ununterbrochen Gottesdienste und beteiligt sich am Gemeindeleben. Er ist innerlich vom Christentum in dem Sinn überzeugt, dass er in den ihm im Rahmen seiner Freikirche vermittelten Lehren und der Bibel Antwort auf seine Lebensfragen findet. Er hätte aufgrund dessen das Bedürfnis, seinen christlichen Glauben auch unter geänderten Lebensumständen wie zB im Iran durch Gottesdienstbesuche, Gespräche mit seiner Umgebung und Glaubensbezeugungen auszuleben.

Der BF besuchte in Österreich mehrere Integrationskurse. Er ist unbescholten. Er besucht seit dem 04.09.2017 das Bundesinstitut für Sozialpädagogik (BISOP) in Baden. Es handelt sich um ein viersemestriges College für Sozialpädagogik. Voraussichtlich soll dieses Studium im Juni 2019 beendet sein (AS 201 f). Der BF wird dort seitens der Lehrerschaft als auch der Mitschüler als integrationswillig und insbesondere um sprachliche Weiterentwicklung bemüht erlebt (Beilage ./G). Er besucht zusätzliche Veranstaltungen (Fachfortbildungen, Beilagenkonvolut ./G). Er plant, nach Beendigung dieses Studiums in Österreich seine Logopädentätigkeit aufzunehmen. Er befindet sich in Grundversorgung, lebt in einem gemieteten Zimmer und bezieht monatlich Euro 310,--. Der BF arbeitete von Februar bis April 2017 für die Caritas ehrenamtlich wöchentlich eine Stunde mit einer Klientin logopädisch (AS 223). An der derzeitigen Adresse XXXX lebt er seit dem 06.10.2017.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Herkunft, Schulausbildung und Vergangenheit im Iran folgen den glaubwürdigen Angaben des BF im Einklang mit vorliegenden Urkunden. Urkundlich belegt ist auch die im Iran erfolgte Ausbildung zum Logopäden sowie deren Nostrifizierung in Österreich. Ebensolches gilt für die Erteilung und Gültigkeitsdauer des Studentenvisums in Österreich. Auch die festgestellte Sprachqualifikation sowie der Collegebesuch in Österreich sind durch institutionelle Urkunden belegt. Ebensolches gilt für in Österreich erfolgte Integrationsmaßnahmen.

Die Glaubensgeschichte des BF in Österreich ist durch mehrere individuell abgefasste Schreiben des Pastors der iranisch christlichen Gemeinde XXXX (Beilage ./E) sowie des Pastors der Evangeliumsgemeinde (zu der die Iranisch Christliche Gemeinde gehört), XXXX (Beilage ./F), dokumentiert. Der BF gab persönlich glaubwürdig vor Gericht und stringent mit seinen Angaben vor dem BFA und den vorgelegten Urkunden an, erst in Österreich zum Christentum gefunden zu haben. Vor dem Hintergrund konkret geschilderter, bereits in Iran bestehender persönlicher Zweifel am bisherigen - islamischen - Glaubensgebäude (Niederschrift BFA S 5), scheint es durchaus nachvollziehbar, wenn er in Österreich über eine Bibelwerbeaktion zu einer Farsi-sprachigen Gemeinde gelangt, in der er Gleichgesinnte findet und dort für ihn befriedigende Antworten erhielt. Bei Gericht schilderte der BF mit persönlicher Anteilnahme seine Glaubensfragen und die diesbezüglich vom Pastor XXXX gegebenen Antworten. Der BF erschien einerseits emotional begeistert von seinem neuen Glauben, war aber auch hinsichtlich der biblischen Grundlagen und der institutionellen Einordnung durchaus gut informiert. Insbesondere das Schreiben des XXXX vom 24.11.2018 war individuell abgefasst und enthält sehr präzise Angaben über den vom BF absolvierten Glaubenskurs als auch dessen weiteren Werdegang in der Gemeinde. Im Wesentlichen sind diese Angaben, jene des Pastors RING und jene des BF vor Gericht als auch dem BFA übereinstimmend. Das Interesse des BF an Glaubensfragen geht auch aus dem Schreiben eines XXXX vom 03.12.2017, AS 204 hervor, wonach der BF über eine Vermittlung durch die Evangeliumsgemeinde zeitweise an einem Hausbibelkreis am Wienerberg, der offenbar hauptsächlich von Österreichern besucht wird, teilnahm. Bereits die Ausführungen des BF vor dem BFA ließen - gemessen an der Zeit seiner Beschäftigung mit dem Christentum - durchaus von einer Informiertheit über die Bibel und christliche Grundwahrheiten hervorgehen. Unabhängig davon, ob die Namen "Kain" und "Abel" damals richtig übersetzt wurden, kann einer einzelnen "nicht richtig" beantworteten Frage nach biblischen Inhalten keine wesentliche Bedeutung zukommen. Insbesondere konnte der BF sehr anschaulich von praktischer Seite her die Unterschiede zwischen katholischer und protestantischer Auffassung darlegen (AS 145). Insgesamt wirken die Antworten nicht eingelernt. Die Antworten auf Seite 9 und 10 des Protokolls vor dem BVwG auf Fragen nach seiner Glaubensgrundlegung lassen durchaus auf persönliche Beschäftigung mit der und eine Begeisterung an der Sache schließen. Bei der Schilderung seines Kirchenbesuches schien er maßvoll ("wenn es mir nicht möglich ist und ich Prüfungen habe, gehe ich alle zwei Wochen hin", Seite 9). Ein weiteres Indiz für die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF ist auch der lebendig geschilderte Umstand, dass sich sein Glauben erst nach mehrmonatigem Besuch der Gottesdienste und erst auf Grund eines vom Pastor gesagten, für den BF "großartigen" Satzes, einstellte. Die Feststellung, dass der BF auch bei geänderten Verhältnissen und im Iran das innere Bedürfnis hätte, seinen christlichen Glauben durch Gottesdienstbesuche, Gespräche mit seiner Umgebung und Glaubensbezeugungen auszuleben, somit eine Prognose, ist die Konsequenz aus der - oben begründeten - Feststellung der inneren Konversion.

Die Negativfeststellungen hinsichtlich der Behauptungen, infolge von Gesprächen über seinen Glauben im Studentenheim seien Informationen über ihn an die iranische Botschaft in Wien weitergegeben worden, die zu Telefonüberwachungen geführt hätten, folgen dem Umstand, dass die Angaben zu seinen "Informanten" sehr vage waren und auch die Beschreibung der Umstände, woran er Überwachungsmaßnahmen zu erkennen glaubte, nicht näher verifizierbar waren. Dies ändert aber nichts an der Glaubhaftigheit des BF im Allgemeinen und seiner Angaben zur Annahme des christlichen Glaubens, dies im Kontext mit den übrigen diesbezüglichen Beweisergebnissen.

Die Feststellungen zur Verfolgungssituation von Christen im Iran beruhen auf dem LIB der Staatendokumentation in der zitierten Fassung.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylauschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

-

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

-

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

-

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

-

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

-

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

-

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach den alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Absatz 1 b, RL 2011/95/EG, kann einem Flüchtling nicht zugesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das "Forum Internum" zu beschränken, somit seinen Glauben heimlich auszuüben. Diesem muss die öffentliche Ausübung des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein (Forum Externum)".

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB. Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Wie in den Länderfeststellungen aufgezeigt, bedeutet der Abfall vom Islam nach islamischem Verständnis einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und es ist nicht auszuschließen, dass der BF bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.

Wie festgestellt erlangte der BF, der durchaus eine islamisch-schiitische Vergangenheit im Iran hat aber in den letzten Jahren Glaubenszweifel hatte, Ende 2015 Kontakt zur iranisch christlichen Gemeinde in Wien, absolvierte dort einen Taufvorbereitungskurs, empfing im September 2016 die Taufe und nimmt seither regelmäßig am Gemeindeleben, sowohl in der iranischen Gemeinde selbst als auch an deutschsprachigen Gottesdiensten teil. Aufgrund seiner innerhalb vor gut zweieinhalb Jahren erfolgten inneren Konversion ist es durchaus glaubhaft, dass dem BF im Falle eine Rückkehr in den Heimatstaat bei zuzubilligender weiterer Auslebung seines Glaubens Verfolgungsgefahr droht. Im Fall einer Rückkehr in den Iran könnte er als nicht geborener Christ keinerlei der jetzigen Glaubensbetätigung entsprechende Ausübung des christlichen Glaubens vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom Christentum zu überzeugen, würde sich der BF einer beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen. Er würde daher bei Rückkehr in sein Heimatland Gefahr laufen, auf Grund seiner Religionszugehörigkeit asylrelevant verfolgt zu werden.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist auf Grund des Umstands, dass die Verfolgung im gesamten Staatsgebiet des Iran besteht, auszuschließen.

Da der BF daher den Flüchtlingsbegriff des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt und kein Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 hervorkam, war der Beschwerde Folge zu geben, dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festzustellen, dass diesem kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Angesichts des Umstandes, dass seit der erstinstanzlichen Entscheidung mittlerweile ein Zeitraum von etwa einem Jahr vergangen ist, in dem sich die Beschäftigung des BF mit der christlichen Glaubenslehre und die Ausübung des Glaubens fortgesetzt hat, kann eine nähere Auseinandersetzung mit der Argumentation des BFA, die auf einer nunmehr als überholt zu betrachtenden Sachlage beruht, dahinstehen. Nur angemerkt wird, dass es angesichts der oben dargestellten Umstände, die in ihrer Gesamtheit auf eine langandauernde innere Beschäftigung mit Glaubensfragen schließen ließen, nicht entscheidend darauf ankommt, ob Luther 99 oder 95 Thesen anschlug bzw diese als "Mitteilungen" übersetzt wurden und die "Emmaus-Geschichte" wiedergegen werden konnte, wobei diesbezüglich in der Beschwerde ein Übersetzungsfehler behauptet wurde. Wenn im Bescheid auf mangelnde Kenntnisse vom Aufbau der Freikirche hingewiesen wird, so bleibt offen, welche Erwartungen die belangte Behörde diesbezüglich hatte. Der - hier ohnehin nicht relevante - Unterschied zwischen katholisch und evangelisch konnte sehr anschaulich und mit wesentlichen Unterschieden der Lehre dargestellt werden (NS S 7). Die Gründe, warum er zur Freikirche kam, Anwerbung auf der Straße, Begeisterung im Laufe der Zeit durch den Pastor, waren für das Gericht glaubhaft.

Auf die hier letztlich anzuwendende Bestimmung des § 3 Abs 2 AsylG, Nachfluchtgründe, wurde seitens der belangten Behörde als möglicher Asylgrund gar nicht eingegangen. Wie festgestellt, zweifelte der BF bereits im Iran an wesentlichen Glaubenswahrheiten im Islam, weshalb die festgestellten Umstände der in Österreich erfolgten Konversion durchaus als Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung (hier eines Glaubensabfalls) zu sehen sind.

Der Beschwerde kommt daher insgesamt im Ergebnis Berechtigung zu.

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art 133 Abs 4 B-VG, wobei zur asylrechtlichen Bedeutung von Konversion allgemein und speziell bei Iranern bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Christentum,
Flüchtlingseigenschaft, religiöse Gründe, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2181409.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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